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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Verbände und übrige Interessenorganisationen
Ueli Forster wurde zum neuen Präsidenten der Economiesuisse gewählt. – Die oppositionelle Bauernorganisation „Union des producteurs suisses“ nannte sich in „Uniterre“ um. – Der Schweizerische Gewerkschaftsbund unterstützte die Lancierung von Initiativen und Referenden gegen die Wirtschaftsliberalisierung. – Trotz grossem Einsatz verlor die AUNS die Volksabstimmung über die Bewaffnung von Armeeangehörigen bei Auslandeinsätzen.
 
Für die Parolen der Spitzenverbände zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle parolen_2001.pdf.
Unternehmer
Der 63jährige Präsident von Economiesuisse, Andreas Leuenberger, trat auf Jahresende von seinem Amt zurück. Zu seinem Nachfolger wählte der Vorstand den St. Galler Unternehmer Ueli Forster [1]. Der ausgetrocknete Arbeitsmarkt führte beim Schweizerischen Arbeitgeberverband zur Erkenntnis, dass es sich die Wirtschaft nicht leisten kann, einen Teil des immer besser ausgebildeten weiblichen Arbeitskräftepotentials brach liegen zu lassen. Insbesondere mit neuen Arbeitszeitmodellen und mit der Bereitstellung von ausserfamiliären Betreuungseinrichtungen für Kinder soll seiner Meinung nach die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden [2].
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Landwirtschaft
Die vor allem in der Westschweiz aktive Union des producteurs suisses (UPS), welche in der Regel eine radikalere Linie vertritt als der Bauernverband und stark auf das Mittel der syndikalistischen direkten Aktion setzt, nannte sich im Berichtsjahr in „Uniterre“ um. Als Hauptmotiv für den neuen Namen wurde die bisherige Verwechslungsgefahr mit anderen Organisationen (Union des paysans suisses (UPS) resp. Union patronal suisse (UPS)) angegeben [3]. Politisch machte die Uniterre mit einer Reihe von Blockadeaktionen gegen Verteilzentralen der grossen Detailhandelsketten Migros und Coop in der Westschweiz auf sich aufmerksam. Zwischen diesen beiden Unternehmen und diversen Bauernorganisationen fanden praktisch während des ganzen Jahres Verhandlungen über die Ankaufspreise für Agrarprodukte, insbesondere von Fleisch statt [4].
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Arbeitnehmer
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) setzte seinen Kampf gegen die Privatisierung und Liberalisierung bisher vom Staat oder seinen Betrieben erbrachter Leistungen fort. Die Delegiertenversammlung des VPOD und kurz danach auch der Vorstand des SGB beschlossen einstimmig, das von Westschweizer Linkskreisen lancierte Referendum gegen das neue Elektrizitätsmarktgesetz zu unterstützen [5]. Der SGB lancierte zudem zusammen mit der Stiftung für Konsumentenschutz die von der Gewerkschaft Kommunikation angeregte Volksinitiative für die Erhaltung von flächendeckenden Postdienstleistungen, welche sich konkret gegen die geplante Schliessung von rund 800 Poststellen richtet [6]. Mit der von ihm eingereichten Volksinitiative für die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer erlitt der SGB eine Niederlage: sie wurde vom Volk am 2. Dezember im Verhältnis 2:1 abgelehnt [7]. Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) lancierte im Herbst eine Volksinitiative für eine national einheitliche Kinderzulage [8].
Die beiden grössten Gewerkschaften, die GBI und der SMUV, gaben zusammen mit dem VHTL im Herbst erstmals ihre zweiwöchentlich erscheinende Zeitschrift „work“ heraus. Diese soll sich nicht nur an die eigenen Mitglieder, sondern generell an die lohnabhängige Bevölkerung richten [9].
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Der Mitgliederbestand des SGB war im Berichtsjahr leicht rückläufig. Am Jahresende zählte er 384 124 Mitglieder. Dies waren 2096 oder 0,5% weniger als im Vorjahr; der Frauenanteil verbesserte sich leicht auf 21,1% [10].
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Andere Interessenorganisationen
Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) konnte zwar ihr Referendum gegen die beiden Militärgesetzrevisionen (Bewaffnung bei friedenserhaltenden Auslandmissionen und Ausbildungszusammenarbeit mit anderen Armeen) einreichen, unterlag aber in der Volksabstimmung trotz einer aufwändigen Kampagne knapp. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hatte ebenfalls genügend Unterschriften für ein Referendum über die Armeebewaffnung eingereicht, trat jedoch in der Abstimmungskampagne kaum in Erscheinung [11]. Mit ihrer zweiten Armeeabschaffungsinitiative konnte die GSoA ihren Achtungserfolg von 1989 nicht wiederholen. In der Volksabstimmung vom 2. Dezember unterstützten nur 22% der Stimmenden ihr Begehren (1989 waren es bei einer fast doppelt so hohen Beteiligung 36% gewesen) [12].
Die für einen Beitritt der Schweiz zur EU kämpfenden Organisationen „Neue Europäische Bewegung“ (NEBS; rund 7000 Mitglieder) und „Bewegung Renaissance Suisse Europe“ (300 Mitglieder), welche am 4. März in der Volksabstimmung über die Initiative „Ja zu Europa“ eine schwere Niederlage erlitten hatten (23% Ja-Stimmen), beschlossen in der Folge eine Fusion [13].
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Weiterführende Literatur
Armingeon, Klaus, „Schweiz: Das Zusammenspiel von langer demokratischer Tradition, direkter Demokratie, Föderalismus und Kooperatismus“, in Werner Reuters (Hg.), Verbände und Verbandssysteme in Westeuropa, Opladen 2001, S. 405-26.
Armingeon, Klaus, „Sozialer Wandel und politische Stabilität: politische Einstellungen von Arbeitnehmern in der Schweiz“, in Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2001, Nr. 3, S. 65-86.
Geissbühler, Simon, Zwischen Klassenkampf und Integration. Die soziopolitischen Einstellungen von Arbeitnehmern in der Schweiz im internationalen Vergleich (1971-1998), Bern (Haupt; Diss.) 2001.
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[1] TA, 7.7.01; NZZ, 31.10. und 27.11.01. Zu Forster, der Miteigentümer und Leiter eines mittelgrossen Unternehmens der Textilbranche ist, siehe SHZ, 21.11.01 und SGT, 27.11.01. Zu Leuenberger siehe NZZ, 31.12.01.1
[2] Presse vom 26.1.01; Bund und NZZ, 17.8.01.2
[3] LT, 29.9.01. Präsidiert wird die Uniterre vom Neuenburger Nationalrat Cuche (gp).3
[4] LT, 9.1.01; LT und QJ, 7.-9.11.01. Zu den Verhandlungen siehe auch LT, 14.11.01.4
[5] TA, 15.1. (VPOD) und 1.2.01 (SGB); Presse vom 5.9.01. Vgl. dazu oben, Teil I, 6a (Politique énergétique) sowie SPJ 2000, S. 362.5
[6] TA, 30.6.01; 24h, 29.8.01. Die andere Konsumentenorganisation, das Konsumentenforum, lehnte die Poststelleninitiative als strukturkonservierend und damit gegen die Interessen der Konsumenten gerichtet ab (TA, 29.8.01). Vgl. dazu auch oben, Teil I, 6a (Poste et télécommunications).6
[7] Siehe dazu oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).7
[8] Siehe oben, Teil I, 7d (Familienpolitik).8
[9] BaZ, 24.10.01. Vgl. auch oben, Teil I, 8c (Presse).9
[10] Pressemitteilung des SGB vom 21.3.02.10
[11] TA, 18.1.01 (Referendum GSoA); TG, 25.1.01 (Referendum AUNS). Siehe dazu oben, Teil I, 3 (Activité internationale) sowie SPJ 2000, S. 364. Zum Engagement der AUNS und ihrer umstrittenen Plakataktion siehe auch AZ, 16.5.01; SGT, 21.5.01; LT, 8.6.01.11
[12] Siehe dazu oben, Teil I, 3 (Défense nationale et société). Zur Lage der GSoA nach der Abstimmung siehe TA, 3.12.01.12
[13] NZZ, 18.6.01. Zur Volksabstimmung siehe oben, Teil I, 2 (Europe: UE).13
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