Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (Kt.Iv. 20.332)

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Eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP forderte der Kanton Freiburg im Jahr 2020 mit einer Standesinitiative. Die 2002 zwischen den Tarifpartnern ausgehandelte Tarifvereinbarung zur Abgeltung der Arzneimittel und des MiGeL-Materials in den freiburgischen Pflegeheimen beinhalte pauschale Vergütungen, ein Pflichtenheft für die verantwortlichen Apothekerinnen und Apotheker sowie eine Monitoring-Stelle, erläuterte der Kanton. So werden gemäss dem Freiburger Modell jeweils Grosspackungen an Medikamenten gekauft und pauschal an alle Heimbewohnerinnen und -bewohner abgerechnet, unabhängig von der individuell benötigten Menge des Medikaments. Durch die «aktive[...] berufsübergreifende[...] Zusammenarbeit bei der Medikation der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner» könnten die medizinisch-therapeutische Betreuung sowie die Kosten optimiert werden – damit seien bisher jährlich CHF 3 Mio. eingespart worden –, warb der Kanton für sein System. Seit der Revision der Regelungen zum Risikoausgleich (VORA) von 2018 – mit dem ein finanzieller Ausgleich zwischen Krankenversicherungen mit unterschiedlicher Risikostruktur geschaffen wird – werde jedoch die Verwendung von Pauschalbeträgen erschwert und sei von der Zustimmung der Versicherungen abhängig. Zwar habe man die für die Weiterverwendung von Pauschalbeträgen nötigen Voraussetzungen geschaffen, dennoch hätten die Versicherungen und das EDI das Modell abgelehnt. Entsprechend verlangte der Kanton den Erlass der nötigen Gesetzesbestimmungen, um sein System auch zukünftig betreiben zu können.
Im November 2021 beschäftigte sich die SGK-SR mit der Standesinitiative und zeigte sich zwar am Freiburger Modell interessiert, beantragte aber aufgrund von Zweifeln an der Kompatibilität mit dem Risikoausgleich mit 9 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der Standesinitiative keine Folge zu geben. Jedoch sollte die Verwaltung eine modifizierte, mit VORA kompatible Variante präsentieren.

Wie bereits seine Kommission wies auch der Ständerat in der Wintersession 2021 ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiburger Standesinitiative für eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP auf. Eine aus der Freiburger Ständerätin Johanna Gapany (fdp, FR) bestehende Minderheit hatte Folgegeben beantragt, wobei die Minderheitensprecherin im Rahmen der Ratsdebatte insbesondere die positiven Folgen der Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Heimen, Pflegeheimen sowie Ärztinnen und Ärzten im eigenen Kanton betonte. Diese ermögliche eine Reduktion der Medikamentenverschwendung und somit auch der Medikamentenkosten. Dieses Projekt habe sich zwischen 2002 und 2018 bewährt und Kosteneinsparungen von 23 Prozent mit sich gebracht, sei nun aber aufgrund der Änderung der Regelungen zum Risikoausgleich blockiert. Auch Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) lehnte das Modell nicht prinzipiell ab, sondern erklärte, dass es die SGK-SR in eine breite Auslegeordnung aufnehmen und dort insbesondere klären möchte, ob das Modell nicht bereits im geltenden Recht verwendet werden könne. Folglich sei die Standesinitiative nicht nötig, weshalb dieser keine Folge gegeben werden solle. Mit 19 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) folgte der Ständerat dem Antrag der Kommissionsmehrheit und verzichtete auf Folgegeben.

Auch die SGK-NR drückte ihre Unterstützung für das Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen sowie ihr Bedauern darüber aus, dass dieses aufgrund der Verordnungsänderung gescheitert war. Sie zeigte sich überzeugt, dass dieses Modell gemäss geltendem Recht bereits heute angewendet werden könnte. Die Kommissionsmehrheit wollte es deshalb explizit in das zweite Kostendämpfungspaket aufnehmen und der Standesinitiative entsprechend Folge geben, während die Kommissionsminderheit Mäder (glp, ZH) dafür keinen Bedarf sah – zumal das Modell ja bereits zulässig sei und die Tarifpartner folglich «im Rahmen des geltenden Rechts eine Lösung finden» sollten. Gleichzeitig erachtete es die Minderheit aber auch als problematisch für den Risikoausgleich, Patientinnen und Patienten ohne Erkrankungen Medikamentenkosten zu verrechnen. In der Frühjahrssession 2023 wurde Minderheitensprecher Mäder noch deutlicher und betonte, dass dieses Modell kleineren Krankenkassen das «Leben wesentlich schwerer machen» werde. Der Nationalrat sprach sich dennoch mit 96 zu 82 Stimmen für Folgegeben aus. Gegen Folgegeben votierten die GLP-Fraktion sowie Mehrheiten der SVP- und der FDP-Fraktion.

Die SGK-SR hielt – wenn auch knapp – an ihrem früheren Entscheid fest, der Standesinitiative des Kantons Freiburg, welche die Einführung des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen forderte, keine Folge zu geben. Damian Müller (fdp, LU), der das Anliegen der Kommissionsmehrheit vertrat, betonte nochmals die grundsätzliche Unterstützung der Kommission für das Freiburger Modell, gerade im Hinblick auf die erheblichen Kosteneinsparungen. Jedoch brauche es für die Umsetzung des Freiburger Modells keine Anpassung der Rechtslage. Die Kommissionsminderheit, vertreten durch Johanna Gapany (fdp, FR) und Maya Graf (gp, BL), sah dies anders: Es sei zwar richtig, dass das KVG das Modell nicht verbiete, aber es erlaube es auch nicht explizit. Eine Gesetzesänderung habe eine wichtige Signalwirkung und zeige die Bereitschaft des Ständerats, innovative Projekte im Gesundheitswesen zu fördern.
Mit 21 zu 20 Stimmen stimmte die kleine Kammer ihrer Kommission zu und gab der Initiative keine Folge, wodurch das Geschäft erledigt war. Bei der Schlussabstimmung zeigte sich kein einheitliches Bild bei den Parteien, wobei bürgerliche Ratsmitglieder aber eher dem Antrag der Kommission folgten als Mitglieder von SP und Grünen. Jedoch konnte das Nein-Lager auch einige Vertretende von FDP und Mitte für sich gewinnen.