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Bildung, Kultur und Medien
Medien
Der Bundesrat leitete dem Parlament eine Revision des Medienstrafrechts zu, die Medienschaffenden ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumen will. - Im Aargau fusionierten die beiden grössten kantonalen Tageszeitungen, und in Solothurn, Neuenburg und Graubünden kam es zu weitreichenden Kooperationen auf dem Pressemarkt. - Mit "La Quotidiana" wird Graubünden seine erste romanische Tageszeitung erhalten. - Die vierte Schweizer Sendekette "Schweiz 4/Suisse 4/Svizzera 4" erzielte nicht den erhofften Erfolg und wird deshalb 1997 ein drittes Mal neu lanciert werden. - In einer zweiten Etappe der UKW-Sendernetzplanung schuf der Bundesrat Platz für sechs neue Lokalradios in der Zentral- und Ostschweiz.
Medienpolitische Grundfragen
Um der veränderten Medienwelt Rechnung zu tragen, leitete der Bundesrat dem Parlament eine Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zu. Die geltenden strafrechtlichen Vorschriften über die Medien wurden seit 1942 nicht mehr grundlegend revidiert und sollen auf Radio, Fernsehen und die weiteren elektronischen Medien ausgeweitet werden. Neu sollen Medienschaffende ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht erhalten. Der vorgeschlagene Artikel 27bis StGB sieht vor, dass gegen Medienschaffende keine Strafen oder prozessuale Zwangsmassnahmen verhängt werden dürfen, wenn diese beispielsweise über die Identität eines Autors oder über Quellen und Inhalt ihrer Informationen keine Auskunft geben wollen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Interesse am Quellenschutz das Interesse der Strafverfolgung überwiegt. Dies abzuschätzen soll Sache des Richters sein, wobei der Revisionsentwurf Leitplanken festlegt. Vorrang hätte der Quellenschutz, wenn eine Übertretung auch mit anderen Mitteln als der Zeugenaussage eines Journalisten aufgedeckt werden kann. Dasselbe gilt, wenn das geforderte Zeugnis anderem dienen soll als der unmittelbaren Aufklärung eines Delikts. Dagegen überwiegt das Strafverfolgungsinteresse, wenn das Zeugnis zur Rettung eines Menschenlebens erforderlich ist, oder wenn ohne die Aussage eines Medienschaffenden ein Tötungsdelikt oder ein anderes schweres Verbrechen nicht aufgeklärt oder der mutmassliche Täter nicht gefasst werden kann. Gleichzeitig will der Bundesrat weitere Bestimmungen im Medienstrafrecht anpassen. So soll der verantwortliche Redaktor nur noch für eigenes Verschulden haften; eine Übernahme der Schuld des nicht belangbaren Autors findet dagegen nicht mehr statt. Weiter soll die umstrittene Strafvorschrift über die Veröffentlichung amtlich geheimer Handlungen (Art. 293 StGB) ersatzlos aufgehoben werden. Wichtige staatliche und militärische Geheimnisse bleiben jedoch weiterhin vor einer Weiterverbreitung in den Medien geschützt. In seiner Begründung bezeichnete es der Bundesrat als unbillig, dass der Journalist, der vertrauliche Informationen veröffentlicht, bestraft wird, während der Beamte oder Behördenvertreter, der ihm die Publikation ermöglicht hat, regelmässig straflos ausgeht, da seine Identität nicht ermittelt werden kann. Anstelle der bisherigen Gleichstellung von Landesverrat und der unerlaubten Veröffentlichung bestimmter Geheimnisse durch ein Medium schlägt der Revisionsentwurf eine differenzierte Beurteilung der Geheimnisverletzungen vor [1].
Die Bundesanwaltschaft überwachte im September während mehrerer Wochen Journalistentelefone der "Sonntags-Blick"-Bundeshausredaktion, um der Indiskretion eines Beamten auf die Spur zu kommen. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft stiess in weiten Kreisen auf Kritik [2].
Eine Motion Zbinden (sp, AG), die eine verfassungsmässige Verankerung der Medien als vierte Gewalt forderte, um die Tendenz zur gegenseitigen Vereinnahmung von Politik und Medien zu bremsen, wurde vom Nationalrat mit 63 zu 44 Stimmen nur als Postulat überwiesen. Bundesrat Koller machte geltend, dass die Medien keinesfalls mit den drei klassischen Gewalten gleichgesetzt werden können, wies aber darauf hin, dass der Entwurf zur Totalrevision der Bundesverfassung explizit Regelungen enthalte, die unabhängige und aufklärend-kritische Medien garantieren [3].
Anders als der Nationalrat trat der Ständerat nicht auf eine parlamentarische Initiative der nationalrätlichen Rechtskommission ein, die vorschlug, dass vorsorglich verfügte Publikationsverbote künftig beim Bundesgericht angefochten werden können. Aus Sicht der ständerätlichen Rechtskommission ist die Berufung ans Bundesgericht schon wegen der Dauer des Verfahrens nicht das geeignete Rechtsmittel, um eine vorsorgliche Massnahme im Medienbereich zu überprüfen. Dem überlasteten Bundesgericht solle zudem nicht noch mehr Arbeit aufgebürdet werden.
Gemäss dem Presserat des Schweizer Verbandes der Journalistinnen und Journalisten ist die journalistische und politische Tätigkeit nicht zu vereinbaren. Schon die Mitgliedschaft bei einer Partei tangiere die Unabhängigkeit der Journalisten. Der Presserat setzte sich auch mit der Grauzone zwischen journalistischer und bezahlter Information auseinander und forderte von der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und von Teletext, bezahlte und gesponserte Dienste optisch klarer abzugrenzen [5].
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Presse
Zwischen den Deutschschweizer und Tessiner Verlegern und Journalisten kam, rückwirkend auf Anfang 1996, nach vierjährigen Verhandlungen doch noch ein Gesamtarbeitsvertrag zustande. Danach wurde der automatische Teuerungsausgleich durch jährliche Verhandlungen ersetzt, die Festsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit ist Sache der Unternehmungen [6].
Das Inseratevolumen sank im Berichtsjahr gesamtschweizerisch um 10,1%, wobei der Rückgang in der Deutschschweiz bedeutender war als in der Westschweiz und im Tessin. Um sich auf dem Werbemarkt besser zu behaupten, gründeten 50 Verleger von lokalen oder regionalen Deutschschweizer Zeitungen den Verein "Regiopress" [7].
Eine von der Vereinigung europäischer Zeitungsverleger publizierte Studie zeigte auf, dass das Zeitungssterben in keinem anderen Land Westeuropas in den letzten Jahren so gross war wie in der Schweiz. Zwischen 1988 und Anfang 1996 verringerte sich die Zahl der mindestens viermal wöchentlich erscheinenden Blätter in der Schweiz von 127 auf 103 [8]. Dieser Trend setzte sich im Berichtsjahr fort: Die Zahl der Schweizer Tageszeitungen sank unter 100 auf 99. Damit muss die Schweiz den Titel, zeitungsreichstes Land Europas zu sein, an Norwegen abgeben. Nur noch rund ein Drittel der Schweizer Tageszeitungen verfügt über eine Vollredaktion [9].
Zu Beginn des Jahres erschien in der Zentralschweiz erstmals das Fusionsprodukt von "Luzerner Neuste Nachrichten" (LNN) und "Luzerner Zeitung" (LZ), die "Neue Luzerner Zeitung" (NLZ) mit fünf Regionalausgaben für die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug. Noch im Januar kam ausserdem die als Alternative zur NLZ konzipierte Tageszeitung "Luzern heute", auf den Markt, die vor allem die Agglomeration Luzern abdecken will und dreimal wöchentlich erscheint. Auch im Kanton Zug wurde ein Konkurrenzblatt zur NLZ aus der Taufe gehoben: im August debutierte die "Zuger Presse", die sich auf das Geschehen in der Region Zug beschränkt und ebenfalls dreimal wöchentlich erscheint [10].
Im Aargau kam es ebenfalls zu einer Konzentration in der Presselandschaft. Die beiden grössten aargauischen Tageszeitungen "Aargauer Tagblatt" und "Badener Tagblatt" fusionierten zur "Aargauer Zeitung", die mit einer Startauflage von 120 000 Exemplaren im November als sechstgrösste Schweizer Tageszeitung erstmals erschien. Am neuen Unternehmen sind die Aargauer Tagblatt AG und die Badener Tagblatt Holding AG zu je 50% beteiligt. Anders als letztes Jahr in der Innerschweiz fielen die Reaktionen zur Zeitungsfusion im Aargau moderat aus, da beide Tageszeitungen eine ähnliche, bürgerlich-konservative Linie verfolgten. Opposition gegen die Fusion regte sich jedoch anfänglich von Teilen der Aktionäre des "Aargauer Tagblatts" um die beiden SVP-Parlamentarier Maximilian Reimann und Christian Speck, die eine Vormachtstellung der Badener Tagblatt Holding und insbesondere von deren Besitzer Peter Wanner befürchteten.
Die Aargauer Zeitungsfusion hatte auch Konsequenzen für die seit Anfang 1994 bestehende "Mittelland-Zeitung", der das "Aargauer Tagblatt", das "Oltner Tagblatt" und das "Zofinger Tagblatt" angehörten. Der Verleger der neuen "Aargauer Zeitung" kündigte die Kooperation des "Aargauer Tagblatt", das bis dahin den gemeinsamen Mantelteil der "Mittelland-Zeitung" geliefert hatte. Nachdem die beiden verbliebenen Partner mit rechtlichen Schritten wegen Vertragbruchs drohten, zog die Aargauer Zeitung AG die Kündigung zwar zurück. Die in Zugzwang geratenen "Oltner Tagblatt" und "Zofinger Tagblatt" fanden aber mit der "Solothurner Zeitung" eine neue Partnerin und schlossen sich zu dritt zur "Neue Mittelland-Zeitung" zusammen. Damit entstand im Kanton Aargau wieder eine zweite grössere Tageszeitung, dem Kanton Solothurn ging jedoch seine zweite Pressestimme verloren. Neu liefert die "Solothurner Zeitung" den überregionalen Mantelteil. Die vorerst auf fünf Jahre befristete, am 4. November begonnene Kooperation soll den drei Zeitungen - Gesamtauflage 85 000 Exemplare - den Zugang zum nationalen Inseratemarkt sichern. Die drei Verlage sind bereits gemeinsam am Solothurner Lokalsender "Radio 32" beteiligt.
Zu einem Zweititelsystem unter einem Verlagsdach ab 1. November entschieden sich das "Bündner Tagblatt" und die "Bündner Zeitung". Die Gasser Media AG, Herausgeberin der "Bündner Zeitung", übernahm die operative Führung beider Tageszeitungen, die neu einen gemeinsamen Inserateteil, aber weiterhin getrennte Redaktionen haben werden. Ab 1997 werden sich die beiden Blätter inhaltlich stärker unterscheiden: Während die "BZ" einen liberalen Kurs fährt und sich der vertieften Information verschreibt, wird das "Bündner Tagblatt" einen pointiert konservativen Kurs fahren und sich auf die kurze, schnelle Information konzentrieren. Das im 144. Jahrgang erscheinende "Bündner Tagblatt" war vor zehn Jahren vom Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Blocher übernommen und von ihm seither jährlich mit Millionenbeträgen über Wasser gehalten worden. Nun leitete Blocher seinen Rückzug aus dem Graubündner Zeitungsmarkt ein. Kritische Stimmen gaben dem Bündnerischen "wirtschaftlichen Zeitungsmonopol mit Pressevielfalt" keine längerfristigen Überlebenschancen [13].
Dem jahrelangen Feilschen um eine romanische Tageszeitung in Graubünden setzte die Gasser Media AG Anfang November überraschend ein Ende und kündigte die Lancierung von "La Quotidiana", der ersten romanischen Tageszeitung, auf Januar 1997 an. Im Gegensatz zu früheren Projekten wird die Tageszeitung nicht in Zusammenarbeit mit den romanischen Sprachorganisationen, sondern im Alleingang herausgegeben. Das Zweititelsystem von "BZ" und "BT" mutiert damit zum Dreititelsystem. Der Lia Rumantscha und der Pro Svizra Rumantscha warf der Gasser-Verlag vor, dass sie eine "rätoromanische Staatszeitung" produzieren und diese zu einem Mittel der Sprachenpolitik ausbauen wollten. Die Sprachorganisationen begrüssten die neue Tageszeitung grundsätzlich. Mit der Realisierung von "La Quotidiana" verbunden ist ein Kahlschlag in der romanischen Presselandschaft: Die "Gasetta Romontscha" aus Disentis, bereits seit längerer Zeit in der Hand der Gasser AG, wird ebenso in der neuen Tageszeitung aufgehen wie die kleineren romanischen Blätter "Casa Paterna/La Punt" und "Fegl ufficial da Surselva". Auch das bisher zweimal wöchentlich erscheinende Engadiner Lokalblatt "Fögl Ladin" wird in die "Quotidiana" integriert werden. Die Engadin Press AG verkaufte der Gasser AG ihre Verlagsrechte, da sie neben der neuen Konkurrenz keine Überlebenschancen mehr sah. "La Quotidiana", deren Auflage 10 000 Exemplare beträgt, soll unabhängig und politisch neutral sein und will grundsätzlich jedem Idiom Platz einräumen [14].
Auch bei den beiden Neuenburger Tageszeitungen "L'Express" und "L'Impartial" kam es ab November zu einer Konzentration der Kräfte. Die beiden Zeitungen beschlossen eine enge Zusammenarbeit in Redaktion und Druck, neu werden lediglich noch die Regional- und Lokalredaktionen selbständig bleiben. Den beiden Blättern wurde seit Jahren die baldige Fusion prognostiziert. Die Option einer Fusion der beiden defizitären welschen Blätter "Le Nouveau Quotidien" und "Journal de Genève" prüften auch die beiden Verlagshäuser Edipresse und Journal de Genève. Das vom Journal de Genève initierte Projekt scheiterte jedoch nicht zuletzt am Streit um die Meinungsführerschaft [15].
Die katholische Kirche entzog dem links-katholischen Genfer "Le Courrier" ihre finanzielle Unterstützung von bisher jährlich 250 000 Fr., weil dieser sich weigerte, seinen gemäss der Kirche zu wenig linientreuen Chefredaktor zu entlassen. Unterstützung erhielt die kleinste Genfer Tageszeitung daraufhin von neuen Abonnenten aus linken Kreisen sowie von Edipresse, die ihr 150 000 Fr. schenkte [16].
Die einzige noch verbliebene linksgrüne Tageszeitung in der Ostschweiz, die im 92. Jahrgang stehende "Ostschweizer Arbeiterzeitung", musste ihren Betrieb einstellen. Damit verschwand das fünftletzte Organ der einst 19 Titel zählenden sozialdemokratischen Presse in der Schweiz. Dem AZ-Ring gehören nun noch die Berner "Tagwacht", die Zürcher "DAZ", die "Winterthurer AZ" und die "Schaffhauser AZ" an; neu dazu kam "Luzern heute" [17].
Das älteste Presseerzeugnis der italienischen Schweiz, die "Gazzetta Ticinese", musste sein Erscheinen ebenfalls einstellen [18].
Im Kanton Genf lehnten die Stimmberechtigten eine Volksinitiative für die Pressevielfalt, die nach dem Untergang der "La Suisse" eingereicht worden war, deutlich ab. Der Initiativtext hatte verlangt, dass der Staat Massnahmen zur Förderung von Medien und zur Verhinderung von Medienmonopolen ergreife [19].
Zu einer Motion Chiffelle (sp, VD), die das Überleben von 3000 kleinen Zeitschriften sichern will, siehe oben, Teil I, 6b (PTT). Zur Umstrukturierung der Abteilung Presse und Funkspruch der Armee siehe oben, Teil I, 3 (Organisation militaire).
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Im Mai genehmigte der Bündner Grosse Rat oppositionslos jährliche Kantonsbeiträge von 350 000 Fr. an die geplante romanische Nachrichtenagentur "Agentura da novitads rumantscha" (ANR). Der Bund hatte zuvor im Rahmen des neuen Finanzhilfegesetzes für die Erhaltung und Förderung der romanischen und der italienischen Sprache und Kultur jährlich weitere 700 000 Fr. in Aussicht gestellt. Damit schien der Weg für die erste romanische Nachrichtenagentur frei, und bereits im November hätte die ANR probeweise Texte produzieren und verbreiten sollen. Im Oktober kam es im ANR-Stiftungsrat jedoch zu einem Zerwürfnis. Der Gasser AG, die ein fertiges Konzept für die Organisation der Agentur vorlegte, die neuen ANR-Korrespondentenstellen in ihre eigenen Zeitungsredaktionen integrieren und auch gleich die elektronische Ausrüstung liefern wollte, wurde vorgeworfen, die ANR kontrollieren zu wollen. Der Stiftungsrat entschied, das technische Konzept der ANR öffentlich auszuschreiben, weil es sich um ein subventioniertes Projekt handle. Aus Protest traten daraufhin zwei Stiftungsratsmitglieder der Gasser-Gruppe zurück. Im Dezember entschied sich der Stiftungsrat für ein Konzept, das unabhängig vom Gasser Verlag funktioniert. Ab Februar 1997 soll die ANR nun romanische Nachrichten liefern [20].
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Radio und Fernsehen
Nach längeren Spekulationen wurde im Frühjahr als Nachfolger von Antonio Riva Armin Walpen zum SRG-Generaldirektor gewählt. Damit stellt die CVP diesen Posten zum dritten Mal in Folge. Walpen war bisher Generalsekretär im EJPD und zuvor Chef des Radio- und Fernsehdienstes im EVED. Als weitere Kandidaten waren unter anderem DRS-Fernsehdirektor Peter Schellenberg gehandelt worden sowie insbesondere Max Friedli, Direktor des Bundesamtes für Verkehr, der dann allerdings seine Kandidatur vorzeitig zurückzog. Zum neuen Präsidenten der Radio- und Fernsehgesellschaft DRS wurde der bisherige Vizepräsident, der Solothurner alt Regierungsrat Fritz Schneider (fdp) gewählt. Er wird ab 1997 Franz Hagmann ersetzen [21].
Die Rechnung 1996 der SRG schloss mit einem Gewinn von rund 20 Mio Fr. (1995: 49 Mio) ab [22].
SF DRS und TSR mussten im Berichtsjahr sowohl im Ganztagesvergleich als auch in der Hauptsendezeit einen Marktanteilverlust von je 1% hinnehmen. SF DRS hielt über 24 Stunden gesehen einen Marktanteil von noch 28%, TSR einen von 28,8%. Diese leichte Abnahme konnte aber durch höhere Marktanteile bei Schweiz 4/Suisse 4 mehr als kompensiert werden. Schweiz 4 konnte sich von 3,9% auf 5,4% steigern und verschaffte damit der SRG in der Deutschschweiz mit 34,5% ein besseres Resultat als 1995 (+0,4%). In der Romandie ermöglichte Suisse 4 der SRG mit einem Anteil von 3,9% (1995: 2,3%) ein leicht besseres Resultat als im Vorjahr (+0,3% auf 35,1%). Die TSI verzeichnete über 24 Stunden eine deutliche Zunahme ihrer Marktanteile von 26% auf 28,4%. Schweiz 4 kam im Tessin auf 1,8%. Wie im Vorjahr entfielen 1996 in der Deutschschweiz 50% der Radionutzung auf die SRG-Programme. In der Romandie sank der Marktanteil von 51% auf 47%, während er im Tessin von 68% auf 71% stieg [23].
Auf dem Motionsweg forderte Ständerat Iten (fdp, ZG) von der SRG, das schweizerische Musikschaffen an Radio und Fernsehen besonders zu berücksichtigen und das Radio- und Fernsehgesetz (Art. 31) entsprechend zu ergänzen. Eine ausdrückliche Erwähnung findet dort bisher nur die Förderung der schweizerischen audiovisuellen Produktion. Während der Ständerat die Motion im Frühling mit 26 zu 7 Stimmen guthiess, folgte der Nationalrat in der Herbstsession dem Bundesrat, welcher der vorgeschlagenen Formulierung nur programmatische Wirkung zugestand, und überwies den Vorstoss in der Form des Postulats [24].
Keine Chance hatte eine Motion Zisyadis (pda, VD), die zur Erhaltung und Förderung einer eigenständigen Musikkultur in den verschiedenen Sprachregionen für die Radioprogramme eine Quote für regionales Liedgut von 40% der musikalischen Werke forderte. Der Nationalrat lehnte die starre Regelung mit 62:15 Stimmen ab [25].
Auch eine weitere von Zisyadis eingereichte Motion, die eine 50-Prozent-Quote für europäische Werke im Fernsehen forderte, lehnte der Nationalrat auf Antrag des Bundesrates mit 18:57 Stimmen ab. Bundesrat Leuenberger wies aber darauf hin, dass 1995 rund 80% der SRG-Fernsehproduktionen schweizerischen oder europäischen Ursprungs waren und eine verbindliche Quote für europäische Werke - wie sie im EU-Parlament schon gefordert wurde - für die Schweiz daher kein Problem darstellen würde [26].
Radio DRS expandierte ab 1. Oktober mit "Musigwälle 531" auf Mittelwelle und konkurriert damit direkt den privaten Volksmusiksender Radio Eviva. Der Bundesrat schränkte den Spielraum von Radio DRS jedoch ein. So ist dem Sender eine Entwicklung in Richtung volkstümliches Spartenradio nicht erlaubt. Programmodifikationen zu DRS 1 dürfen sich nur auf die Musik beziehen, alle wichtigen Informationsgefässe von DRS 1 müssen auch auf Mittelwelle ausgestrahlt werden. Radio Suisse romande erhielt grünes Licht für "Option musique" [27].
Radio Suisse romande verstärkte mit einem neuen Studio in Zürich seine Präsenz in der Deutschschweiz, um das Verständnis zwischen der deutschen und der welschen Schweiz zu fördern. Ausserdem vereinbarten RSR und vier Lokalredaktionen von Radio France - Elsass, Belfort, Besançon und Savoyen - einen Austausch von Lokalbeiträgen. Damit sollen Themen von grenzüberschreitendem Interesse besser abgedeckt werden können.
SF DRS wandelt den Bereich Produktion und Technik ab 1997 zum selbständigen Profit-Center um. Das neue TV-Produktionszentrum, das im Fernsehen DRS integriert bleibt, soll mit eigenem Marktauftritt vermehrt Aufträge ausserhalb der SRG akquirieren, wobei es insbesondere den süddeutschen Raum im Visier hat. Im Gegenzug dürfen DRS-Programme auch auswärts produziert werden [29].
Nach dem Konkurrenzprogramm "S Plus" vermochte auch der als Mischprogramm konzipierte Nachfolgesender "Schweiz 4/ Suisse 4/ Svizzera 4" den Erwartungen nicht zu entsprechen. Einem Aufwand von rund 80 Mio Fr. standen 1996 Werbeeinnahmen von lediglich 4,5 Mio. Fr. gegenüber. Die SRG und die Presse-TV warfen dem vierten SRG-Kanal Profillosigkeit und zu geringe Zuschauerquoten und Werbeeinnahmen vor und verlangten eine erneute Umstrukturierung des Senders. Im Juni wurde S-4-Chef Dario Robbiani fristlos entlassen, weil er eine vorerst intern diskutierte Umgestaltung des Senders publik machte und bekämpfte. Mitte September kündigte die SRG-Spitze einen dritten Anlauf für "Schweiz 4" im Herbst 1997 an. Danach soll das nationale Programm der vierten Senderkette aufgegeben und regionalisiert werden. Die nationale Integrationsfunktion - das ursprüngliche Konzept der vierten Kette - will die SRG vermehrt in den drei Hauptprogrammen wahrnehmen und verstärken. Die Verantwortung für die vierte Senderkette soll direkt den Direktionen der ersten SRG-Programme in den jeweiligen Sprachregionen unterstellt werden, was eine autonome Direktion obsolet macht. In der Deutschschweiz soll der unter dem Namen "SF 2" gehandelte Nachfolgesender als Ergänzungskanal mit einfachem und einprägsamem Profil insbesondere ein jüngeres Publikum ansprechen, da dieses zu den ausländischen Privatsendern abzuwandern droht. Zentrales Element bleibt aber die Übertragung von Sportereignissen, daneben wird die Presse-TV vorwiegend am Wochenende in Programmblöcken Akzente setzen. Vom zweiten Programm in der Deutschschweiz erhofft sich die SRG insbesondere auch neue Werbegelder. In der Westschweiz und in der italienischsprachigen Schweiz will die SRG den eingeschlagenen Weg mit "Suisse 4" und "Svizzera 4" weitergehen und ausbauen. So sollen die Mittel für "Suisse 4" auf sieben bis acht Mio Fr. verdoppelt werden, und das Tessin soll neu etwa fünf Mio Fr. erhalten, um im Umfeld der Sportübertragungen die Eigenleistungen zu verbessern. Im Dezember kündigte der Bundesrat die SRG-Konzession in einzelnen Punkten, um das Angebot von Schweiz 4 grundsätzlich neu auszuhandeln; der Schritt erfolgte in Übereinstimmung mit der SRG. Kurz vor Jahresende reichte sie ihr Gesuch für eine Konzessionsänderung ein.
Der Publikumsrat des Schweizer Fernsehens DRS kritisierte die Werbung vor Kinder- und Jugendsendungen und sprach sich aus ästhetischen und pädagogischen Gründen für ein werbefreies oder zumindest verantwortungsvolles Umfeld solcher Sendungen aus [31].
Der ausländische Druck auf den Schweizer TV-Werbemarkt verstärkte sich. Nach dem deutschen Privatsender RTL, der den Umweg über eine reaktivierte Lizenz in Luxemburg gewählt hatte, werden auf den 1. Januar 1997 auch Sat 1 und Pro 7 ein Schweizer Werbefenster einrichten. Das BAKOM hatte stets Fragezeichen hinter die rechtliche Zulässigkeit solcher Werbefenster gesetzt. Sat 1 und Pro 7 verschafften sich aber Lizenzen in Grossbritannien und Deutschland. Mit RTL 2 und Kabel 1 stehen weitere Interessenten für ein Schweizer Werbefenster in den Startlöchern [32].
Nach dem BAKOM nahm auch die Kartellkommission Stellung zu den SRG-Aktivitäten im Printbereich. Sie rügte die Unterstützung, welche die SRG dem "K-Tip", der Begleitzeitschrift der Fernsehsendung Kassensturz während der Einführung zukommen liess, als ungerechtfertigt. Gemäss Kartellkommission hätte sich der "K-Tip" ohne diese Unterstützung nicht oder nur schwer auf dem Markt etablieren können. Die SRG räumte gewisse kartellrechtliche Schwierigkeiten ein, widersetzte sich aber dem Vorschlag der Kartellkommission, einen Kodex zum SRG-Verhalten auf dem Printmedienmarkt auszuhandeln [33].
Der Bundesrat erteilte der SRG die Bewilligung, ihre Radio- und Fernsehprogramme zusätzlich über Satellit zu verbreiten. Die SRG-Programme werden ab Mitte 1997 vorerst vom Satelliten Eutelsat Hot Bird 3 verbreitet. Neben den normalen Programmen kann die SRG künftig auch die beiden Telefonrundspruch-Programme "Classic" und "Light" sowie ihr neues Kulturprogramm "Swiss Prime" via Weltall verbreiten. Die Kosten belaufen sich auf 9,4 Mio. Fr. pro Jahr [34].
Zum neuen Rahmenabkommen zwischen dem Fernsehen und dem unabhängigen Schweizer Filmschaffen siehe oben, Teil I, 8b (Kulturpolitik). Zur Werbung für Heilmittel an Radio und Fernsehen siehe oben, Teil 1, 7b (Gesundheitspolitik).
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Die Lokalfernsehstationen erkämpften sich 1996 einen Marktanteil von 1,2%. Am besten etablieren konnte sich TeleZüri, das in seinem Verbreitungsgebiet 3,6% Marktanteil erzielte [35].
Am 21. Oktober ging das Genfer Regionalfernsehen Léman bleu mit einem einstündigen, täglich mehrfach wiederholten Programm auf Sendung. Das Jahresbudget beträgt 2,3 Mio Fr. Mit entsprechenden Antennen kann Léman bleu auch im benachbarten Gebiet des Kantons Waadt und im umliegenden Frankreich empfangen werden [36].
Das Zürcher Regionalfernsehen Züri 1 musste nach nur elf Monaten den Sendebetrieb einstellen. Das mehrfach modifizierte Sendekonzept konnte nicht genügend Zuschauerinnen und Zuschauer an das Programm binden, womit auch die nötigen Werbeeinnahmen fehlten. Der Verband der schweizerischen Regionalfernsehen Telesuisse kritisierte danach, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Regionalfernsehen in der Schweiz ungenügend seien. Telesuisse forderte das BAKOM auf, den Schweizer Regionalfernsehstationen bessere Entwicklungschancen zu verschaffen. Absolut dringend sei auch die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes, das in keiner Weise auf die Existenz von Regionalfernsehen eingehe [37].
Das BAKOM verfügte die Abschaltung des Regionalsenders TeleBärn in einer Reihe von solothurnischen Gemeinden. TeleBärn war bis anhin entgegen der erteilten Konzession auch in knapp 10 000 Haushalten der Solothurner Bezirke Thal und Gäu sowie in weiteren Gemeinden im Raum Olten zu empfangen [38]. Dagegen verfügte das BAKOM, dass das Programm von TeleBärn in der südöstlichen Region des Bielersees ins Kabelnetz einzuspeisen ist, da diese Gemeinden im Konzessionsgebiet von TeleBärn liegen; die Kabelnetzbesitzerin hatte sich dagegen gewehrt [39]. Trotz entsprechender Konzessionsauflage musste TeleBärn im Berichtsjahr kein Programmfenster in französischer Sprache für den zweisprachigen Raum Biel öffnen: Mit Blick auf das hängige Gesuch für das Lokalfernsehprojekt TeleBielingue verlängerte das EVED die Frist für die Erfüllung dieser Konzessionsauflage.
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Die S Media Vision reichte beim BAKOM ein Gesuch für "Swiss-Hits", einen Deutschschweizer Musik- und Jugendkanal rund um die Uhr, ein. Als leitendes Organ der S Media Vision zeichnete u.a. Denner-Chef Karl Schweri [41].
Das einzige Schweizer Pay-TV, Teleclub, erhielt vom Bundesrat eine erweiterte Konzession. Neu darf der Sender, dessen Programmschwergewicht Spielfilme bilden, auch ausländische Sportanlässe ins verschlüsselte Programm aufnehmen. Vereinbarungen und Geschäftspraktiken, die die Verbreitung ausländischer Sportanlässe durch die SRG ausschliessen, sind Teleclub aber untersagt [42].
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Schweizer Radio International (SRI) beteiligte sich erstmals mit einem eigenen deutschsprachigen Beitrag am Programm von "Radio E", dem Sender der Europäischen Union. Obwohl die Schweiz nicht der EU angehört, ist künftig eine regelmässige Zusammenarbeit geplant [43].
In seiner Antwort auf eine Petition "Schwarzenburg ohne Kurzwellensender" stellte Bundesrat Leuenberger eine Reduktion des Nachtsendebetriebes in Aussicht, erteilte der Forderung nach einer Schliessung des Senders bis ins Jahr 2000 aber eine Absage. Anfang Dezember legte die PTT eine umstrittene Antenne still und beauftragte einen deutschen Sender, Nordeuropa, Nordafrika und die GUS-Staaten mit dem Schweizer Programm zu versorgen. Damit schickt erstmals ein ausländischer Sender Programmteile von SRI in den Äther [44].
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Der private Volksmusik-Sender Eviva, der bisher nur über Satellit und Kabel empfangbar war, darf seit Oktober auch über Mittelwelle senden. Damit erhielt Eviva als erste private Radioveranstalterin neben der SRG eine terrestrische Konzession auf sprachregionaler Ebene. Das BAKOM hatte die Konzession für ein auf Mittelwelle verbreitetes Spartenradio für die deutschsprachige Schweiz ausgeschrieben. Eviva muss allerdings dem Evangeliums-Rundfunk Schweiz (ERF) ein tägliches Programmfenster einräumen, womit erstmals ein religiös motiviertes Privatunternehmen im Schweizer Äther Programmhoheit erhält. Das Projekt "Opus II" von Roger Schawinski ging leer aus. Ende Jahr beklagte sich Radio Eviva über den schlechten Empfang im Raum Zürich über Mittelwelle und beschuldigte das BAKOM der irreführenden Information. Eviva drohte mit dem Einstellen des Sendebetriebs [45].
Im Mai legte der Bundesrat in einer zweiten Etappe der UKW-Sendernetzplanung die Sendegebiete für die Lokalradios im östlichen Mittelland, der Zentral- und der Ostschweiz fest, wobei die definitiven Konzessionen erst im März 1997 erteilt werden. Insgesamt kann das EVED in dieser zweiten Etappe 22 Konzessionen in 20 Versorgungsgebieten erteilen. 13 Versorgungsgebiete entsprechen Gebieten, in denen bereits heute 15 Lokalradios - mit einer Versuchserlaubnis - auf Sendung sind. Einem weiteren bestehenden Veranstalter wird ein neues Versorgungsgebiet zugewiesen (Region Aargau-Mitte für das schwachkommerzielle Aargauer Regionalradio, das bisher auf den Frequenzen von Radio Argovia sendet). Sechs Versorgungsgebiete sind neu: Emmental/Entlebuch (in dieser Region gab es bisher kein auf die Region ausgerichtetes Lokalradio), Stadt Zürich, Solothurn, Stadt Luzern, Stadt Schaffhausen und Stadt St. Gallen. Mit Ausnahme der Radios für das Emmental/Entlebuch und die Stadt Zürich sollen in den neuen Versorgungsgebieten schwach- oder nichtkommerzielle Kontrastprogramme konzessioniert werden. In der Region Zürich trug der Bundesrat den besonderen Verhältnissen in der grössten Agglomeration Rechnung. Zu den bisherigen drei Lokalradios im Grossraum Zürich, wovon eines ein Kontrastprogramm sendet, kommt ein zusätzliches kommerzielles Kontrastradio für die Stadt Zürich. In einem ersten, von den Betroffenen sowie von der Zürcher Regierung (welcher noch der jetzige, mit dem Dossier betraute Bundesrat Leuenberger angehörte) stark kritisierten Entwurf hatte das BAKOM vorgeschlagen, das Sendegebiet der Lokalsender Radio 24 und Radio Z um die sogenannten Überreichweiten einzuschränken und den Sendern als neuen Sendestandort den tieferen Zürichberg zuzuweisen. Den beiden Sendern wird ihr bisheriger Standort Üetliberg nun aber belassen. Den gewährten "Sonderfall Zürich" begründete der Bundesrat mit den Hörergewohnheiten der Zürcherinnen und Zürcher. Insgesamt hatten sich 34 Lokalradios um eine Sendekonzession beworben, darunter zehn im Raum Zürich (bzw. in der Grossregion Zürich - mit Eulach und Zürisee - zwölf) [46].
Die UKW-Frequenzzuteilung wurde von diversen Lokalradios stark kritisiert und als "Lex Zürich" bezeichnet. Sieben Ostschweizer Lokalradios forderten vom Bundesrat, als Ausgleich für die Ungleichbehandlung gegenüber den Zürchern den Sendestandort Säntis für die Privatradios zu öffnen, die Berner Lokalradios forderten den Zugang zum günstigeren Höhenstandort Bantiger. Verschiedene alternative Radiostationen warfen dem Bundesrat ausserdem vor, die Kontrastprogramme mit kleineren und ungünstigeren Gebieten und Sendestandorten abzuspeisen als die kommerziellen Mitbewerber. Auch der Publikumsrat DRS äusserte sich unzufrieden. Die Lokalradios würden gegenüber Radio DRS stark bevorzugt, urteilte er. So müsse das Programm von DRS 3 in Zürich auf eine neue Frequenz wechseln, während Radio 24 und Radio Z weiterhin vom privilegierten Üetliberg aus senden dürften. Auch der Entscheid, im Fricktal die Frequenz des Regionaljournals Aargau/Solothurn von DRS künftig Radio Argovia zur Verfügung zu stellen, kritisierte der Publikumsrat als medien- und staatspolitisch fragwürdig [47].
Im März gingen in Bern das werbefreie alternative Lokalradio RaBe und in der Region Genf der Jugendsender One FM (ehemals No Radio) auf Sendung. Der Genfer Wirtschaftssender World Radio Geneva begann im Mai zu senden. Die drei Sender waren vom Bundesrat in einer ersten Etappe der UKW-Sendernetzplanung neu konzessioniert worden. Noch nicht auf Sendung gehen konnte im Berichtsjahr Radio Ticino, dem auf Kosten von "90.6 La Voce del Bellinzonese" ebenfalls neu eine definitive Konzession für die nächsten zehn Jahre erteilt worden war. Erst im Oktober wies der Bundesrat den Rekurs von "90.6 La Voce del Bellinzonese" ab [48].
Mit einer Revision der ersten Etappe der UKW-Sendernetzplanung schuf der Bundesrat ausserdem in der Region Basel doch noch die Voraussetzungen für ein drittes Lokalradio neben den beiden bestehenden Stationen Basilisk und Edelweiss und schrieb eine entsprechende Konzession aus. Gute Chancen hat der schwachkommerzielle Jugend- und Kultursender Radio X, dessen Gesuch in einer ersten Phase abgelehnt worden war, worauf dieser erfolglos rekurrierte [49].
Im August übernahm der französische kommerzielle Musiksender Nostalgie das in finanziellen Nöten steckende linksalternative Lausanner Lokalradio AciduL und sendete von da an ein Programm, das jenem der Konzession kaum mehr entsprach. Sowohl der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten als auch der Verband Schweizer Privatradios forderten daraufhin die Suspendierung bzw. den Entzug der AciduL-Konzession. Das BAKOM erkannte auf Konzessionsverletzung und gab Nostalgie eine einmonatige Frist, um ein konformes Programm herzustellen; Nostalgie legte Berufung ein. Es handelt sich um die erste Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft an einem Schweizer Lokalradio. Das Rundfunkgesetz verbietet zwar ausländische Beteiligungen nicht generell, doch drängte sich für das BAKOM und den Bundesrat die Klärung dieser Frage auch vor dem Hintergrund der gesetzlich beschränkten, überregionalen Programmzusammenarbeit auf [50].
Nachdem Radio DRS seinen bisherigen Vorzugspreis für DRS-Nachrichten auf Ende 1994 gestrichen hatte, schlossen sich die acht Lokalradios Thurgau, Gonzen, Schwyz, Wil, Munot, Eulach, Aktuell und Zürichsee zu einem Nachrichtenpool (Rana Radionachrichten GmbH) zusammen. Eine ähnliche Zusammenarbeit stellten verschiedene Westschweizer Lokalradios auf die Beine. Einzig Radio Fribourg übernahm die DRS-Nachrichten zu den neuen Konditionen [51].
Die fünf Deutschschweizer Lokalradios Radio 24, Argovia, Sunshine, ExtraBern und Förderband traten aus dem Verband Schweizer Privatradios (VSP) aus und gründeten eine eigene Vereinigung "Pro Privatradio", innerhalb der sie künftig gemeinsame Projekte angehen wollen [52].
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Der Bundesrat ernannte den Journalisten und Medienrechtler Denis Barrelet zum neuen Präsidenten der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) ab 1997. Er wird Ursula Nordmann ablösen, die ans Bundesgericht gewählt wurde [53].
Die Beschwerden bei der Ombudsstelle von Radio und Fernsehen DRS verdoppelten sich 1996, wobei Zeitungsaufrufe von diversen Gruppierungen, die gleichzeitig Standard-Reklamationsbriefe abdruckten, viel zu dieser Entwicklung beitrugen. Von 286 Beanstandungen behandelte die Ombudsstelle 226, wobei 190 das Fernsehen und nur 36 das Radio betrafen. Doppelt so häufig wie im Vorjahr wurde mit 22% die Verletzung religiöser Gefühle geltend gemacht. Hielt die Ombudsstelle 1995 noch 44% der Beschwerden für berechtigt, waren es im Berichtsjahr nur noch 25%. 6% oder 16 Fälle (1995: 23) leitete sie an die UBI weiter [54].
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Neue Kommunikationstechnologien
Ein Postulat Onken (sp, TG), das um einen Bericht zu Entwicklung, Chancen und Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ersuchte und dabei insbesondere die soziokulturellen, arbeitsmarkt- und regionalpolitischen Konsequenzen aufgezeigt haben wollte, wurde vom Ständerat angenommen [55].
Der Nationalrat überwies ein Postulat seiner Rechtskommission, das vom Bundesrat einen Bericht darüber fordert, wie die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet verhindert werden kann [56].
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Weiterführende Literatur
Gallaz, Ch., La parole détruite. Médias et violence, Carouge-Genève 1995.
Heinzelmann, W., "Kartelle und Medien", in Aktuelle juristische Praxis, 1996, S. 943 ff.
Hürst, D. et al., Künftige Entwicklung des Mediensektors in der Schweiz, Basel 1995.
Künzi, M., "Medienethik und Recht: Berührungspunkte und Konflikte", in Medialex, 1996, Nr. 2, S. 73 ff.
Meier, W. / Schanne, M., Gesellschaftliche Risiken in den Medien, Zürich 1996.
Meili, A., Wirtschaftsjournalismus im Rechtsvergleich: Aktuelle Probleme des Wirtschaftsjournalismus im Lichte des Rechts der Schweiz, der USA, von Grossbritannien, Deutschland und der EU, (Schriftenreihe des Archivs für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht, Bd. 139), Baden 1996.
Publicom AG, Kommunikation und Medien im Raum Basel, Zürich 1996.
Publicom AG, Kommunikations- und Wirtschaftsräume der Schweiz, Zürich 1996.
Rostan, B., "La protection des sources: pierre angulaire de l'information", in Medialex, 1996, Nr. 2, S. 83 ff.
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Regli, S. / Lengsfeld, T., Jetzt reicht's aber! (Studie über Leserbriefschreiber), Köniz 1996.
Riklin, F., Schweizerisches Presserecht, Bern 1996.
Union romande des éditeurs de journaux et périodiques, Presse romande: du miracle à la realité, Genf 1996.
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Schürmann, L., "Auswirkungen der Fernmeldegesetz-Revision auf das RTVG", in Medialex, 1996, Nr. 4, S. 188 ff.
Mäusli, T., Schallwellen. Zur Sozialgeschichte des Radios, Zürich 1996.
Van den Bulck, H. / Van Poecke, "National language, identity formation and broadcasting. Belgian Flanders, the Netherlands and German-speaking Switzerland", in European journal of Communication, 11/1996, Nr. 2, S. 217 ff.
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[1] BBl, 1996, IV, S. 525 ff.; Presse vom 18.6.96. Im Berichtsjahr fällte der Europäische Gerichtshof einen grundlegenden Entscheid, wonach sich das Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende aus Artikel 10 der Menschenrechtskonvention ergibt (Presse vom 28.3.96). Das Bezirksgericht Zürich stützte sich direkt auf diesen Entscheid und anerkannte einem Medienschaffenden erstmals das Zeugnisverweigerungsrecht zu (TA, 22.11.96).1
[2] Sonntags-Blick, 29.12.96; Presse vom 30.12.96. Im Februar 1997 wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft im Zeitraum 1995/96 noch zwei weitere Abhöraktionen von Zeitungen veranlasst hatte (Presse vom 24.2.97).2
[3] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1328 ff. Vgl. auch SPJ 1995, S. 301. Siehe dazu auch R. Rhinow, "Medien und Demokratie - ein spannungsvolles Verhältnis", in NZZ, 16.3.96.3
[5] NZZ, 14.2.96; TA, 6.12.96.5
[6] TA, 20.4.96; CdT, 2.12.96. Vgl. auch SPJ 1995, S. 302.6
[7] Presse vom 20.1.97 (Inserate); TA, 29.11.96.7
[8] BZ, 30.4.96; Bund, 20.5.96.8
[9] BZ, 4.1.97.9
[10] Presse vom 3.1., 4.1. (NLZ), 27.1. (Luzern heute) und 23.8.96 (Zuger Presse). Vgl. auch SPJ 1995, S. 303 f.10
[13] BüZ, 17.9., 18.9. und 31.12.96; NZZ, 17.9.96; WoZ, 20.9.96.13
[14] BüZ und NZZ, 6.11.96. Vgl. SPJ 1995, S. 304 f. "Fögl Ladin": BüZ, 21.11. und 17.12.96. Zu einer romanischen Nachrichtenagentur siehe weiter unten, Agenturen.14
[15] Zu Express/Impartial: Presse vom 8.6. und 6.11.96. Zu NQ/JdG: NQ, 6.12.96; TA, 7.12.96.15
[16] Lib, 14.6., 17.6. und 12.12.96; Klartext, 1996, Nr. 3, S. 28 f.16
[17] Presse vom 1.6.96. Die "Winterthurer AZ" wird sich ab 1997 neu "Stadtblatt" nennen (NZZ, 30.11.96).17
[18] CdT, 30.10.96.18
[19] NZZ und JdG, 2.12.96. Siehe unten, Teil II, 6f.19
[20] NZZ, 24.5.96; BüZ, 18.10. und 7.11.96; WoZ, 8.11. und 20.12.96. Vgl. SPJ 1995, S. 304 f.20
[21] Ww, 22.2.96; Presse vom 29.2.96 (Walpen); NZZ, 3.6.96 (Schneider).21
[22] Presse vom 20.3.97.22
[23] Presse vom 16.4.97.23
[24] Amt. Bull. StR, 1996, S. 276 ff.; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1475 f.; Ww, 21.3.96.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1511 f. Gemäss einer vom Schweizer Musikrat initiierten Studie liegt der Mittelwert des Anteils einheimischer Musik der drei DRS-Programme bei knapp 20%. Wesentlich tiefer sind mit durchschnittlich 5,5% die Werte bei 22 untersuchten Lokalradios. Vor allem in den städtischen Zentren sei der Anteil heimischen Musikschaffens sehr bescheiden (BZ, 16.4.96).25
[26] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1513 f.26
[27] Presse vom 15.8.96; Ww, 22.8.96. Eine weitere MW-Konzession erhielt Radio Eviva (siehe unten). Vgl. auch SPJ 1995, S. 309.27
[29] BaZ, Bund und TA, 6.3.96.29
[31] SGT, 30.4.96.31
[32] SoZ, 5.5.96; NZZ, 13.6. und 22.11.96.32
[33] TA, 20.11.96. Vgl. SPJ 1995, S. 306.33
[34] SoZ, 10.11.96; TA und NZZ, 10.12.96.34
[35] Presse vom 16.4.97.35
[36] JdG, 29.5., 19.10. und 22.10.96.36
[37] Presse vom 31.1.96. Kritik Telesuisse: NZZ, 2.2.96.37
[38] Bund, 17.2.96. Auf nachträgliches Gesuch von TeleBärn hin bewilligte das EVED im Juli in einer Konzessionsänderung die Erweiterung des Konzessionsgebietes um die betreffende Region, so dass die rund 10 000 Haushaltungen seither legal TeleBärn empfangen können. Gleichzeitig erweiterte das EVED auch das Konzessionsgebiet des aargauischen Regionalsenders Tele M 1 um die Bezirke Gäu und Thal.38
[39] Die vom Entscheid betroffene Kabelnetzbetreiberin Evard AG rekurrierte beim EVED gegen den BAKOM-Entscheid. Das Verfahren wurde im Oktober aber eingestellt, nachdem sich Evard und TeleBärn in einem Vergleich auf eine Aufschaltung des Programms einigen konnten.39
[41] AT, 17.6.96.41
[42] BBl, 1996, IV, S. 1329; NZZ, 17.10.96.42
[43] SGT, 23.11.96.43
[44] BZ, 8.5. und 10.12.96. Vgl. SPJ 1995, S. 309 f.44
[45] BBl, 1996, III, S. 1385 ff. (Eviva); BBl, 1997, I, S. 750 ff. (ERF); TA und NZZ, 18.12.96.45
[46] BBl, 1996, II, S. 982 ff. und 1551 ff.; Presse vom 9.5.96. Siehe auch SPJ 1995, S. 308 f.46
[47] SGT, BZ und AT, 9.5.96; AT, 14.5.96; WoZ, 24.5.96. In der Herbstsession reichte NR Loeb (fdp) ein von der ganzen Berner NR-Delegation unterschriebenes Postulat ein, das für den Raum Bern gleiche Sendevoraussetzungen für die Lokalradios fordert wie in anderen städtischen Agglomerationen (Verhandl. B.vers., 1996, IV, S. 117). In Antwort auf eine Frage Bircher (cvp, AG) betonte BR Leuenberger, dass bei Frequenzknappheit die Lokalradios gegenüber regionalen SRG-Programmen Priorität haben (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 800 f.).47
[48] RaBe: Bund, 28.2.96; WoZ, 1.3.96. One FM: JdG, 2.2.96. World Radio Geneva: JdG, 25.6.96. Radio Ticino: CdT, 25.10.96. Siehe auch SPJ 1995, S. 308.48
[49] BBl, 1996, V, S. 1044; BaZ, 10.12.96. Vgl. SPJ 1995, S. 309.49
[50] JdG, 27.8. und 25.9.96; Klartext, 1996, Nr. 5, S. 17. Zu ausländischen Beteiligungen an Schweizer Lokalradios siehe auch die Antwort des BR auf ein Postulat Zisyadis (pda, VD), das anschliessend zurückgezogen wurde (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1514). Im Februar 97 erwarb die französische Gruppe "Radio Nostalgie" auch 20% des Baselbieter Lokalradios "Edelweiss" (BaZ, 26.2.97).50
[51] NLZ, 25.1.96. Vgl. SPJ 1995, S. 309.51
[52] Bund, 27.3.96.52
[53] 24 Heures, 19.12.96.53
[54] BZ, 14.3.97; NZZ, 19.3.97.54
[55] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 278 f. Zur Verwendung von Internet für politische Entscheidungen siehe oben, Teil I, 1c (Volksrechte).55
[56] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 584.56
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