Lobbying und Kommissionsarbeit (Pa.Iv. 19.414)

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Mitte Februar 2020 gab auch die SPK-NR mit 15 zu 6 Stimmen der parlamentarischen Initiative Rieder (cvp, VS) Folge, mit der die Kombination von Lobbying und Kommissionsarbeit geregelt werden soll. Der Walliser Ständerat forderte ein Verbot für bezahlte Mandate von Organisationen, die von Regelungen betroffen sein könnten, für welche die Kommission der jeweiligen Abgeordneten zuständig ist. Die Übernahme von Mandaten gegen Entgelt könne die Unabhängigkeit von Parlamentsmitgliedern beeinträchtigen, argumentierte Rieder in der Begründung seiner Initiative. Zwar sei Lobbying in einem Milizparlament unvermeidlich und gar erwünscht, dass Organisationen aber mittels Bezahlung von Kommissionsmitgliedern auf die konkrete, sie betreffende Gesetzgebung Einfluss nehmen könnten, müsse verhindert werden. Rieder schwächte diese Forderung dann allerdings gleich selber wieder ab, indem er Ausnahmen für Mandate vorsehen wollte, die mit dem Hauptberuf eines Kommissionsmitglieds zusammenhängen, die bereits ein Jahr vor Einsitznahme in die Kommission ausgeübt worden sind und die nur minim – also maximal mit CHF 5'000 pro Jahr – entschädigt werden.
Die SPK-NR stimmte bei, dass seit dem Legislaturwechsel in der Tat ein eigentliches «Parlamentariershopping» zu beobachten sei: Organisationen würden gezielt Mitglieder rekrutieren, die in Kommissionen sässen, in denen wichtige Interessen dieser Organisationen tangiert würden. Die SPK-SR, die dem Vorstoss bereits im August 2019 mit 7 zu 2 Stimmen (2 Enthaltungen) mit der Begründung Folge gegeben hatte, dass die Kommissionsarbeit nicht zu einseitig von bestimmten Interessen dominiert werden dürfe, wird also eine Revision des Parlamentsgesetzes ausarbeiten.

Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Nachdem die SPK beider Räte der parlamentarischen Initiative von Beat Rieder (mitte, VS) Folge gegeben hatten, wäre es eigentlich an der SPK-SR gewesen, eine Vorlage auszuarbeiten, mit der das Verhältnis zwischen Lobbying und Kommissionsarbeit hätte geklärt werden sollen. In der Tat wollte die Initiative dem «Parlamentariershopping» Einhalt gebieten, also dem von der SPK-NR so benannten Phänomen, dass Ratsmitglieder, die bei Beginn einer neuen Legislatur in einer neuen Kommission Einsitz nehmen, von Organisationen rekrutiert werden, deren Interessen im Bereich der von der entsprechenden Kommission behandelten Themen liegen. Mit einem Verbot der Ausübung von Tätigkeiten, die thematisch mit der Kommissionsarbeit zu tun haben, hätte dies umgesetzt werden sollen. Dabei hatte der Initiant selber bereits vorgeschlagen, Ausnahmen vorzusehen: Ein Verbot sollte nicht gelten für marginal entschädigte Tätigkeiten oder für Parlamentsmitglieder, die im entsprechenden Bereich bereits vor der Wahl in die Kommission beruflich tätig sind. Diese Ausnahmen brachten freilich eine 6 zu 2-Mehrheit der SPK-SR dazu, die parlamentarische Initiative zur Abschreibung zu empfehlen. Die Umsetzung der Initiative – so nachvollziehbar die Forderung auch sei – würde das Prinzip der Gleichbehandlung der Ratsmitglieder oder die Idee des Milizsystems verletzen. Gleichbehandlung würde bedeuten, dass sämtliche Tätigkeiten untersagt werden müssten, mit denen Kommissionsarbeit tangiert würde. Dies wäre aber mit dem Milizsystem nicht vereinbar. Hier müssten jene beruflichen Tätigkeiten ausgenommen werden, die bereits vor der Wahl ausgeübt wurden, was aber wiederum das Prinzip der Gleichbehandlung verletzten würde. Darüber hinaus – so machte die SPK-SR in ihrem Bericht deutlich – sei mit «erheblichen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten» zu rechnen. Eine links-grüne Kommissionsminderheit, bestehend aus Hans Stöckli (sp, BE) und Lisa Mazzone (gp, GE), wollte die Rekrutierung von Parlamentsmitgliedern abhängig von deren Kommissionszugehörigkeit hingegen bekämpfen, weil es das Vertrauen in die Politik untergrabe: Ein Verbot solcher Tätigkeiten lasse sich damit begründen, dass die Wählerinnen und Wähler vor den Wahlen wissen müssten, wer welche Interessenbindungen aufweise. Solche Bindungen dürften nicht erst nach den Wahlen und je nach Kommissionszugehörigkeit neu aufgebaut werden.
Der Ständerat sollte das Geschäft eigentlich in der Wintersession 2021 behandeln, beschloss aber, die Beratung zu verschieben. Es brauche eine längere Debatte, für die in der Wintersession aber keine Zeit sei, begründete Benedikt Würth (mitte, SG) seinen Ordnungsantrag, der eine Neutraktandierung für die Frühjahrssession 2022 vorsah. In der Tat wäre es das letzte Geschäft im Ständerat gewesen, das im Jahr 2021 behandelt worden wäre. Würth befürchtete, dass «die zentrale Frage» nicht genügend Raum erhalten hätte, weil ein «psychologischer Druck, jetzt nicht mehr zu sprechen, weil die Ratsmitglieder in die Mittagspause gehen wollen», bestanden hätte. Dies sahen auch die anwesenden Ständerätinnen und Ständeräte so und hiessen den Ordnungsantrag gut.

Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Ein Jahr später als ursprünglich geplant, beugte sich der Ständerat über die parlamentarische Initiative von Beat Rieder (mitte, VS), die ein Verbot für bezahlte Mandate im Zusammenhang mit der Einsitznahme in parlamentarische Kommissionen forderte. Die SPK-SR, die der Initiative wie auch ihre Schwesterkommission zuerst noch Folge gegeben hatte, empfahl sie nun einstimmig zur Abschreibung. In ihrer Medienmitteilung begründete die Kommission diese Kehrtwende in einem ersten Punkt damit, dass sich bei der Diskussion des an und für sich unterstützenswerten Anliegens gezeigt habe, dass eine verfassungskonforme Umsetzung nicht möglich sei, weil die Ratsmitglieder nicht nur ungleich behandelt, sondern auch in ihrer wirtschaftlichen Freiheit eingeschränkt würden. Den zweiten Punkt machte in der Ratsdebatte Daniel Jositsch (sp, ZH) deutlich: Es gebe eigentlich nur zwei Möglichkeiten – ein Berufsparlament, bei dem sämtliche anderen Tätigkeiten neben dem Parlamentsmandat verboten wären, oder eben ein Milizparlament, bei dem die Mandatsträgerinnen und -träger verschiedene Interessen und Kenntnisse ins Parlament brächten. Eine dritte Möglichkeit, wie sie die parlamentarische Initiative Rieder verlange, sei aber eben nicht möglich.
Gegen die Abschreibung setzte sich der Initiant selber ein: Beat Rieder argumentierte, dass er nicht das Milizsystem abschaffen, sondern das Vertrauen darein stärken wolle, weil sein Vorschlag die «offenkundigsten Interessenkollisionen» verhindern wolle. Freilich sei es stets schwierig, in der Gesetzgebung klare Definitionen vorzunehmen, dies gelte auch für seinen Vorschlag. Das dürfe aber kein Argument gegen eine neue Regelung sein. Auch das Argument der Ungleichbehandlung sei nicht wirklich stichhaltig, so Rieder. Es gehe einzig darum, zu entscheiden, ob man ein Mandat in einem Sachbereich annehmen oder in der entsprechenden Kommission sitzen wolle. Das sei eine freie individuelle Entscheidung und habe mit Rechtsungleichheit nichts zu tun, es werde ja niemand in seinen Rechten eingeschränkt. Rieder stiess zwar mit dieser Argumentation auf Sympathie – sieben Ratsmitglieder aus allen Lagern unterstützten ihn –, die total 8 Stimmen standen aber einer Mehrheit von 34 Stimmen gegenüber, die dem Antrag der Kommission folgten und die Initiative (bei 2 enthaltenden Stimmen) abschrieben.

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