Wahlkampf und Wahlresultate der CVP (2003)

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Nahezu einstimmig fasste die CVP im Juni die Ja-Parole zum Elektrizitätsmarktgesetz. Als erste Bundesratspartei verabschiedete sie im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2003 ihr neues Leitbild "Gemeinschaft Schweiz" mit den Themenschwerpunkten Familien-, Wirtschafts- und Ausländerpolitik. Nicht rechts, nicht links, sondern "le parti suisse" wolle die CVP sein, da sie im Kleinen abbilde, was die Schweiz im Grossen erfolgreich mache. Laut Generalsekretär Reto Nause strebt die CVP eine Steigerung des Wähleranteils von 15,9 auf 20,3% an. Im Rahmen der Kampagne zur Erreichung dieses hohen Ziels will sie unter anderem insgesamt 140'000 Geschenkartikel im Volk verteilen. Im August führte sie einem Probelauf für den Wahlkampf 2003 unter dem Motto "Aktion Sommerloch 2002" durch und verteilte 15'000 aufblasbare Plastikbälle in den Badeanstalten – in der Hoffnung, die "Marke CVP" national bekannt zu machen. 2003 wollen die Christlichdemokraten mit einem Wahlkampfmobil, das als mobile Bühne an Openair-Volksfesten dient, das Land durchqueren, um mit Strassenwahlkampf vermehrt Jungwählerinnen und -wähler in den Agglomerationen anzusprechen. Nause rechnet mit 1 bis 1,5 Mio Fr. für die Wahlkampagne, welche erstmals zentral vom Generalsekretariat aus geführt wird. So erhielten die Sektionen eine CD-ROM mit dem Parteilogo und Mustervorlagen. Ausserdem führt die CVP neu eine zentrale Mitgliederkartei, welche einen direkten Kontakt von der Parteizentrale zum einzelnen Parteimitglied ermöglicht.

Im Mai verabschiedeten die CVP-Frauen einen Forderungskatalog, der ihnen auch als Programm für die eidgenössischen Wahlen vom Herbst dienen sollte. Darin verlangten sie ein Bundesgesetz über Familienzulagen, Ergänzungsleistungen für erwerbstätige Eltern mit niedrigem Einkommen, Entlastungen bei der direkten Bundessteuer für Familien mit mittleren Einkommen sowie einen Steuerabzug für Personen, die zu Hause Angehörige pflegen. Weiter sollten alle Kantone dafür sorgen, dass bei häuslicher Gewalt die Täter und nicht die Opfer die gemeinsame Wohnung verlassen müssen.

An ihrer Delegiertenversammlung in Genf präsentierte sich die CVP als Partei der Familien: Einstimmig und ohne Enthaltung hiess sie einen bezahlten Urlaub für erwerbstätige Mütter gut, obwohl das Parlament die Vorlage zur Mutterschaftsversicherung noch nicht zu Ende beraten hatte; die Stellungnahme war als Antwort auf die Referendumsdrohung der SVP gedacht. Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen vom Herbst warb Parteipräsident Philipp Stähelin in seiner Rede „Nachwuchs fördern heisst Renten sichern“ dafür, der Familienpolitik einen neuen Stellenwert einzuräumen.

Drei Wochen vor den Wahlen sprach sich Parteipräsident Philipp Stähelin an einem ausserordentlichen CVP-Parteitag in Basel mit Nachdruck für starke Mitteparteien und die Beibehaltung der Konkordanz aus und rechtfertigte damit den zweiten Bundesratssitz der CVP. Die beiden CVP-Bundesratsmitglieder skizzierten die aus ihrer Sicht wichtigsten Herausforderungen der kommenden Legislatur: Rentenalter, Konsolidierung der bilateralen Beziehungen mit der EU, Prioritätensetzung bei den staatlichen Ausgaben, mehr Wettbewerb und Marktöffnung sowie echte Familienpolitik, das heisst steuerliche Entlastung der Familien. Die CVP wolle am Rentenalter 65 festhalten; um die Renten zu finanzieren, sollten die Kinder früher eingeschult werden und junge Erwachsene somit früher die Berufstätigkeit aufnehmen. Praktisch diskussionslos hiessen die Delegierten schliesslich einen 34 Punkte umfassenden „Wahlvertrag der CVP mit dem Schweizervolk“ gut.

Obschon die CVP einen aufwändigen Wahlkampf betrieben hatte, musste sie 7 Nationalratsmandate abgeben; besonders hoch waren die Verluste in ihren traditionellen Stammlanden. Als erste Reaktion auf die Wahlniederlage stellte CVP-Präsident Philipp Stähelin sein Amt zur Verfügung; die Parteileitung sprach ihm jedoch das Vertrauen aus. Sie schloss den Rückzug eines ihrer Bundesratsmitglieder zugunsten von Christoph Blocher (svp, ZH), den SVP-Präsident Ueli Maurer am Wahlabend gefordert hatte, aus; für die Regierungsbildung stehe die Handlungsfähigkeit des künftigen Bundesrates im Vordergrund. Dieser Entscheid stiess parteiintern nicht auf einhellige Zustimmung; so erklärte der ehemalige CVP-Präsident, Ständerat Carlo Schmid (AI), man käme um einen Bundesrat Blocher nicht mehr herum. Ende Oktober entschied die CVP-Fraktion mit 33:5 Stimmen, mit beiden Bundesratsmitgliedern zur Wiederwahl anzutreten und der Vereinigten Bundesversammlung damit die Entscheidung über die künftige Regierungszusammensetzung zu überlassen. Gemäss Fraktionschef Jean-Michel Cina (VS) anerkenne die CVP den Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz. Ihrer Meinung nach solle die SVP jedoch den Sitz des zurücktretenden FDP-Bundesrats Kaspar Villiger einnehmen; mit drei Sitzen im Bundesrat und mit der Bundeskanzlerin sei der gemäss Cina neu formierte Rechtsblock von SVP und FDP angemessen vertreten. Dieses Vorgehen stiess bei einigen CVP-Kantonalparteien wie jener von Luzern auf Kritik, weil diese auf die Zusammenarbeit mit der FDP angewiesen sind. Am 10. Dezember bestätigte das Parlament nicht CVP-Bundesrätin Ruth Metzler, sondern wählte Christoph Blocher (svp, ZH) in die Regierung. Die Parteileitung der CVP wies jegliche Mitschuld an der Abwahl ihres Regierungsmitglieds von sich und erklärte, die CVP wolle ihr Glück in einer „Politik der radikalen Mitte“ suchen und sich programmatisch erneuern. Die Fraktion werde Ende Januar 2004 in Klausur gehen und im Frühling einen „Grundsatzparteitag“ durchführen.