Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (Pa.Iv. 19.456)

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Daniela Schneeberger (fdp, BL) verlangte in einer parlamentarischen Initiative, dass Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen zukünftig auch Leistungen zur Prävention ausrichten können sollen. Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen sind gemäss ZGB Per­so­nal­für­sor­ge­ein­rich­tun­gen in Stiftungsform und dienen der sozialen Vorsorge der Arbeitnehmenden. Während aber ihr Zweck bisher vor allem auf Personen in Notlagen abzielte, sollen sie zukünftig auch «Leistungen zur Prävention bei Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit» ausrichten können, wie etwa die «Mandatierung einer externen Anlaufstelle für Mitarbeitende mit finanziellen oder psychischen Problemen» oder auch die Unterstützung der Arbeitnehmenden bei der Kinderbetreuung. Zwar seien Präventionszwecke eigentlich bereits jetzt eingeschlossen, da dies jedoch «immer wieder zu Diskussionen mit den Behörden» führe, sollen sie jetzt ausdrücklich genannt werden, argumentierte die Initiantin.
Mit 19 zu 4 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gab die SGK-NR der Initiative im Januar 2021 Folge, im November 2021 stimmte ihr die SGK-SR stillschweigend zu. Somit wird die nationalrätliche Kommission einen Entwurf ausarbeiten.

Im August 2023 präsentierte die SGK-NR ihren Entwurf zur Aufnahme von Präventionsleistungen als Zweck von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen in Umsetzung der parlamentarischen Initiative Schneeberger (fdp, BL). Dazu sollten in einer neuen Ziffer im ZGB ausdrücklich «Leistungen in Notlagen, bei Krankheit, Unfall, Invalidität oder Arbeitslosigkeit, für Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention» aufgeführt werden. Des Weiteren soll auch die Finanzierung anderer Personalfürsorgeeinrichtungen durch die Wohlfahrtsfonds ausdrücklich genannt werden. Hingegen habe man zugunsten der Flexibilität der Regelung absichtlich auf die Nennung genauer Massnahmen verzichtet.

Zuvor hatte die Kommission zwischen Februar und Mai 2023 einen Vorentwurf in die Vernehmlassung gegeben, bei welcher 55 Stellungnahmen eingegangen waren. Grundsätzlich würden die Änderungen befürwortet, erklärte die Kommission in ihrem Bericht, unter anderen habe aber auch die Hälfte der stellungnehmenden Kantone «grosse Vorbehalte» geäussert. Einerseits hätten die kritischen Stimmen die Notwendigkeit einer Ausdehnung der Möglichkeiten der Wohlfahrtsfonds verneint, anderseits seien sie die vorgeschlagenen Lösungen teilweise als kontraproduktiv erachtet worden. Es sei zudem betont worden, dass der Entwurf eigentlich keine «geringfügige Erweiterung der Nebenzwecke, sondern [...] eine grundlegende Neudefinition der zulässigen Zwecke» beinhalte. Die SGK-NR ergänzte daraufhin den Entwurf um eine Übergangsbestimmung zur Aufnahme der neuen Leistungen in die Stiftungsurkunden.

Im November 2023 veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Entwurf. Darin zeigte er sich ebenfalls kritisch gegenüber der Ausweitung des Zwecks der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen. Er zeigte sich zwar damit einverstanden, die bestehende Praxis bezüglich der Finanzierung anderer Personalfürsorgeeinrichtungen, der Leistungen der beruflichen Vorsorge im engen Sinne (Alter, Tod und Invalidität) sowie der Leistungen in Notlagen zu kodifizieren. Hingegen lehnte er die Ermöglichung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit, bei berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildungen sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention ab, da diese von den Arbeitgebenden erbracht werden müssten. Er befürchtete, dass damit ein «unzulässiger Rückfluss von Mitteln an den Arbeitgeber entstehen würde». Allgemein stellte er überdies fest, dass Wohlfahrtsfonds nicht nur Präventionsleistungen, sondern unbedingt auch weiterhin Leistungen gemäss BVG (Alter, Tod und Invalidität) erbringen müssten.

In der Frühjahrssession 2024 besprach der Nationalrat die Vorlage zur Ausweitung der Leistungen von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen in Erfüllung der parlamentarischen Initiative 19.456. Zuvor hatte sich die SGK-NR im November 2023 einstimmig mit 18 zu 0 Stimmen (6 Enthaltungen) gegen den Antrag des Bundesrats ausgesprochen, der einige Streichungen von neuen Leistungen im Vergleich zum Entwurf der Kommission forderte. Der Standpunkt der Kommission wurde von Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentiert: Die gesellschaftliche Relevanz von Wohlfahrtsfonds in Form von schneller und unkomplizierter Unterstützung für Mitarbeitende sei unbestritten. Diese stärkten die soziale Verantwortung und entlasteten die Sozialwerke. Eine Präzisierung der Leistungen von Wohlfahrtsfonds, wie sie die Initiative von Daniela Schneeberger (fdp, BL) fordere, sei begrüssenswert, da es gerade bei der Prävention von Arbeitslosigkeit in der Praxis «immer wieder zu Diskussionen mit den Behörden» komme. Bereits heute sei gemäss BfS die Anzahl der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen sehr tief, was auf frühere Anpassungen der Rahmenbedingungen von Wohlfahrtsfonds zurückzuführen sei, so die Kommissionssprecher. Die Ausweitung des Handlungsspielraums von Wohlfahrtsfonds führe zudem zu einer schnelleren Anpassung an aktuelle Bedürfnisse und es gehe – anders als vom Bundesrat und einem Teil der Kantonen befürchtet – kein Steuer- und AHV-Substrat verloren.
Eine Minderheit Gysi (sp, SG), die gleichzeitig auch für die SP-Fraktion sprach, plädierte grundsätzlich auf Eintreten auf die Vorlage, störte sich aber an dem Umstand, dass Arbeitnehmende die Leistungen der Wohlfahrtsfonds nur sehr selektiv in Anspruch nehmen könnten, da viele Firmen an keinen solchen gekoppelt seien. Zudem bestehe das Potenzial, Steuereinnahmen «am Fiskus vorbeizuschleusen», indem Gewinne in die Wohlfahrtsfonds verschoben würden. Ihr Minderheitsantrag fordere deshalb, dass bei einer Ausweitung des Handlungsspielraums die Ausgaben für den Hauptzweck der Wohlfahrtsfonds, die Prävention von sozialer Not von Arbeitnehmenden, stets höher sein müssen, als die Ausgaben für «Nebenzwecke». Auch dürfen diese neuen Zwecke nicht dazu führen, dass der Kernauftrag der Wohlfahrtsfonds vernachlässigt werde. Die Mitte-Fraktion, die von Thomas Rechsteiner (mitte, AI) vertreten wurde, plädierte ebenfalls auf Eintreten auf die Vorlage, da bei einer Erweiterung der Leistungen der Wohlfahrtsfonds gerade für Ausbildungszwecke und für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie die 2. Säule entlastet werde. Der Minderheitsantrag Gysi fand bei der Mitte jedoch keinen Anklang. Eine Verschiebung von Gewinnen in Wohlfahrtsfonds aufgrund von Steueroptimierung sei nicht prinzipiell abzulehnen, denn immerhin sei der Fonds zweckgebunden und das Unternehmen könne die eingezahlten Gelder im Anschluss «nicht mehr direkt anzapfen».Der Mitte-Fraktion schloss sich in der Folge auch die FDP.Liberalen-Fraktion an, für die Regine Sauter (fdp, ZH) im Saal argumentierte. Auch sie sprach sich deutlich für die Ausweitung der Leistungen von Wohlfahrtsfonds aus, die schliesslich freiwillig etwas für ihre Destinatäre täten. Der Minderheitsantrag Gysi wiederum sei «kontraproduktiv» und würde Schwierigkeiten bei der rechtlichen Umsetzung generieren.
Einzig die Grünen-Fraktion – vertreten durch Léonore Porchet (gp, VD) – unterstützte im Plenum den Minderheitsantrag Gysi, da auch sie Steueroptimierung und Vernachlässigung der Pflichten des Arbeitgebers befürchtete. Die Grünen plädierten auf Eintreten der Vorlage, obschon sie lieber direkte Leistungen der Arbeitgebenden an die Arbeitnehmenden sehen würden.
Wie es die Ratsdebatte und die Kommissionssitzung vermuten liessen, konnte der Antrag des Bundesrats kein Ratsmitglied überzeugen und wurde einstimmig abgelehnt. Der Minderheitsantrag Gysi blieb ebenfalls chancenlos und wurde mit 122 zu 67 Stimmen (0 Enthaltungen) abgelehnt. Einzig die SP-, Grünen- und GLP-Fraktion stimmten für den Antrag der Minderheit. In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf schliesslich einstimmig mit 189 zu 0 Stimmen (0 Enthaltungen) angenommen und an den Ständerat überwiesen.