AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps offenen Brief an die Bevölkerung

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Da die Äusserungen der Arbeitgeber und der Vertreter von FDP und SVP - insbesondere auch die immer wieder vorgebrachte These, wonach die AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps stehe - vor allem in der älteren Bevölkerung bedeutende Ängste auslösten, griff Bundesrätin Dreifuss schliesslich zu einem für schweizerische politische Verhältnisse ungewohnten Mittel. Sie liess der Presse einen offenen Brief an die Bevölkerung zukommen, in welchem sie das materielle Fundament der AHV bis über die Jahrtausendwende hinaus als solide und für die Sicherung der Renten ausreichend taxierte, weshalb sich ihrer Ansicht nach auch die Anhebung des Rentenalters der Frauen im Rahmen der 10. AHV-Revision nicht aufdränge. Da der Gesamtbundesrat im Vorjahr beschlossen hatte, sich entgegen seiner ursprünglichen Haltung dieser Erhöhung des Rentenalters nicht zu widersetzen, sah sich Dreifuss dem Vorwurf der bürgerlichen Parteien ausgesetzt, mit ihrer Initiative das Kollegialitätsprinzip verletzt zu haben.

Diese Zahlen, die sich bereits in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres abzeichneten, gaben jenen Stimmen vor allem aus Arbeitgeberkreisen Auftrieb, die schon seit einiger Zeit Bundesrätin Dreifuss angriffen und ihr unterstellten, sie beschönige die finanziellen Perspektiven der Sozialwerke. Vorab ihre bei der Präsentation des Drei-Säulen-Berichts gemachte und später in einer Fernsehsendung wiederholte Äusserung, für die Sicherung der AHV brauche es ab dem Jahr 2005 neben dem bereits vorgesehenen Mehrwertsteuerprozent noch einmal Mehreinnahmen im Umfang von einem bis zwei Mehrwertsteuerprozenten bzw. von 1,3 Lohnprozenten, warf im bürgerlichen Lager hohe Wellen, da die Sozialministerin noch 1994 in ihrem "offenen Brief" erklärt hatte, bis mindestens ins Jahr 2000 würde der AHV-Fonds weiter geäufnet, weshalb mittelfristig kein Anlass zur Sorge bestehe. Bei den Erneuerungswahlen in den Bundesrat erzielte Dreifuss das schlechteste Ergebnis des Siebnerkollegiums, was sowohl Beobachter wie sie selber als Ausdruck einer wachsenden Polarisierung in der Sozialpolitik werteten.