In der Wintersession 2024 diskutierte der Nationalrat, ob er künftig Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als gleichzeitig Urhebende ermöglichen will. Für die SPK-NR, welche die Idee in Form einer parlamentarischen Initiative lanciert hatte, sprachen Céline Widmer (sp, ZH) und Piero Marchesi (svp, TI). Gemäss der Vorlage können künftig maximal sechs Parlamentsmitglieder gemeinsam einen Vorstoss einreichen. Mitunterzeichnen werde von dieser Regel nicht tangiert und es ändere sich nichts daran; auch sei es weiterhin möglich, gleichlautende Vorstösse einzureichen, so die Kommissionssprecherin, dies werde «einfach obsolet». Um den Ratsbetrieb effizient zu halten, werde die Redezeit aber nicht verlängert, so die Kommissionssprecherin. Die zur Verfügung stehenden fünf Minuten müssten unter den Miturhebenden aufgeteilt werden. Dies sei eine Effizienzsteigerung, stünden doch bisher allen Urhebenden gleichlautender Vorstösse jeweils fünf Minuten zur Verfügung.
In der Kommission war umstritten, ob der Entscheid über den Rückzug eines Vorstosses allen Miturhebenden gemeinsam obliegen soll oder ob dieses Recht, wie von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagen, lediglich der ersten miturhebenden Person obliegen soll. Im Namen der Minderheit warb Nadine Masshardt (sp, BE) für das «Konsensprinzip» und gegen einen Automatismus.
Da mit dieser Forderung auch das Parlamentsrecht bzw. das Geschäftsreglement des Nationalrats revidiert wurde, nahm die SPK-NR drei zusätzliche Punkte in die Revision mit auf, die mit dem ursprünglichen Anliegen nichts zu tun hatten. Neben zwei Präzisierungen ging es dabei insbesondere um ein Verbot des Einreichens neuer Vorstösse während Sondersessionen – eine Idee, die auf eine parlamentarische Initiative von Gregor Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 22.433) zurückging, der zwar im Nationalrat, nicht aber im Ständerat Folge gegeben worden war. Gegen die Änderung stemmte sich allerdings eine zweite Kommissionsminderheit: Beat Flach (glp, AG) sprach von einer «Selbstkasteiung in der allergrössten Art und Weise». Es sei nicht nur ein Recht, sondern die Pflicht eines Parlamentsmitglieds, Vorstösse einzureichen. Freilich müsse damit verantwortlich umgegangen werden und nicht alles, was in «20 Minuten» stehe, müsse gleich in ein neues Gesetz fliessen, so Flach. Das Recht dürfe aber nicht beschnitten werden und Parlamentsmitglieder müssten selber entscheiden können, wann sie Vorstösse einreichen und wann nicht.
Eine letzte Kommissionsminderheit beantragte schliesslich, gar nicht auf die Vorlage einzutreten. Minderheitensprecher Gerhard Pfister (mitte, SZ) argumentierte, dass es effizienter und aufgrund das gemeinsamen Votums – «das dauert länger (als 5 Minuten), wenn sich diese Personen da alle aufreihen müssen, um nacheinander sprechen zu können» – wohl auch praktikabler sei, die bestehende Lösung mit vielen gleichlautenden Vorstössen beizubehalten. Auch ein Verbot der Einreichung von Vorstössen während Sondersessionen sei «völlig illusorisch», weil die entsprechenden Ideen einfach in der nachfolgenden Session zusätzlich eingereicht würden.
Auch der Bundesrat hatte sich ein paar Wochen vor der Parlamentsdebatte in einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. Er betonte, dass die Parlamentsorganisation Sache der Legislative sei. Er beantrage freilich, auf die Vorlage einzutreten und sie anzunehmen, weil er einen geringeren Aufwand für die Verwaltung erwarte, wenn weniger gleichlautende Vorstösse eingereicht würden.
Die grosse Kammer entschied sich in der Folge mit 161 zu 28 Stimmen (4 Enthaltungen) und entgegen der Minderheit Pfister, die nur in der eigenen Fraktion zu überzeugen vermochte, auf das Geschäft einzutreten. Das Bundesgesetz über die Bundesversammlung wurde gleich anschliessend mit 167 zu 26 Stimmen in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Auch hier kam die Opposition ausschliesslich aus der Mitte-Fraktion. Auf das nationalrätliche Geschäftsreglement trat der Nationalrat ebenfalls unter Opposition der Mitte ein (18 zu 126 Stimmen). In der Folge lehnte der Nationalrat den Antrag Masshardt auf geteilte Rechte hinsichtlich Abschreiben (115 zu 77 Stimmen, 3 Enthaltungen) sowie den Antrag Flach gegen das Verbot des Einreichens von Vorstössen während Sondersessionen (168 zu 44 Stimmen, 1 Enthaltung) ab. Die links-grüne Minderheit, im ersten Fall unterstützt von der GLP-Fraktion, unterlag beide Male der bürgerlichen Mehrheit. In der Gesamtabstimmung wurde das Geschäftsreglement mit 179 zu 15 Stimmen (1 Enthaltung) angenommen. Die Gegenstimmen stammten dabei erneut aus der Mitte-Fraktion.
Da es sich beim Geschäftsreglement um ein rein nationalrätliches Anliegen handelt, ging lediglich das Bundesgesetz über die Bundesversammlung an den Ständerat.