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Allgemeine Chronik
Überblick
Das Jahr 2001 wurde geprägt von einer Häufung von Katastrophen im Herbst. Lediglich zwei Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA kam es in Zug im Regierungsgebäude zu einem Amoklauf eines 57-jährigen Schweizers. Dieser erschoss elf Parlamentarier und drei Regierungsräte; weitere vierzehn Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Rund eine Woche später musste die private Luftfahrtgesellschaft Swissair, welche bisher für viele im In- und Ausland als Inbegriff schweizerischer Effizienz und Qualität gegolten hatte, wegen drohendem Bankrott ihren Verkehr einstellen. Ende Oktober ereignete sich schliesslich im Gotthard-Strassentunnel ein schwerer Verkehrsunfall, welcher die Sperrung dieser Haupttransitachse zwischen Italien und dem Norden Europas zur Folge hatte. Während die Öffentlichkeit die irrationalen Gewaltexzesse in den USA und in Zug mit Entsetzen, aber doch eigentlich hilflos zur Kenntnis nehmen musste, hatten die verkehrspolitischen Schreckensmeldungen auch Auswirkungen auf die Politik. Die Sperrung der Gotthardachse und der daraus resultierende Ausweichverkehr mit Lastwagenstaus belebten die Diskussion über den ungebremst wachsenden europäischen Transitverkehr auf der Strasse. Neuen Auftrieb erhielt dabei insbesondere die Forderung nach dem Bau einer zweiten Strassentunnelröhre durch den Gotthard, wie sie auch die im Vorjahr eingereichte Volksinitiative „Avanti“ verlangt. Der Zusammenbruch der Swissair führte zu einem massiven finanziellen Engagement des Bundes zugunsten der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs und der Gründung einer neuen Luftfahrtgesellschaft. Diese allen bisherigen wirtschaftspolitischen Prinzipien der Schweiz widersprechende Staatsintervention wurde von der Regierung und der Parlamentsmehrheit gegen die Opposition der SVP und der Grünen mit zwei Argumenten verteidigt. Zum einen sei der Wirtschaftsstandort Schweiz auf eine gute Einbindung in den internationalen Luftverkehr angewiesen, und dazu brauche es im hinsichtlich Landerechte immer noch weitgehend reglementierten Markt einer nationalen Fluggesellschaft. Zum anderen hätte die sofortige Einstellungen der Aktivitäten der Swissair die Entlassung von zehntausenden Beschäftigten bei ihr sowie ihren Annex- und Zulieferbetrieben zur Folge gehabt.
Aussenpolitisch war das Berichtsjahr von wichtigen Entscheiden zugunsten einer besseren Integration der Schweiz in die internationale Staatengemeinschaft geprägt. Gegen den Widerstand der SVP empfahl das Parlament dem Volk die Annahme der UNO-Beitritts-Initiative. Praktisch als Testlauf dazu stimmte das Volk im Sommer über die Bewaffnung von schweizerischen Soldaten bei internationalen friedenserhaltenden Missionen ab. Die bisher bei UNO-Friedensaktionen eingesetzten Armeeangehörigen mussten jeweils von Truppen anderer Staaten beschützt werden. Die der SVP nahe stehende AUNS und die pazifistische GSoA betrachteten diese Bewaffnung als weiteren Schritt in Richtung NATO-Beitritt und hatten gegen eine vom Parlament im Vorjahr beschlossene Revision des Militärgesetzes das Referendum eingereicht. Nach einem heftigen Abstimmungskampf hiess das Volk die Vorlage mit knapper Mehrheit gut. Nachdem die GSoA 1989 mit ihrer Volksinitiative für die Abschaffung der Schweizer Armee immerhin einen Achtungserfolg erzielt hatte (36% Ja), schlug im Berichtsjahr ein zweiter Versuch gründlich fehl. Das Volk lehnte das Begehren am 2. Dezember mit einem Neinstimmen-Anteil von 78% wuchtig ab. Ähnlich klar entschieden sich Volk und Stände gegen die von der SP und den Grünen unterstützte Volksinitiative für die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Die fast 80% Gegner des Volksbegehrens teilten sich etwa hälftig auf in Personen, für die das vorgelegte Tempo zu schnell war, und solche, welche einen Beitritt grundsätzlich ablehnen. Zur grossen Enttäuschung der jugendlichen Initianten gab es nicht einmal in der integrationsfreudigen Romandie eine Mehrheit für einen raschen Beitritt zur EU.
Statt mit dem erwarteten kleinen Überschuss schloss die Staatsrechnung 2001 mit einem Defizit in der Höhe von 1,3 Mia Fr. ab. Schuld daran waren unvorhergesehene Mehrausgaben für die Expo.02 – deren Vorbereitung übrigens gut vorankam – und vor allem die Finanzspritze in Milliardenhöhe für die Swissair und ihre Nachfolgegesellschaft. Mit der überwältigenden Zustimmung (85% Ja) zu einem von der politischen Linken bekämpften neuen Verfassungsartikel (Schuldenbremse) gab das Volk seinem Wunsch Ausdruck, dass in Zukunft die Einnahmen und Ausgaben des Bundes in einem Gleichgewicht gehalten werden und konjunkturell bedingte Budgetfehlbeträge in besseren Jahren wieder zu kompensieren sind. Ende Jahr veröffentlichte der Bundesrat seine Vorschläge für eine neue Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in Bereichen, in welchen bisher beide Seiten gemeinsam Verantwortung übernommen haben. Auf eine neue Basis gestellt werden soll auch der Finanzausgleich zwischen den Kantonen. Dabei sollen die soziodemografischen Lasten, welche vor allem die grossen Städte zu tragen haben, stärker berücksichtigt werden als bisher.
Bis Ende Sommer erzielte die Wirtschaft ähnlich hohe Wachstumsraten wie im Vorjahr. In der Folge wirkte sich aber die weltweit spürbare Abkühlung des konjunkturellen Klimas auch in der Schweiz aus. Die Attentate des 11. Septembers in den USA verstärkten diese Entwicklung noch und brachten insbesondere den internationalen Tourismus nahezu zum Erliegen. Das BIP nahm zwar im Berichtsjahr noch einmal leicht zu, die Arbeitslosenrate stieg aber zu Jahresende wieder auf 2%.
In der Drogenpolitik beabsichtigt der Bundesrat, die im internationalen Vergleich liberale Ausrichtung beizubehalten. Er beantragte dem Parlament, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren. Anbau und Vertrieb von Cannabisprodukten zu kommerziellen Zwecken sollen zugelassen, aber streng geregelt werden (Verkauf nur an volljährige, in der Schweiz wohnhafte Personen, Verbot von Export und Import). Der Ständerat stimmte in der Wintersession gegen den Widerstand der SVP diesen Vorschlägen zu.
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