Immunität von Nationalrat Keller 1999

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Der Nationalrat hatte über die Aufhebung der Immunität von Nationalrat Keller (sd, BL) zu entscheiden. Die Bezirksanwaltschaft Zürich hatte ein entsprechendes Gesuch gestellt, nachdem Keller wegen Verletzung des Rassendiskriminierungsverbots angezeigt worden war. Zur Last gelegt wurde ihm ein Boykottaufruf gegen „amerikanische und jüdische Waren, Restaurants und Ferienangebote“. Er hatte diesen Aufruf als Reaktion auf Boykottbeschlüsse amerikanischer Staaten und Gemeinden gegen schweizerische Unternehmen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um Bankguthaben von Holocaustopfern an die Redaktionen verschiedener Schweizer Medien zwecks Veröffentlichung geschickt. Da Keller seine Pressemitteilung als Nationalrat und Präsident der Schweizer Demokraten unterzeichnet hatte, war die Einstufung als Fall der relativen Immunität unbestritten. Eine Kommissionsmehrheit sprach sich für deren Aufhebung aus, da der Tatbestand der Rassendiskriminierung mit grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt sei und – gerade angesichts der besonderen Verwerflichkeit von Antisemitismus – ein grosses öffentliches Interesse an einem Gerichtsurteil bestehe. Eine Minderheit der Kommission lehnte eine Immunitätsaufhebung ab. Sie verurteilte zwar den Aufruf Kellers ebenfalls, zweifelte aber daran, dass das für eine Immunitätsaufhebung geforderte Kriterium einer wahrscheinlichen Verurteilung erfüllt sei, da der Aufruf nicht gegen Personen, sondern gegen Firmen gerichtet sei und zudem vom Gericht die besondere Situation (Reaktion auf Boykottmassnahmen) berücksichtigt werden müsste. Mit 94 gegen 45 vor allem von der SVP und der FP kommenden Stimmen sprach sich der Rat für die Immunitätsaufhebung aus.

Auf Antrag seiner Kommission lehnte der Ständerat den Entscheid des Nationalrats aus dem Vorjahr ab, die Immunität von Nationalrat Keller (sd, BL) im Fall einer Strafverfolgung wegen Verstosses gegen das Anti-Rassismusgesetz aufzuheben. Die Kommission verurteilte zwar die Äusserungen Kellers, begründete ihren ablehnenden Antrag jedoch damit, dass bei dem hier vorliegenden Fall der relativen Immunität (Keller hatte sein Communiqué als Nationalrat und Parteipräsident gezeichnet) ein gewisser Ermessensspielraum bestehe. Insbesondere könne die Immunität gewährt bleiben, wenn ungenügende Anhaltspunkte für eine Verurteilung vorliegen. Dies war nach Ansicht der Kommission der Fall: Keller habe unmittelbar nach seiner Tat klargestellt, dass sich der Boykottaufruf nicht gegen Juden im allgemeinen richte, sondern gezielt als Gegenmassnahme gegen diejenigen amerikanischen jüdischen Firmen, welche zu einem Boykott der Schweiz aufrufen, gedacht sei. Für den Berner Zimmerli (svp) war diese Argumentation nicht stichhaltig. Da es sich nicht um einen unbedeutenden Fall von Ehrverletzung handle, sondern um die Auslegung eines neuen und unter Menschenrechtsaspekten sehr wichtigen Gesetzes, könne nicht das Parlament in einem summarischen Vorverfahren über die Strafwürdigkeit urteilen. Sein Antrag, die Immunität von Nationalrat Keller aufzuheben, unterlag mit 27:15 Stimmen. Der Nationalrat bestätigte hingegen mit dem praktisch gleichen Stimmenverhältnis wie im Dezember 1998 (96:55) seinen Aufhebungsentscheid. In der Differenzbereinigung hielt die kleine Kammer mit 25:11 Stimmen an ihrem ursprünglichen Entscheid fest, womit das Geschäft aus den Traktanden gestrichen und die Immunität von Keller nicht aufgehoben wurde.