Maximalrabatte bei Wahlfranchisen. Keine Bestrafung von eigenverantwortlich handelnden Versicherten (Mo. 17.3633)

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Im Juni 2017 hatte der Bundesrat angekündigt, dass die durch höhere Franchisen erhältlichen Maximalrabatte nach Franchisenhöhe abgestuft und bei den höchsten Franchisen bei 50 Prozent des zusätzlich übernommenen Risikos begrenzt werden sollen. In der Folge reichten die SGK-NR und die SGK-SR zwei gleich lautende Motionen (Mo. 17.3633 bzw. Mo. 17.3637) ein, welche beantragten, die Maximalrabatte bei allen Wahlfranchisen bei 70 Prozent zu belassen. Durch die Bestrafung derjenigen Personen, die höhere Franchisen wählten, entsprechend eigenverantworlich handelten und durch ihren Solidaritätsbeitrag substanziell zur „nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems” beitrügen, würde der Anreiz zur Eigenverantwortung geschwächt. Der Bundesrat berief sich jedoch auf seinen Bericht in Erfüllung des Postulats Schmid-Federer, der verdeutlicht hatte, dass nur die ordentliche und die Maximalfranchise attraktiv seien. Um den Versicherten eine möglichst grosse Wahlfreiheit mit echter Auswahl zu präsentieren, müssten die Rabatte aller Franchisen versicherungsmathematisch den Einsparungen entsprechen, die aufgrund der niedrigeren Kosten für die Krankenkassen durch die höheren Kostenbeteiligung der Versicherten, nicht aber durch die üblicherweise gute Gesundheit der Personen mit hohen Franchisen, entstehen. Eine Annahme dieser Motion würde aber entsprechende Diskussionen um die Franchisenstufen im Rahmen anderer Geschäfte (Mo. Bischofberger, pa.Iv. Brand) torpedieren, weshalb sie der Bundesrat zur Ablehnung empfahl.

In der Debatte im Nationalrat betonte Bruno Pezzatti (fdp, ZG), dass der bundesrätliche Vorschlag die Solidarität überstrapaziere und zu „kontraproduktiven Auswirkungen auf die Gesundheitskosten” führen könne. Im Namen der SP sah Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) die Kommissionsmotion als weiteren Versuch, durch die Stärkung der individuellen Verantwortung die Solidarität zwischen gesunden und kranken Menschen zu schwächen. Zudem könnten gemäss KVG nur Rabatte gewährt werden, die aus versicherungstechnischer Sicht sinnvoll sind – Gesundheit alleine sei somit kein Grund für einen Rabatt. Bundesrat Berset betonte abschliessend noch einmal, dass eine Annahme dieser Motion einer „Betonierung eines Systems” mit faktisch nur zwei Franchisenstufen gleichkomme und bat die grosse Kammer entsprechend erneut um Ablehnung der Motion. Diesem Votum folgte der Nationalrat jedoch nicht, er stimmte der Motion – und damit gleichzeitig der Motion der SGK-SR – mit 118 zu 54 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) gegen den Widerstand von SP und Grünen zu.

Dossier: Krankenversicherung: Vorstösse zu Wahlfranchisen

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Ständerat die Motion der SGK-SR zur Gleichbehaltung der Maximalrabatte bei allen Franchisen (Mo. 17.3637), das Pendant zur Motion ihrer Schwesterkommission (Mo. 17.3633). Zwar wurden die Motionen Weibel (glp, ZH) – zur Anzahl Franchisen – und Stöckli (sp, BE) – zur Erhöhung des Maximalrabatts bei der zweittiefsten Franchise – offiziell erst im Anschluss an diesen Vorstoss behandelt, dennoch wurde deren Beratung teilweise bereits vorweggenommen. Dies erwies sich insofern als sinnvoll, als die Thematiken der Rabatte bei Franchisen und der Anzahl Franchisen gemäss dem Bericht zu den Auswirkungen der Franchisenhöhe eng verbunden sind. Dieser hatte gezeigt, dass mit den heutigen Rabatten lediglich die tiefste und die höchste Franchise ökonomisch sinnvoll sind. Die Motionen Weibel, SGK-NR und SGK-SR waren daher auch eingereicht worden, um zu verhindern, dass der Bundesrat die Empfehlungen des Berichts umsetzt und die Anzahl Franchisen oder die Rabatte auf den höheren Franchisen reduziert.
Bundesrat Berset betonte, dass eine Annahme der Kommissionsmotion eine Betonierung von sechs Franchisen bedeute, von denen vier aus ökonomischer Sicht ineffizient seien. Dies sei «un système dans lequel on trompe un peu les gens», indem man ihnen vormache, dass sie eine grössere Auswahl hätten, als sie es tatsächlich tun. Dabei handle es sich bei den Franchisen um ein Nullsummenspiel: Bei einer Annahme der Motion profitierten junge, gesunde Personen weiterhin von einem rechnerisch zu hohen Rabatt, während kranke und ältere Personen den Aufpreis zu bezahlen hätten. Der Gesundheitsminister betonte, dass der Bundesrat bei der Lösungssuche sehr offen gewesen sei und immer versichert habe, keine Lösung gegen den Willen des Parlaments durchzusetzen. Das Vorgehen des Parlaments, mit einer Annahme der Motion das aktuelle System zu betonieren, entspräche jedoch nicht dem Fair Play. Bei einer Annahme der Motion würde der Bundesrat zudem seine Anstrengungen bezüglich Rabatten bei Franchisen einstellen, die Diskussion wäre gelaufen. Abschliessend bat Bundesrat Berset folglich noch einmal um eine umfassende Lösung bezüglich der Franchisen, die den Versicherten ein effizientes, klares und transparentes System präsentiere. Trotz der teilweise fast flehenden Worte des Gesundheitsministers stimmten 29 Ständerätinnen und Ständeräte für die Kommissionsmotion, 10 Mitglieder der kleinen Kammer sprachen sich gegen den Vorstoss aus.

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