Noch am Abend der eidgenössischen Wahlen 2023 publizierte das Bundesamt für Statistik (BFS) die offiziellen Wählendenstärken der Parteien. Wahlsiegerin war demnach die SVP mit 28.6 Prozent (+3.0 Prozentpunkte PP im Vergleich zu 2019), gefolgt von der SP mit 18.0 Prozent (+1.2 PP). Die Mitte (14.6%; +0.7 PP, wenn BDP und CVP addiert werden), die 2023 erstmals als Fusion zwischen BDP und CVP angetreten war, hatte diesen Zahlen zufolge im Vergleich zu den Wahlen 2019 mit der FDP (14.4%; -0.7 PP) die Plätze getauscht. Dieser Umstand führte ebenfalls noch am Wahlabend und in den Tagen darauf zu einigen Diskussionen über die Zusammensetzung des Bundesrats. So wurde die Frage aufgeworfen, ob es noch gerechtfertigt sei, dass die FDP als lediglich viertstärkste Partei über zwei Sitze und die Mitte – nunmehr drittstärkste Partei – nur über einen Regierungssitz verfüge. Für einigen Diskussionsstoff sorgten zudem auch das im Vergleich zu 2019 schlechte Abschneiden der Grünen (9.4%; -3.8 PP) und der GLP (7.2%; -0.6 PP).

Drei Tage später sollten sich diese Zahlen freilich noch einmal verändern, weil das BFS die aggregierten Parteienstärken korrigieren musste. Das Bundesamt meldete, dass aufgrund eines Programmierfehlers die Wahlresultate aus den Kantonen Glarus, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden mehrfach gezählt worden seien. Die drei Kantone hatten ihre Daten im Gegensatz zu allen anderen Kantonen nicht automatisiert ans BFS geschickt, sondern in Form von Excel-Dateien, deren Auszählung falsch programmiert worden sei. Die Mehrfachzählung der drei Kantone führte dazu, dass die Stärken der bürgerlichen Parteien zu hoch (SVP neu: 27.9%; FDP neu: 14.3%; Mitte neu: 14.1%) und jene der SP, (neu 18.3%) der Grünen (neu 9.8%) und der GLP (neu 7.6%) zu tief ausgefallen waren. Die Korrektur führte also mitunter dazu, dass die FDP hinsichtlich Wählendenstärke drittstärkste Partei im Nationalrat blieb. Freilich änderte sich an den Sitzzahlen nichts. Hier hatte die Mitte (29 Sitze; +1) die FDP (28 Sitze; -1) in der grossen Kammer erstmals überholt. Das BFS hatte den Fehler zwei Tage nach den Wahlen bemerkt und war am folgenden Tag an die Medien getreten, um ihn zu erklären. Man nehme die Schuld auf sich, sagte BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich weil das neue Programm zu wenig ausführlich getestet worden sei. Alain Berset, dem das BFS im EDI unterstellt ist, leitete in der Folge eine Administrativuntersuchung ein. Ziel sei eine umfassendere und automatisierte Prüfung der Plausibilität der Resultate und mehr Kontrollpersonal, so der dazu veröffentlichte Medienbericht.

Die Reaktionen auf die Korrektur durch das BFS waren teilweise heftig. Auf der einen Seite freuten sich die Grünen und die SP über das bessere Abschneiden. Auf der anderen Seite fanden verschiedene bürgerliche Politikerinnen und Politiker deutliche Worte für die Panne. Auch die Medien gingen mit dem BFS hart ins Gericht und betitelten den Zählfehler etwa als «Fiasko» (NZZ) oder «Debakel» (TA). Die Republik sprach von einer «gewaltigen Symbolkraft dieser Panne» und kritisierte die schlechte «Digitalkompetenz beim Bund». Le Temps machte sich über den «grosse gueule de bois au pays de la précision» lustig und fragte sich, ob Excel-Dateien im Zeitalter der Digitalisierung noch angezeigt seien. Expertinnen und Experten, die von den Medien zu Einschätzungen eingeladen wurden, lobten zwar einerseits die Behörden, da diese proaktiv, schnell, transparent und klar kommuniziert hätten, warnten aber auch, dass der Fehler das Vertrauen in das politische System beschädigen könnte. Die Kritik verebbte freilich ziemlich schnell wieder.

Ende Dezember legte das EDI dem Bundesrat die Resultate der Administrativuntersuchung vor, die aufgrund der falschen Berechnungen der Parteienstärken durch das Bundesamt für Statistik (BfS) bei den nationalen Wahlen 2023 angeordnet worden war. Der Bericht stellte laut Medienmitteilung des Bundesrats keine Verletzung der Sorgfaltspflicht fest. Im Bericht selber wurden die fehlerhaften Berechnungen auf eine «Verkettung verschiedener Umstände» zurückgeführt: Ein «grundsätzlich entschuldbarer» Programmierfehler stehe am Anfang. Dieser sei nicht rechtzeitig erkannt worden, was auch darauf zurückzuführen sei, dass die Ergebnisse aufgrund der Erwartungen der Öffentlichkeit praktisch in Echtzeit hätten veröffentlicht werden müssen. Aufgrund der knappen Personalressourcen sei im Vorfeld zudem zu wenig getestet worden und schliesslich hätten die unterschiedlichen kantonalen Datenformate eine automatisierte Bearbeitung verhindert. Der Bericht schloss mit entsprechenden Empfehlungen: die kantonalen Datenlieferungen müssten standardisiert werden; die für die Wahlen zuständige Sektion Politik, Kultur, Medien (POKU) müsse insbesondere in der IT mehr Personalressourcen erhalten, damit nicht wie bisher bloss eine Person mit der Programmierung betraut werden müsse und so weniger personelle Abhängigkeiten bestünden; die Hard- und Software müsse verbessert werden; die Sektion POKU müsse eine Führungsposition für die technischen Aufgaben schaffen. Das EDI erteilte dem BfS in der Folge den Auftrag, die Umsetzung der Empfehlungen zu prüfen. In den Medien wurde der Bericht lediglich in Kurzmeldungen erwähnt.