Klärungsbedarf bezüglich Referenden zu dringlich erklärten Bundesgesetzen (Po. 22.3010)

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Bei der Abstimmung vom 13. Juni 2021 über das Covid-Referendum war es zur Besonderheit gekommen, dass das Gesetz, über welches abgestimmt worden war, erstens wegen Dringlicherklärung bereits in Kraft war und zweitens bereits revidierte, ebenfalls dringlich beschlossene Bestimmungen enthielt, die zwar nicht Gegenstand der Abstimmung waren, aber ohne den ursprünglichen Erlass gegebenenfalls nicht hätten existieren können. Würde also ein solcher Erlass in einer Volksabstimmung abgelehnt, müssten auch nachträgliche dringliche Änderungen, sofern sie sich auf konkrete Bestimmungen des Grunderlasses beziehen, ausser Kraft treten. Diese Änderungen könnten auch nicht nachträglich wieder eingesetzt werden, weil der Grundsatz des Erneuerungsverbots für dringliche Erlasse besteht. Es herrsche deshalb Klärungsbedarf bezüglich Referenden zu dringlich erklärten Bundesgesetzen, folgerte die SPK-NR nach der Volksabstimmung und forderte den Bundesrat auf, diesen in einem Bericht darzulegen. Insbesondere die Frage, welche Bestimmungen nach Ablehnung einer Referendumsvorlage noch gelten würden und welche nicht, sei zu klären, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Nachdem der Bundesrat die Annahme des Postulats beantragt hatte, überwies es der Nationalrat in der Frühjahrssession 2022 diskussionslos.

In seinem Bericht zum Klärungsbedarf bezüglich Referenden zu dringlich erklärten Bundesgesetzen kam der Bundesrat zum Schluss, dass es keine Gesetzesänderungen brauche. Die aktuelle Rechtslage reiche aus, damit es nicht zu Rechtsunsicherheiten komme, wenn in einer Krise ein nachträgliches Referendum gegen dringliche Erlasse erfolgreich ist. Konkret hatte sich diese Frage bei der Abstimmung vom 13. Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz gestellt. Dieses war vom Parlament als dringlich erklärt worden und entsprechend sofort in Kraft getreten. Gegen solche dringliche Erlasse kann nachträglich das Referendum ergriffen werden. Problematisch war damals, dass das per Referendum bekämpfte Covid-19-Gesetz (Grunderlass) bereits einige dringliche Teilrevisionen (Änderungserlasse) erfahren hatte. Was wäre mit diesen geschehen, wenn das Referendum gegen das ursprüngliche Gesetz erfolgreich gewesen wäre?
Im Bericht wurden drei Antworten auf diese Frage erörtert: Die komplette Streichung aller Änderungserlasse, die Aufrechterhaltung dieser Änderungserlasse, wenn nicht einzeln gegen diese ein weiteres Referendum ergriffen würde oder eine Unterscheidung zwischen dringlichen Änderungserlassen, die vom Grunderlass abhängen und entsprechend gestrichen würden und solchen, die nicht vom Grunderlass abhängen und weiter bestehen würden. Oberstes Ziel müsse sein, Rechtsunsicherheit zu verhindern. Dies könne erreicht werden – so der Bericht in der Diskussion verschiedener Lösungsansätze – wenn das Parlament bereits beim Erlass einer dringlichen Teilrevision definiere, welche Rechtsvorschriften des Grunderlasses von dieser Teilrevision mitaufgenommen werden sollen. Auch wenn dann der Grunderlass an der Urne abgelehnt würde, würden diese vorher definierten Rechtsvorschriften reaktiviert. Der Bericht sprach dabei ziemlich pathetisch von einer «Phönixklausel»: «Bildlich gesprochen würden sich diese Rahmenbestimmungen wie der sprichwörtliche Phönix aus der Asche des nach dem Volksnein ausser Kraft tretenden Grunderlasses erheben und im Zusammenspiel mit den Vorschriften des Änderungserlasses zu neuem Leben erweckt». Als ebenfalls möglich und der Rechtssicherheit dienlich definierte der Bericht die bei der parlamentarischen Debatte vorzunehmende Aufteilung der wichtigsten Elemente von Grund- und Änderungserlass auf mehrere dringlich erklärte Einzelerlasse, die jeweils einzeln dem nachträglichen fakultativen Referendum unterstehen würden. Dies habe freilich – abhängig von der Zahl solcher Einzelerlasse – «praktische Grenzen» so der Bericht. Beide Lösungen wären im Falle einer Krise aber umsetzbar ohne das geltende Recht ändern zu müssen.