In der Herbstsession 2024 befasste sich der Nationalrat gleichzeitig mit sieben Vorstössen, welche allesamt auf den im Herbst 2023 veröffentlichten Bericht über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz zurückzuführen waren.
Auf der einen Seite befasste er sich mit einem Postulat der RK-NR, welches forderte, dass der Bundesrat in einem Bericht untersuche, inwiefern Organisationen für Jugendliche und andere vulnerable Personen – wie Kirchen und sportliche oder kulturelle Vereine – interne Fälle von sexuellem Missbrauch aufarbeiteten. Zudem soll aufgezeigt werden, ob und inwiefern Strafbehörden eingeschalten würden, welche präventiven Massnahmen zur Verhinderung von weiterem Missbrauch getroffen würden und ob Gesetzesänderungen angezeigt seien. Wie Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) in der Beratung erläuterte, beschloss die RK-NR dieses Postulat basierend auf einer zurückgezogenen parlamentarischen Initiative von Kathrin Bertschy (glp, BE). Der Bericht von letztem Herbst habe klar gemacht, dass strukturelle Probleme innerhalb der katholischen Kirche Missbrauch nicht nur begünstigten, sondern auch dessen Vertuschung ermöglichten. Das Ziel sei es, sicherzustellen, «dass Missbrauchsfälle nicht unter den Teppich gekehrt werden», argumentierte Flach. Der Bundesrat sprach sich für Annahme des Postulates aus und hielt fest, dass er in einem allfälligen Bericht auch gleich zwei thematisch ähnliche Postulate (Po. 24.3298; Po. 24.3334) aufgreifen würde. Eine Minderheit um Jean-Luc Addor (svp, VS) beantragte die Ablehnung des Postulats, weil es wichtiger sei, gerichtliche Massnahmen zu ergreifen und die Strafen für Täterinnen und Täter auszubauen, wie es die SVP-Fraktion etwa mit einer Motion (Mo. 23.4009) fordere, statt Organisationen wie Kirchen oder Sportvereine unter einen «soupçon généralisé» zu stellen. In der Folge hiess der Nationalrat den Vorstoss mit 125 zu 50 Stimmen (8 Enthaltungen) gut, wobei alle ablehnenden Stimmen und alle Enthaltungen von Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten.
Auf der anderen Seite behandelte der Nationalrat sechs gleichlautende Motionen (Mo. 23.4191; Mo. 23.4192; Mo. 23.4193; Mo. 23.4194; Mo. 23.4195; Mo. 23.4196). Die Motionärinnen – Tamara Funiciello (sp, BE), Lilian, Studer (evp, AG), Greta Gysin (gp, TI), Patricia von Falkenstein (ldp, BS), Priska Wismer-Felder (mitte, LU), Kathrin Bertschy (glp, BE) – forderten den Bundesrat auf, gesetzliche Grundlagen für ein Schutzkonzept zur Prävention von physischem oder psychischem Missbrauch einzuführen. Dieses standardisierte Konzept solle für alle Organisationen, welche mit Jugendlichen und anderen vulnerablen Personen zusammenarbeiteten, verbindlich sein und «dem Gefährdungspotential angepasst» werden. In der Debatte äusserten sich drei der sechs Motionärinnen. Tamara Funiciello hielt etwa fest, dass das Kommissionspostulat die Motionen nicht ersetzen könne. Es sei wichtig, jetzt zu handeln, statt vier Jahre auf das Erscheinen des Berichts zu warten. Patricia von Falkenstein wies darauf hin, dass sich die Schweiz mit Annahme der UNO-Kinderrechtskonvention dazu verpflichtet habe, die Rechte und den Schutz von Kindern zu gewährleisten. Es sei zudem keineswegs das Ziel die ehrenamtliche Arbeit in den Vereinen und Organisationen bürokratisch und kompliziert zu machen, sondern es gehe darum, den Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum zu bieten, betonte Priska Wismer-Felder. Innenministerin Baume-Schneider erläuterte, dass der Bundesrat zwar die Motionen inhaltlich befürworte, diese aber wegen der Verfassung nur begrenzt umsetzbar seien, da Teilbereiche wie etwa Schulen oder Kirchen unter den Zuständigkeitsbereich der Kantone fielen. Im Falle einer Annahme würde der Bundesrat dem Ständerat vorschlagen, die Motionen in einen Prüfauftrag umzuwandeln. In der Folge hiess der Nationalrat auch die Motionen mit 125 zu 59 Stimmen (2 Enthaltungen) gut. Die Stimmen dagegen stammten wiederum aus der SVP-Fraktion sowie von einer Person aus der Mitte-Fraktion.