Versicherungspolicen von Holocaust-Opfern

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Nach den Banken gerieten im Berichtsjahr auch schweizerische Versicherungsgesellschaften wegen ihres Verhaltens gegenüber den Opfern und Überlebenden des Holocaust unter Beschuss. Anhand von konkreten Fällen wurde ihnen vorgeworfen, dass ihre deutschen Niederlassungen den Anordnungen der deutschen Behörden, die Policen jüdischer Bürger zugunsten Deutschlands zu liquidieren, nachgekommen seien. Ähnlich wie bei den Banken machten zudem Hinterbliebene von Opfern Ansprüche geltend, die sie aber mangels Versicherungsdokumenten nicht belegen können. Schweizer Versicherungen erwiderten, dass sie die nachrichtenlos gebliebenen Policen von möglichen Holocaustopfern bereits in den 60er Jahren an die Bundesbehörden gemeldet haben. Die seit 1996 durchgeführten Nachforschungen hätten in der Schweiz keine zusätzlichen Policen zutage gefördert; Anspruchsberechtigte bei deutschen Filialen seien hingegen entschädigt worden.

Edward Fagan, der bereits an einer Sammelklage gegen die Schweizer Grossbanken beteiligt ist, reichte im Namen von 10'000 Personen auch gegen mehrere europäische Versicherungskonzerne (darunter die schweizerischen Gesellschaften Zürich, Winterthur und Bâloise) bei einem Bezirksgericht in New York eine Sammelklage ein. In seiner im Namen von Überlebenden des Holocaust geführten Klage verlangte er eine Zahlung von je USD einer Mrd. von jeder der insgesamt sechzehn angeklagten europäischen Gesellschaften oder mindestens USD 750'000 je Police. Die betroffenen Versicherungen beantragten Ablehnung der Klage, da diese nicht bei einem amerikanischen Gericht einzureichen sei, sondern in den Ländern, wo sie ihre Geschäftssitze haben oder wo die Verträge abgeschlossen worden sind.

Analog zur Situation bei den Banken steuerte der Konflikt zwischen jüdischen Organisationen und amerikanischen Versicherungsaufsichtsbehörden einerseits und europäischen Versicherungskonzernen (darunter auch drei schweizerische) andererseits über allfällige nach dem zweiten Weltkrieg nicht honorierte Versicherungspolicen von Holocaust-Opfern auf eine Globallösung zu. Im April einigten sich einige Versicherungen (darunter die Zürich-Versicherung) mit der Gegenseite auf eine Absichtserklärung, nach dem Vorbild der Volcker-Kommission ein internationales Expertengremium zur Kontrolle der Suche der Versicherungen nach nicht eingelösten Policen und Anspruchsberechtigten zu schaffen und einen Fonds zur globalen Entschädigung der Opfer zu bilden. Im August schlossen sich weitere europäische Versicherungsgesellschaften (darunter auch die Bâloise und Winterthur) diesem Vorgehen an. Anfangs Jahr waren diese beiden schweizerischen Gesellschaften in den USA massiv kritisiert worden, weil sie sich geweigert hatten, ihre Archive für die amerikanischen Aufsichtsbehörden zu öffnen und diese auf den Rechtsweg via schweizerische Aufsichtsorgane verwiesen hatten. Zum Vorsitzenden der 13-köpfigen Kommission wurde im Oktober der ehemalige amerikanische Aussenminister Lawrence Eagleburger bestimmt. Kurz darauf gab das Komitee bekannt, dass sich sechs Versicherungen (darunter die drei schweizerischen) verpflichtet hatten, in den in der Absichtserklärung enthaltenen Hilfsfonds einen Betrag von USD 90 Mio. einzuzahlen. Analog zum Geschehen bei den Banken hatten auch hier amerikanische Bundesstaaten die Kläger mit Sanktionsdrohungen gegen die europäischen Versicherungen unterstützt. So hatten die Staaten New York und Florida Gesetze verabschiedet, die ihren Versicherungsaufsichtsbehörden Strafmassnahmen gegen nicht kooperationswillige Firmen erlaubt.

Die unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Staatssekretärs Lawrence Eagleburger stehende Kommission zur Regelung des Konflikts zwischen jüdischen Organisationen und amerikanischen Versicherungsaufsichtsbehörden einerseits und europäischen Versicherungskonzernen (darunter auch drei schweizerische) andererseits über allfällige während und nach dem zweiten Weltkrieg nicht honorierte Versicherungspolicen von Holocaust-Opfern führte ihre Arbeit weiter. Bei diesen Verhandlungen war vor allem die Bewertung dieser nicht honorierten Versicherungspolicen umstritten.

Die unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Staatssekretärs Lawrence Eagleburger stehende Kommission zur Suche von nach dem Zweiten Weltkrieg nicht honorierten Versicherungspolicen von Holocaust-Opfern publizierte eine Liste mit knapp 20'000 Namen von Inhabern nicht ausbezahlter Versicherungspolicen. Damit soll allfälligen Inhabern und ihren Erben geholfen werden, Informationen über die Existenz von Versicherungsverträgen zu erhalten.