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Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Das Wirtschaftswachstum schwächte sich im 2. Halbjahr massiv ab. – Das Parlament beschloss die Verlängerung und Modernisierung des Mitte 2001 auslaufenden Beschlusses zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete. – Der Bundesrat legte seine Botschaft für eine Teilrevision des Kartellgesetzes vor. – Das Parlament verabschiedete die Revision des Konsumkreditgesetzes. – Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Revision der gesetzlichen Bestimmungen über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Wirtschaftsordnung
Für die Befürworter einer liberalen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung bot das Berichtsjahr wenig Erfreuliches. Sowohl der Zusammenbruch der privaten Luftfahrtgesellschaft Swissair und der in der Folge auch von der Wirtschaft angestimmte Ruf nach massiver staatlicher Intervention und vor allem nach finanzieller Hilfe, als auch die nicht nur in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen um exorbitante Gehälter und Abgangsentschädigungen erfolgloser Manager weckte oder verstärkte bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Zweifel an der Effizienz der Privatwirtschaft [1]. In Entscheidungen auf kantonaler und kommunaler Ebene mussten die politischen Behörden mehrfach wachsende Skepsis gegenüber der Marktöffnung von bisher von staatlichen Monopolen wahrgenommener Infrastrukturversorgungen konstatieren. So lehnten die Stimmberechtigten der Kantone Zürich und Nidwalden sowie der Stadt Bellinzona die Privatisierung ihrer Elektrizitätswerke ab. Auch die Waadtländer gaben sich privatisierungsfeindlich und stimmten gegen die Reduktion des staatlichen Anteils am Kapital ihrer Kantonalbank von 51% auf 33%. An vorderster Front gegen diese Projekte gekämpft hatten die SP, die Grünen und die Gewerkschaften [2].
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Konjunkturlage
Das weltwirtschaftliche Wachstum schwächte sich im Berichtsjahr stark ab. Das sich bereits seit dem Sommer 2000 abzeichnende Erlahmen der Konjunktur in den USA, welche in den vorangegangenen Jahren als Wachstumslokomotive gegolten hatte, wirkte sich auf den Rest der Weltwirtschaft aus. Zusätzlich zur schlechten Börsenstimmung als Folge der Krise im Technologiesektor gingen auch von der 2000 eingeleiteten restriktiveren Geldpolitik der Notenbanken dämpfende Effekte aus. Nach den Terroranschlägen vom 11. September kam es zudem zu einem massiven Einbruch im Flugverkehr und im Tourismusgeschäft. In den USA nahm das reale Bruttoinlandprodukt lediglich noch um 1,2% (2000: 4,1%) zu. Ähnlich schwach verlief die Entwicklung im Euro-Raum (1,2%), wobei der Einbruch vor allem in Deutschland (0,6%) ausgeprägt war, während in Frankreich und Italien das reale Wachstum rund 2% erreichte. Grosse Probleme kannte weiterhin Japan, wo das reale BIP sich sogar um 0,5% zurückbildete.
Die Teuerung ging in der zweiten Jahreshälfte nach dem Sinken des Erdölpreises in den meisten OECD-Staaten wieder zurück. In den USA belief sich die Inflationsrate der Konsumentenpreise zu Jahresende noch auf 1,6%, im Euro-Raum auf 2,1%. Der Konjunktureinbruch wirkte sich sofort auf die Beschäftigung aus. Die Arbeitslosenquote stieg in den USA und in Japan (hier zum erstmals seit den frühen fünfziger Jahren) auf über 5%. Im Euro-Raum nahm sie in der zweiten Jahreshälfte zwar ebenfalls zu, blieb aber im Jahresmittel mit 8,5% noch unter dem Vorjahreswert [3].
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Parallel zur weltwirtschaftlichen Entwicklung verlor auch die schweizerische Konjunktur im Berichtsjahr an Elan. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm gemäss ersten Schätzungen im Jahresmittel nur noch um 1,3% zu (2000: 3,0%). Der private Konsum hielt sich zwar mit einem Zuwachs von 2,3% (2000: 2%) gut, die Exporte von Gütern und Dienstleistungen erreichten hingegen mit einer Steigerung um 1,0% die Expansionsrate des Vorjahres (10%) bei weitem nicht mehr. Die in den letzten Jahren sehr stark angewachsenen Ausrüstungsinvestitionen nahmen im Berichtsjahr sogar ab (-3,4%); die Bauinvestitionen verzeichneten demgegenüber einen Zuwachs (1,3%). Die Handelsbilanz schloss mit einem Überschuss von 1,7 Mia Fr. ab. Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz erreichte nach ersten Schätzungen 22,0 Mia Fr. Da die Kapitaleinkommen aus dem Ausland infolge schlechter Erträge stark rückläufig waren, bildete sich der Überschuss in der Ertragsbilanz gemäss ersten Schätzungen auf 42 Mia Fr. zurück (2000: 52 Mia Fr.).
Die gedämpfte Konjunkturentwicklung reduzierte die Nachfrage nach zusätzlichen Arbeitskräften. Die Zahl der Beschäftigten nahm nur noch um 1,1% zu und erreichte damit bloss die Hälfte der Wachstumsrate des Vorjahres (2,2%). Die Verlangsamung machte sich vor allem im Dienstleistungsbereich (+1,3%) bemerkbar, während die Lage im Industriesektor (+1%) weitgehend stabil blieb. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen bildete sich in der ersten Jahrshälfte weiterhin zurück, nahm dann aber wieder zu, um im Dezember den Höchststand von 79 500 zu erreichen (Ende 2000: 69 724). Trotz dieser negativen Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte ging die Arbeitslosenquote im Jahresmittel auf 1,9% zurück (2000: 2,0%); im Dezember betrug sie freilich wieder 2,2% (Dezember 2000: 1,9%). In der französischsprachigen Schweiz und im Tessin war sie weiterhin fast doppelt so hoch wie in der Deutschschweiz (1,5%), und bei den ausländischen Beschäftigten war sie nahezu dreimal so hoch als bei den schweizerischen. In dieser Zahl sind die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen nicht enthalten. Die für internationale Vergleiche konzipierte Sake-Erhebung, welche diese Personen auch berücksichtigt, wies für das 2. Quartal 2001 eine Arbeitslosenquote von 2,5% aus.
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung nahm 2001 im Jahresmittel nur noch um 1,0% zu (2000: 1,6%). Im Gegensatz zum Vorjahr haben im Berichtsjahr vor allem die inländischen Waren und Dienstleistungen zur Inflation beigetragen (+1,7%), die Importgüter verbilligten sich hingegen um 1,2%, namentlich infolge des Preiseinbruchs bei den Erdölprodukten [4].
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Strukturpolitik
Zu den staatlichen Finanzspritzen für die Luftfahrtgesellschaft Swissair und die Beteiligung des Bundes und der Kantone an deren Nachfolgegesellschaft siehe unten, Teil I, 6b (Trafic aérien).
Das im Vorjahr vom Bundesrat vorgelegte neue Gesetz über den Schutz des Designs fand im Parlament oppositionslos Zustimmung und wurde, mit einigen Detailänderungen, in der Herbstsession verabschiedet [5]. Gegen Jahresende gab der Bundesrat eine Teilrevision des Patentgesetzes in die Vernehmlassung. Angestrebt wird eine Anpassung der Bestimmungen über den Patentschutz für Erfindungen aus dem Bereich der Biotechnologie an die neuen Normen der EU. Konkret geht es darum, auch lebende Produkte (z.B. Zellen), welche sich laufend verändern, dauerhaft vor Nachahmung zu schützen. Der Schutz soll allerdings für bestimmte Prozesse wie etwa das Klonen oder die Verwendung menschlicher Embryonen für kommerzielle Zwecke ausgeschlossen sein [6].
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Der Ständerat übernahm die Beschlüsse der grossen Kammer aus dem Vorjahr bezüglich der Gewährung der zweiten Tranche des Rahmenkredits (10 Mio Fr.) für die Teilnahme der Schweiz an internationalen Informationsprogrammen für KMU. Bewilligt wurden allerdings nur 6 Mio Fr. für die nächsten drei Jahre. Anschliessend sollen diese Ausgaben in den Kredit für die Exportförderung integriert werden [7]. Der Ständerat stimmte auch der vom Nationalrat im Vorjahr überwiesenen Motion Durrer (cvp, OW) zu, welche verlangt, dass vor der Einführung von neuen staatlichen Vorschriften und Verfahren ein Vollzugstauglichkeitstest bei einer Anzahl von KMU durchgeführt werden muss [8].
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Als Zweitrat stimmte auch der Nationalrat der Verlängerung um fünf Jahre und der Modernisierung des Mitte 2001 auslaufenden Beschlusses zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete (ehemaliger „Bonny-Beschluss“) zu. Ein von einer knappen Mehrheit der SVP-Fraktion gestellter Nichteintretensantrag war deutlich abgelehnt worden. In der Detailberatung bestätigte der Rat den Beschluss der kleinen Kammer, weiterhin Zinskostenbeiträge auszurichten. Dank einer aus SP und SVP gebildeten Koalition wurde die Bestimmung aufgenommen, dass nur Unternehmen von der staatlichen Hilfe profitieren können, welche mittelfristig auch Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Diese Auflage fand in der Differenzbereinigung beim Ständerat keine Gnade [9]. Der Nationalrat forderte mit zwei Postulaten den Bundesrat auf, einen Bericht auszuarbeiten, der vor allem auch die Auswirkungen des technologischen Wandels, der Wirtschaftsliberalisierung und der Globalisierung auf die schweizerische Regionalpolitik und deren Instrumente aufzeigt. Der Ständerat überwies ebenfalls ein Postulat mit dieser Stossrichtung [10].
Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession mit den Forderungen nach der Einrichtung eines aus den Gewinnen der Swisscom gespiesenen sogenannten Kohäsionsfonds. Diese Mittel sollten in besonders vom Arbeitsplatzabbau der SBB, der Post und der Swisscom betroffen Randregionen eingesetzt werden, um Umschulungen und Innovationsprojekte zu fördern. Der Rat gab den von der SP unterstützten entsprechenden Standesinitiativen der Kantone Graubünden, Schaffhausen, Tessin und Wallis keine Folge. Keinen Widerstand gab es gegen die Überweisung der Motion des Ständerats aus dem Jahr 2000, welche eine flächendeckende Versorgung des Landes mit öffentlichen Infrastrukturen fordert [11]. Das Parlament hatte im Vorjahr einen auf vier Jahre befristeten und mit 80 Mio Fr. dotierten Aktionsplan für die Abfederung von wirtschaftlichen Härten in Randregionen infolge von Arbeitsplatzreduktionen bei den staatsnahen Betrieben beschlossen. Diese Mittel dienen zur Aufstockung der im Rahmen der bestehenden Regionalförderungsprogramme zur Verfügung stehenden Gelder [12].
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Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative Cina (cvp, VS) Folge, welche ein schweizerisches Rahmengesetz für kommerziell angebotene Risikoaktivitäten im Outdoorbereich sowie das Bergführerwesen verlangt. Namentlich Unfälle bei gewerbsmässig durchgeführten Flussfahrten (River-Rafting) und Schluchtbegehungen (Canyoning) hatten das Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung geweckt. Wichtigstes Element des neuen Gesetzes sollen klare Anforderungen an den Ausbildungsstand der Führer sein. Dieser neue eidgenössische Standard ist nach Ansicht des Initianten auch deshalb wichtig, weil mit der Einführung der Personenfreizügigkeit jede Person mit einem von der EU anerkannten Führerausweis derartige Aktivitäten in der Schweiz wird anbieten können. Der Antrag der vorberatenden Nationalratskommission, auf ein Rahmengesetz zu verzichten und vom Bund aus nur die Bemühungen der Branchenverbände um einheitliche Sicherheitsbestimmungen zu koordinieren und zu unterstützen, fand im Plenum keine Mehrheit [13].
Der Bundesrat traf im Berichtsjahr seinen Entscheid über die Konzessionen der neu zugelassenen Spielbanken. Im Mai reduzierte er die Liste der Anwärter von 63 auf 41. Im Oktober bewilligte er dann sieben Gesuche für Spielbanken mit einem umfassenden Angebot (in Baden (AG), Basel, Bern, Lugano, Luzern, Montreux (VD) und St. Gallen) und vierzehn Gesuche für Kursäle. Während die Grand Casinos vor allem in der Nähe von grossen Agglomerationen oder in Grenznähe liegen, befinden sich acht der vierzehn Standorte der Kursäle in Tourismusgebieten und können damit einen Beitrag zu deren Attraktivitätssteigerung leisten. Der Kanton Zürich, aus dem insgesamt acht Gesuche stammten, wurde nicht berücksichtigt [14].
Da der Ständerat im Vorjahr einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Lombardi (cvp, TI) Folge gegeben hatte, musste seine Kommission eine Gesetzesvorlage ausarbeiten, welche den beiden Spielkasinos Herisau (AR) und Mendrisio (TI) die provisorische Wiederaufnahme des vom Bundesrat untersagten Betriebs bis zum Entscheid über die definitive Konzessionserteilung ermöglicht hätte. Der Ständerat hiess dieses Ausnahmegesetz gut, der Nationalrat trat aber auf Antrag seiner Rechtskommission nicht darauf ein. Nachdem der Bundesrat seinen Entscheid über die Konzessionen gefällt hatte (Mendrisio erhielt eine Kursaalbewilligung), schloss sich der Ständerat dem Nichteintretensentscheid der grossen Kammer an [15].
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Wettbewerb
Ende 2001 legte der Bundesrat seine Botschaft für eine Teilrevision des Kartellgesetzes vor. Er hielt am Hauptelement, den direkten Sanktionen gegen harte Kartelle und den Missbrauch von Marktmacht fest. Zudem schuf er eine Art Kronzeugenregelung für Unternehmen, welche bei der Aufdeckung von Kartellen helfen. Diesen soll ein Voll- oder Teilerlass der Sanktionen gewährt werden. Auf die in der Vernehmlassung breit kritisierte Umgestaltung der Wettbewerbskommission in eine reine Fachkommission ohne Vertreter der Interessenverbände verzichtete er hingegen [16].
Die im Vorjahr von der WAK des Nationalrats eingereichte Motion für eine Revision des Kartellgesetzes, um gegen die Verhinderung von Parallelimporten patentgeschützter Güter einschreiten zu können, sofern das Importgut aus einem Land mit ähnlichen Zulassungsbedingungen stammt, wurde knapp abgelehnt. Bekämpft wurde der Vorstoss vor allem von der SVP-Fraktion mit dem Argument, dass insbesondere die schweizerische Arzneimittelindustrie auf eine nach nationaler Kaufkraft differenzierte Preisbindungspolitik für ihre patentgeschützten Produkte angewiesen sei [17].
Nachdem die GPK-NR im Vorjahr zum Schluss gekommen war, dass die Kantone bisher wenig Eifer bei der Umsetzung des Binnenmarktgesetzes gezeigt hätten, verabschiedete der Nationalrat zwei von ihr eingereichte Motionen für eine Stärkung der Position der Wettbewerbskommission, welche die Einhaltung des Rahmengesetzes überwacht. Sie soll erstens nicht nur Empfehlungen abgeben dürfen, sondern Widerhandlungen gegen das Binnenmarktgesetz vor Gericht bringen können, und zweitens für Fälle, bei denen sie nicht Partei ist, über ein Anhörungsrecht vor dem Bundesgericht verfügen [18].
Der Bundesrat setzte im Frühjahr eine Expertenkommission zur Ausarbeitung eines Vorentwurfs für ein neues Lotteriegesetz ein. Ziel der Reform soll eine gewisse Liberalisierung sein. Anstelle des bisherigen Verbots, von welchem die Kantone bei Lotterien mit gemeinnützigem Zweck abweichen konnten, soll eine Konzessionsregelung treten. Die bisherigen Bestimmungen hatten zu einer oligopolistischen Marktsituation mit nur gerade vier Lotteriegesellschaften (die Interkantonale Landeslotterie, die Lotterie Romande, die bernische SEVA und die Sport-Toto-Gesellschaft) geführt. Mit einer vermehrten Konkurrenz und unter Umständen auch neuen Spielformen (z.B. auf dem Internet) soll zudem auch die an sich zwar illegale, aber häufig praktizierte Beteiligung an ausländischen Lotterien (vor allem deutsche) gebremst werden. Anders als beim Spielbankengesetz soll der Grossteil der steuerlichen Abgaben der Lotterien (zur Zeit rund 200 Mio Fr. pro Jahr) weiterhin bei den Kantonen bleiben [19].
Das neue Bundesgesetz über das Reisendengewerbe, welches die bisherigen kantonalen Regelungen ablöst, fand auch im Nationalrat Zustimmung und wurde in der Frühjahrssession verabschiedet [20].
Obwohl etliche Kantone in den letzten Jahren die Vorschriften über die Ladenöffnungszeiten liberalisiert hatten, sind diese in der Regel immer noch restriktiver als die mit Sondervorschriften geregelten Öffnungszeiten in Ladengeschäften in Bahnhöfen, Tankstellen und Flughäfen. Mit dem Ziel, diese Ungleichbehandlung abzuschaffen, überwies der Nationalrat – in Postulatsform – eine Motion Speck (svp, AG), welche ein neues Bundesgesetz für einheitliche und liberale Ladenöffnungszeiten verlangt [21].
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Das Parlament konnte in der Frühjahrssession die Revision des Konsumkreditgesetzes verabschieden. Die im Vorjahr vom Nationalrat eingeführte gesetzliche Fixierung eines zulässigen Höchstzinssatzes wurde in der Differenzbereinigung vom Ständerat durch die Kompromisslösung ersetzt, dass der vom Bundesrat zu erlassende maximale Zinssatz in der Regel die 15%-Marke nicht überschreiten soll. Der Nationalrat schloss sich gegen den Widerstand der SP, der Grünen und der EVP, welche die Vorlage dann auch in der Schlussabstimmung ablehnten, der ständerätlichen Fassung an [22].
Der Nationalrat überwies eine Motion Sommaruga (sp, BE) für rechtliche Massnahmen gegen irreführende oder falsche Gewinnversprechen. Nach dem Vorbild eines neuen Gesetzes in Österreich und ähnlichen Bestrebungen in Deutschland sollen solche Versprechen einklagbar werden [23].
Anfang Jahr gab der Bundsrat den Vorentwurf für ein neues Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr in die Vernehmlassung. Dieses soll unter anderem das für Haustürverkäufe geltende siebentägige Widerrufsrecht auch auf das Online-Shopping ausdehnen. Wie bereits im Vorjahr verabschiedete der Nationalrat auch im Berichtsjahr einen Vorstoss für einen besseren Schutz der Konsumenten im Internet-Handel. Diesmal ging es um eine in ein Postulat umgewandelte Motion Vollmer (sp, BE), welche eine Anpassung des schweizerischen Rechts an die neuen EU-Bestimmungen forderte, welche die gerichtliche Zuständigkeit bei Vertragsstreitigkeiten regelt [24]. Der Ständerat überwies die im Vorjahr vom Nationalrat gutgeheissene Motion Sommaruga (sp, BE) für gesetzliche Massnahmen gegen unerwünschte Massenwerbesendungen via E-Mail (sog. Spamming[25].
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Gesellschaftsrecht
Als Erstrat hiess der Ständerat das neue Gesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung von Gesellschaften (kurz Fusionsgesetz) einstimmig gut [26].
Die seit langem geforderte Revision der gesetzlichen Bestimmungen über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wurde vom Bundesrat im Dezember zuhanden des Parlaments verabschiedet. Neu ist vorgesehen, dass auch eine Einzelperson eine GmbH gründen darf. Damit das Wachstum einer auf Eigenkapitalzufuhr angewiesenen Gesellschaft nicht behindert wird, soll die bisherige Obergrenze von 2 Mio Fr. für das Stammkapital gestrichen werden. Das minimale Stammkapital soll bei 20 000 Fr. bleiben, allerdings muss es in Zukunft voll einbezahlt werden (bisher bloss zur Hälfte). Auf die bisherige subsidiäre Solidarhaftung der Gesellschafter bis zur Höhe des Stammkapitals kann damit verzichtet werden [27].
Nicht zuletzt der Zusammenbruch der Swissair schärfte das Bewusstsein für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von privatwirtschaftlichen Führungs- und Managementsentscheiden. Motionen im Nationalrat von Leutenegger (sp, BL), Studer (evp, AG) und einer aus SP-Abgeordneten gebildeten Minderheit der GPK-NR für mehr Schutz für Minderheitsaktionäre und mehr Transparenz über Managerlöhne und Verwaltungsratshonorare wurden bekämpft und ihre Behandlung verschoben. Ungeteilte Zustimmung fand im Nationalrat die Forderung einer Motion Walker (cvp, SG), der Bundesrat solle in einem Bericht darlegen, ob bei Aktiengesellschaften nach schweizerischem Recht eine stärkere Trennung zwischen operativer und strategischer Führung sowie Vorschriften über die Unabhängigkeit von Verwaltungsratsmitgliedern notwendig seien [28].
Der Ständerat gab einer parlamentarischen Initiative Schiesser (fdp, GL) Folge, welche eine attraktivere Ausgestaltung des Stiftungsrechts verlangt. Ziel dieses Vorstosses, der insbesondere steuerrechtliche Verbesserungen anstrebt, ist es, vermehrt Privatvermögen zur Finanzierung gemeinnütziger Aufgaben zu gewinnen [29].
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Weiterführende Literatur
Ackermann, Jürg e.a. (Hg.), Wirtschaft und Strafrecht – Festschrift für Niklaus Schmid zum 65. Geburtstag, Zürich 2001.
Arvanitis, Spyros e.a., Die Internationalisierung der schweizerischen Wirtschaft: Aussmass, Motive, Auswirkungen, Zürich 2001.
Biaggini, Giovanni, „Von der Handels- und Gewerbefreiheit zur Wirtschaftsfreiheit: Entwicklungsperspektiven unter der neuen Bundesverfassung“, in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht, 2001, S. 225-48.
Die Volkswirtschaft, 2001, Nr. 3, S. 4-35 (diverse Beiträge zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft).
Feld, Lars / Kirchgässner, Gebhard, „Direct democracy, political culture and the outcome of economic policy: a report on the Swiss experience“, in European journal of political economy, 2000, S. 287-306.
Freitag, Markus, „Politische Grundlagen glaubwürdiger Wirtschaftspolitik: Österreich und die Schweiz im internationalen Vergleich“, in Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2001, S. 275-90.
Furrer, Jürg / Gehrig, Bruno (Hg.), Aspekte schweizerischer Wirtschaftspolitik: Festschrift für Franz Jaeger, Chur 2001.
Hotz-Hart, Beat, Volkswirtschaft der Schweiz, Zürich 2001 (3. überarb. Auflage).
Lane, Jan-Erik, „The politcal economy of Switzerland: a monetarist succes?, in West European politics, 2001, Nr. 2, S. 191-210.
Lane, Jan-Erik / Maeland, Reinert, „The growth of the public sector in Switzerland“, in West European politics, 2001, Nr. 2, S. 168-90.
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Rodewald, Raimund / Knoepfel, Peter, Regionalpolitik und ländliche Entwicklung in der Schweiz: eine Auslegeordnung, Chavannes-près-Rennens 2001.
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Die Volkswirtschaft, 2001, Nr. 4, S. 4-25 (diverse Beiträge zum schweizerischen Binnenmarkt).
Mach, André, La Suisse entre internationalisation et changements politiques internes: la législation sur les cartels et les relations industrielles dans les années 1990, s.l. (thèse Lausanne) 2001.
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[1] Vgl. dazu etwa Bund, 27.12.01 und Ch. Blocher in TA, 15.11.01. Zu den Managerentschädigungen resp. zur Swissair siehe unten (Gesellschaftsrecht) resp. Teil I, 6b (Trafic aérien).1
[2] NZZ, 18.8. und 24.9.01; Presse vom 25.9.01. Vgl. auch unten, Teil I, 6a (Politique énergétique).2
[3] Schweizerische Nationalbank, 94. Geschäftsbericht 2001, S. 7 f.3
[4] Schweizerische Nationalbank, 94. Geschäftsbericht 2001, S. 21 ff. Zur Beschäftigung siehe auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).4
[5] AB NR, 2001, S. 189 ff., 1081 ff. und 1453; AB SR, 2001, S. 268 ff. und 709; BBl, 2001, S. 5745 ff.; Bund, 15.3.01. Vgl. SPJ 2000, S. 94.5
[6] QJ, 8.12.01.6
[7] AB SR, 2001, S. 93 f.; BBl, 2001, S. 1378. Vgl. SPJ 2000, S. 94.7
[8] AB SR, 2001, S. 94. Vgl. SPJ 2000, S. 94 f.8
[9] AB NR, 2001, S. 58 ff., 339 f. und 367; AB SR, 2001, S. 102 und 181; BBl, 2001, S. 1370 ff. und 1376 f. Vgl. SPJ 2000, S. 95.9
[10] AB NR, 2001, S. 71 (Postulat WAK) und 355 (Postulat Robbiani, cvp, TI); AB SR, 2001, S. 400 f.10
[11] AB NR, 2001, S. 2 ff. resp. 5 f. (Motion); BaZ, 3.3.01. Vgl. SPJ 2000, S. 96. Zu den vom NR beschlossenen, vom StR aber abgelehnten arbeitsmarktpolitischen Auflagen für SBB, Post und Swisscom siehe unten, Teil I, 6b.11
[12] Bund und NZZ, 12.9.01 (erste Zwischenbilanz). Vgl. SPJ 2000, S. 96.12
[13] AB NR, 2001, S. 1065 ff.; NZZ, 3.5.01. Siehe auch unten, Teil I, 7b (Sport).13
[14] Presse vom 17.5. und 26.10.01.Vgl. auch BBl, 2001, S. 1615 ff. (Gesuche für B-Konzessionen). Zur Revision des Lotteriegesetzes siehe unten, Wettbewerb.14
[15] BBl, 2001, S. 5819 ff. und 5829 ff. (ablehnende Stellungnahme des BR); AB SR, 2001, S. 137 ff. und 896; AB NR, 2001, S. 611 ff. Vgl. SPJ 2000, S. 97.15
[16] BBl, 2002, S. 2022 ff.; NZZ, 20.3. und 8.11.01; Presse vom 5.4.01. Zu der anfangs Jahr abgeschlossenen Vernehmlassung siehe AZ, 16.1.01 und SPJ 2000, S. 97. Zur Kronzeugenregelung siehe NZZ, 6.12.01. Vgl. auch den Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der GPK-NR in BBl, 2001, S. 3346 ff.16
[17] AB NR, 2001, S. 340 ff. Vgl. SPJ 2000, S. 97 f.17
[18] AB NR, 2001, S. 518 f. Vgl. SPJ 2000, S. 98.18
[19] NLZ, 5.4.01. Vgl. auch NZZ, 15.6.01 (Kritik der Kantone am Revisionsvorhaben).19
[20] AB NR, 2001, S. 85 ff. und 366; AB SR, 2001, S. 103 und 181; BBl, 2001, S. 1362 ff.; SGT, 13.3.01. Vgl. SPJ 2000, S. 98.20
[21] AB NR, 2001, S. 522 f.21
[22] AB SR, 2001, S. 16 ff., 115 und 180; AB NR, 2001, S. 175 ff. und 366; BBl, 2001, S. 1344 ff. Vgl. SPJ 2000, S. 98 f.22
[23] AB NR, 2001, S. 289 f.23
[24] Vernehmlassung: NZZ, 18.1., 20.6.01. Motion: AB NR, 2001, S. 934. Zum Gesetz über die Zertifizierungsdienste für digitale Unterschriften siehe oben, Teil I, 1b (Zivilrecht).24
[25] AB SR, 2001, S. 109. Vgl. SPJ 2000, S. 99.25
[26] AB SR, 2001, S. 142 ff. Vgl. SPJ 2000, S. 99.26
[27] BBl, 2002, S. 3148 ff.; NZZ, 20.12.01. Vgl. SPJ 1999, S. 130.27
[28] AB NR, 2001, S. 1435 f. und 1990 (Studer). Eine bereits im Frühjahr eingereichte parl. Initiative Chiffelle (sp, VD) für Transparenz über Verwaltungsratshonorare bei börsenkotierten Gesellschaften ist noch nicht behandelt worden (24h, 10.5.01). Zur Diskussion um Kaderlöhne bei der Bundesverwaltung und den bundeseigenen Betrieben siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung) sowie unten, Teil I, 6b (Politique des transports).28
[29] AB SR, 2001, S. 260; NZZ, 28.5.01.29
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