Wahlkampf und Wahlresultate der FDP (2003)

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Unter dem Motto "Freiheit und Verantwortung" versammelten sich über 200 Präsidenten von Ortsparteien zum offiziellen Auftakt der Wahlkampagne 2003, in der sich die FDP als liberale, bürgerliche und verantwortungsbewusste Regierungspartei empfahl. Inhaltlich konzentriere sich die in Vorbereitung befindliche Wahlplattform auf die vier Themenbereiche wirtschaftliches Wachstum, gesicherte und bezahlbare Sozialwerke, Ausbau von Bildung und Forschung sowie innere und äussere Sicherheit. Um das Ziel eines Wähleranteils von 25% zu erreichen, sei eine vermehrte Mobilisierung nötig. Dazu beitragen soll ein landesweit möglichst einheitliches Erscheinungsbild, um die FDP als Marke zu präsentieren (die Ortsparteipräsidenten erhielten eine CD-ROM mit dem Parteilogo und Mustervorlagen für Inserate). Allerdings wollte die Partei Rücksicht nehmen auf die unterschiedlichen Befindlichkeiten in den Sprachregionen, weshalb sie beabsichtigte, in den Inseratekampagnen teilweise verschiedene Themen anzusprechen.

An ihrem Programmparteitag im Schiffbau des Zürcher Schauspielhauses beschlossen die Freisinnigen die Nein-Parole zu den sieben von der Linken unterstützten Volksinitiativen. Anschliessend wählten die Delegierten den Unternehmer und Kantonsrat Ruedi Noser (ZH) zum Vizepräsidenten – als Ersatz für die zur Parteipräsidentin aufgerückte Christiane Langenberger – und Maja Lalive d’Epinay (SZ) als neues Mitglied in die FDP-Geschäftsleitung. Kaum zu Diskussionen Anlass gab die Wahlplattform „FDP – im Einsatz für Freiheit und Verantwortung. Mehr Chancen für die Schweiz“ mit den vier Schwerpunkten Wirtschaftswachstum, Bildung und Forschung, soziale Sicherheit und Gesundheit sowie Sicherheit und Migration. Ohne Gegenstimme und mit einigen Enthaltungen sprachen sich die Delegierten im Grundsatz für die Einführung eines Finanzreferendums auf Bundesebene aus. Dass der Freisinn den Bundeshaushalt ausschliesslich ausgabenseitig sanieren wollte, stellten die Delegierten mit einer adhoc-Resolution gegen eine eidgenössische Erbschaftssteuer klar – Bundesrat Villiger hatte eine solche im Hinblick auf die Unzuverlässigkeit des Parlaments in Sachen Ausgabendisziplin am Vortag in Erwägung gezogen und damit einigen Unmut ausgelöst, da die Wahlplattform nur Steuersenkungen, keinesfalls aber neue Steuern vorsah. Ausserdem sprachen sich die Freisinnigen für eine baldige Regierungsreform aus, wollten sich jedoch nicht so konkret auf die Äste hinauswagen wie Fraktionschef Fulvio Pelli (TI), dessen Antrag die Erweiterung des Bundesrates von 7 auf 9 Mitglieder vorsah. Gutgeheissen wurde schliesslich eine Stärkung des Bundespräsidentenamtes durch die Verlängerung der Amtszeit von einem auf zwei Jahre.

Um ihren Wähleranteil bei den eidgenössischen Wahlen zu steigern, stellten die FDP-Frauen eine eigene Wahlplattform vor, in der sie Blockzeiten in den Schulen für die ganze Schweiz, die Einführung der Mutterschaftsversicherung, eine qualitativ hoch stehende medizinische Versorgung zu einem vernünftigen Preis sowie Sicherheit im öffentlichen Raum und einen verbesserten Schutz vor häuslicher Gewalt (die Möglichkeit, analog dem St. Galler Modell den Täter oder die Täterin aus der gemeinsamen Wohnung wegzuweisen) forderten. Für die Nachfolge von Bundesrat Villiger stellten sie eine Frauenkandidatur in Aussicht.

Am Wahlparteitag in Basel charakterisierte Präsidentin Christiane Langenberger die FDP als Partei, welche Probleme nicht bekämpfen, sondern aufzeigen und lösen wolle. Die Bürger hätten die volle Wahrheit verdient, auch wenn diese unpopulär, ja schmerzhaft sei. Bundesrat Pascal Couchepin konstatierte in seiner Rede, die demographischen Probleme der Schweiz hätten nicht nur Folgen für die Renten, die Krankenversicherung, den Arbeitsmarkt und die Immigration, sondern auch für den Markt der Ideen. Eine alternde Gesellschaft habe mehr Mühe, etwas zu wagen, neige zum Stillstand. Bundesrat Kaspar Villiger doppelte nach: Er ortete die politischen Schwierigkeiten in einem übertriebenen Pessimismus, in der Bekämpfung statt der Lösung von Problemen, im staatlichen Machbarkeitswahn und im Verlust an langfristigem Denken. Die Freisinnigen entliessen Villiger mit einer stehenden Ovation. Während auf dem Podium die Sachthemen dominierten, prägten Mutmassungen über die Nachfolge Villigers die Pausengespräche.

Mitte September reichte Bundesrat Kaspar Villiger sein Rücktrittsschreiben ein – dass er nicht mehr für eine weitere Legislatur kandidieren würde, war seit einem Jahr bekannt. Als Favoriten für seine Nachfolge galten die Berner Ständerätin Christine Beerli, der Urner Nationalrat Franz Steinegger und die Aargauer Nationalrätin Christine Egerszegi. Aussenseiterchancen eingeräumt wurden Ständerat Hans-Rudolf Merz (AR).

Bei den eidgenössischen Wahlen musste die FDP die grössten Verluste aller Parteien hinnehmen: Sie verlor insgesamt 11 Parlamentsmandate, davon 4 Ständeratssitze. In der Folge kam es – auch im Hinblick auf die Bundesratswahlen (die Nachfolge für Kaspar Villiger und die ultimative Forderung der SVP, ihr einen zweiten Sitz zuzugestehen, der mit Christoph Blocher zu besetzen sei) zu Diskussionen über die Ausrichtung der Partei: Als neugewählte FDP-Parlamentarier sich aktiv für das Referendum der SVP gegen die Mutterschaftsversicherung engagierten und sich damit von einer Vorlage, die unter der Ägide der FDP zustande gekommen war, distanzierten, verwarnten Fraktionsmehrheit und Parteispitze die Abtrünnigen, da extreme Abweichungen eine klare Positionierung der Partei beeinträchtigten. Im November stellten Rechtsbürgerliche den politischen Kurs der Parteileitung in Frage und verlangten eine Standortbestimmung, während Mitglieder der Parteileitung Überlegungen dahingehend anstellten, ob die FDP vorübergehend auf einen ihrer beiden Sitze in der Regierung verzichten oder gar den Gang in die Opposition erwägen solle. Schliesslich beschlossen die Freisinnigen, am Anspruch auf zwei Regierungssitze festzuhalten und nominierten Christine Beerli (BE) und Hans-Rudolf Merz (AR) als Kandidaten für die Nachfolge von Bundesrat Kaspar Villiger. Am 10. Dezember wählte die Vereinigte Bundesversammlung Hans-Rudolf Merz in die Regierung.