Mit der ersten Sitzung in der Wintersession 2023 wurde die 51. Legislatur beendet und gleichzeitig die 52. Legislatur gestartet. Das amtsälteste und das jüngste Nationalratsmitglied begehen diesen Akt in der Regel mit einer Rede. Dies war auch 2023 der Fall, als Gerhard Pfister (mitte, ZG) und die neu gewählte Katja Riem (svp, BE) die Sitzung eröffneten und die künftige Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Generationen sondern auch zwischen den verschiedenen politischen Lagern beschworen und dafür viel Applaus ernteten.

Hauptsächliche Aufgabe des so bezeichneten «Alterspräsidenten» ist es jeweils, ein provisorisches Büro zusammenzustellen und die Konstituierung und Vereidigung des 2023 neu gewählten Nationalrats zu organisieren und Unvereinbarkeiten auszuschliessen. Zusammen mit Andreas Glarner (svp, AG), Erich Hess (svp, BE), Mauro Tuena (svp, ZH), Emmanuel Amoos (sp, VS), Valérie Piller Carrard (sp, FR), Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL), Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Bastien Girod (gp, ZH) hatte Pfister mit diesem provisorischen Büro unter anderem gestützt auf einen Bericht des Bundesrats festzuhalten, ob die Nationalratswahlen 2023 für gültig erklärt werden können und der neue Nationalrat entsprechend konstituiert werden kann sowie ob bei den neugewählten Mitgliedern der grossen Kammer Unvereinbarkeiten bestehen. «Unvereinbarkeit» kennzeichnet das Verbot, neben dem Nationalratsmandat gleichzeitig ein anderes Behördenmandat auf eidgenössischer Ebene auszuüben (Bundesrat, Ständerat, Bundesgerichte) oder den Parlamentsdiensten, der Bundesanwaltschaft, der Armeeleitung oder einem Organ anzugehören, das Verwaltungsaufgaben innehat. Die Unvereinbarkeitsregel soll insbesondere Interessenskonflikte verhindern.

Im Bericht des provisorischen Büros, der von Elisabeth Schneider-Schneiter und Valérie Piller Carrard im Anschluss der beiden Reden vorgestellt wurde, fanden sich einige Kennzahlen zu den eidgenössischen Wahlen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums sei es etwa zu einer Sitzverschiebung vom Kanton Basel-Stadt zum Kanton Zürich gekommen, der Trend zu immer mehr Kandidierenden (Total 5'914 Personen; 2019: 4'645) und Listen (Total 618 Listen; 2019: 511) habe sich fortgesetzt und die Anzahl Nationalrätinnen habe sich trotz einem Rekordanteil von Frauenkandidaturen (40.8%) verringert (von 42 auf 38.5%), so die beiden Sprecherinnen. Darüber hinaus hätten total 4'480 Personen in drei Kantonen (BS, SG, TG) elektronisch gewählt. Erwähnung fand in den beiden Voten aus dem provisorischen Büro auch die fehlerhafte Berechnung der Parteienstärken für die im EDI eine Administrativuntersuchung laufe. Im Bericht selber wurde zudem festgestellt, dass sowohl die Wahlbeteiligung (46.7%; 2019: 45.1%) als auch der Anteil an ungültigen Wahlzetteln (1.57%; 2019: 1.18%) leicht zugenommen habe. Letzteres soll von der Bundeskanzlei noch genauer untersucht werden. Zwar wurden im Bericht auch Unregelmässigkeiten festgehalten – in einzelnen Gemeinden wurden keine oder fehlerhafte Wahlunterlagen verschickt – und auf acht eingegangene Wahlbeschwerden hingewiesen, insgesamt seien die Wahlen der Ratsmitglieder aber unangefochten geblieben und von allen Kantonen für gültig erklärt worden. Der Antrag des provisorischen Büros, die Konstituierung des Rates festzustellen, wurde in der Folge entsprechend stillschweigend angenommen.

Damit konnte die grosse Kammer zur Vereidigung schreiten. 91 Mitglieder des Nationalrates legten das Gelübde ab und 108 Mitglieder leisteten den Eid – eine Woche später legte dann auch noch der an der ersten Sitzung krankheitsbedingt abwesende Pierre-Alain Fridez (sp, JU) das Gelübde ab. In der Folge sangen die Anwesenden mit Unterstützung des Konzertchores «Canto Classico» die Nationalhymne und schritten alsdann zur Beratung der zweiten Vorlage des provisorischen Büros, nämlich der Feststellung von Unvereinbarkeiten.
Erneut berichteten Elisabeth Schneider-Schneiter und Valérie Piller Carrard. Die elf Personen, die sowohl in den Ständerat als auch in den Nationalrat gewählt worden waren (Petra Gössi, fdp, SZ; Baptiste Hurni, sp, NE; Pierre-Yves Maillard, sp, VD; Werner Salzmann, svp, BE; Flavia Wasserfallen, sp, BE; Pascal Broulis, fdp, VD; Mauro Poggia, mcg, GE; Fabio Regazzi, mitte, TI; Franziska Roth, sp, SO; Tiana Angelina Moser, glp, ZH und Marianne Binder-Keller, mitte, AG), hatten sich alle für das Mandat in der kleinen Kammer entschieden, womit hier keine Unvereinbarkeit mehr vorlag. Sie waren im Nationalrat ersetzt worden (durch Heinz Theiler, fdp, SZ; Martine Docourt, sp, NE; Brenda Tuosto, sp, VD; Hans Jörg Rüegsegger, svp, BE; Andrea Zryd, sp, BE; Daniel Ruch, fdp, VD; Daniel Sormanni, mcg, GE; Giorgio Fonio, mitte, TI; Farah Rumy, sp, SO; Patrick Hässig, glp, ZH und Maya Bally, mitte, AG). Eine Unvereinbarkeit wurde allerdings bei Ernst Wandfluh (svp, BE) festgestellt. Ein Mitglied des Nationalrats darf nicht gleichzeitig einer Organisation angehören, die mit Verwaltungsaufgaben betraut ist und bei der der Bund eine beherrschende Stellung innehat. Der Verwaltungsratssitz von Ernst Wandfluh bei «Proviande» widersprach diesem Verbot. Da der Neo-Parlamentarier das Verwaltungsratsamt per Ende Mai 2024 aufzugeben gedachte, lag laut Büro und Sprecherinnen aber hier keine Unvereinbarkeit mehr vor. Entsprechend stimmte der neu konstituierte Nationalrat dem Antrag auf Feststellung, dass es keine Unvereinbarkeiten gibt, stillschweigend zu.