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Allgemeine Chronik
Landesverteidigung
In mehreren Vorstössen wurde der Bundesrat beauftragt, das Nebeneinander von Rekrutenschule und Studium, beziehungsweise zwischen Arbeitsleben und Armee besser zu koordinieren. – Die Schweizerische Botschaft in Tripolis (Libyen) musste durch Armeeangehörige geschützt werden. – Für 407 Mio. CHF sollen Armeeimmobilien saniert werden. – Mit der Umsetzung des Übereinkommens über Streumunition setzte das Parlament den eingeschlagenen Weg der Friedensförderung fort. – Mit dem Rüstungsprogramm 2012 beantragte der Bundesrat den Kauf von 22 Kampfflugzeugen des Typs Gripen vom Schwedischen Hersteller Saab. Das Geschäft Tiger Teilersatz beschäftigte zahlreiche Akteure und sorgte für viel Unmut. – Die Anfang Jahr eingereichte Volksinitiative „Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht“ wurde vom Nationalrat zur Ablehnung empfohlen. – Der Bundesrat skizzierte in einem Bericht die Zukunft des Zivilschutzes nach 2015.
Landesverteidigung und Gesellschaft
Auch 2012 wurde die Jahresstudie „Sicherheit“ zur Ermittlung der Meinungsbildung in den Bereichen Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Schweiz publiziert. Aus der von der Militärakademie an der ETH Zürich und dem Center for Security Studies (CSS) gemeinsam erstellten Studie ging hervor, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer sicher fühlen und sich hinsichtlich der Entwicklung des Landes optimistisch zeigen. Zudem gaben wie im Vorjahr neun von zehn Befragten an, sich „sehr“ oder „eher“ sicher zu fühlen. Damit bestätigte sich der Befund aus dem vergangenen Jahr, als eine markante Steigerung des Sicherheitsempfindens verzeichnet wurde. Ähnliches wird auch in Bezug auf das Vertrauen in die Institutionen festgestellt: Die Werte des Vorjahres wurden weitgehend bestätigt. So genoss die Armee mit einem Wert von 6,3 (auf einer Skala von 1 bis 10) nach wie vor mittleres Vertrauen. Das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Armee wurde durch die Einschätzung der Notwendigkeit und Bedeutsamkeit der Armee erhoben. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Zustimmung zur Notwendigkeit der Armee um 4 Prozentpunkte auf 75% ab. Die starke Zunahme der Unterstützung durch die 20 bis 29-Jährigen hat sich dabei etwas relativiert und gegenüber 2011 ebenfalls abgenommen. Sie lag nun bei 63% (-6 Prozentpunkte). Die zum zweiten Mal erhobene Zufriedenheit mit der Armee blieb mit 6,2 (Skala von 1 bis 10) auf dem Niveau des Vorjahres (6). Die Rolle der Armee kann 2012 als umstritten bezeichnet werden: 48% sprachen sich für eine Abschaffung der Wehrpflicht aus – 10 Prozentpunkte mehr als 2011. Die Gruppe derjenigen, welche einer Abschaffung der Armee zustimmen würden war ebenfalls um 4 Prozentpunkte auf 16% gewachsen. Über die Frage, ob die Armee als Milizarmee oder als reine Berufsarmee ausgestaltet werden soll, herrschte auch 2012 keine Einigkeit: 52% (+4 Prozentpunkte) der Befragten sprachen sich für eine Milizarmee aus, während unverändert 43% die Landesverteidigung eher in die Hände einer Berufsarmee legen würden. In der Studie „Sicherheit 2012“ wurde zudem erstmals die Einstellung zur Vereinbarkeit von Militärdienst und Arbeitsleben erfasst. 58% der Befragten gaben dabei an, dass Militärdienstleistende auf die Unterstützung der Arbeitgebenden zählen könnten und 54% finden, dass die Mehrfachbelastung durch den Militärdienst bewältigbar sei. Der Anteil jener, die gar keine Unterstützung durch die Arbeitgeber orten, ist jedoch mit rund einem Drittel (32%) nicht unbedeutend. Ähnliches führte die Frage nach der Vereinbarkeit einer Milizkarriere mit dem Arbeitsleben zu Tage: Lediglich 37% sehen durch eine Offizierslaufbahn bessere berufliche Chancen. Gar ein Viertel der Befragten stimmte der Aussage zu, dass eine Milizkarriere Nachteile im Arbeitsleben mit sich ziehe. Die Studie wies überdies darauf hin, dass in verteidigungstechnischen Fragen direktdemokratische Prinzipien hochgehalten werden: 78% der Befragten hiessen gut, dass das „Schweizer Volk auch bei Militärfragen das letzte Wort hat“ [1].
Eine von Bundesrat Maurer ins Leben gerufene Milizkommission hat 2012 erstmals in einem Bericht eine Übersicht über die Kosten und den Nutzen der Armee dargelegt. Darin wird aufgezeigt, dass der Nutzen der Armee in ausserordentlichen Lagen ein Vielfaches der jährlichen Kosten betrage. In normalen Lagen sei der Gegenwert in Form von Leistungen der Armee und positiven volkswirtschaftlichen Effekten immer noch beträchtlich. Der Erhalt der Einsatzfähigkeit der Armee zum Schutz von Staat und Bevölkerung sowie zentralen Werten und Standortfaktoren sei nicht nur mangels ziviler Alternativen zwingend, sondern in Anbetracht der hoch entwickelten, global vernetzten Volkswirtschaft auch ökonomisch sinnvoll. Die Milizkommission C VBS ist eine Gruppe von Miliz-Generalstabsoffizieren, die von Verteidigungsminister Maurer ins Leben gerufen wurde. Sie analysiert und kommentiert grundsätzliche Fragestellungen und wichtige Entscheidungsvorlagen der Armee zuhanden des Chef VBS aus aussenstehender, unabhängiger Sicht [2].
Im Mai 2012 wurde im Ständerat ein Postulat Berberat (sp, NE) überwiesen, welches auf die bessere Koordination zwischen Rekrutenschule und Hochschulstudium abzielt. Dies wurde damit begründet, dass nach dem Bologna-System die Semester bereits Mitte September beginnen und damit eine 21 wöchige Rekrutenschule nicht im Sommer absolviert werden kann, ohne dass ein Studienbeginn oder dessen Fortsetzung dadurch tangiert wird. Früher war das mit der kürzeren RS-Dauer noch möglich. Um den Studierenden die Einbusse eines Semesters oder gar eines Studienjahres zu ersparen, wurde der Bundesrat beauftragt, zusammen mit den Kantonen und den Hochschulen Lösungen zu suchen, welche den Studenten zugute kommen. Denkbar sei eine Verkürzung der RS um zwei bis drei Wochen unter gleichzeitiger Verschiebung des Semesterstartes um einige Wochen. Nach einem unterstützenden Votum durch Bundesrat Maurer – der Bundesrat führe bereits entsprechende Gespräche – wurde das Postulat diskussionslos angenommen. Ein genau gleich lautendes Postulat Maire (sp, NE) überwies der Nationalrat Mitte Juni [3].
Im Juni des Berichtsjahres wurden zwei ähnlich lautende Vorstösse aus dem Jahr 2010 im Parlament besprochen. Ein Postulat Malama (fdp, BS) und eine Motion Stump (sp, AG) sollten den Bundesrat dazu bewegen, das Nebeneinander von Militärdienst und ziviler Ausbildung besser zu koordinieren. Beide Begehren problematisieren die der Bologna Reform geschuldete Verschiebung der Semesterdaten: Maturanden könnten keine vollständige RS zwischen Schulabschluss und Studienbeginn mehr absolvieren. Die resultierende Situation sei für alle Beteiligten, Armee und Wirtschaft, aber insbesondere für die betroffenen Stellungspflichtigen unbefriedigend. Malama fordert deswegen bessere Beratungsangebote und Stump verlangt eine bessere Koordination. Der Bundesrat anerkannte die Problematik, sah aber durch das bestehende Angebot mit drei RS-Starts pro Jahr die zivilen Bedürfnisse als erfüllt an. Einen akuten Handlungsbedarf erkannte die Regierung nicht. Dennoch werde sie die Anliegen im Zuge der Weiterentwicklung der Armee berücksichtigen. In der Sommersession wurde das Postulat Malama diskussionslos mit 115 zu 40 Stimmen angenommen. Gleichentags wurde über die Motion Stump befunden, die von Chantal Galladé (sp, ZH) übernommen worden war. Die Zürcher Sozialdemokratin unterstrich die Wichtigkeit der Koordination der Ausbildungen. Man dürfe den künftigen Studenten nicht zumuten, ein Zwischenjahr einlegen zu müssen. Bundesrat Maurer anerkannte in seinem Votum die Anliegen, verwies aber auf das bereits früher überwiesene Postulat Berberat (siehe oben). Der Bundesrat sei bereits mit der Lösungssuche beauftragt und deswegen sei dieser Vorstoss abzulehnen. Entgegen dieser Aufforderung wurde die Motion angenommen (82 zu 71 Stimmen). Im September kam das Geschäft in den Ständerat, dessen SiK sich kritisch dazu geäussert hatte: Erstens liege es nicht in der Kompetenz des Bundes, Vorschriften über den Semesterbeginn zu erlassen und zweitens reiche die Zeit zwischen Schulabschluss und Mitte September ohnehin nicht, um eine vollständige Rekrutenschule durchzuführen. Auch Bundesrat Maurer setzte sich erneut gegen die Motion ein und betonte, dass es einen Dialog zwischen Bund und Hochschulen brauche und nicht einseitige Forderungen an die Armee. Der Ständerat folgte der Kommission und dem Bundesrat und lehnte die Motion ab [4].
Im Frühjahr wurde im Ständerat eine Motion Kuprecht (svp, SZ) eingereicht, welche die militärische Motorfahrerausbildung betrifft. Diese soll so angepasst werden, dass sie lückenlos für den zivilen Gebrauch verwendbar wird. Der militärische Lastwagenführerausweis reichte seit Inkrafttreten der revidierten Chauffeurzulassungsverordnung (CZV) Anfang September 2009 nicht mehr aus, um für zivile Unternehmen als Berufschauffeur tätig zu sein, da fortan neben der Fahrerlaubnis auch ein Fähigkeitsnachweis erbracht werden musste. Der Motionär sah in der Erweiterung der militärischen Fahrerausbildung eine Chance, den Bedarf an Berufschauffeuren zu decken, was auch der Wirtschaft zugute kommen würde. Der Fähigkeitsausweis sollte als Abschluss der militärischen Fahrerausbildung während der Rekrutenschule erworben werden. In diesem Punkt sah der Bundesrat Schwierigkeiten: Die Zeit während der RS sei einerseits zu knapp und andererseits koste der Fahrausweis pro Rekrut rund 1 000 CHF, was in der Summe 1 Mio. CHF übersteigen würde. Entgegen dem ablehnenden Votum von Bundesrat Maurer wurde die Motion im Rat deutlich angenommen. Die SiK des Nationalrates empfahl die Motion in der Folge ebenfalls zur Annahme. Dabei wurden vor allem die Synergien hervorgehoben, welche durch den Vorstoss genutzt werden können. Viel genanntes Argument war die Validierung militärischer Ausbildungen im Zivilleben. In der Schlussabstimmung wurde die Motion schliesslich auch im Nationalrat mit 105 zu 42 Stimmen angenommen [5].
Mit Beginn des Herbstsemesters 2012 ermöglichte die Universität St. Gallen (HSG) Offizieren und höheren Unteroffizieren die Anrechnung der militärischen Kaderausbildung durch Kreditpunkte (ECTS). Damit wurde nach der bereits bestehenden Anerkennung und Anrechnung von weiterführenden Lehrgängen in verschiedenen Fachhochschulen erstmals die Kadergrundausbildung und die praktische Führungstätigkeit in der Schweizer Armee durch eine renommierte Universität anerkannt. Bachelor Studenten konnten fortan nach absolvierter Offiziersschule und Abverdienen sechs Kreditpunkte an ihr Studium anrechnen. Im Masterstudium können Kompaniekommandanten und Stabsoffiziere nochmals bis zu sechs Punkte anrechnen. Höhere Unteroffiziere können bis zu vier Punkte anrechnen. Die HSG setzt als Bedingung dazu eine militärische Qualifikation von mindestens der Note 3 (gut) und ein Papier über militärische Führungsgrundsätze im zivilen Umfeld. Damit erfüllt die HSG auf Initiative der Uni-internen Offiziersgesellschaft als erste Hochschule Forderungen, wie sie aus der Politik bereits mehrfach angeregt wurden [6].
Ende Juni legte der Bundesrat eine nationale Stratgie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken vor. Eine neu geschaffene Koordinationsstelle innerhalb des eidgenössischen Finanzdepartementes soll die Umsetzung begleiten. In der Strategie wird dargelegt, wie die Bedrohungslage im Cyber-Bereich aussieht, wie die Schweiz, beziehungsweise die Betreiber der kritischen Infrastrukturen, dagegen gerüstet sind, wo die Mängel liegen und wie diese am effizientesten und wirksamsten zu beheben sind. Die Massnahmen reichen dabei von Risikoanalysen zu kritischen ICT-Infrastrukturen bis zu einer stärkeren Einbringung der Schweizer Interessen in diesem Bereich auf internationaler Ebene. Dabei geht der Bundesrat davon aus, dass via elektronische Netzwerke ausgeführe Störungen, Manipulationen und gezielte Angriffe tendenziell zunehmen werden. Der Krisenfall wird durch einen gelungenen Angriff mit erheblichen Konsequenzen beschrieben und verlangt von den involvierten und betroffenen Akteuren ein spezifisches Krisenmanagement. Bis Ende 2017 sollen die verantwortlichen Bundesstellen die Massnahmen im Rahmen ihres Grundauftrags umsetzen [7].
Mitte Jahr gelangte ein seit 2010 hängiges Postulat Bourgeois (fdp, FR) in den Nationalrat. Der begeisterte Berggänger verlangte vom Bundesrat, einen Bericht über die Patrouille des Glaciers (PDG) zu verfassen. Darin soll unter anderen Aspekten beleuchtet werden, wie dieser Anlass das Bild der Schweiz und das Ansehen der Armee in der Bevölkerung präge und welche Ausgaben für die Organisation des Anlasses notwendig sind. Des Weiteren soll der Bundesrat skizzieren, welche weiteren Massnahmen nötig seien, um den Fortbestand des Anlasses langfristig zu sichern. In seiner Antwort teilte der Bundesrat die positiven Aspekte dieses Sportanlasses, merkte aber an, dass eine Studie der Universität Lausanne von 2007 die gestellten Fragen bereits aufgegriffen und positiv beantwortet habe. Der während der Diskussion anwesende Bundesrat Maurer gestand dem speziellen Sportanlass zwar Einmaligkeit und Ausstrahlung zu. Dennoch sei das Postulat aus oben genanntem Grund abzulehnen. Trotz einiger Gegenstimmen, vorwiegend aus dem links-grünen Lager, wurde das Postulat allerdings mit 111 gegen 33 Stimmen angenommen [8].
In der Vernehmlassung wurde ein Verbot von Söldnerfirmen deutlich befürwortet. Das EJPD wurde vom Bundesrat daraufhin beauftragt, bis Ende 2012 eine Botschaft auszuarbeiten, welche im Folgejahr im Parlament besprochen werden soll. Das neue Bundesgesetz soll die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen regeln und eine Meldepflicht für die betreffenden Firmen einführen. Der Gesetzesentwurf sieht insbesondere ein Verbot der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts vor (Verbot des Söldnertums). Zudem sollen weitere Tätigkeiten von privaten Sicherheitsfirmen im Ausland verboten werden, wenn sie gegen Schweizer Interessen verstossen. Die Thematik ist seit 2005 hängig und erhielt 2010 Aufwind, als die SiK des Ständerates in einer Motion ein Bewilligungs- und Kontrollsystem für Sicherheitsfirmen forderte [9].
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Internationale Einsätze
Der Bundesrat beantragte dem Parlament Anfang 2012 die Genehmigung eines Einsatzes der Schweizer Armee im Assistenzdienst im Ausland zum Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis (Libyen). Die Schweizer Vertretung wurde nach der Wiedereröffnung Ende 2011 von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates hatte allerdings interveniert und von der Regierung verlangt, diesen Schutzdienst über eigene Mittel sicherzustellen. In der Botschaft skizzierte der Bundesrat einen Einsatz über sechs Monate, der unter der Leitung des EDA stehen und Kosten von 600 000 CHF nicht übersteigen soll. Sowohl Stände- als auch Nationalrat befürworteten diesen Einsatz. Im Herbst des Berichtsjahres wurde zusätzlich der bundesrätliche Antrag auf Verlängerung des Einsatzes in den Räten behandelt. Die Räte folgten der Regierung und genehmigten den Schutzauftrag für weitere sechs Monate [10]
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Im April des Berichtsjahres hatte der Bundesrat die Strategie für sein Engagement in der Humanitären Minenräumung für die Jahre 2012-2015 präsentiert. Rund 16 Mio. CHF sollen pro Jahr zur Unterstützung des Genfer Minenzentrums (Geneva International Center for Humanitarian Demining, GICHD) für dessen diverse Projekte und Expertenentsendungen im Kampf gegen Personenminen, Streumunition und andere explosive Kriegsmunitionsrückstände eingesetzt werden. Die vorliegende Strategie war bereits die dritte in Folge und präsentierte über das Engagement der Schweiz hinaus auch dessen Resultate. Nicht zuletzt dank Schweizer Unterstützung seien Länder wie Albanien oder Burundi in den letzten Jahren minenfrei geworden. Die Schweiz habe einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation der betroffenen Bevölkerung in verschiedenen Regionen und Ländern geleistet. Die publizierte Strategie ist Ausdruck der Solidarität mit den Opfern und des Willens der Schweiz, sich weiterhin auf politischer und praktischer Ebene aktiv und engagiert für eine Welt ohne Minen, Streumunition und explosive Kriegsmunitionsrückstände einzusetzen. Nominell wurde die Schweizer Gesamtbeteiligung mit Experten an UNO-Minenräumprogrammen 2012 um rund 5% erhöht. Schweizer Experten haben in den Einsätzen insgesamt 3 604 Dienstage geleistet. Zusammen mit weiteren Spezialisten standen durchschnittlich zwölf Personen im Einsatz. Die Schweiz gehörte damit zu den stärksten Truppenstellern im Gebiet der humanitären Minenräumung [11].
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Nach dreizehn Jahren intensiver Nutzung wurde das „Camp Casablanca“, die langjährige Basis der SWISSCOY im Kosovo aufgegeben. Die dort stationierten Soldaten und Mitarbeitenden wurden auf zwei andere Standorte verteilt. Für den Kosovo-Einsatz der Schweizer Armee hatte damit ein neues Kapitel begonnen, auch wenn sich am Auftrag der SWISSCOY nur wenig änderte [12].
Im September ermächtigte der Bundesrat das VBS, das Schweizer Kontingent SWISSCOY im Kosovo per 1. Januar 2013 für die Dauer von zwölf Monaten um maximal 15 Personen zu erhöhen. Das zusätzliche Stabspersonal soll die bestehenden Kräfte im Kommando der Informations- und Nachrichtenbeschaffungsteams der internationalen Friedenstruppe KFOR im Norden von Kosovo unterstützen, das die Schweiz 2012 und 2013 innehat [13].
102 769 Diensttage wurden 2012 zur militärischen Friedensförderung geleistet. Dies entspricht gegenüber 2011 einer Zunahme von 6 000 Diensttagen. Die Zunahme war durch eine Aufstockung des Kontingents SWISSCOY entstanden, welches zum Abbau und der Schliessung des Camps Casablanca eingesetzt worden war. 282 Armeeangehörige standen pro Tag durchschnittlich im Einsatz, wovon 79% der Leistungen auf den SWISSCOY Einsatz im Kosovo entfielen [14].
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Militärorganisation
Die VBS Immobilienbotschaft 2012 wurde Ende Februar vom Bundesrat publiziert und Anfang Juni im Nationalrat als Erstrat beraten. Der Bundesrat beantragte dem Parlament Kredite in der Höhe von insgesamt rund 407 Mio. CHF. Damit sollen Gebäudesanierungen, Instandhaltungen und ein Infrastrukturprojekt umgesetzt werden können. Namentlich sollen Kasernenbauten auf dem Waffenplatz Bure (JU) sowie eine Militärische Radarstation in den Alpen saniert werden, worunter die Erneuerung einer Seilbahn und die Renovation einer Truppenunterkunft fällt. Auf dem Flugplatz von Payerne (VD) sollen die Rollbahnen und weitere Flugbetriebsflächen verbessert und dem Jura Südfuss entlang und über die Gemmi Breitbandübertragungsleitungen verlegt werden, um das militärische Datenübertragungssystem vom öffentlichen (Swisscom) loszulösen. Überdies wurde ein Rahmenkredit über 287 Mio. CHF beantragt, um den allgemeinen Immobilienbestand zu erhalten. Die Botschaft und damit die beantragten Mittel wurden im Nationalrat grösstenteils anerkannt und gutgeheissen. Einzig die Grüne Fraktion hatte einen Rückweisungsantrag gestellt. Die Partei begrüsste zwar grundsätzlich die Stossrichtung der Regierung und die Anpassung der Gebäude an deren Nutzung und Qualität. Es wurde jedoch argumentiert, dass mit dem rückläufigen Truppenbestand Kosten eingespart werden sollten und verlangt, dass das VBS die Kosten des Rahmenkredits für Vorhaben zugunsten von Eigentümervertretern und Mietern um 100 Mio. CHF reduziere. Die anderen Parteien standen weitestgehend hinter dem Antrag des Bundesrates und stellten sich gegen den Rückweisungsantrag der Grünen. Diesem wurde entsprechend nicht Folge gegeben. Der Nationalrat nahm die Immobilienbotschaft einstimmig an, wobei auch die nötigen Abstimmungen über die Ausgabenbremse einstimmig ausfielen. Der Ständerat befasste sich Mitte September mit der Immobilienbotschaft, folgte den Anträgen diskussionslos und nahm die Botschaft ebenfalls einstimmig an [15].
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Eine von beiden Räten überwiesene Motion Niederberger (cvp, NW), fordert, dass der Bundesrat die Stelle eines Truppenombudsmanns schaffen soll. Der Motionär sieht in Ombudsstellen ein modernes Führungsinstrument unserer Gesellschaft, welches sich schon mehrfach bewährt habe. Zudem wurde in diesem Vorstoss die Chance gesehen, den Ruf der Armee zu verbessern. Der Bundesrat stellte sich gegen die Motion, da diese Frage erst innerhalb des umfassenderen Prozesses der Militärgesetzrevision aufgegriffen werden soll und in der Institution der Dienstbeschwerde bereits ein Mittel zur Unmutsäusserung bereit stehe. Die Motion war 2011 vom Ständerat bereits überwiesen worden. Der Nationalrat, welcher sich Ende 2011 mit dem Geschäft befasst hatte, unterstützte das Vorhaben, fügte allerdings eine Änderung an: Der militärische Rang des Ombudsmanns sollte nicht vorgegeben werden. Mit dieser moderaten Änderung wurde die Motion angenommen und damit zurück an den Ständerat geschickt wo sie akzeptiert und im Februar 2012 an den Bundesrat überwiesen wurde [16].
Mit einer Motion zum Thema Armeewaffen gelangte die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates im März an den Bundesrat. Unter dem Titel Stärkerer Schutz vor Waffenmissbrauch will die Kommission erreichen, dass bei Verdacht auf Waffenmissbrauch innert kürzerer Frist reagiert werden kann. Dabei soll bereits bei Androhung von Waffengewalt eine Schusswaffe eingezogen werden können. Nachdem bei Gewaltdelikten, aber auch Suiziden, immer wieder Armeewaffen zum Einsatz gekommen waren, strebte die SiK eine bessere Zusammenarbeit mit den kantonalen Stellen an und beauftragte den Bundesrat, rasch mit der Konferenz der kantonalen Polizei- und JustizdirektorInnen eine gesetzliche Grundlage zu erarbeiten. Die Motion wurde im Ständerat auf Antrag des Bundesrates angenommen und im September auch vom Nationalrat diskussionslos bestätigt [17].
Im Juli 2012 teilte die Bundeskanzlei mit, dass für die Anfang 2011 lancierte Volksinitiative «Unsere Armee benötigt eine klare Kompetenzregelung für den Einsatz im Ernstfall!» die nötige Unterschriftenzahl nicht zusammengetragen werden konnte. Mit Ablauf der Sammelfrist wurde dieses Volksbegehren hinfällig [18].
Gleich zweifach wurde ein Postulat Ende September im Nationalrat eingereicht. Die Postulierenden Eichenberger-Walther (fdp, AG) und Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) forderten den Bundesrat auf, einen Bericht vorzulegen, wie das Leistungsprofil der Armee unter Berücksichtigung geplanter Budgetkürzungen aussehen soll. Mit dem Armeebericht 2010 hatten sich Parlament und Regierung auf einen Armee Soll-Bestand von 100 000 Armeeangehörigen geeinigt. Der vom Parlament auf 5 Mia. CHF gesetzte Plafond wurde im Nachgang der Verhandlungen vom Bundesrat auf 4,7 Mia. CHF redimensioniert. Der Bundesrat solle schildern, in welchen Bereichen die 300 Mio. CHF eingespart werden. Aus der Stellungnahme des Bundesrates ging hervor, dass das VBS in der Erarbeitung dieser Fragen bereits aktiv geworden war. Die Regierung empfahl die Postulate zur Annahme und die Räte folgten Ende Jahr dieser Empfehlung stillschweigend [19].
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Die Verhandlungen zum Übereinkommen über Streumunition und den damit zusammenhängenden Änderungen des Schweizerischen Kriegsmaterialgesetzes (KMG) wurden im März des Berichtsjahres wieder aufgenommen. Das Übereinkommen statuiert ein umfassendes Verbot der Verwendung, Entwicklung und Produktion, des Erwerbs und Transfers sowie der Lagerung von Streumunition. Der Bundesrat hatte es Ende 2008 ratifiziert. Die Umsetzung des Verbots von Streumunition hat allerdings Auswirkungen auf das KMG, da noch Bestände von Streumunition in der Schweiz vorhanden sind und Streumunition in der Artillerie noch als Bewaffnung verwendet werden kann. 2011 wurde die Botschaft mit marginalen Änderungen, vorwiegend Wortpräzisierungen, vom Ständerat angenommen und dem Nationalrat überwiesen. Der Nationalrat war Ende 2011 auf das Geschäft eingetreten, hatte dieses jedoch zur Detailberatung zurück an seine SiK übertragen. Diese hatte sich Anfang 2012 damit auseinander gesetzt und im März gelangte das Geschäft wieder in den Nationalrat. Die Ratifizierung des Übereinkommens über Streumunition war weder im Vorjahr noch im Berichtsjahr umstritten. Diskutierte Anpassungen betrafen jeweils nur das KMG. Ein Änderungsantrag betraf das Verbot der Finanzierung von Entwicklung, Herstellung oder Erwerb dieser verbotenen Munition. Der betreffende Artikel im KMG regelte unter anderem die indirekte Finanzierung. Die indirekte Finanzierung sollte verboten werden, wenn damit eine direkte Finanzierung umgangen werden soll. Eine Minderheit Hiltpold (fdp, GE) verlangte, die indirekte Finanzierung gänzlich zu verbieten, unabhängig davon, ob damit eine direkte Finanzierung umgangen werden soll. Nach einigen Wortmeldungen wurde allerdings der Antrag der Mehrheit der SiK-NR angenommen und damit der Beschluss des Ständerates bestätigt. Eine redaktionelle Anpassung im französischen Text wurde in der Differenzbereinigung vom Ständerat ebenfalls diskussionslos akzeptiert. Die Schlussabstimmungen zur Annahme des Übereinkommens über Streumunition sowie über das Kriegsmaterialgesetz fielen deutlich aus: Das KMG wurde mit 153 zu 31 im Nationalrat und einstimmig im Ständerat angenommen, das Übereinkommen über Streuminuition wurde mit 151 zu 32 und ebenfalls einstimmig (SR) angenommen. Damit wurden beide Geschäfte angenommen und abgeschlossen [20].
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Im Februar des Berichtsjahres publizierte der Bundesrat seine Botschaft über den Einsatz der Armee zum Schutz des World Economic Forum (WEF) in Davos. Die Regierung des Kantons Graubünden hatte im September 2011 den Bundesrat um Unterstützung zur Gewährleistung der Sicherheit während der WEF Jahrestreffen 2013-2015 gebeten. Die Armee soll erneut im Assistenzdienst die zivilen Behörden unterstützen. Der Kostenaufwand wurde vom Bundesrat auf maximal 3 Mio. CHF pro Jahr geschätzt. Im Entwurf zur Botschaft wurde um eine Bewilligung des Schutzauftrages für drei Jahre gebeten. Die grosse Kammer hatte sich als Erstrat mit dem Geschäft zu befassen. Eine Minderheit Geri Müller (gp, AG) beantragte Nichteintreten. Eine weitere Minderheit Fridez (sp, JU) beantragte, den Einsatz lediglich für das Jahr 2013 zu bewilligen, um in einer späteren Runde die Einsätze für die Folgejahre infrage zu stellen. Im Nationalrat setzte sich, nach einer intensiv geführten Diskussion über den Sinn des WEF und die Rolle der Schweiz als neutraler Staat und dessen Aussenwirtschaftspolitik sowie den verfassungsmässigen Auftrag der Armee, schliesslich der Entwurf des Bundesrates durch. Eintreten war zwar unbestritten, doch in den folgenden Abstimmungen setzte die Grüne Partei zusammen mit einem Grossteil der SP-Fraktion ein deutliches, aber erfolgloses Zeichen gegen diesen Einsatz. Der Ständerat folgte im September des Berichtsjahres dem Votum des Erstrates diskussionslos [21].
Die Einsätze der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden wurden im März 2012 vom Bundesrat skizziert und im Juni im Nationalrat als Erstrat behandelt. Es ging dabei um die Verlängerung des Einsatzes der Armee zur Unterstützung ziviler Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen (Amba Centro) und bei Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr (Tiger/Fox), wie sie in den letzten Jahren bereits erfüllt wurden. Im Nationalrat war Eintreten unbestritten, jedoch gab es einen Kommissionsantrag, die Einsätze bis Ende 2015 letztmals zu bewilligen, also ohne Aussicht auf erneute Verlängerung. Dieser Wortlaut wurde so auch in der Gesamtabstimmung gutgeheissen und das Geschäft kam in den Ständerat. Dieser stellte sich gegen die Version der grossen Kammer und stütze die Formulierung des Bundesrates. In der Differenzbereinigung zeigten sich beide Kammern je einmal stur und gaben nicht nach. Erst in der zweiten Runde konnte sich die nationalrätliche SiK teilweise widerwillig dem Votum des Stände- und Bundesrats fügen, so dass Ende Jahr die ursprüngliche Fassung der Regierung akzeptiert wurde. Damit können auch nach 2015 noch weitere subsidiäre Armeeeinsätze genehmigt werden [22].
Der Bericht zur Einsatzbilanz 2012 zeigte auf, dass die Armee auch im Berichtjahr einen subsidiären Sicherungs- und Unterstützungsauftrag zu Gunsten des 42. Jahrestreffens des World Economic Forum (WEF) 2012 in Davos geleistet hat. Insgesamt wurden 3 950 Angehörige der Armee (AdA) eingesetzt, welche zusammen 51 592 Diensttage geleistet haben. Die Leistung entsprach den Vorjahreswerten. Im Rahmen von „AMBA CENTRO“ wurden 2012 zum Schutz ausländischer Vertretungen in der Schweiz durchschnittlich 164 AdA eingesetzt, welche insgesamt 60 021 Dienstage leisteten. Diese Zunahme um über 7 000 Diensttage gegenüber dem Vorjahr war einer Aufstockung des Kontingents in Zürich geschuldet. Dieser Einsatz wurde per Bundesratsbeschluss bis Ende 2015 verlängert, jedoch mit Auflagen versehen. Bis Ende 2014 dürfen nur noch bis maximal 80 AdA dafür im Einsatz stehen. Die Unterstützung des Grenzwachtkorps erfolgte wiederum im Rahmen der Vereinbarung „LITHOS“, wobei 2012 mit 5 401 Diensttagen über 13 000 Tage weniger geleistet wurden als 2011. Ende 2012 waren noch 12 AdA im Einsatz, was der planmässigen Reduktion entsprach. Per 31.12.2012 wurde der Einsatz LITHOS nach 16 Jahren beendet. Für Flugsicherheitsmassnahmen im Luftverkehr wurden in „TIGER/FOX“ insgesamt 4 660 Diensttage geleistet (2011: 6 200). Dabei standen durchschnittlich 13 AdA im Einsatz. Der Teil „FOX“ (Beurteilung der Sicherheitslage auf bestimmten ausländischen Flughäfen) wurde per Oktober 2012 beendet. Ein neuer Bundesbeschluss ermöglicht eine Einsatzverlängerung im Rahmen des Teils „TIGER“ (Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr) bis Ende 2015, wobei ab 2013 noch maximal 10 AdA eingesetzt werden dürfen. Der Teil FOX wurde fortan von Angehörigen der Polizei- und des Grenzwachtkorps übernommen. Zur Katastrophenhilfe wurde 2012 nur ein Einsatz geleistet. Anlässlich eines Waldbrandes in Chamoson (VS) wurden im Rahmen von Löscharbeiten 54 Diensttage geleistet. In sechs weiteren Unterstützungseinsätzen in den Kantonen Bern, Obwalden, Uri und Tessin wurden gut 600 Diensttage erbracht. Diese Hilfsleistungen dienten vorwiegend zur Beseitigung früherer Unwetterschäden. Gut 3 700 Einsatztage weniger als 2011 wurden damit verzeichnet, was durch das Ausbleiben grösserer Unwetter und Naturereignissen begründet werden kann. Alles in allem wurden von der Armee 2012 in verschiedenen Einsätzen (ohne reguläre Tagesordnung in Rekruten- und anderen, weiterführenden Schulen sowie Wiederholungskurse) 246 614 Diensttage geleistet. Dies entspricht einer Abnahme von rund 10 000 Diensttagen gegenüber dem Vorjahr [23].
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Rüstung
In der Frühjährssession des Berichtsjahres wurde im Ständerat über eine Motion Niederberger (cvp, NW) befunden. Der Motionär verlangte vom Bundesrat die vorgesehene Liquidation von Festungsminenwerfern zu stoppen sowie künftig geplante Ausserdienststellungen von Rüstungsgütern dem Parlament zur Genehmigung vorzulegen. In seiner Antwort griff der Bundesrat die im sicherheitspolitischen Bericht und im Armeebericht 2010 skizzierten Szenarien auf und beharrte auf der Position, dass ältere Rüstungssysteme ausgemustert werden müssten. So sieht der Bundesrat die Armeeberichte und Rüstungsprogramme auch weiterhin als adäquates Mittel zur Darlegung künftiger Anpassungen innerhalb der Armee, sei es in finanzieller oder abrüstungstechnischer Hinsicht. Im Ständerat wurde die von Bundesrat Maurer kommentierte und zur Ablehnung beantragte Motion ohne Diskussion knapp mit 14 zu 13 Stimmen angenommen. Die Mehrheit der Kommission des Nationalrates beantragte die Ablehnung der Motion, die Ende Jahr in der grossen Kammer beraten wurde. Eine Minderheit Hurter (svp, ZH) unterstützte die Motion. Dabei standen sich finanzielle Aspekte um die generelle Restrukturierung der Armee und Überlegungen über Beibehaltung oder Liquidierung altgedienter Systeme gegenüber. In der Ratsdebatte anerkannten die Redner die teilweise Erfüllung der Motion, da die Ausserdienststellung von Festungsanlagen bereits gestoppt worden war. Keine Einigkeit herrschte über die Absicht, vom Bundesrat jeweils separate Berichte über Abrüstungen einzufordern. Letztlich obsiegte in der Abstimmung die Kommissionsminderheit und die Motion wurde mit 91 gegen 73 Stimmen angenommen. Dabei konnte sich eine grosse Koalition der bürgerlichen Parteien gegen links-grün durchsetzen. Die künftig nötige Genehmigung von geplanten Ausserdienststellungen bedeutet eine Kompetenzenverlagerung vom Bundesrat auf die Ebene des Parlamentes [24].
Ende Juli erschien ein Bericht des Bundesrates, welcher zuhanden der sicherheitspolitischen Kommissionen aufzeigte, wie es um das Führungsinformationssystem Heer (FIS HE) steht. Das 700 Mio. CHF teure Informatikprojekt wurde mit den Rüstungsprogrammen 2006 und 2007 beschafft und stellte sich im Laufe der Jahre als zunehmend unbefriedigend heraus. FIS HE sollte sowohl stationär, als auch mobil eine Vernetzung militärischer Computer ermöglichen. Die Umsetzung gemäss Beschaffungsabsicht war jedoch gescheitert. Zwar wurde eine gut funktionierende, den Bedürfnissen entsprechende Soft- und Hardware gekauft, doch blieb bei der Planung und Beschaffung des Systems der Aspekt der Telekommunikation zur Schaffung eines Netzes aus den Einzelstationen völlig vernachlässigt. Entgegen der bei der Beschaffung geäusserten Absicht können die Systeme heute nicht zu einem Netz verbunden werden, ausser sie seien an einem festen Standort an einem fixen Telekommunikationsnetz angeschlossen. Der Nutzen von FIS HE im mobilen Einsatz ist so nicht gegeben. Im VBS wurden deswegen in einer tiefgreifenden Analyse mehrere Varianten zur Weiterführung des Projektes evaluiert. Letztlich wurde entschieden, eine temporäre Reduktion der Einsatztiefe vorzunehmen. Das heisst, dass untere Hierarchiestufen der Armee nicht mit dem FIS HE ausgerüstet werden sollen. Das ursprüngliche Ziel des mobilen Einsatzes ist frühestens mit der Beschaffung neuer Telekommunikationsgeräte und nicht vor 2018 möglich. Das System wird aber für grosse Organisationen mit stationärem Einsatz trotzdem aktiv genutzt [25].
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Seit das Parlament im Vorjahr mit dem Armeebericht 2010 die finanziellen Mittel für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge gesprochen hatte und der Bundesrat im Spätherbst 2011 den Typenentscheid zu Gunsten des schwedischen Gripen bekannt gegeben hatte, hatte die Legislative im Berichtsjahr wenig mit diesem Geschäft zu tun. Derweil beschäftigten sich allerdings das VBS und dessen Rüstungsunternehmen Armasuisse intensiv mit dem Dossier. Ein erster Schritt wurde vom Bundesrat unternommen, der im Februar 2012 in einer finanzpolitischen Standortbestimmung beschlossen hatte, für die Jahre 2014-2016 ein Konsolidierungs- und Armeefinanzierungsprogramm (KAP) im Umfang von 800 Mio. CHF einzusetzen. Damit reagierte der Bundesrat unter anderem auf die Budgeterhöhung im Armeeplafond durch das Parlament Ende 2011. Mit diesem KAP sollen die nicht budgetierten Schwankungen im Finanzhaushalt aufgefangen werden [26].
Im April gab der Bundesrat bekannt, für die Beschaffung der Gripen-Kampfflugzeuge ein gemeinsames Vorgehen mit Schweden zu verfolgen, was zu einer späteren Auslieferung der Flugzeuge führt. Der Einbezug der Schwedischen Regierung soll eine Optimierung der Offerte des Anbieters Saab nach sich ziehen: Die Flugzeuge für die Schweiz sollen zusammen mit Jets für Schweden bestellt werden. Wichtige Zwischenschritte wurden vom Bundesrat im Juni und August 2012 getätigt, indem mit Schweden eine „Declaration of intent“ sowie ein „Framework Agreement“ getroffen werden konnten. In der Declaration of intent wurde generell eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium Schwedens und dem VBS auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik festgehalten. Das Framework Agreement nimmt Bezug auf die Absichtserklärung: Mit dieser Rahmenvereinbarung sichert der Schwedische Staat der Schweiz zu, dass das Produkt Gripen den geforderten und vereinbarten Anforderungen entspricht [27].
Die Finanzierung des Gripen soll durch einen neu geschaffenen Fonds erfolgen. Dieser Fonds soll während zehn Jahren jährlich mit 300 Mio. CHF aus dem jeweils genehmigten Armeeplafond alimentiert werden. Diese Absichten wurden mit der Publikation des Rüstungsprogramms 2012 im November des Berichtsjahres bestärkt. Darin zeigte der Bundesrat auf, dass 22 Gripen E für 3,126 Mia. CHF beschafft werden sollen. Das Gripen-Fondsgesetz, durch welches die Finanzierung sichergestellt werden soll, ist Voraussetzung für die Beschaffung des Gripen mit dem Rüstungsprogramm 2012 und untersteht dem fakultativen Referendum. Mit dieser Lösung verbessert sich die Planungssicherheit für andere Rüstungsvorhaben und zudem können Kreditreste vermieden werden. Da der Fonds ausschliesslich über Mittel des Armeeplafonds geäufnet werden soll, entstehen dem Bund keine zusätzlichen Aufwände [28].
Die mediale Berichterstattung über die Gripen Beschaffung erstreckte sich über weit mehr als nur die institutionellen Entscheidungen in Parlament und Bundesrat. In der ersten Hälfte des Berichtsjahres dominierten Meldungen über vertrauliche Evaluationsberichte, welche bereits früher an die Öffentlichkeit gelangt waren. Diesen Dokumenten war unter anderem eine ungenügende Bewertung des ausgewählten Modells Gripen zu entnehmen. Die Kritik brachte eine Flut an Medienberichten hervor, wobei insbesondere in Frage gestellt wurde, ob das vom Bundesrat favorisierte Modell den gestellten Anforderungen entsprechen würde. Hinterfragt wurde indes auch der Entscheid des Bundesrates zu Gunsten des schwedischen Fabrikats, welches zunächst mit einer Note „ungenügend“ bewertet worden sei. Bei der Medienkonferenz zum Typenentscheid wurde der Gripen schliesslich als gut befunden – er erfülle die Anforderungen „klar“. Ende Januar 2012 wurde bekannt, dass der unterlegene französische Hersteller Dassault der Schweiz ein neues Angebot für 18 Jets des Typs Rafale unterbreitet hatte. Mit 2,7 Mia. CHF lag das Angebot um 400 Mio. CHF unter dem Preis der 22 beantragten Gripen. Gemäss Hersteller und bestätigenden Expertenmeinungen seien 18 Rafales gleich effizient wie 22 Gripen, da sie eine höhere Reichweite hätten. Rüstungsminister Maurer schlug jedoch sämtliche Angebote aus und wies Kritik von sich, dass die unterlegenen Anbieter Dassault und EADS unfair behandelt worden seien, da sie ihre Angebote nicht anpassen konnten. Die Bedenken über die Qualität des Gripen halten sich über Monate hartnäckig. Da erst ein „Demonstrator“, ein Prototyp, des neuen Modells Gripen E/F existierte, schien es unklar, wie sich das Nachfolgemodell vom vorhergehenden Modell C/D abheben würde. Alles in allem herrschte im Frühjahr 2012 grosse Unklarheit, einerseits über die Kosten der zu beschaffenden Maschinen und andererseits über die Leistungsfähigkeit des Jets. Noch im Februar deckt die Presse weitere Details über die Bewertung des Gripen auf. Ungenügende Leistungen und Negativschlagzeilen führten zu beständiger Skepsis und einem fruchtbaren Nährboden für Kampfjetgegner. Die Dauerkritik gipfelte schliesslich in einer Medienorientierung, zu der sich Bundesrat Maurer am 15. Februar gezwungen sah. Vor versammelter Medienschar verteidigte Maurer, flankiert von den höchsten Offizieren, den Typenentscheid. Der Gripen sei die optimale Lösung für die Schweizer Armee. Das schwedische Produkt hätte die tiefsten Betriebskosten und sei so, neben dem tieferen Beschaffungspreis, den Konkurrenten vorzuziehen. Die Gegner zeigten sich allerdings noch nicht zufrieden mit den gelieferten Erklärungen und so wurde weiterhin eine offene und langwierige Debatte in den Medien geführt. Erste Stimmen erklärten den Kampfjetkauf bereits Mitte Februar als gescheitert. Die Basler Zeitung liess es sich schliesslich auch nicht nehmen, Anfang März Parallelen zur Mirage Affäre zu ziehen, welche Ende der Fünfzigerjahre einen Kampfflugzeugkauf zu einem Spiessrutenlauf zwischen Parlament und Regierung werden liess. Im gleichen Blatt war Mitte März berichtet worden, dass der Typenentscheid zu Gunsten des Gripen viel früher gefallen sei, als bis dahin bekannt. Gestützt auf eine bundesrätliche Antwort auf mehrere Interpellationen im Nationalrat, gab die Zeitung an, dass bereits Ende 2010 ein Entscheid gefallen sei. Das mediale Auf und Ab erstreckte sich über den gesamten Sommer 2012 [29].
Ein weiterer Höhepunkt erfuhr die Gripen Angelegenheit Ende August des Berichtsjahres, als die Subkommission der SiK-NR ihren Untersuchungsbericht publiziert hatte. Die Parlamentarier um Subkommissionspräsident Hurter (svp, ZH) stellen dem Gripen ein zweifelhaftes Zeugnis aus. Dieser Flieger weise die grössten technischen, finanziellen, politischen und zeitlichen Risiken auf, so die vernichtende Quintessenz aus dem Papier. Die Evaluation der verschiedenen Modelle sei jedoch korrekt abgelaufen. Die Subkommission forderte dennoch vom Bundesrat eine Stellungnahme zu offenen Fragen, die bis Oktober vorliegen sollte. Darüber hinaus war das getroffene Framework Agreement mit dem Schwedischen Staat einer weiteren Forderung der Subkommission entsprungen [30].
Aufgrund anhaltender Kritik zum Gripen wurde es immer wahrscheinlicher, dass sich neben den linken Parteien auch die einem Kampfjetkauf ursprünglich wohlgesinnten, bürgerlichen Parteien dem Tiger Teilersatz (TTE) entgegen stellen würden. Für die FDP äusserte sich Parteipräsident Müller nach der Publikation des Subkommissionsberichts so pointiert, dass die Zeitungen den politischen Abschuss des Gripen prophezeiten. Im August hat die FDP ihre Position zum Kampfjetkauf revidiert. Die zusammen mit den anderen bürgerlichen Parteien für einen TTE eintretende Mittepartei trat nunmehr wesentlich kritischer gegenüber dem Gripen auf. Am 25. August erschien ein umfassendes Interview mit Parteipräsident Müller, welcher den Gripen nachdrücklich kritisierte. Die Stellung der FDP zu diesem Geschäft ist deshalb entscheidend, weil ohne sie eine Parlamentsmehrheit kaum zu Stande kommen könnte – SP und Grüne sind seit jeher gegen den Kampfjetkauf. Müllers Gripen-Kritik und die damit einher gehende Erkenntnis, dass der Gripen mit der neuen Kräftekonstellation politisch kaum eine Chance hätte, führte zu heftigen Reaktionen. Die Gruppe Giardino, ein Zusammenschluss von konservativen Offizieren und Armeefreunden, ging so weit, Müllers Rücktritt zu fordern. Müller liessen die Angriffe jedoch zunächst kalt und er liess diese ohne grosse Reaktion ins Leere laufen. Erst als auch seitens der SVP vermehrt in Richtung Müller und FDP geschossen wurde, kam es zu einem medialen Schlagabtausch, welcher in den Zeitungen unter dem Titel „Hahnenkampf“ ausgetragen wurde. Von Ignoranz über Mauscheleien bis zu Vetternwirtschaft und Befangenheit wurde Müller und seiner Partei alles unterstellt, vorwiegend seitens der SVP. Müller selbst reagierte fortan zunehmend angriffig, verteidigte aber stets seine Haltung. Neben vielen persönlichen Grabenkämpfen zeichnete sich vor allem eines ab: Die Beschaffung des neuen Kampfjets für die Schweizer Armee wurde gegen Jahresende zunehmend unsicher [31].
Erschwerend kam hinzu, dass Schweden angeblich weniger Gripen-Jets beschaffen wolle, als bis anhin kommuniziert. Dies hätte für die Schweiz erhebliche finanzielle Folgen, da sich die Entwicklungskosten anders verteilen würden. Bundesrat Maurer begegnete der anhaltenden Kritik Ende August an einem einberufenen Kasernengespräch in Thun. Dabei beabsichtigte Maurer eine Richtigstellung der kritisierten Punkte und andererseits wollte er das mit Schweden getroffene Rahmenabkommen erklären. Das Hauptinteresse nach der Frage um die Beteiligung der Schweiz an den Entwicklungskosten konnte Maurer befriedigen: Die Schweiz müsse sich nicht finanziell beteiligen. Zudem wurden der Preis und die Lieferfrist vertraglich vereinbart. So soll ab 2018 die erste Lieferung erfolgen. Für eine Zwischenperiode von 2016 bis 2020 wurde vorgeschlagen, Gripen Flugzeuge des älteren Typs C/D zu mieten, um einerseits die Piloten auf dem Gripen auszubilden und weiter die F/A 18 Flotte zu entlasten – eine Idee, welche wiederum einige Kritik ernten sollte. Die FDP betitelte diesen Vorschlag als absurd. Es mache keinen Sinn, Piloten auf einem alten Modell auszubilden, wenn die neu entwickelten und ausgelieferten Flieger ein völlig anderes Flugverhalten hätten. Ähnliche Kritik wurde aus der SiK-N geäussert. Kommissionspräsident Hurter (svp, ZH) befürchtete dadurch einen Kontrollverlust gegenüber dem Hersteller. Während des gesamten Anlasses in Thun beteuerte Bundesrat Maurer stets, dass der Gripen die Bedürfnisse der Schweiz am besten und am günstigsten befriedige[32].
Für weitere Schlagzeilen sorgten übers Jahr hinweg verschiedene Angebote, wie sie von den unterlegenen Jetherstellern Dassault und EADS verschiedentlich an die Schweiz gelangten. Neben dem bereits erwähnten Dassault Angebot (s.o.), schien auch EADS mehrmals versucht zu haben, neue Deals anzubieten. Insgesamt übertrafen sich die Anbieter mit Aktionen (16-18 Eurofighter für 2,2 Mia. CHF; 18 Rafales für 2,2 Mia. CHF; später ging Frankreich darauf ein, wie Schweden 22 Jets für 3,1 Mia. CHF zu liefern), Occasionsangeboten, sogenannten Etappenjets, Sharing-Angeboten (Nutzung von Trainingseinrichtungen im Ausland) und Stützangeboten. Lediglich von Saab gab es kein Entgegenkommen. Dennoch hielt der Bundesrat stets am Typenentscheid fest [33].
Einen Höhepunkt fand das Gripen-Hickhack Ende September des Berichtsjahres, als die Parteipräsidenten gemeinsam per Brief mit einem Fragenkatalog an die Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf gelangten. Zu grosse Unsicherheiten und zu viele offene Fragen stünden im Raum, um auch das Stimmvolk im Vorfeld einer zu erwartenden Abstimmung genügend informieren und vor allem überzeugen zu können. Ein Fragenkatalog sollte ermöglichen, Klarheit über technische und finanzielle Risiken, Betriebskosten, Beschaffungsprozess und strategischen Aspekten zu gewinnen. Diese Fragen sollten möglichst bald und öffentlich beantwortet werden, so die Bitte der Parteipräsidenten. Mitte November veröffentlichte der Bundesrat seine Antworten zu den gestellten Fragen, welche von den Parteien zunächst skeptisch aufgenommen wurden und welche das Unbehagen nicht beheben konnten, da Unklarheiten und offene Formulierungen, teilweise sogar widersprüchliche Angaben gemacht wurden. So sah sich Verteidigungsminister Maurer gezwungen, Mitte Dezember mit den Parteipräsidenten zusammen zu kommen, um weitere offene Fragen zu klären. Ein echter Befreiungsschlag war dem Bundesrat damit noch immer nicht gelungen. Auch die Runde mit den Parteipräsidenten konnte Maurer nicht nutzen, um die Gunst der Parteien zurück zu gewinnen. Damit dürfte das Geschäft einen schweren Stand haben, wenn es im Frühjahr 2013 in den Räten behandelt wird [34].
Auch im Herbst kam keine Ruhe in das Gripen-Dossier. Ende Oktober wurde die Frage aufgeworfen, ob die mit Schweden getroffene Rahmenvereinbarung überhaupt gültig sei, da der Unterzeichnende für die Schweiz anscheinend keine Vollmacht hatte. Jürg Weber, Projektleiter der Gripen Beschaffung bei der Armasuisse, hätte von der Bundekanzlei eine Befugnis haben müssen, um einen für die Schweiz gültigen Staatsvertrag zu unterzeichnen. Damit standen plötzlich die von Schweden zugesicherten Leistungen in der Schwebe. Daraufhin wurde spekuliert, ob die Rahmenvereinbarung überhaupt als Staatsvertrag zu verstehen sei. Zunächst wurde bei der Bundeskanzlei in Erfahrung gebracht, dass der Vertrag rechtlich nicht bindend sei und daher gar keine Vollmacht erforderlich sei. Als eine solche rechtlich nicht verbindliche Vereinbarung erachtete auch das VBS selbst diesen Vertrag. Anders beurteilte hingegen das Bundesamt für Justiz den Fall. Dort betrachtete man die Vereinbarung als rechtlich verbindlichen Staatsvertrag. Damit erschien nun doch eine Vollmacht für den Unterzeichnenden als notwendig. Ein zwischenzeitlicher Befund per Ende Oktober kam zum Schluss, dass das Gripen Framework Agreement ungültig sei. Die Verwirrung war erneut gross. Anfang November sahen sich selbst Sicherheitspolitiker gezwungen, beim Bundesrat nachzufragen. Die Frage ist deshalb entscheidend, weil die Zusagen und Garantien Schwedens bindend sind, wenn es sich um einen Staatsvertrag handelt. Das VBS revidierte seine Meinung und versicherte in diversen Berichten, dass es sich um einen Staatsvertrag handle, der „selbstverständlich gültig sei“. Diese Versicherung war aber nicht ausreichend, so dass Nationalrätin Glanzmann (cvp, LU) in der SiK gar die Geschäftsprüfungskommission mit einer Untersuchung beauftragen wollte. Dies wurde aber nicht umgesetzt, da vorerst die Subkommission die „verwirrende Kommunikation“ des VBS aufklären und bis Anfang 2013 berichten solle, ob ein Staatsvertrag vorliege oder nicht [35].
Anfang Dezember wurde via Presse bekannt, dass sich das Schwedische Parlament für eine Bestellung von 60 Gripen Jets entschieden hat. Dies allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass die Schweiz ebenfalls ihre Bestellung tätigen werde. Der Vorbehalt rief sogleich Zweifler und Gripen Gegner auf den Plan, welche in diesem Vorbehalt ein Vertrauensleck gegenüber dem Produkt selbst orteten. Misstrauen schien also bis dahin nicht nur in der Schweiz zu herrschen, sondern auch in Schweden. Einige Tage später stimmte der Schwedische Reichstag dem eigenen Gripen Kauf zu, jedoch stets unter Vorbehalten. Die Schwedische Legislative wollte eine jährliche Prüfung des Rüstungsprojekts installieren, was gegen den Willen der bürgerlichen Regierungsparteien auch gelungen ist. Den Vorbehalt einer Bestellung durch die Schweiz (oder, was unwahrscheinlich ist, durch ein anderes Land bis 2014) erhielten die Schwedischen Parlamentarier aufrecht [36].
Das Geschäft Tiger-Teilersatz zog sich über das gesamte Berichtsjahr hindurch und gelangte noch nicht zu einem Entscheid. Die Kritik brach nicht ab und die Regierung, vor allem Bundesrat Maurer, hatte viel Arbeit zu leisten, damit der Gripen-Deal nicht bereits vor einer Parlamentsentscheidung zu einem Fiakso wurde. Kritiker und Kampfjet-Gegner erhielten indes ungefragt immer wieder neue Angriffsflächen. Die wichtige Rolle der Gripen Subkommission der SiK-NR und deren Einfluss auf das Geschäft wird 2013 noch deutlicher zum Tragen kommen, wenn es darum gehen wird, den Kauf der 22 Flugzeuge im Parlament zu behandeln.
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Zivildienst und Dienstverweigerung
Am 5. Januar 2012 reichte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) die Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» ein. Ziel der Initiative ist es, die Militärdienstpflicht aufzuheben und das gegenwärtige Modell durch eine Freiwilligenmiliz zu ersetzen. Der Bundesrat beantragte den Räten, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Die Initiative ist das dritte Vorhaben dieser Art, nachdem 1989 die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» und 2001 die Volksinitiative «Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee» beide an der Urne abgelehnt wurden. Anfang Dezember 2012 äusserten sich die Nationalräte zum Begehren. Vier Varianten standen zur Diskussion: Eine Kommissionsmehrheit unterstützte die Position der Regierung und wollte die Initiative zur Ablehnung empfehlen, eine Minderheit I Allemann (sp, BE) wollte die Abstimmung mit Empfehlung auf Annahme und ohne Gegenentwurf vors Volk bringen, eine Minderheit II von Graffenried (gp, BE) schlug als Gegenvorschlag eine allgemeine Dienstpflicht für alle Schweizerinnen und Schweizer vor (10 wöchiger Dienst bei der Armee oder der Feuerwehr) und eine Minderheit III Hiltpold (fdp, GE) schlug ebenfalls einen Bürgerdienst vor. Dieser wäre für Schweizer obligatorisch und für Schweizerinnen freiwillig und könnte ebenfalls bei Armee oder Feuerwehr, aber auch bei der Polizei, beim Grenzwachtkorps, bei der Sanität oder gar beim Strafvollzug geleistet werden.Der Nationalrat hatte sich einer langen Diskussion mit vielen Rednern zu stellen. Die Positionen waren allerdings deutlich:Bürgerliche Politiker lehnten die Initiative klar ab und die Ratslinke stand für die Initiative ein. Die häufigsten Pro-Argumente fügten sich in die generelle Debatte um die Reduktion der Armeebestände, wie sie im Armeebericht 2010 skizziert und beschlossen wurde, ein. Zudem wurde wiederholt auf die seit dem Ende des Kalten Krieges veränderte sicherheitspolitische Lage in Europa verwiesen. So sei es nicht mehr zeitgemäss ein Massenheer zu betreiben und vielmehr angebracht, die Streitkräfte nach Vorbild zahrleicher OECD-Staaten zu redimensionieren. Die Gegner der Initiative hoben dagegen den Verfassungsauftrag der Armee hervor und befürchteten eine zu starke Beschneidung der Einsatzfähigkeit. Eine Freiwilligenmiliz verkäme zu einem Auffangbecken für Arbeitslose oder Rambos. Zudem sei die Armee gegenwärtig in der Bevölkerung gut verankert und die gesellschaftliche Durchmischung des Landes sei in der Armee gut widerspiegelt. Bundesrat Maurer stellte zum Schluss der zweitägigen Debatte fest, dass die abzulehnende Initiative sicherheitspolitisch in keiner Art und Weise genüge und dass sie staatspolitisch in die falsche Richtung gehe. Der Rat folgte schliesslich dem Bundesrat und empfahl die Abstimmung zur Ablehnung. Die Ratslinke unterlag den bürgerlichen Kräften mit 56 zu 121 Stimmen. Die bereits von der SiK-NR abgelehnten Minderheitsanträge hatten auch im Rat keine Chance. Der Ständerat wird sich 2013 mit der Vorlage befassen [37].
Eine aus dem Frühjahr 2011 stammende und im Herbst des Vorjahres vom Nationalrat angenommene Motion Müller (Walter; fdp, SG) kam im Mai des Berichtsjahres in den Ständerat. Der Motionär verlangt die Steigerung des Nutzens von Zivildiensteinsätzen. Dafür bedürfe es einer besseren und längeren Ausbildung der Dienstleistenden. Dennoch müsse darauf geachtet werden, dass sich durch den gesteigerten Nutzen der Zivildiensteinsätze die zusätzlichen Kosten für die Ausbildung lohnen und dass die Ausbildung hohen Anforderungen gerecht wird, herausfordernd ist und gut kontrolliert abläuft. Besonders in der Pflege und Betreuung von Menschen sei eine entsprechende Ausbildung unabdingbar. Diese sei bis anhin zu kurz und eigne sich nicht für einen qualifizierten Dienst im Pflege- und Betreuungsbereich. Die Gefahr sei, dass Zivildienstleistende zu oft für unbedeutende Hilfseinsätze eingespannt werden. Der Bundesrat teilte die Ansicht des Motionärs, empfahl den Vorstoss zur Annahme und schlug insbesondere eine Verlängerung der spezifischen Ausbildung auf 20 Tage vor. Auch im Ständerat wurde die Motion im Berichtjahr diskussionslos überwiesen [38].
Nachdem 2011 im Ständerat eine parlamentarische Initiative aus dem Nationalrat, welche eine Revision des Zivildienstgesetzes verlangte, abgewiesen worden war, äusserte sich der Bundesrat im Juni 2012 nochmals zur Thematik. Im Nachgang zu einem 2011 publizierten Bericht hielt die Regierung daran fest, vorerst keine zusätzlichen Massnahmen zur Regulierung der Zulassungen zum Zivildienst zu ergreifen. Da die Zulassungen gegenüber den ersten Jahren nach der Abschaffung der Gewissensprüfung deutlich zurückgegangen waren, sah der Bundesrat keine Gefährdung der Armeebestände und wollte deswegen am bisherigen Zulassungsverfahren festhalten. Dies ging aus einem zweiten, vom Bundesrat gutgeheissenen, Bericht hervor. Die Empfehlungen deckten sich mit den Einschätzungen der beiden SiK. In einem dritten Bericht wird die Situation 2014 erneut evaluiert werden [39].
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Anfang Mai zeigte der Bundesrat in Erfüllung einer aus dem Jahr 2010 stammende Motion in einem Bericht auf, wie Bevölkerungsschutz und Zivilschutz nach 2015 weiterentwickelt, angepasst und verbessert werden können. Ziele sind weiterhin die effiziente und wirksame Bewältigung von technik- und naturbedingten Katastrophen und Notlagen sowie die Schaffung einer Grundlage mit der die Interessen und Bedürfnisse von Bund und Kantonen besser aufeinander abgestimmt werden können. Der Bericht behandelt das Verbundsystem Bevölkerungsschutz (als sicherheitspolitisches Instrument) und den Zivilschutz (als eine der fünf Partnerorganisationen dieses Verbundsystems). Im Bevölkerungsschutz sollen folgende Elemente gleich bleiben: Die primäre Ausrichtung auf die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen, die grundsätzliche Zuständigkeit der Kantone für den Bevölkerungsschutz sowie dessen Einsatzmittel und die Einsatzführung. Weiter soll das Prinzip der Zuständigkeitsfinanzierung sowie die subsidiäre Unterstützung durch die Armee bei der Katastrophenhilfe in der gegenwärtigen Form beibehalten werden. Die wichtigsten neuen Elemente der Strategie sind eine verstärkte Koordination des Gesamtsystems durch den Bund und die Bezeichnung von zentralen Ansprechstellen auf Stufe Bund und Kantone. Zusätzlich soll die Schaffung und der Betrieb eines gemeinsamen Lageverbundsystems, eine grundlegende Überprüfung des aktuellen Dienstpflichtsystems sowie die Bereinigung von gewissen Schnittstellen im Verbundsystem angestrebt werden. Im Bereich Zivilschutz sollen folgende Elemente beibehalten werden: Die primäre Ausrichtung auf Katastrophen und Notlagen, die föderalistische Struktur, die primäre kantonale Zuständigkeit sowie die Werterhaltung der bestehenden Schutzbauten. Ins Auge gefasste, neue Elemente beinhalten gewisse Anpassungen beim Dienstpflichtsystem, eine Überprüfung der Bestände, die Schaffung von interkantonalen Zivilschutz-Stützpunkten und Massnahmen zur Verbesserung der Interoperabilität. Die skizzierten Massnahmen für die Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes und Zivilschutzes bedürfen allerdings im Anschluss eine detaillierte Ausarbeitung und Konkretisierung. Dazu soll je eine Projektorganisation für den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz eingesetzt werden, welche die Umsetzungsvorschläge und -konzepte erarbeiten wird [40].
Eine erneute Teilrevision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes unterzog der Bundesrat zwischen Ende Juni und Mitte September einem Vernehmlassungsverfahren. Die Neuerungen zielten auf eine bessere Kontrolle des Bundes über die Dienstleistungen von Angehörigen des Zivilschutzes. Dadurch sollen unrechtmässige Schutzdienstleistungen und unberechtigte EO-Abrechnungen vermieden werden. Der in den vergangenen Jahren vermehrt aufgetretene Missbrauch der Erwerbsersatzordnung soll damit eingedämmt werden. Im Nachgang der Feststellung solcher unrechtmässiger Bezüge 2011 stellt diese Teilrevision eine weitere Massnahme dar, nach dem kurzfristig erste Vorkehrungen getroffen wurden. Damit soll es möglich werden, die von den Kantonen verwalteten Daten über sämtliche Schutzdienstleistungen künftig auf Ebene des Bundes zusammenzuführen und nach einheitlichen Kriterien zu kontrollieren. Weiter wird der Rahmen für Gemeinschaftseinsätze des professionellen Zivilschutzpersonals neu definiert. Darüber hinaus werden im Zivilschutz einzelne weitere Detailanpassungen vorgenommen, so in den Bereichen der Rekrutierung, der Ausbildungsdauer und des Beschwerdeverfahrens [41].
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Weiterführende Literatur
Bondolfi, Sibilla, Wehrpflicht und Geschlechterdiskriminierung : Verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Anforderungen an die Wehrpflicht im Vergleich zum Modell Israel, Zürich 2012.
Heller, Daniel (u.a.), Moderne Führungsinformationssysteme: unabdingbar für die Zukunft der Schweizer Armee, Zürich 2012.
Saladin, Gerhard, Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Milizprinzips der Schweizer Armee, Zürich 2012.
Schaub, Rudolf, Hochseilakt der Schweizer Armee mit Absturzgefahr, Zollikofen 2012.
Schweizerische Vereinigung für Führungsausbildung, Führungsausbildung in der Schweizer Armee: wertvoll, modern, anerkannt, Bern 2012.
Szvircsev Tresch, Tibor / Wenger, Andreas, Sicherheit 2012, Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend, Zürich (ETHZ) 2012.
Wirz, Heinrich / Strahm, Florian, Der Tiger-Teilersatz (TTE) in temporären Turbulenzen: eine chronologische Dokumentation mit Daten, Fakten, Zahlen und Zitaten für das Jahr 2012, Bern 2013.
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[1] Lit. Szvircsev Tresch.
[2] Bericht C Milizkommisssion: „Die Bedeutung der Armee für die Schweiz“, 2012; und Medienmitteilung VBS vom 30.8.12.
[3] Po. 12.3116 (Berberat): AB SR, 2012, S. 368 f.; Po. 12.3210 (Maire): AB NR, 2012, S. 1211.
[4] Po. 10.3570 (Malama): AB NR, 2012, S. 998; Mo. 10.3832 (Stump): AB NR, 2012, S. 999 f. und AB SR, 2012, S. 805 f.
[5] Mo. 12.3323: AB SR, 2012, S. 368 f.; Ab NR, 2012, S. 2065 ff.
[6] Medienmitteilung VBS vom 30.8.12.
[7] Medienmitteilung VBS vom 27.6.12.
[8] Po. 10.3790: AB NR, 2012, 998 f.
[9] Medienmitteilung Bundesrat vom 29.8.12; Mo. 10.3639 (SiK-S): AB NR, 2011, S. 112; AB SR, 2010, S. 864; siehe SPJ, 2011, S. 168.
[10] BRG 12.013 (Einsatz): BBl, 2012, S. 1195 ff., 1205 f. und 3865 ff.; AB SR, 2012, S. 139 ff.; AB NR, 2012, S. 465 ff. BRG 12.078 (Verlängerung): BBl, 2012, S. 9109 ff.; AB SR, 2012, S. 945 ff.; AB NR; 2012, S. 1942 ff.
[11] Medienmitteilung VBS vom 4.4.12.
[12] Medienmitteilung VBS vom 30.8.12.
[13] Medienmitteilung VBS vom 28.9.12.
[14] Schweizer Armee, Einsatzbilanz 2012.
[15] BRG 12.030: BBl., 2012, 2813 ff.; AB NR, 2012, S. 971 ff.; AB SR, 2012, S. 799 ff.
[16] Mo. 11.3082: AB SR, 2011, S. 385; AB NR, 2011, 1895 ff.; AB SR, 2012, S. 57 f.
[17] Mo. 11.4047: AB SR, 2012, S. 72; AB NR, 2012, S. 1675 f.
[18] BBl, 2012, 7506; siehe SPJ, 2011, S. 168 f.
[19] Po. 12.3744 (Glanzmann-Hunkeler) und Po. 12.3745 (Eichenberger-Walther): AB NR, 2012, S. 2253.
[20] BRG 11.036: AB NR, 2012, S. 182 ff. und 555; AB SR, 2012, S. 143 und 271; BBl, 2012, S. 3541 ff. und 5383 ff.; siehe SPJ, 2011, S. 171 ff.
[21] BRG 12.031: BBl, 2012, S. 2853 ff. und 8387 ff.; AB NR, 2012, S. 977 ff.; AB SR, 2012, S. 801 f.
[22] BRG 12.035: BBl, 2012, S. 3621 ff.; AB NR, 2012, S. 984 ff., 2060 ff. und 2142 f.; AB SR, 2012, S. 802ff und 1116 ff.
[23] Schweizer Armee, Einsatzbilanz 2012.
[24] Mo. 11.4135: AB SR, 2012, S. 363 f.; AB NR, 2012, S. 2062 ff.
[25] Medienmitteilung und Bericht VBS vom 21.8.12; TA, 18.8.12.
[26] Medienmitteilung Bundesrat vom 1.2.2012.
[27] Medienmitteilung VBS vom 25.4.2012; für das Framework Agreement und die Declaration of Intent vgl. www.vbs.admin.ch
[28] Medienmitteilung Bundesrat vom 1.2.2012; BRG 12.085; BBl, 2012, S. 9281 ff.
[29] BaZ, 5.1.12; SoZ, 29.1.13; Presse vom 14. und 15.2.2012; WoZ, 16.2.2012.
[30] Presse vom 22.8.12.
[31] NZZ, 25.8.12; TA, 30.8.12.
[32] Presse vom 29.8.12.
[33] Blick, 8.9.12.; NZZ, 24.9.12.
[34] NZZ, 28.9.12; BaZ 17.11.12; TA, 1.12.12.
[35] BaZ, 31.10. und 7.11.12; NLZ, 6.11.12.
[36] Blick, 7.12.12; Presse vom 12.12.12.
[37] BRG 12.073: BBl, 2012, 8285 ff. und 8317 ff.; AB NR, 2012, S. 2118 ff. und 2150 ff.
[38] Mo. 11.3362: AB NR, 2011, S. 1841; AB SR, 2012, S. 330.
[39] Medienmitteilung VBS vom 27.6.12.
[40] Mo. 10.3540: AB NR, 2010, S. 1648; AB SR, 2011, S. 384; Bericht: BBl, 2012, S. 5503 ff.
[41] Medienmittelung VBS vom 27.6.12.
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