Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

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Die Absicht des Bundesrates, den Sprachenartikel der Bundesverfassung (Art. 116) einer Revision zu unterziehen, stiess im Vernehmlassungsverfahren auf eine eindeutige und überzeugende Zustimmung. Zur Diskussion standen zwei von einer Expertengruppe ausgearbeitete Varianten. Praktisch alle Eingaben betonten, dass mit der Sprachenfrage ein erstrangiges Element unseres staatlichen Selbstverständnisses angesprochen ist. Die mit der Revision angestrebten Massnahmen wurden als sinnvoll und notwendig erachtet. Dennoch kam in den Stellungnahmen deutlich zum Ausdruck, dass sich die sprachliche Entwicklung wohl nur bedingt durch einen Verfassungsartikel beeinflussen lasse. Entscheidend für die Erhaltung von bedrohten Landessprachen wie auch für die Verbesserung der Verständigung und des Verständnisses unter den Sprachregionen sei vielmehr die gezielte Umsetzung dieses Anliegens im konkreten Alltag.

Nicht eindeutig beantwortet wurde in der Vernehmlassung die Frage, ob die Amtssprachen auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe zu regeln seien. Unklarheit herrschte auch über die Bedeutung, die dem Territorialitätsprinzip zukommen soll. Im Gegensatz zur Expertengruppe, die im Vorjahr den Bericht "Zustand und Zukunft der viersprachigen Schweiz" ausgearbeitet und sich dabei für ein differenziertes Territorialitätsprinzip ausgesprochen hatte, setzten sich vor allem mehrere Eingaben aus der welschen Schweiz vehement für dessen strikte Anwendung ein. Vereinzelt wurde auch angemerkt, der Begriff der Viersprachigkeit, welcher den heutigen demographischen Realitäten bereits nicht mehr gerecht werde, sollte durch denjenigen der Vielsprachigkeit ersetzt werden.

Der Bundesrat beauftragte das EDI mit der Ausarbeitung eines Textvorschlages auf der Basis der Vernehmlassungsergebnisse.

In der letzten Zeit habe sich eine spürbar wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der in der Schweizer Geschichte und Kultur verankerten Viersprachigkeit unseres Landes abgezeichnet, hielt der Bundesrat in seiner – gleichentags in allen vier Landessprachen publizierten – Botschaft zur Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV) fest, wobei die sprachlichen Minderheiten besonders betroffen seien. Deshalb soll der Bund inskünftig die Kantone bei ihren Bemühungen zur Erhaltung und Förderung der Landessprachen vermehrt unterstützen und in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich für eine Verbesserung der zwischensprachlichen Verständigung sorgen.

Mit der Sprachenfreiheit soll ein besonders wichtiges, persönlichkeitsnahes Grundrecht explizit in die Verfassung Eingang finden. Gleichzeitig wird der Grundsatz der Viersprachigkeit der Schweiz verankert. Amtssprachen des Bundes bleiben weiterhin das Deutsche, das Französische und das Italienische. Im Verkehr zwischen dem Bund und rätoromanischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Institutionen soll jedoch auch das Rätoromanische als Amtssprache gelten.

Der revidierte Verfassungsartikel führt ein differenziertes Territorialitätsprinzip ein. Der Sprachgebietsgrundsatz soll nicht für alle Kantone und Sprachsituationen die gleiche Bedeutung haben; vielmehr soll auf die Bedrohung einer Sprache abgestellt werden: Je stärker eine Sprache gefährdet erscheint, desto grösser sei das öffentliche Interesse an Massnahmen zu ihrer Erhaltung und desto eher rechtfertigten sich Eingriffe in die Sprachenfreiheit, meinte die Landesregierung. Die Kantone sollen deshalb verpflichtet werden, unter Umständen sogar einschneidende Massnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass sich die bedrängten Sprachen in jenen Gebieten halten können, in denen sie heute gesprochen oder geschrieben werden.

Damit die Verständigungsfähigkeit und -bereitschaft zwischen den Sprachgemeinschaften erhalten bleiben und sich weiterentwickeln können, sollen in allen Landesteilen neben der Erhaltung und Förderung der jeweiligen Gebietssprache auch die anderen Landessprachen gepflegt werden. Damit sei, schrieb der Bundesrat, vor allem der Fremdsprachenunterricht in den kantonalen Bildungssystemen – vom Vorschulunterricht bis zur Erwachsenenbildung – angesprochen.

Die vorberatende Kommission des Ständerates sprach sich gegen einen Rückweisungsantrag und für Eintreten auf den neuen Sprachenartikel aus. Sie begrüsste eine Revision des Verfassungsartikels als Basis für eine neue Sprachenpolitik und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass damit das Bewusstsein, dass die Mehrsprachigkeit eine Stärke der Schweiz darstelle, erneuert werde. In den Diskussionen wurde aber auch die Befürchtung laut, dass mit der Verfassungsrevision mehr Probleme aufgeworfen als gelöst würden. Strittigster Punkt war und bleibt das Territorialitätsprinzip. Dessen verfassungsmässige Verankerung scheint vor allem den Vertretern der welschen Kantone unerlässlich, da sie mit allen Mitteln einer weiteren Germanisierung der gemischtsprachigen Gebiete entgegenwirken möchten. Stimmen aus der Deutschschweiz – aber auch aus dem Tessin – wenden dagegen ein, eine allzu starre Handhabung des Territorialitätsprinzips könnte den Sprachfrieden eher gefährden. Einig war sich die Kommission darin, dass die Zuständigkeit für den sprachlichen Bereich in erster Linie bei den Kantonen liegen muss. So soll zum Beispiel der Kanton Graubünden darüber entscheiden, welches Rätoromanisch – das "Rumantsch grischun" oder eines der historisch gewachsenen Idiome – offizielle Amtssprache wird.

Die kleine Kammer, welche den revidierten Sprachenartikel (Art. 116 BV) als Erstrat behandelte, trug den Befürchtungen der Romands — vor allem auf Druck von Ständerat Cavadini (lp, NE) — dennoch weitgehend Rechnung. Der Passus, der gemäss bundesrätlichem Vorschlag die individuelle Sprachenfreiheit garantiert hätte, wurde, entgegen einem Minderheitsantrag Onken (sp, TG), ersatzlos gestrichen, das strikte Territorialitätsprinzip für die Amts- und Schulsprachen also gestärkt. Die Kompetenz zur Erhaltung und Förderung der Landessprachen wurde ganz den Kantonen übertragen und nicht mehr gleichberechtigt dem Bund und den Kantonen, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Der Bund soll hier lediglich subsidiär wirken sowie die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften unterstützen. Unbestritten war, das Romanische zur halbamtlichen Sprache zu erheben.

In der vorberatenden Kommission des Nationalrates und dann auch im Plenum brach bei der Behandlung des zu revidierenden Sprachenartikels in der Bundesverfassung die Kontroverse zwischen jenen, welche die Sprachenfreiheit – und damit eine lebendige Weiterentwicklung der Sprachensituation – in der Verfassung festschreiben wollen, und jenen, die ohne verfassungsrechtliche Verankerung des Territorialitätsprinzips das sprachliche Gleichgewicht unter den Landessprachen und damit den Sprachenfrieden gefährdet sehen, erneut und recht heftig aus. Die grosse Kammer stimmte schliesslich im Einverständnis mit dem Bundesrat einer von einer Arbeitsgruppe der Kommission ausgearbeiteten Kompromissvariante zu, welche weder die Sprachenfreiheit noch das Territorialitätsprinzip erwähnt, dem Bund aber – entgegen der restriktiven Haltung des Ständerates – wieder die Kompetenz erteilt, zusammen mit den Kantonen die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern und besondere Massnahmen zum Schutze bedrohter Landessprachen zu treffen. Unbestritten war – wie zuvor schon im Ständerat – dass das Rätoromanische in den Rang einer Teilamtssprache erhoben werden soll.

Im emotional nach wie vor stark aufgeladenen Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip ging das Ringen um eine Neufassung des Sprachenartikels in der Bundesverfassung mit der zweiten Lesung des Ständerates in eine weitere Runde. Der kleinen Kammer lag zu Beginn ihrer Beratungen ein Kompromissvorschlag ihrer Kommission vor, der die beiden umstrittenen Begriffe wieder aufnahm, allerdings in einer anderen systematischen Einordnung. Aus Rücksicht auf die Germanisierungsängste der Romandie sollte im eigentlichen Sprachenartikel (Art. 116 BV) nur das Verhältnis zwischen den Nationalsprachen festgeschrieben und dabei allein das Territorialitätsprinzip berücksichtigt werden, welches ein Gebiet verbindlich einer Sprache zuordnet. Hinzu kam eine Bestimmung über die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachregionen. Als Konzession an den Nationalrat, der aus Gründen des Gleichgewichts den einen Begriff nicht ohne den anderen stehen lassen wollte und deshalb auch das Territorialitätsprinzip aus der Vorlage gekippt hatte, schlug die Kommission vor, das Element der individuellen Sprachenfreiheit als neuen Art. 54bis in den Grundrechtskatalog der Verfassung aufzunehmen.

Unter dem Eindruck der Volksabstimmung zum Kulturförderungsartikel, welche einmal mehr einen Graben zwischen deutscher und welscher Schweiz offenbart hatte, geriet dann aber die gesamte Vorlage ins Rutschen. Ständerat Iten (fdp, ZG) stellte den Antrag, die Übung kurzerhand abzubrechen. Er warnte vor einem Abstimmungskampf, der komplexe Sachverhalte vermitteln müsste und leicht irrationale Ängste schüren könnte, und meinte, der heute fragile, aber immerhin bestehende Sprachfriede müsse eindeutig vor eine generell zu ambitiös geratene Neufassung des Sprachenartikels gesetzt werden. Zudem könne das ursprüngliche Anliegen, das zu den Revisionsarbeiten geführt habe, nämlich der Schutz und die Besserstellung des Rätoromanischen auch mit dem bestehenden Verfassungsartikel in die Tat umgesetzt werden.

Aus Sorge, die Rätoromanen könnten sich durch eine Nullösung desavouiert fühlen, brachten die beiden Romands Cavadini (lp, NE) und Petitpierre (fdp, GE) eine Minimalvariante als weitere Kompromisslösung ein. Sie bezeichnet das Deutsche, Französische, Italienische und Rätoromanische als Nationalsprachen der Schweiz und gibt dem Bund die Möglichkeit, auf Begehren der betroffenen Kantone Massnahmen zur Erhaltung des überlieferten Gebietes bedrohter sprachlicher Minderheiten zu unterstützen. Die beiden Bündner Abgeordneten Cavelty (fdp) und Gadient (svp) stellten den Zusatzantrag, das Rätoromanische sei wie im ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zur Teilamtssprache zu erheben. Auf der Strecke blieb bei dieser Minimallösung die Kompetenz des Bundes, allein oder in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Verständigung unter den Sprachgemeinschaften sowie den gegenseitigen Austausch zu fördern. Auch die Aufnahme der Sprachenfreiheit in den Grundrechtskatalog der Verfassung wurde fallengelassen.

Aus Rücksicht auf die rätoromanische Minderheit des Landes wurde der Antrag Iten mit 14:17 Stimmen knapp abgelehnt. Der Vorschlag der Kommission, für den sich in der Debatte nur noch deren Präsident Jagmetti (fdp, ZH) und der Thurgauer Onken (sp) sowie Bundesrätin Dreifuss stark machten, unterlag mit 23:9 Stimmen klar gegenüber der Minimalvariante Cavadini/Petitpierre/Cavelty/Gadient.

Der Basler SP-Ständerat Plattner hatte anfänglich einen Rückweisungsantrag eingereicht mit dem Inhalt, die Besserstellung des Rätoromanischen sei ausgehend vom bestehenden Art. 116 BV auf Gesetzesstufe zu realisieren. Er zog diesen Antrag im Verlauf der Beratungen zurück, kleidete ihn aber in die Form einer Motion, die von 26 seiner Kolleginnnen und Kollegen mitunterzeichnet wurde.

Bundesrätin Dreifuss bezeichnete diese bisher letzte Version ebenfalls als grossen Fortschritt. Auch wenn der Artikel nüchtern aussehe, biete er doch ein gutes Fundament, das es dem Bund erlaube, vermehrt für den Zusammenhalt unter den Sprachregionen zu sorgen. Einig war sich die Mehrheit des Nationalrates, dass dieser schlanke Artikel vor dem Volk Bestand haben sollte, weil er auf die beiden sensiblen Begriffe der Sprachenfreiheit und des Territorialitätsprinzips verzichtet. Selbst die anfänglich sehr skeptischen Abgeordneten aus der Romandie konnten dem neuen Verfassungsartikel schliesslich zustimmen, so dass dieser deutlich gutgeheissen wurde.

Kommissionssprecher Bundi (sp, GR) unterstrich, dass die jüngste Kompromissvariante gegenüber jener des Ständerates zwei neue Elemente enthalte. Bund und Kantone erhielten erstens nicht nur die Kompetenz, sondern die Verpflichtung, bedrohte Landessprachen zu fördern und zu retten, wobei allerdings das Subsidiaritätsprinzip gewährleistet bleibe, da der Bund nichts gegen den Willen der Kantone unternehmen könne. Zweitens werde die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften zu einem verfassungsrechtlichen Prinzip erhoben. Wie bereits im Vorschlag des Ständerates vorgesehen, erhalte die rätoromanische Sprache den neuen Status einer Teilamtssprache.

Nach vierjähriger Beratung zeichnete sich im letzten Moment eine Rettung für den revidierten Sprachenartikel in der Bundesverfassung (Art. 116 BV) ab. Zwar beantragte auch im Nationalrat eine Minderheit der vorberatenden Kommission unter dem Grünen Schmid (TG), die Vorlage bis zur Totalrevision der Bundesverfassung auf sich beruhen zu lassen, weil der vorliegende Mini-Artikel substanzlos sei und keine Volksabstimmung rechtfertige. Zudem erhalte der revidierte Sprachenartikel nichts, was nicht jetzt schon garantiert sei.

Die Mehrheit der Kommission für Wissenschaft und Kultur plädierte hingegen für die von ihr weiterentwickelte Kompromisslösung, welche auf die bisher zur Diskussion stehenden beiden Reizworte "Sprachenfreiheit" und "Territorialitätsprinzip" verzichtet und sich auf die Anerkennung des Rätoromanischen als Teilamtssprache sowie die Formulierung beschränkt, dass Bund und Kantone die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern haben. Zudem sollte der Bund nun generell auf Verfassungsebene jene Kompetenz erhalten, die er in den Kantonen Graubünden und Tessin faktisch ohnehin längst wahrgenommen hat, nämlich subsidiär zu den Kantonen besondere Massnahmen zur Erhaltung und Förderung bedrohter Landessprachen zu treffen.

In der Kommission des Ständerates überwogen dann wieder die Stimmen jener, welche auf die Revision ganz verzichten wollten. Sie argumentierten, zur Diskussion stehe nur noch eine "ausgedörrte" Version des ursprünglichen Sprachenartikels, über die sich eine Abstimmung von Volk und Ständen nicht mehr lohne. Im Plenum beharrte der Thurgauer Onken (sp) aber darauf, dass in der Kommission noch einmal nach einer Lösung gesucht werden müsse. Sonst mache sich der Ständerat mitschuldig, ein Wesensmerkmal der Schweiz, die Viersprachigkeit, herabzuwürdigen. Der Bündner Brändli (svp) doppelte mit der Erklärung nach, die Romanen hätten grosse Hoffnungen in die Revision gesetzt. Abbrechen wäre ein Schritt in Richtung einer zwei- oder zweieinhalbsprachigen Schweiz. Der Rat folgte dem Aufruf und wies die Vorlage mit 32 gegen 5 Stimmen zwecks Konsensfindung an seine Kommission zurück.

Die Kommission legte dem Plenum schliesslich eine Variante vor, welche in den wesentlichen Punkten jener des Nationalrates entsprach. Aus Rücksicht auf die nach wie vor bestehenden Germanisierungsängste der Romandie schwächte sie aber die Kompetenz des Bundes, zur Erhaltung gefährdeter Landessprachen Massnahmen ergreifen zu können, in eine Bestimmung ab, welche diese Massnahmen allein auf das Italienische und das Rätoromanische beschränkt. Mehrere Redner wie auch Bundesrätin Dreifuss unterstrichen, dass damit alle Anforderungen der Motion Bundi aus dem Jahr 1986 erfüllt seien, worauf die Vorlage oppositionslos angenommen wurde. Da auch der Nationalrat angesichts der weit gediehenen Annäherung stillschweigend auf die noch einmal etwas moderatere Version des Ständerates einschwenkte, konnte die Verfassungsrevision noch in der laufenden Legislatur verabschiedet werden.

Angesichts der überaus neutralen Formulierung des neuen Sprachenartikels, der auf die beiden Reizworte «Sprachenfreiheit» und «Territorialitätsprinzip» schliesslich verzichtet hatte, ergab sich im Vorfeld der Abstimmung keine nennenswerte Opposition. Einzig die Delegierten der FP meinten, es sei unnötig, für die rätoromanische Sprache Bundesgelder einzusetzen; dies sei allein Sache des Kantons Graubünden. Die SD ihrerseits vermissten im neuen Sprachenartikel die klare Festschreibung des Territorialitätsprinzips. Alle anderen Parteien gaben - mit Ausnahme einiger weniger Kantonalsektionen - klar die Ja-Parole aus.

Die Vorsteherin des federführenden EDI, Bundesrätin Dreifuss, eröffnete Mitte Januar die Abstimmungskampagne für den von den eidgenössischen Räten nach langem Hin und Her in der Herbstsession des Vorjahres verabschiedeten revidierten Sprachenartikel der Bundesverfassung (Art. 116 BV). Als Kernpunkte der Vorlage nannte sie das explizite Bekenntnis zu den vier Landessprachen, die Förderung von Verständigung und Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften, die Pflicht des Bundes zur Unterstützung der Kantone Graubünden und Tessin bei der Spracherhaltung sowie die Aufwertung des Rätoromanischen zur Teilamtssprache. Zur konkreten Umsetzung des revidierten Verfassungsartikels stellte Dreifuss ein Amtssprachen- und ein Verständigungsgesetz in Aussicht, welche noch in der laufenden Legislatur dem Parlament vorgelegt werden sollen.


Abstimmung vom 10. März 1996

Beteiligung: 30.0%
Ja: 1'052'052 (76.2%)/20 6/2 Stände
Nein: 329'153 (23.8%)/0 Stände

Parolen:
- Ja: FDP (1*), CVP, SVP (2*), SP, GP, LP (1*), LdU, EVP, PdA, EDU; SGB, SGV, Redressement national; Lia Rumantscha, Pro Grigioni Italiani, Walservereinigung Graubündens.
- Nein: FP (1*), SD (SD*), KVP.
- Stimmfreigabe: Lega

*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Obgleich der Sprachenartikel in allen Kantonen mit deutlichem Mehr angenommen wurde - der höchste Ja-Anteil (86,1%) fand sich im Kanton Genf, der niedrigste (64.9%) im Kanton Uri -, bewahrheitete sich doch eine der Befürchtungen von Bundesrätin Dreifuss, nämlich das allgemeine Desinteresse an dieser Frage. Mit rund 30% war die Stimmbeteiligung die geringste seit 1975 und die viertschlechteste aller Zeiten, wobei zu sagen ist, dass die übrigen an diesem Wochenende zur Abstimmung anstehenden Fragen eher von sekundärer Bedeutung waren. 42% der im Rahmen der Vox-Analyse befragten Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erklärten sich denn auch ausdrücklich mit der Aussage einverstanden, dass es unnötig sei, das Volk für so unwichtige Vorlagen an die Urne zu rufen. Hauptargument der Ja-Stimmenden, welche sich aus allen politischen Parteien und sozialen Gruppen rekrutierten, war der Schutz der kulturellen Vielfalt im allgemeinen und der rätoromanischen Sprache im speziellen. Befürworter wie Gegner waren sich aber darin einig, dass es an den Bürgerinnen und Bürgern und nicht am Bund liege, die Ziele des Sprachenartikels zu erreichen.