Benachteiligung von Schweizer Unternehmen durch eine einheitliche Besteuerungspraxis vermeiden (Po. 22.3396)

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Im Mai 2022 diskutierte die WAK-NR die Motion Ettlin (mitte, OW; Mo. 19.4635) für eine Änderung der Rückzahlung der Verrechnungssteuer für begünstigte Unternehmen bei zwei «verbundenen, vom gleichen Aktionärskreis beherrschten Gesellschaften». Der Motionär störte sich daran, dass in der Schweiz diejenige von zwei verbundenen Gesellschaften die Rückerstattung der Verrechnungssteuer erhält, welche durch die Leistung begünstigt wurde, im Ausland aber häufig auch die andere Gesellschaft die Rückerstattung geltend machen kann. Da dies den Schweizer Investitionsstandort unattraktiv mache, wollte er die entsprechende Regelung ändern. Die Kommissionsmehrheit erachtete mehr Informationen zu dieser Frage als nötig und reichte daher ein Kommissionspostulat ein, mit dem sie einen Vergleich der schweizerischen Besteuerungspraxis mit denjenigen im Ausland verlangte. Da sie überdies das sogenannte Dividend Stripping, bei dem eine Aktie zur Steuerhinterziehung kurz vor der Dividendenzahlung verkauft und kurz darauf wieder zurückgekauft wird, fürchtete, sollte der Bericht auch das entsprechende Missbrauchsrisiko und mögliche Lösungen beinhalten. In der Herbstsession 2022 lehnte der Nationalrat die Motion Ettlin mit 105 zu 77 Stimmen ab, sprach sich aber stillschweigend für Annahme des Kommissionspostulats aus.

In Erfüllung des Postulats der WAK-NR veröffentlichte der Bundesrat im Dezember 2024 einen Bericht zur Frage, wie die Benachteiligung von Schweizer Unternehmen durch eine einheitliche Besteuerungspraxis vermieden werden kann. Im Zentrum der Analyse stand die derzeitige Anwendung der sogenannten Direktbegünstigungstheorie und die möglichen Auswirkungen eines Wechsels zur sogenannten Dreieckstheorie. Zudem wurden die Risiken im Zusammenhang mit dem sogenannten Dividend Stripping untersucht. Zentral sind diese Fragen bei der Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Diese wird als Quellensteuer auf Erträgen des beweglichen Kapitalvermögens erhoben, insbesondere auf Dividenden. Die Direktbegünstigungstheorie besagt, dass diejenige Gesellschaft als Leistungsempfängerin gilt, die diese Erträge unmittelbar erhält und darüber verfügen kann. In internationalen Konzernstrukturen kann es jedoch vorkommen, dass eine vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht immer möglich ist. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise eine Tochtergesellschaft in der Schweiz Dividenden erhält, diese aber wirtschaftlich für die Muttergesellschaft im Ausland bestimmt sind. Als Alternative wird im Bericht die Dreieckstheorie analysiert, bei der geldwerte Leistungen innerhalb eines Konzerns als indirekte Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft behandelt würden. Dies könnte insbesondere für multinationale Unternehmen steuerliche Erleichterungen bringen, indem Rückerstattungen vereinfacht und Liquiditätsnachteile wie im bisherigen System vermieden würden. Gleichzeitig stellt der Bericht aber fest, dass die Direktbegünstigungstheorie einen gewissen Schutz gegen Gewinnverschiebungen ins Ausland bietet und somit die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden sichert. Folglich könnte eine Umstellung auf die Dreieckstheorie zu erheblichen Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer führen, so der Bericht. Zudem würde eine solche Änderung das Risiko von Dividend Stripping erhöhen. Dabei handelt es sich um eine Steuerumgehungspraxis, bei der Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag verkauft werden, um von günstigeren Bedingungen bei der Rückerstattung der Verrechnungssteuer zu profitieren. Derzeit wird ein solches Vorgehen durch die Direktbegünstigungstheorie verhindert, indem sie die Rückerstattung nur denjenigen Gesellschaften erlaubt, die tatsächlich über die Erträge verfügen können. Ein Wechsel zur Dreieckstheorie könnte nun aber durch künstliche Transaktionen steuerliche Vorteile ermöglichen. Um die bestehenden Liquiditätsnachteile für Unternehmen abzumildern, schlägt der Bericht vor, das Meldeverfahren für geldwerte Leistungen auszuweiten. Dadurch könnte die Verrechnungssteuer in gewissen Fällen nicht mehr effektiv bezahlt, sondern nur noch deklariert werden, was den administrativen Aufwand und den Kapitalabfluss für Unternehmen reduzieren würde. Allerdings wäre auch diese Massnahme mit gewissen Mindereinnahmen verbunden, insbesondere im Bereich der Verzugszinsen und Bussen.