Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger (Po. 21.4168)

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Mit 117 zu 66 Stimmen nahm der Nationalrat in der Sommersession 2022 ein Postulat von Christian Dandrès (sp, GE) an, das einen Bericht darüber verlangte, wie bundesrätliche Fehlinformationen während Abstimmungskampagnen angefochten und korrigiert werden könnten. Es gehe ihm um die Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger, wie Dandrès seinen Vorstoss begründete. Er warf dem Bundesrat etwa vor, bei der Abstimmung über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) im Abstimmungsbüchlein Fehlinformationen verbreitet zu haben. Zudem habe er dort auch unterschlagen, dass das PMT mit den Menschenrechten unvereinbar sei. Behördeninformationen seien zentral für die Meinungsbildung. Wenn sie aber falsch und nicht transparent seien, sei dies auch deshalb ein Problem, weil bundesrätliche Information nicht von einem Gericht überprüft werden könnten. Mit dem Postulat solle nun insbesondere untersucht werden, wie solche Fehlinformationen angefochten werden könnten. Bundeskanzler Walter Thurnherr vertrat in der Debatte die Empfehlung des Bundesrats, das Postulat abzulehnen. Die Bundeskanzlei habe bereits seit einigen Jahren verschiedene Massnahmen ergriffen, um die Qualität der Informationen in den Abstimmungserläuterungen zu sichern – eine enge Zusammenarbeit mit den Departementen, Checklisten zur Qualitätssicherung durch das federführende Departement und Ämterkonsultationen. Fehler, die passieren könnten, würden zudem in standardisierten Prozessen aufgearbeitet, um das Verfahren weiter zu verbessern. Die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, GP und SVP erachteten diese Massnahmen wohl als zu wenig griffig und verhalfen dem Anliegen zum Erfolg.

Dossier: Abstimmungserläuterungen des Bundesrats

Ende Februar 2025 legte der Bundesrat den Bericht vor, in dem er die Möglichkeiten für eine Anfechtung von Informationen, die im Vorfeld einer eidgenössischen Abstimmung im Rahmen der Abstimmungserläuterungen verbreitet werden, auslotete. Damit erfüllte er ein Postulat von Christian Dandrès (sp, GE), der angemahnt hatte, dass eine freie Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden müsse.

Die Bundesverfassung sieht grundsätzlich keine gerichtlichen Anfechtungen von bundesrätlichen Informationen vor. Im Bericht argumentiert die Regierung, weshalb sie daran nichts ändern möchte. Einerseits sei das Qualitätsmanagement für die Erstellung der Abstimmungserläuterungen in den letzten Jahren stark verbessert worden. Auch die GPK-NR, die sich ausführlich mit der Behördenkommunikation vor Abstimmungen auseinandergesetzt habe, habe das «Bundesratsbüchlein» im Willensbildungsprozess als zweckmässig beurteilt. Zum anderen würden hauptsächlich zwei Gründe gegen eine Anfechtbarkeit dieser Informationsquelle sprechen. Erstens würde mit einer Verschiebung der Gewalten hin zur Judikative der politische Diskurs «durch rechtliche Auseinandersetzungen überlagert» und zweitens wäre mit Verzögerungen und Unsicherheiten im Entscheidungsprozess zu rechnen. Der Bundesrat erachte die Kontrolle durch die Medien als ausreichende Basis für den Schutz einer freien Meinungsbildung.
Ein Ausbau des Rechtsschutzes könnte freilich durchaus auch positive Folgen haben, so der Bericht weiter. Zu erwarten wäre etwa eine Stärkung des politischen Vertrauens, weil verfassungsgerichtlich garantiert wäre, dass Abstimmungserläuterungen sachlich, ausgewogen und verfassungskonform sind. Auch die Erweiterung der Garantie des Rechtsweges sogar für die Überprüfung von Akten des Bundesrats oder die Hoffnung, dass Informationen noch sorgfältiger aufbereitet werden, wenn die Bundesverwaltung eine Anfechtung fürchten müsste, könnten mögliche Vorteile sein. Allerdings wögen eine Verrechtlichung des politischen Diskurses, die zu erwartende zusätzliche Belastung des Bundesgerichtes sowie die Verzögerungen und Unsicherheiten im demokratischen Prozess schwerer als die möglichen Vorteile. Dies bringe den Bundesrat zum Schluss, dass kein Handlungsbedarf für eine Anfechtbarkeit der Abstimmungserläuterungen bestehe.

Dossier: Abstimmungserläuterungen des Bundesrats