Politique sociale
Santé, assistance sociale, sport
Un rapport de l’OMS et de l’OCDE a évalué de manière positive le système de santé suisse. – Le Conseil fédéral a mis en consultation un projet de réglementation relative à la recherche sur l’être humain. – Dans les cantons du Tessin et de Soleure, le peuple s’est prononcé en faveur d’une interdiction de fumer dans les restaurants et les lieux publics. – Le Conseil national a donné un nouvel élan à une révision de la loi sur les stupéfiants. – La Confédération a publié pour la première fois une statistique détaillée de l’aide sociale. – Le parlement a alloué un deuxième crédit, plus important, pour l’organisation du Championnat d’Europe de Football 2008.
Gesundheitspolitik
Auf Ersuchen des Bundesrates publizierten die OECD und die WHO einen gemeinsamen
Bericht zum schweizerischen Gesundheitswesen. Die beiden Organisationen betonten die Qualität der hiesigen Gesundheitsversorgung im Vergleich mit anderen OECD-Ländern, empfahlen aber, die hohen Kosten zu senken. Eine der wichtigsten Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels besteht ihrer Meinung nach in der
Verbesserung der staatlichen Steuerung des Gesundheitssystems, und zwar sowohl im Bereich der Versorgung wie bei der Prävention und der Gesundheitsförderung. Die Empfehlungen gingen weitgehend in die Richtung, die mit den verschiedenen Paketen der 2. KVG-Revision (Übergang von einer Finanzierung der Einzelleistungen hin zu Fallpauschalen, Lockerung des Kontrahierungszwangs, Einführung von Managed-Care-Netzen) sowie mit anderen bereits initiierten Massnahmen (Förderung der Generika sowie des interkantonalen Dialogs) bereits eingeschlagen worden ist. Den meisten Reformbedarf orteten OECD und WHO bei der
Prävention: Diese sei nicht nur zu zersplittert, weshalb die Schaffung eines Rahmengesetzes zu begrüssen wäre, sie sei auch zu wenig auf die dominierenden Probleme der öffentlichen Gesundheit (etwa Tabak- und Alkoholmissbrauch) oder auf bisher noch nicht genügend beachtete Aspekte (wie psychische Gesundheit und Übergewicht) ausgerichtet. Zudem sollten nationale Programme zur Qualitätsverbesserung in einigen Schlüsselbereichen gefördert und die Bedingungen für den Bezug von Krankenkassenprämienverbilligungen vereinheitlicht werden
[1].
Wie eine vom BFS und vom BASPO gemeinsam veröffentlichte Studie zeigte, bewegen sich zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung aus gesundheitlicher Sicht zu wenig. Immerhin die Hälfte der Bevölkerung bewältigt aber zumindest einen Teil der täglichen Wegstrecken zu Fuss oder mit dem Fahrrad. Es sind auch nicht alle Bevölkerungsgruppen vom
Bewegungsmangel gleich betroffen. Mit dem
Alter nimmt der Bewegungsmangel zu. Ein deutlicher Rückgang der sportlichen Aktivitäten zeigt sich zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr sowie ab dem 74. Altersjahr. In jungen Jahren sind die Männer deutlich aktiver als die Frauen. Da danach aber das sportliche Niveau bei den Frauen weniger steil abfällt, zeigen Frauen und Männer im Alter zwischen 35 und 65 Jahren ein vergleichbares Bewegungsmuster. Mit dem
sozialen Status steigt auch das Aktivitätsverhalten: Personen mit einem mittleren oder hohen Bildungsniveau sowie einem überdurchschnittlichen Haushalteinkommen bewegen sich mehr als Personen aus tieferen sozialen Schichten. Unterdurchschnittlich ist das Bewegungsniveau der ausländischen Wohnbevölkerung, wobei die Bewegungsdefizite bei den 15- bis 34-jährigen Ausländerinnen besonders gross sind. In der Deutschschweiz ist der Bewegungsmangel weniger ausgeprägt als in der lateinischen Schweiz
[2].
Im Vorjahr hatte der Nationalrat den Bundesrat mit einer Motion verpflichten wollen, für die
Qualitätssicherung und Patientensicherheit in der medizinischen Behandlung zu sorgen. Der Ständerat hatte den Auftrag aus Rücksicht auf die Kantonshoheit im Gesundheitswesen dahingehend abgeschwächt, dass der Bund nur für die Steuerung, die Regulierung und die Koordination dieser Fragen zuständig sein soll. Dieser Sicht schloss sich nun auch die grosse Kammer an
[3].
Der Ständerat überwies diskussionslos ein Postulat Sommaruga (sp, BE), das den Bundesrat um einen Bericht ersucht, der die Gründe für die enormen
regionalen Unterschiede in der Abgabe und Verschreibung von medizinischen Leistungen eruiert, sowie Massnahmen vorschlägt, mit welchen im Sinne von Artikel 56 KVG (Wirtschaftlichkeit) und Artikel 58 KVG (Qualitätssicherung) sowohl eine Unterversorgung der Bevölkerung als auch eine gesundheitlich wie ökonomisch schädliche Überversorgung verhindert werden können
[4].
Die Eidg. Kommission für Grundsatzfragen der Krankenversicherung (EGK) nahm von zwei von ihr in Auftrag gegebenen Studien zur impliziten
Rationierung im Gesundheitswesen Kenntnis. Diese kamen zum Schluss, dass die Gesundheitsversorgung in der Schweiz hochstehend ist, zwischen einzelnen Kantonen und Regionen aber Unterschiede im Zugang zur Versorgung bestehen. Aus diesen Unterschieden allein lässt sich gemäss EGK nicht auf eine bewusste Rationierung schliessen, jedoch müsse ein Augenmerk auf besondere Risikogruppen (ältere Personen, geistig Behinderte, psychisch Kranke und sozial Benachteiligte) gelegt werden
[5].
Trotz sehr guter technischer und organisatorischer Voraussetzungen liegt die Schweiz bei den elektronischen Gesundheitsdiensten („E-Health“) im internationalen Vergleich im Rückstand. Die föderalistische Organisation der Gesundheitsversorgung fördert zwar praxisnahe Lösungen, erschwert aber ein einheitliches System. Der Bundesrat beauftragte deshalb das EDI im Januar, bis Ende 2006 ein Konzept für eine
nationale Strategie „E-Health“ mit Massnahmen vorzulegen. Der Mitte Dezember vorgestellte Entwurf setzte Schwerpunkte in den Bereichen elektronische Patientendossiers, Online-Informationen und Online-Dienste sowie Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
[6].
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat nahm der Nationalrat eine Motion Noser (fdp, ZH) an, die einen Ausbau der 2004 in der laufenden KVG-Revision beschlossenen Versichertenkarte zu einem eigentlichen
Gesundheitspass verlangt, der die Patientenerkennung vereinfacht, medizinische Notfalldaten beinhaltet und einen sicheren Zugang zu persönlichen Gesundheitsinformationen ermöglicht. Es seien darüber hinaus Gesundheitsinformationsnetze zwischen den Versorgungsstationen (Krankenhäuser, Praxen, Laboratorien usw.) zu entwickeln, um den Informationsstand aller im schweizerischen Gesundheitswesen Beteiligten zu verbessern, aktuelle Daten zum Stand der Volksgesundheit zu eruieren und eine rasche Reaktion auf erkannte Gefahren bzw. Gefahrenquellen im Bereich der Gesundheit sicherzustellen. Teuscher (gp, BE), welche die Motion 2004 bekämpft hatte, plädierte erneut mit dem Argument des Datenschutzes gegen eine Annahme, unterlag jedoch mit 99 zu 46 Stimmen
[7].
Wegen der Ausbreitung der Vogelgrippe seit Herbst 2005 und der damit einhergehenden Risiken auch für die Menschen wurden die seit einiger Zeit in der Bundesverwaltung laufenden Arbeiten zur
Pandemievorsorge stark beschleunigt. Dabei zeigte sich, dass mit Blick auf die hinreichende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln, insbesondere mit Impfstoffen, im Fall einer Pandemie der Bund nicht über die nötigen gesetzlichen Kompetenzen verfügt. Der Bundesrat unterbreitete deshalb dem Parlament eine Änderung des Epidemiengesetzes, die ihm erlaubt, noch vor Ausbruch einer Pandemie die Versorgung der Bevölkerung auch mit anderen Heilmitteln als immunbiologischen Erzeugnissen sicherzustellen. Im Blickfeld stehen neben Impfstoffen vor allem antivirale Medikamente und Medizinprodukte (z.B. Schutzmasken). Beide Kammern stimmten der Änderung diskussionslos zu
[8].
Trotz Kritik am Vorgehen des Bundesrats bewilligte der Nationalrat einen Kredit von knapp 75 Mio Fr. für den Kauf von Impfstoffen gegen eine
mögliche Grippepandemie. Der Betrag ist Teil eines umfassenden Schutzkonzepts im Umfang von 186,2 Mio Fr. Kritik am Vorgehen des Bundesrats, der den Rahmenkredit erst nachträglich auf Antrag des EDI in den Voranschlag 2007 einfügte hatte, wurde vor allem von den Fraktionen der CVP und der SVP geübt. Die beiden Parteien zeigten sich über die plötzliche Eile der Landesregierung irritiert und sprachen von einem Konzept, das im internationalen Vergleich sehr teuer sei. Finanzminister Hans-Rudolf Merz verteidigte hingegen das Vorgehen des Bundesrats. Gemäss dem Schutzkonzept soll die Schweiz im Fall einer Grippeseuche schon im Jahr 2007 über Impfstoff für die gesamte Bevölkerung verfügen. Dafür sollen rund acht Millionen Dosen eines Präpandemie-Impfstoffs beschafft werden. Der Ständerat stimmte, wenn auch ebenfalls etwas murrend, zu
[9].
Von 2000 bis 2005 nahmen die Kosten des gesamten Schweizer Gesundheitssystems um 22% auf insgesamt 52,9 Mia Fr. zu. Die geringste Zunahme (+2,5%) wurde allerdings in den letzten beiden Jahren gemessen, was immerhin auf eine
leichte Bremswirkung schliessen lässt. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) stieg im untersuchten Zeitraum von 10,4 auf 11,6%. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz damit das zweitteuerste Gesundheitswesen hinter den USA (mit einem Kostenanteil von 15,3% am BIP). Danach folgen Deutschland (10,9%) und Frankreich (10,5%). Eine besonders starke Zunahme von durchschnittlich 10,3% pro Jahr stellten die Statistiker bei der ambulanten Behandlung in den Spitälern fest, verglichen mit 3,2% für die stationäre Behandlung. Die Kosten der Institutionen für Betagte und Chronischkranke legten im Mittel um 4,9% pro Jahr zu, also etwas stärker als die generellen Gesundheitskosten mit einer durchschnittlichen Zunahme von 4,1% pro Jahr. Die gesamte Steigerung der Gesundheitskosten wurde zu 44% von der Krankengrundversicherung, zu 26% vom Staat und zu 20% von den privaten Haushalten finanziert. Die restlichen 10% verteilten sich auf die übrigen Sozialversicherungen (IV, Unfall- und Militärversicherung)
[10].
Der Bundesrat sprach sich gegen eine umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin im Gesundheitswesen aus. Er empfahl die 2005 eingereichte
Volksinitiative "Ja zur Komplementärmedizin" dem Parlament ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Er begründete dies damit, zahlreiche Forderungen der Initiantinnen und Initianten seien schon erfüllt und die Komplementärmedizin könne unter den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen bereits angemessen berücksichtigt werden; sie habe inzwischen einen bedeutenden Platz im Versorgungssystem erreicht. Alternative Heilmethoden und Arzneimittel könnten jederzeit auf Antrag in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen werden, müssten aber nachweisen, dass sie die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung würde auf Kosten der herkömmlichen wissenschaftlichen Medizin gehen oder zu einem massiven Kostenschub im Gesundheitswesen führen
[11].
Siehe dazu unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
Anfang April demonstrierten über 10 000 Hausärzte auf dem Bundesplatz in Bern für bessere Arbeitsbedingungen und insbesondere für mehr Mitsprache bei der künftigen Ausgestaltung der Grundversicherung des Krankenversicherungsgesetzes; in diesem Sinn deponierten sie auch eine Petition mit über 300 000 Unterschriften. Zudem forderten sie eine vermehrte Berücksichtigung der
Allgemeinmedizin in der Ausbildung, eine Fachrichtung, die bisher nur an der Universität Basel angeboten wird
[12].
Der Bundesrat genehmigte den Leistungsauftrag 2007-2010 an
Swissmedic. Diverse Neuerungen sollen dazu beitragen, dass das viel kritisierte Heilmittelinstitut seine Aufgaben effizienter erfüllen kann. Der Auftrag besteht aus drei Teilen: Im ersten gibt der Bund die strategische Ausrichtung vor. Der zweite Teil regelt die zu erbringenden Leistungen und die finanziellen Rahmenbedingungen. Hier muss Swissmedic Abstriche machen. Der Bund reduziert seine jährliche Abgeltung schrittweise um 4%: von 16,6 Mio Fr. im Jahr 2007 auf 15,9 Mio Fr. im Jahr 2010. Im dritten Teil werden verschiedene praktische Punkte festgelegt. Neu übernimmt das Generalsekretariat des EDI vom BAG die Aufsichtsfunktion. Diese Regelung gewährleiste, dass das Institut unter der Aufsicht einer Behörde stehen wird, die nicht im Heilmittelbereich tätig ist. Mit der Neugestaltung des Leistungsauftrags kam der Bundesrat den Forderungen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats nach. Diese hatte eine einfachere und klarere Regelung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Swissmedic und dem BAG verlangt.Swissmedic stand seit seiner Gründung im Jahr 2002 regelmässig in der Kritik. Vorgeworfen wurde dem Institut unter anderem zu grosse Bürokratie. Im Oktober wechselte das Institut fast die gesamte Direktion aus
[13].
2004 hatten beide Kammern zwei analogen
Standesinitiativen der Kantone Genf und Wallis Folge gegeben, welche eine Präzisierung von Art. 33 des Heilmittelgesetzes verlangten. Dort war im Sinn der Korruptionsbekämpfung die Bestimmung eingefügt worden, dass den Personen und Institutionen, welche Medikamente verschreiben oder abgeben, dafür von den Herstellern keine geldwerten Vorteile angeboten werden dürfen. Dies hatte dazu geführt, dass die Pharmaindustrie die bisherige Praxis, Spitalapotheken als Grosskunden Rabatte zu gewähren, aufhob, was zu beträchtlichen Mehrkosten für die Kantone und die Krankenkassen führte. Gemäss den Standesinitiativen sollten Rabatte wieder zugelassen werden, allerdings nur unter der Bedingung, dass diese direkt und vollumfänglich den Patienten zugute kommen müssen. Der mit der konkreten Neuformulierung des Gesetzestextes beauftragte Ständerat hatte die beiden Initiativen 2005 abgeschrieben, da sich durch direkte Verhandlungen zwischen Pharmaproduzenten und den Kantonen mittlerweile eine Rechtspraxis etabliert habe, welche die Spitalrabatte wieder zulasse
[14].
In der Kommission des Nationalrates setzte sich aber im Berichtsjahr die Auffassung durch, mit der Einigung zwischen den Herstellern und den Spitälern sei nur ein Teil des Problems gelöst worden. Die Lockerung der Bestimmung habe unter anderem auch dazu geführt, dass verschreibenden Ärzten vom Medikamentenversandhandel
Mengenrabatte und andere geldwerte Vorteile gewährt würden, welche der Transparenz entbehrten und zu einer Mengenausweitung führen könnten, weshalb es verfrüht wäre, diese Frage ad acta zu legen. Gegen eine Kommissionsminderheit aus SVP und FDP, die sich der Argumentation des Ständerates anschliessen wollte, folgte der Nationalrat der Mehrheit seiner Kommission und widersetzte sich mit 81 zu 67 Stimmen der Abschreibung. Der Ständerat beharrte auf der Abschreibung, weshalb es dabei bleibt; er nahm aber eine umfassendere Motion seiner SGK an, welche den Bundesrat beauftragt, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden
[15].
Im Vorjahr hatte der Ständerat auf Antrag des Bundesrates nur jenen Punkt einer Motion Sommaruga (sp, BE) angenommen, der auch für die Festsetzung der
Preise von Generika den Vergleich mit den für die Bestimmung der Preise für Medikamente auf der kassenpflichtigen Spezialitätenliste beigezogenen Ländern verlangte. Diskussionslos stimmte nun auch der Nationalrat zu
[16].
Ständerat Eugen David (cvp, SG) forderte in einem Postulat dazu auf, die Wirtschaftlichkeit von teuren
Krebsmedikamenten zu überprüfen. Er kritisierte, dass der Preis eines Medikamentes auch dann nicht geändert wird, wenn sich der Umsatz vervielfacht hat. Das widerspreche grundlegenden ökonomischen Prinzipien. Weiter zeigte sich David besorgt, dass wegen der hohen Preise nicht mehr die ganze Bevölkerung von den Fortschritten in der Krebsforschung profitieren könnte. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Er sei sich der problematischen Preisentwicklung bei den Onkologika bewusst. Eine Analyse der Kosten der Herstellerfirmen sei deshalb notwenig. Je nach Ergebnis würden allfällige Massnahmen zur Preisdämpfung zu prüfen sein
[17].
Im Einverständnis mit dem Bundesrat nahm der Nationalrat ein Postulat Robbiani (cvp, TI) an, welches anregt, es sei zu veranlassen, dass die Hersteller von Medikamenten verpflichtet werden, die
Wirkstoffe und Hilfsmittel anzugeben, welche Allergien oder andere unerwünschte Wirkungen hervorrufen können. Dadurch würde die Heilmittelgesetzgebung der Lebensmittelgesetzgebung angeglichen
[18].
Das neue System zur Abgeltung der Leistungen in Apotheken kann im Januar 2007 eingeführt werden. Der Bundesrat genehmigte Ende Jahr den
Tarifvertrag zwischen Apothekerverband und Krankenversicherern, forderte aber Verbesserungen. Auch nach dem neuen Modell müssen die Patientinnen und Patienten für die Beratung bezahlen. Die Stiftung für Konsumentenschutz und der Preisüberwacher kritisierten dies. Bundesrat Couchepin verteidigte die Abgabe vor den Medien: Es sei wichtig, dass die Apotheken Teil der Qualitätskontrolle seien. Neu wird die bisherige Patienten-Pauschale durch eine Abgabe ersetzt, die pro Medikamentenbezug anfällt. Diese Regelung biete Verbesserungen für Patienten, die selten ein Medikament benötigten. Der Bundesrat habe die Tarifpartner jedoch aufgefordert, das System nochmals eingehender zu beleuchten und die Vertragsgenehmigung bis Ende 2008 befristet
[19].
Zum ersten Mal veröffentlichte das BFS eine
Statistik über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung. In den Jahren 2002 bis 2004 liessen sich im Durchschnitt pro Jahr 3600 Frauen mit einer Methode der künstlichen Befruchtung behandeln. Bei einem Drittel dieser Frauen führte die In-vitro-Fertilisation zu einer Schwangerschaft. Bei etwa zwei Dritteln der so entstandenen Schwangerschaften kam es zu einer Geburt
[20].
Wie kaum anders zu erwarten war, stützten die beiden zur
Standortfrage der hochspezialisierten Medizin in Auftrag gegebenen Gutachten die Sicht der jeweiligen Mandanten. Die „Berner“ Expertise vertrat die Auffassung, dass in der Schweiz nicht nur zwei Universitätskliniken (Zürich und Lausanne) modernste Spitzenmedizin, insbesondere Transplantationen, anbieten sollen, sondern auch Bern, Basel und Genf, wobei sich die fünf Spitäler in einem oder zwei Netzwerken zusammenschliessen müssten, um auszuhandeln, wer welchen Eingriff durchführt. Das „Zürcher“ Gutachten kam zum entgegengesetzten Schluss und empfahl eine Zentralisierung auf zwei Standorte
[21].
Nach mehrjähriger Vorarbeit schickte der Bundesrat im Februar
einen Verfassungsartikel und einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung, welche die Forschung am Menschen erstmals umfassend regeln. Das primäre Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Würde und der Persönlichkeit. Es regelt so heikle Bereiche wie die Forschung an Kindern, Schwangeren und Embryonen im Mutterleib. Embryonen in vitro fallen nicht unter den Geltungsbereich des Gesetzes; für diese gelten weiterhin die Regeln des Stammzellenforschungsgesetzes, welche unter anderem das therapeutische Klonen verbieten. Versuche an Personen, die selber nicht urteilsfähig sind, sollen zugelassen sein, aber mit Auflagen. Hier unterscheidet der Gesetzesentwurf klar zwischen Eigen- und Fremdnutzen, d.h. die Auflagen sind weniger streng, wenn es beispielsweise um die Erforschung von Erbkrankheiten innerhalb einer Familie geht, als wenn die Wissenschaftler dabei ein übergeordnetes Forschungsprojekt verfolgen. Erstmals geregelt wird auch die Forschung an Verstorbenen, wobei es analog zur Entnahme von Organen der Zustimmung des Betroffenen zu Lebzeiten bedarf resp. der Einwilligung seiner nächsten Angehörigen. Das Gesetz regelt zudem den Umgang mit menschlicher Herkunft, wie etwa den Zugang zu Biobanken. Ethikkommissionen müssen die wissenschaftliche Qualität von Forschungsprojekten prüfen. Schliesslich sieht der Gesetzesentwurf die Schaffung eines Forschungsregisters vor, in dem alle Studien und Ergebnisse aufgeführt werden müssen
[22].
Die
Nationale Ethikkommission (NEK) hatte kurz zuvor ihre
Stellungnahme zum geplanten Gesetz veröffentlicht. Der Schutz von keimendem menschlichem Leben und von betroffenen Frauen in ihrer Verletzbarkeit gegenüber Fremdinteressen ist das Grundanliegen der Kommission. Dem Embryo gebühre Schutzwürdigkeit, seine Würde nehme jedoch erst mit seiner Entwicklung graduell zu. Heilversuche an Ungeborenen seien äusserst streng zu beurteilen. Die Kommission hält „verbrauchende“ Embryonenforschung (Untersuchungen, die eine gesunde Weiterentwicklung des Embryos gefährden oder verunmöglichen) für zulässig, jedoch nur an überzähligen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung im Blastozytenstadium (bis zu sechs Tage alt). Das therapeutische Klonen will die NEK zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erlauben, wobei dem Vernehmen nach nur eine Minderheit der Kommission dies aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnte
[23].
Suchtmittel
Die 11- bis 15-jährigen
Jugendlichen in der Schweiz trinken und rauchen heute weniger als noch vor vier Jahren. Auch der Aufwärtstrend beim Kiffen wurde gestoppt. Dies ergab die 2006 durchgeführte Schülerstudie der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA). Die Befragung von 9800 Jugendlichen zeigte, dass rund ein Viertel der 15-jährigen Knaben und 17% der Mädchen mindestens einmal wöchentlich Alkohol konsumieren. Dies bedeutet einen
massiven Rückgang im Vergleich zur Umfrage vor vier Jahren, als noch ein Drittel der Knaben und 21% der Mädchen dieser Altersgruppe wöchentlich Alkohol zu sich nahmen. Auch beim „blauen Dunst“ ist die Entwicklung laut SFA erfreulich. So rauchten im Berichtsjahr rund 15% der 15-jährigen Knaben mindestens wöchentlich und 10% täglich. Vier Jahre zuvor hatten noch über 23% wöchentlich und über 16% täglich zur Zigarette gegriffen. Bei den Mädchen sank das wöchentliche Rauchen von gut 23% auf knapp 15%, das tägliche von knapp 16% auf noch 10%. Beim Cannabis-Konsum konnte laut SFA der Aufwärtstrend gestoppt werden: Im Jahr 2006 gaben 34% der 15-jährigen Knaben und 27% der gleichaltrigen Mädchen an, schon einmal Cannabis ausprobiert zu haben. 2002 waren es 46% der Knaben und 37% der Mädchen gewesen. Laut SFA liegen die aktuellen Cannabis-Konsumraten wieder etwa auf der Höhe von 1998, womit der seit 1986 stetig steigende Konsumtrend gestoppt sei. Die Gründe für den Konsumrückgang sind laut SFA vielfältig und je nach Substanz unterschiedlich. Beim Rauchen wirke die verstärkte Sensibilisierung durch Präventionskampagnen und die breite Debatte zum Passivrauchen. Auch das Rauschtrinken der Jugendlichen sei in Öffentlichkeit, Medien und Politik stark thematisiert worden. Beim Cannabis schliesslich habe nach jahrelanger Banalisierung die Diskussion über die Gefahren wieder eingesetzt
[24].
Den Raucherinnen und Raucher in der Schweiz weht zusehends ein rauerer Wind entgegen. Im März stimmten die Stimmberechtigten des Kantons
Tessin mit einer Mehrheit von fast 80% einer Änderung des Gastgewerbegesetzes zu, die ein generelles Rauchverbot in öffentlich zugänglichen geschlossenen Räumen verfügt, also auch in allen Gastrobetrieben, es sei denn, diese verfügten über ein abgeschlossenes und belüftetes so genanntes Fumoir; die Lega hatte gegen die Gesetzesänderung das Referendum ergriffen
[25]. Im November befürwortete auch eine Mehrheit der Stimmberechtigten des Kantons
Solothurn in einer Variantenabstimmung (Rauchverbot in Räumen, die der Kantonsverwaltung unterstellt sind, vs. generelles Rauchverbot in allen öffentlich zugänglichen Räumen, also auch in der Gastronomie) mit einer Mehrheit von rund 60% die schärfere Variante, wobei auch hier abgetrennte Räume für Raucher weiterhin zugelassen werden
[26].
In mehreren weiteren Kantonen sind Volksinitiativen, parlamentarische Vorstösse usw. zum Thema Passivrauchschutz hängig. Um dem kantonalen Wildwuchs Einhalt zu gebieten, befasst sich eine Subkommission des Nationalrates seit 2005 mit der Umsetzung einer parlamentarischen Initiative, die eine
gesamtschweizerische Regelung über das Arbeitsgesetzt anstrebt. Sukkurs erhielten diese Arbeiten durch einen Bericht des Bundesrates in Umsetzung eines 2002 überwiesenen Postulats der WAK des Nationalrates, das die Regierung ersucht hatte, verbindliche Richtlinien zum Schutz der Bevölkerung vor dem Passivrauchen zu erlassen. In seinem Bericht kam der Bundesrat zum Schluss, dass vieles dafür spricht, das Rauchen vom Arbeitsplatz und aus öffentlich zugänglichen Räumen zu verbannen; durch ein Rauchverbot an bestimmten Orten würden weder die persönliche noch die Wirtschaftsfreiheit in massgeblicher Art und Weise tangiert. Anlass zum Handeln sah der Bundesrat allerdings nicht, sondern wollte vorerst die konkreten Vorschläge des Parlaments abwarten. Im September schickte die zuständige Kommission einen Revisionsentwurf in die Vernehmlassung, der im Arbeitsgesetz die generelle Rauchfreiheit jedes Arbeitsplatzes stipuliert
[27].
SP, EVP und (mit gewissen Vorbehalten) die CVP sowie Organisationen zum Schutz der Gesundheit begrüssten den Vorschlag des Bundesrats, den
Tabak zum selber Rollen markant zu verteuern, als längst fällige Massnahme. Die Preise sollen auf EU-Niveau angehoben werden. Mit der Verteuerung von Tabak zum selber Drehen werde ein finanzielles Schlupfloch für Raucher gestopft, heisst es in der Vernehmlassung. Die Änderung des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung sieht vor, dass die Besteuerung von Zigarren, Zigarillos und Schnitttabak schrittweise auf EU-Niveau angehoben wird. Während die Steuersätze für Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak dabei nur leicht steigen, will der Bundesrat die Belastung des Schnitttabaks verfünffachen. Bisher war der Tabak zum selber Rollen nämlich viel tiefer besteuert worden als die „normalen“ Zigaretten. Dies verlockte viele Raucherinnen und Raucher zum Umsteigen auf die Selbstgedrehten und sabotierte die Tabakprävention
[28].
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwies der Ständerat ein Postulat Marty Kälin (sp, ZH), das diesen einlädt darzulegen, wie das
Verkaufsverbot von Alkohol an Jugendliche durchgesetzt werden kann. Er soll dabei insbesondere auch prüfen, ob der Entzug des Alkoholverkaufspatentes nach Missachtung des Verkaufsverbotes zum Ziel führen könnte
[29].
Mit 105 994 gültigen Unterschriften kam die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz»
(„Hanfinitiative“) zustande. Sie verlangt, dass der Anbau, Erwerb, Besitz und Konsum von psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze straffrei wird. Der Bund soll Vorschriften über Anbau, Herstellung, Ein- und Ausfuhr erlassen und dabei durch geeignete Massnahmen sicherstellen, dass dem Jugendschutz angemessen Rechnung getragen wird. Werbung für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie Werbung für den Umgang mit diesen Substanzen bleiben verboten. Obschon die Initiative Forderungen enthält, die in wesentlichen Teilen der bisherigen Stossrichtung des Bundesrates in der Cannabisfrage entsprechen, empfahl der Bundesrat dem Parlament Ende Jahr die Ablehnung der Initiative. Er betonte, diese negative Stellungnahme bedeute keine Haltungsänderung. Da die SGK des Nationalrates aber entschieden habe, dem Parlament einen Vorschlag zur Hanffrage zu unterbreiten, wolle er diesem nicht vorgreifen. Zudem sollte die Cannabisproblematik seiner Meinung nach im Rahmen der restlichen Suchtpolitik und nicht auf Verfassungsstufe geregelt werden
[30].
Nach dem Scheitern der
Revision des Betäubungsmittelgesetzes 2004 in der grossen Kammer hatte die SGK des Nationalrates 2005 beschlossen, die unbestrittenen Elemente der Revision, insbesondere das 4-Säulen-Konzept (Prävention inklusive Jugendschutz, Therapie, Schadensverminderung – beispielsweise durch die medizinisch kontrollierte Heroinabgabe – und Repression) mit einer parlamentarischen Initiative wieder aufzunehmen. Im Mai legte die Kommission ihre Vorschläge für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes vor. Der Bundesrat war damit weitgehend einverstanden
[31].
Bereits in der Eintretensdebatte wurde in erster Linie die heroingestützte Behandlung
Schwerstsüchtiger ins Zentrum gerückt. Um die Behandlung des brisanten Geschäfts zu verzögern, reichte Ruey (lp, VD) einen Rückweisungsantrag an die Kommission ein. Er erklärte, die Heroinabgabe müsse vertieft untersucht werden, bevor man den auf Ende 2009 befristeten Bundesbeschluss in ordentliches Recht überführe. Support erhielt er von Bortoluzzi (svp, ZH), der die entsprechenden Untersuchungen des BAG als zu wenig neutral einstufte. Bundesrat Couchepin widersprach und wies auf zahlreiche Studien hin, welche die Wirksamkeit der Heroinabgabe belegen (weniger Drogentote, gesündere Konsumenten, geringere Beschaffungskriminalität). Rueys Antrag wurde deutlich mit 61 zu 11 Stimmen abgelehnt. In der Detailberatung meldeten sich die Befürworter einer strengen Abstinenzpolitik erneut wortreich: Die Heroinabgabe habe nichts mit Menschenliebe zu tun (Freysinger, svp, VS), sei sogar menschenverachtend (Waber, edu, BE). Dem hielten die Befürworter gegenüber, sie rette Menschenleben (Gutzwiller, fdp, ZH) und sei mittlerweile auch von der WHO als Therapiemöglichkeit für Schwerstsüchtige anerkannt (Ménetrey-Savary, gp, VD). Die
medizinisch indizierte Heroinabgabe passierte schliesslich mit 111 zu 73 Stimmen, die gesamte Revision mit 106 zu 65. Nicht durchsetzen konnte sich der Bundesrat mit seinem Wunsch, Heroin aus der Liste der verbotenen Stoffe in jene der verschreibbaren Betäubungsmittel umzuklassieren. Couchepin plädierte vergeblich, dabei handle es sich um eine reine Frage der Logik. Um nicht noch einmal die gesamte Vorlage zu gefährden, wurde dieser Antrag mit 106 zu 70 Stimmen mit dem Argument verworfen, dies könne auch auf Verordnungsstufe geschehen. Im Fall einer Zustimmung durch den Ständerat drohte die EVP/EDU-Fraktion bereits mit einem Referendum, dem sich wohl auch Teile der SVP anschliessen dürften; damit könnte das Stimmvolk zum zweiten Mal nach 1999 über die heroingestützte Therapie befinden
[32].
Sozialhilfe
In der Schweiz sind rund
360 000 Menschen im Erwerbsalter gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS)
arm. Rund ein Drittel davon sind so genannte Working Poor – also Personen, die trotz Vollzeitbeschäftigung unter der Armutsgrenze leben. Dank der guten Konjunktur ist die Armutsquote tendenziell sinkend, wie die neuesten Zahlen des BFS zeigen. 2005 waren rund 8,5% der Schweizer Bevölkerung im Alter von 20 bis 59 Jahren von Armut betroffen; fünf Jahre zuvor waren es noch 9,1% gewesen. Die stärkste Abnahme verzeichnete das BFS zwischen 2000 und 2002 und führte dies auf die günstige Konjunktur und die damit verbundene sinkende Arbeitslosenquote zurück. Zwischen 2002 und 2004 stieg die Quote allerdings wieder an, um im Jahr 2005 wieder leicht zu sinken. Die Zahl der Working Poor reagiert laut BFS mit einer gewissen Verzögerung auf die Konjunktur. Gemäss der Statistik laufen vor allem Alleinerziehende, kinderreiche Familien, unqualifizierte Erwerbstätige und Selbstständige Gefahr, unter die Armutsgrenze zu rutschen. Jede sechste kinderreiche Familie und jede zehnte alleinerziehende Person kommt demnach nur mit harten finanziellen Entbehrungen über die Runden. Überdurchschnittlich viele Working Poor gibt es auch bei Erwerbstätigen ohne nachobligatorische Ausbildung, bei Personen mit befristeten Anstellungsverträgen oder mit einem Erwerbsunterbruch sowie bei Ausländerinnen und Ausländern
[33].
Die gute Konjunktur entschärfte die finanzielle Situation der öffentlichen Sozialhilfe 2006 erneut. Wie die Städteinitiative Sozialpolitik mitteilte,
sank in fünf von acht Schweizer Städten die Zahl der Sozialfälle. Wo die Fallzahlen noch stiegen, schwächte sich die Zunahme immerhin deutlich ab. In Zürich, Basel und Winterthur sanken die Zahlen um 1,5%, in den Städten Schaffhausen und Uster sogar um rund 7%. Zugenommen haben die Fallzahlen lediglich in Bern, St. Gallen und Luzern. Die uneinheitliche Entwicklung spiegelt gemäss der Mitteilung einerseits die regional unterschiedliche Erholungstendenz der Wirtschaft, anderseits aber auch die föderalistische Regelung der Sozialhilfe. Die neuen Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zur Bemessung der Sozialhilfe würden nicht in allen Kantonen gleich umgesetzt. In den meisten der Städte
stiegen allerdings die
Nettokosten pro Fall gegenüber 2005 erneut. Sie betrugen nun durchschnittlich knapp 11 000 Fr. Die Gründe dafür seine vielfältig, hiess es. Einer davon sei der zunehmende Beratungs- und Betreuungsaufwand, unter anderem für die Arbeitsintegration, ein anderer die sinkende Rückerstattung aus den Sozialversicherungen
[34].
Die SGK des Nationalrates, welche sich in den letzten Jahren intensiv mit der Armutsproblematik befasst hatte, forderte den Bundesrat in einer vom Plenum im Einverständnis mit dem Bundesrat überwiesenen Motion auf, eine
nationale Konferenz zur beruflichen und sozialen Integration durchzuführen. In diesem Rahmen soll ein Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Akteurinnen und Akteuren (Bund, Kantone, Gemeinden, Städte, interkantonale Sozialdirektorenkonferenz, Städteinitiative, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen) in der Armutsbekämpfung stattfinden. Ziel dieser Konferenz ist die Entwicklung konkreter und koordinierter Massnahmen für einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut. Der Bundesrat stellte in Aussicht, 2007 eine derartige Konferenz zu organisieren, welche das Thema breit angehen und sich nicht nur auf die berufliche und soziale Integration beschränken will. Der Ständerat überwies die Motion ebenfalls
[35].
Gegen den Willen des Bundesrates, der auf bereits laufende diesbezügliche Arbeiten verwies, nahm der Nationalrat auch eine Motion seiner SGK an, welche die Regierung mit der regelmässigen Durchführung einer detaillierten
Erhebung zur Armut in der Schweiz beauftragen wollte. Der Ständerat schloss sich der Auffassung des Bundesrates an und verwarf die Motion
[36].
In seiner ablehnenden Antwort zu dieser Motion erwähnte der Bundesrat unter anderem die
neue Sozialhilfestatistik, die im Mai des Berichtsjahres erstmals erschien, und die alljährlich detaillierte Informationen über die Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezüger sowie die Sozialhilfeleistungen liefern wird. Nach dieser Statistik bezogen 2004 rund 220 000 Personen Sozialhilfeleistungen. Das entspricht einer Sozialhilfequote von
3% der Gesamtbevölkerung. Die Auswertungen des BFS zeigten, dass die Städte, Agglomerationen und ländlichen Gemeinden äusserst unterschiedlich stark belastet sind. Während die Quote in den städtischen Zentren 5% beträgt, ist diese in den ländlichen Gemeinden mit 1,6% deutlich unter dem schweizerischen Mittel. Ein Viertel der unterstützten Personen lebt in den fünf grössten Schweizer Städten (Zürich, Genf, Basel, Bern, Lausanne). In diesen Zentren liegt die Sozialhilfequote wesentlich über dem schweizerischen Durchschnitt. Eine überdurchschnittlich hohe Sozialhilfequote verzeichnen die Kantone BS, VD, NE, ZH, GE, BE und FR, während die Sozialhilfequote in ländlichen Kantonen deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Nach soziodemographischen Kriterien aufgeschlüsselt tragen Alleinerziehende, Geschiedene sowie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ein besonders hohes Sozialhilferisiko. Dagegen sind Rentnerinnen und Rentner kaum auf Sozialhilfe angewiesen
[37].
Der Nationalrat behandelte als Erstrat die Totalrevision des Opferhilfegesetzes. Eintreten war unbestritten, obgleich die Sprecherin und der Sprecher der Fraktionen der SP und der GP kritisierten, dass der Entwurf die Lage der Opfer verschlechtere, weil es dem Bund und vor allem den Kantonen in erster Linie ums Sparen gehe. In der Detailberatung lehnte der Rat verschiedene Minderheitsanträge von linksgrüner Seite ab. Mit 109 zu 66 Stimmen stimmte er dem Antrag des Bundesrates zu, wonach keine Entschädigungen und Genugtuungen gewährt werden, wenn die Straftat im Ausland begangen worden ist. In der Vernehmlassung zum Gesetz war die Mehrheit der Antwortenden gegen diese Neuerung gewesen. Bundesrat Blocher rechtfertigte die Abkehr von der bisherigen Praxis: Es sei schwierig herauszufinden, was in der Ferne wirklich vorgefallen sei; zudem trügen „die Menschen auch eine Selbstverantwortung, damit sie nicht in Kriminalfälle verwickelt werden“. Für Grossereignisse wie Terroranschläge versprach er Sonderlösungen; dann würden Bund, Kantone und Reiseversicherer die Opfer entschädigen.
In einem weiteren zentralen Punkt folgte die bürgerliche Ratsmehrheit ebenfalls dem Bundesrat und beschloss auf starken Druck der Kantone mit 97 zu 56 Stimmen, dass die
Genugtuung
höchstens 70 000 Fr. für Opfer und 35 000 Fr. für Angehörige betragen darf. Auf Antrag der Kommission wurde zudem die Bestimmung gestrichen, dass die Kantone die Angebote der Opferhilfe publik zu machen haben. Unbestritten waren Verbesserungen im neuen Opferhilfegesetz: So können Gesuche bis fünf Jahre nach der Tat eingereicht werden, was vor allem für minderjährige Opfer sexueller Verbrechen wichtig ist, da für diese der Zeitpunkt des Fristbeginns neu ab Bekanntwerden der Straftat gilt. Der Nationalrat verabschiedete die Vorlage mit 103 zu 56 Stimmen
[38].
Sport
Stillschweigend und im Einvernehmen mit der Regierung überwies der Nationalrat eine Motion Bruderer (sp, AG), die den Bundesrat beauftragt, die Einhaltung des gesetzlichen Obligatoriums für
Berufsschulsport sowie der Vorgaben des Rahmenlehrplans Sport in den Kantonen zu überprüfen und bei Nichtumsetzung Sanktionen vorzusehen. Das Obligatorium für Berufsschulsport verlangt, dass alle Lehrlinge mit einem Schultag eine Lektion, solche mit mehr als einem Schultag zwei Lektionen Sport erhalten. Der Umsetzungsgrad beträgt in den Kantonen aber erst zwischen 50 und 70 Prozent
[39].
Ende September beauftragte der Bundesrat das VBS mit der Ausarbeitung einer Botschaft an das Parlament über den Beitritt zum internationalen Abkommen der Unesco gegen Doping und zur Schaffung einer nationalen Agentur für
Dopingbekämpfung [40].
2002 hatten beide Kammern eine erste Botschaft gutgeheissen und einen Kredit über 3,5 Mio Fr. zu Gunsten der Organisation der Fussball-Europameisterschaft (
UEFA EURO 2008) bewilligt. Vor allem angesichts der mit dem Hooliganismus verbundenen Sicherheitsprobleme erwies sich dieser Betrag rasch als total ungenügend, worauf der Bundesrat vom VBS die Ausarbeitung einer neuen und umfassenden Botschaft verlangt hatte. Der neue Entwurf zeigte auf, wie seitens des Bundes die Veranstaltung UEFA EURO 2008 optimal für die Werbung für den Standort Schweiz genutzt, die Begeisterung für den Anlass geweckt sowie die Bevölkerung auf ihre Gastgeberrolle vorbereitet werden soll. Dazu sind flankierende Massnahmen in den Bereichen Standort- und Landeswerbung, Bewegungs- und Sportförderung, Fanbetreuung und Fankultur sowie Nachhaltigkeit im umfassenden Sinne vorgesehen. Die Belastung des Bundes wurde neu auf 72 Mio Fr. geschätzt, jene der Kantone auf 28,7 Mio und jene der Austragungsorte (Basel, Bern, Genf und Zürich) auf 81,4 Mio
[41].
Gegen den Antrag der Ratslinken und der Grünen, welche die massive Kostensteigerung gegenüber der im Jahr 2002 von den Räten angenommenen Vorlage kritisierten und insbesondere die ungenügende Berücksichtigung von Sicherheitsfragen bemängelten, trat der Nationalrat mit 132 zu 23 Stimmen auf die Vorlage ein. In der Detailberatung wurde ein Antrag der Kommissionsmehrheit mit 90 zu 64 Stimmen angenommen, welcher verlangt, dass der Bundesbeitrag an die mit der Organisation betrauten Gemeinden um 10,5 Mio Fr. erhöht wird und sich der vom Bundesrat beantragte Gesamtbetrag somit auf
82,5 Mio Fr. beläuft. Der Ständerat
trat ohne Gegenstimme auf die Vorlage ein. Mit 22 zu 17 Stimmen sprach sich die kleine Kammer allerdings gegen den Beschluss des Nationalrates aus, den Kredit zu Gunsten der Austragungsorte zu erhöhen. Nach mehrmaligem Hin und Her schloss sich der Ständerat schliesslich der grossen Kammer an, worauf der Entwurf definitiv bereinigt werden konnte
[42].
Weiterführende Literatur
Bonfadelli, Heinz / Friemel, Thomas, Kommunikationskampagnen im Gesundheitsbereich: Grundlagen und Anwendungen, Konstanz 2006.
Die Volkswirtschaft, 2006, Nr. 12, S. 4-29 (Monatsthema Gesundheitspolitik).
Schaffhauser, René / Locher, Heinz / Poledna, Tomas (Hg.), Das Gesundheitswesen – Motor von Wohlbefinden und Wohlstand: radikale Denkanstösse für das schweizerische Gesundheitswesen: Referate der Tagung vom 23. November 2005 in Zürich, St. Gallen 2006.
OECD, OECD-Berichte über Gesundheitssysteme: Schweiz, Paris 2006.
Bundesamt für Gesundheit (Hg.), Gesundheitspolitiken in der Schweiz: Band 1: Analyse und Perspektiven, Bern 2006.
Kehrli, Christin / Knöpfel, Carlo, Handbuch Armut in der Schweiz, Luzern (Caritas) 2006.
Jörger, Werner, Die Strafbarkeit von Doping nach dem Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport, Bern 2006.
[1]
Lit. OECD;
CHSS, 2007, S. 38-43 (ausführliche Zusammenfassung); Presse vom 20.10.06. Zur KVG-Revision siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
[2] Presse vom 12.4.06. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR zu einer Ip. Darbellay (cvp, VS):
AB NR, 2006, S. 495.
[3]
AB NR, 2006, S. 211; siehe
SPJ 2005, S. 182. Der NR nahm im Einverständnis mit dem BR ein Postulat Heim (sp, SO) an, das ihn auffordert, Modelle positiver Anreize zur Förderung der Qualitätssicherung in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung sowie die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen zu prüfen (
AB NR, 2006, S. 490).
[6] Presse vom 16.12.06. Siehe auch die Beantwortung einer Frage bezüglich E-Health im NR (
AB NR, 2006, S. 1745). Ebenfalls mit Zustimmung des BR wurde ein Postulat Stump (sp, AG) überwiesen, das die Regierung ersucht, die Grundlagen für einen optimalen Einsatz von Telemedizin zu schaffen und die entsprechenden Berichte erarbeiten zu lassen (
AB NR, 2006, S. 490).
[7]
AB NR, 2006, S. 767 f. Für die Versichertenkarte vgl.
SPJ 2004, S. 194 f. Für Datenschutzprobleme im Gesundheitsbereich siehe die Antwort des BR auf eine noch nicht behandelte Ip. aus dem NR (Geschäft 06.3040);
TA, 2.2.06.
[8]
BBl, 2006, S. 5605 ff.;
AB NR, 2006, S. 1185 f. und 1606;
AB SR, 2006, S. 674 f. und 926;
AS, 2006, S. 4137 f.
[9]
AB NR, 2006, S. 1663 ff.;
AB SR, 2006, S. 1090 ff. Siehe dazu auch die Stellungnahmen des BR zu einer Ip. im SR (
AB SR, 2006, S. 479), zu einer Ip. im NR (
AB NR, 2006, S. 2037) sowie zu zwei Fragen im NR (
AB NR, 2006, S. 158 und 310).
[10] Presse vom 21.2.07. Zur Entwicklung in der Schweiz zwischen 1960 und 2000 siehe
SPJ 2003, S. 206.
[11]
BBl, 2006, S. 7591 ff.; Presse vom 31.8.06. Die GPK des NR beschloss, die Umstände zu überprüfen, die 2005 zum umstrittenen Entscheid von BR Couchepin geführt hatten, fünf komplementärmedizinische Methoden wieder aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung nach KVG zu nehmen (Presse vom 9.11.06). Siehe
SPJ 2005, S. 183.
[12] Presse vom 3.4.2006. Siehe dazu die Stellungnahme des BR zu einem (zurückgezogenen) Postulat Sommaruga (sp, BE) (Geschäft 06.3354) sowie zu einem noch nicht behandelten Postulat Humbel Näf (cvp, AG) und zu einer Ip. im NR (Geschäfte 06.3357 und 06.3166).
[13] Presse vom 20.10. und 21.11.06. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine noch nicht behandelte Ip. im NR (Geschäft 06.3041). Da er sich der Probleme bei Swissmedic durchaus bewusst war, stimmte der BR einem Postulat der SGK-NR zu, das von ihm einen Bericht über die Zulassungspraxis des Instituts verlangt (
AB NR, 2006, S. 1575). Zu Fragen des Patentrechts und von Parallelimporten siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerb) sowie die Antwort des BR auf eine Frage im NR (
AB NR, 2006, S. 1748).
[14]
AB SR, 2005, S. 595 ff. Siehe
SPJ 2004, S. 174 f.
[15]
AB NR, 2006, S. 418 ff.;
AB SR, 2006, S. 1123 ff.
[16]
AB NR, 2005, S. 211. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation im SR (
AB SR, 2006, S. 725). Vgl.
SPJ 2006, S. 184.
[17]
AB SR, 2006, S. 966.
[18]
AB NR, 2006, S. 1575.
[19] Presse vom 22.12.06.
[21] Presse vom 22.11. und 16.12.06. Siehe
SPJ 2005, S. 185 f.
[22] Presse vom 2.2.06. Siehe
SPJ 2005, S. 186.
[24] Presse vom 21.2.07. Siehe auch
SPJ 2003, S. 213. Laut einem Positionspapier der SP soll der Konsum von sämtlichen Drogen für Erwachsene straffrei werden. Die Partei begründet ihr Anliegen damit, dass auch ein Suizidversuch oder andere Selbstgefährdungstaten rechtlich nicht geahndet werden. Nach wie vor unter Strafe gestellt werden soll nach dem Willen der SP der Kauf und Handel mit Drogen. Erwachsene, die Drogen, einschliesslich Alkohol und Zigaretten, an Kinder und Jungendliche verkaufen, sollen stärker und vor allem konsequenter bestraft werden als bisher (Presse vom 7.12.06).
[25] Presse vom 13.3.06. Siehe
SPJ 2005, S. 186.
[26] Presse vom 27.11.06.
[27] Presse vom 11.3. (BR) und 9.9.06 (Kommission). Siehe
SPJ 2002, S. 204 und
2005, S. 186.
[29]
AB NR, 2006, S. 1574.
[30]
BBl,
2006, S. 1889 f. und
BBl,
2007, S. 245 ff. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Ip. im NR (
AB NR, 2006, S. 2036). Vgl.
SPJ 2004, S. 179 und
2005, S. 187.
[31]
BBl, 2006, S. 8573 ff. und 8645 ff. Siehe
SPJ 1999, S. 256 ff.,
2004, S. 178 f. und
2005, S. 187.
[32]
AB NR, 2006, S. 1837 f., 1856 ff., 1869 ff. und 2003 ff.; Presse vom 21.12.06. Auf Antrag des BR lehnte der NR eine Motion Wasserfallen (fdp, BE) ab, welche eine deutliche Verschärfung der 4-Säulen-Politik des Bundes sowie ein klar verankertes Verbot des Cannabiskonsums verlangte; das relativ knappe Stimmenverhältnis (90:80) zeigte aber die nach wie vor bestehende Gespaltenheit der grossen Kammer (
AB NR, 2006, S. 771 ff.).
[35]
AB NR, 2006, S. 487;
AB SR, 2006, S. 1124.
[36]
AB NR, 2006, S. 762 ff.;
AB SR, 2006, S. 1121 f.
[37] Presse vom 16.5.06. Zu Ergebnissen aus den Kantonen siehe die Pressemeldungen des BFS vom 13.3. (AR), 27.3. (SO), 4.12. (BE) und 15.12.06 (ZH). Zur Frage der Jugendarmut siehe auch die Antwort des BR auf eine im Plenum noch nicht behandelte Ip. aus dem NR (Geschäft 05.3680).
[38]
AB NR, 2006, S. 1079 ff.; Presse vom 23.6.06. Siehe
SPJ 2005, S.
[39]
AB NR, 2006, S. 2028. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer noch nicht behandelten Ip. im NR (Geschäft 05.3140).
[40]
NZZ, 23.9.06. Sie dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Ip. und einer Frage im NR:
AB NR, 2006, S. 2032 und 1739.
[41]
BBl, 2006, S. 1609 ff. Siehe
SPJ 2005, S. 189 f.
[42]
AB NR, 2006, S. 276 ff., 369 ff., 876 ff. und 1054 ff.;
AB SR, 2006, S. 312 ff., 520 ff. und 614. Siehe
SPJ 2002, S. 205. Zu den Sicherheitsvorkehrungen, namentlich im neuen BG über Sportveranstaltungen, das sich als Ergänzung zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit versteht, siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).