Bundesgesetz über die Familienzulagen

Gestützt auf eine parlamentarische Initiative Fankhauser (sp, BL) aus dem Jahr 1992 arbeitete die Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-NR) ein Rahmengesetz über die Familienzulagen aus. Damit soll der Grundsatz einführt werden, dass für jedes Kind in der ganzen Schweiz eine Zulage in gleicher Höhe ausbezahlt wird. Für die Kinderzulage wurden Ansätze zwischen CHF 200 und CHF 250 zur Diskussion gestellt, für die Jugendlichen in Ausbildung Beträge zwischen CHF 250 und CHF 300; die einmalige Geburtszulage soll mindestens CHF 1'500 betragen, wobei die Kantone frei wären, höhere Zulagen festzusetzen. Der Kanton Solothurn reichte im Berichtsjahr eine Standesinitiative (Kt. Iv. 95.303) ein, die ebenfalls eine einheitliche Regelung der Familienzulagen verlangt. Eine NFP-Studie rechnete vor, dass in der Schweiz jedes Kind das Familienbudget mit durchschnittlich CHF 1'100 pro Monat belastet. Dabei wurden nur die direkten Kosten berücksichtigt, nicht aber die Einkommensverluste, welche durch die Aufgabe oder Reduktion der Erwerbstätigkeit eines oder beider Elternteile zugunsten der Kinderbetreuung erwachsen.

Diese Pläne fanden allerdings in der Vernehmlassung nur gerade bei der SP volle Unterstützung, die auch bei den vorgelegten Varianten jeweils den höchsten Satz verlangte. Die CVP war diesen Vorschlägen gegenüber ebenfalls grundsätzlich positiv eingestellt, befürchtete aber, dass die gleichzeitige Verwirklichung von zwei familienpolitischen Anliegen – Mutterschaftsversicherung und Vereinheitlichung der Familienzulagen – kaum Chancen hätte und wollte deshalb der Mutterschaftsversicherung Priorität einräumen. Die FDP nutzte die Vernehmlassung dazu, ihren Bedenken über das ihrer Ansicht nach unübersichtliche Vorgehen in der Sozialpolitik Ausdruck zu geben. Der Faktor Arbeit dürfe nicht weiter belastet werden, weshalb zusätzliche Lohnprozente nicht in Frage kämen. Vom Staat sei hingegen eine Vereinheitlichung der Familienzulagen angesichts des Zustandes des Bundeshaushalts nicht finanzierbar. Dieser Meinung schloss sich auch die SVP an.

Im Sommer 1995 hatte das EDI das Vernehmlassungsverfahren zu einem Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) für ein Bundesgesetz über die Familienzulagen eröffnet. In Anwendung des Grundsatzes «ein Kind – eine Zulage» hätten gemäss diesem Entwurf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige Anspruch auf eine ganze Zulage für jedes Kind. Bezüglich der Höhe der Zulage wurden verschiedene Varianten zur Diskussion gestellt. Wie erwartet, fielen die 101 eingegangenen Stellungnahmen kontrovers aus. Elf Kantone (darunter der Kanton Tessin sowie alle Kantone der Romandie ausser der Waadt), die SP, die Gewerkschaften, Pro Juventute und Pro Familia sowie weitere Organisationen sprachen sich für eine bundesrechtliche Lösung aus. Die CVP stimmte grundsätzlich zu, erachtete aber den Zeitpunkt als ungeeignet und wollte in erster Priorität die Mutterschaftsversicherung realisieren. 15 Kantone, FDP, SVP, LP und FP sowie die Spitzenverbände der Arbeitgeber lehnten die Vorschläge pauschal ab. Als Hauptargument führten die Gegner ins Feld, die Sicherung des im Sozialversicherungswesen Erreichten habe Vorrang vor einem weiteren Ausbau; eine zusätzliche Belastung der Schweizer Wirtschaft sowie der Finanzhaushalte des Bundes und der Kantone mit weiteren Sozialabgaben resp. -leistungen sei nicht verkraftbar. Eine Expertenkommission, welche den Entwurf überarbeitet, zeigte weitere Möglichkeiten der Harmonisierung auf. Denkbar wäre, dass vom Bund aus lediglich ein Rahmengesetz vorgelegt wird, welches Standards fixiert, die Kantone bei der Ausgestaltung und Finanzierung aber frei lässt. Andererseits soll aber auch eine allein durch den Bund finanzierte Lösung geprüft werden, da der Bundesrat in seinen Vorschlägen zur Neuregelung des Finanzausgleichs die Familienzulage als Bundesaufgabe definiert. Dass der Nationalrat dem Gedanken der einheitlichen Familienzulagen nach wie vor nicht abgeneigt ist, zeigte sich bei der Behandlung einer Motion Dünki (evp, ZH; Mo. 94.3400) auf Harmonisierung und Erhöhung der Familienzulagen, welche angesichts der anstehenden Entscheide jedoch nur in der Postulatsform überwiesen wurde. Die Motion wurde bereits 1994 andiskutiert, scheiterte aber damals am Widerstand der Liberalen Suzette Sandoz (VD), welche das Postulat im Berichtsjahr erneut bekämpfte.

In Anwesenheit von Bundespräsidentin Ruth Dreifuss wurde Mitte Juni der Aktionsplan der Schweiz zur Gleichstellung von Frau und Mann vorgestellt. Der Katalog von rund 3'000 wünschenswerten Massnahmen ist eine Folgearbeit der 1995 in Peking durchgeführten UNO-Weltfrauenkonferenz. Die Umsetzung der unverbindlichen Empfehlungen hängt in erster Linie vom guten Willen und von den finanziellen Möglichkeiten der Adressaten (Behörden und Institutionen) ab. Die Ausarbeitung des Aktionsplanes erfolgte in enger Zusammenarbeit von 15 Bundesämtern und rund 50 nichtgouvernementalen Organisationen (NGOs).

1991 hatte die damalige Nationalrätin Fankhauser (sp, BL) eine parlamentarische Initiative für landesweit einheitliche Kinderzulagen von mindestens CHF 200 eingereicht (Pa.Iv. 91.411), welcher der Nationalrat im Jahr darauf Folge gab. 1997 legte die mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragte SGK ein Rahmengesetz vor, dessen Behandlung aber 1998 am runden Tisch zur Sanierung der Bundesfinanzen bis 2001 sistiert wurde. Die erneute Lesung in der SGK liess nun aber so viele Fragen bezüglich Zuständigkeiten und Finanzierung offen, dass die Kommission beschloss, einen Schlussstrich unter die Initiative Fankhauser zu ziehen und in Sachen Familienzulagen einen Neustart zu wagen. Eine Subkommission unter Rossini (sp, VS) wurde beauftragt, ein neues Zulagengesetz zu erarbeiten und dabei andere familienpolitische Anliegen, die aufgegleist oder bereits in der parlamentarischen Beratung sind, zu berücksichtigen (Bedarfsleistungen gemäss Tessiner Modell, familienergänzende Betreuungsplätze, Mutterschaftsschutz). Bedarfsleistungen für Familien verlangte auch ein Thesenpapier der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK).

In der Frühjahrssession beschloss der Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen, entgegen dem Antrag der Kommission dem Nationalrat zu folgen und die Kinderzulagen gesamtschweizerisch auf mindestens 200 Fr. pro Kind und auf 250 Fr. pro Jugendlichen in der Ausbildung festzusetzen. Die Kommissionsmehrheit argumentierte erneut, die Harmonisierung der Kinderzulagen bedeute einen unzulässigen Eingriff in die kantonale Hoheit in Fragen der Familienpolitik, da künftig nur noch Raum für weitergehende kantonale Lösungen bestehe. Die kleine Kammer folgte dem Nationalrat auch bei der Bestimmung, dass für die Höhe der Zulage nicht der Hauptsitz des Arbeitgebers, sondern dessen lokale Niederlassung relevant ist, weil das sonst dazu führen könnte, dass Arbeitnehmer mit identischem Wohn- und Arbeitsort unterschiedliche Zulagen erhalten. Fest hielt sie aber, und zwar stillschweigend, am zweiten „Schicksalsartikel“ der Vorlage, nämlich an ihrer Weigerung, auch die Selbständigerwerbenden einzubeziehen. Weniger aus Überzeugung denn aus pragmatischen Gründen, um die Vorlage, die sich in verschiedener Form nun schon 15 Jahre hingezogen hatte, nicht im Endspurt noch zu gefährden, stimmte der Nationalrat hier schliesslich diskussionslos zu. Eine letzte Differenz, nämlich die Lösung der Ausgabenbremse, um das Regime der Kinderzulagen in der Landwirtschaft, die vom Bund ausgerichtet werden, an jenes der übrigen Arbeitnehmenden anzugleichen, konnte im Sinn des Nationalrates (Zustimmung) ausgeräumt werden. In der Schlussabstimmung wurde der Entwurf im Nationalrat mit 106 zu 85 Stimmen (fast die geschlossenen Fraktionen von FDP und SVP) angenommen, im Ständerat knapp mit 23 zu 21 Stimmen.

Wie bereits während den Ratsdebatten angekündigt ergriff der Gewerbeverband das Referendum gegen die Harmonisierung der Kinderzulagen, das Volk stimmte am 26. November darüber ab. Das Gesetz bildete einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative „für fairere Kinderzulagen“ der Gewerkschaft Travail.Suisse, in der landesweit einheitliche Kinderzulagen von 450 Fr. pro Kind gefordert wurden. Nachdem der Gewerbeverband das Referendum gegen das Familienzulagengesetz ergriffen hatte, beschloss Travail.Suisse, die Initiative zurückzuziehen und die dafür vorgesehenen Mittel für die Abstimmungskampagne gegen das Referendum einzusetzen.

Für die Harmonisierung der Familienzulagen sprachen sich die SP, die GP und die übrigen linken Parteien, die CVP, die EVP, die EDU, die SD sowie die Gewerkschaften aus. Sie begrüssten die nationale Harmonisierung und den verbindlichen Minimalsatz, der für die meisten Kantone eine Erhöhung der Leistungen bedeutet. Sie waren der Ansicht, durch die Vorlage könne die finanzielle Lage vieler Familien verbessert und Ungerechtigkeiten wegen unterschiedlichen Regelungen zwischen den Kantonen vermindert werden.

Im Vorfeld der Abstimmung kämpften neben dem Gewerbeverband auch Economiesuisse sowie die SVP, die FDP und die Liberalen gegen die Neuerung. Sie kritisierten die zusätzliche Belastung der Arbeitgeberseite, welche die Zulagen weitgehend finanzieren muss. Sie wandten ein, dass durch den einheitlichen Minimalsatz die Hoheit der Kantone eingeschränkt würde und dass die zusätzlichen Mittel nach dem Giesskannenprinzip verteilt würden, statt sie gezielt jenen Familien zufliessen zu lassen, die sie auch wirklich bräuchten. Für die SVP und den Gewerbeverband bildeten ferner die Zahlungen an Kinder im Ausland, wenn ihre Eltern in der Schweiz arbeiten, ein zentrales Argument gegen die Vorlage.

Mit einem Ja-Stimmenanteil von 68% hiess das Volk am 26. November die Harmonisierung der Familienzulagen klar gut. Das Gesetz wurde einzig in Appenzell Innerrhoden mit 54,4% abgelehnt. Am grössten war die Zustimmung mit 83,7% im Kanton Jura. Es ist dies jener Kanton, in dem die Familien vom neuen Gesetz am meisten profitieren werden, weil dort die Kinderzulagen am tiefsten waren. Auch die Kantone Neuenburg, Waadt und Bern, deren Zulagen ebenfalls deutlich unter dem künftigen Minimum lagen, stimmten der Harmonisierung mit Mehrheiten von über 70% zu. Mit Ausnahme von Genf lagen die durchschnittlichen Ja-Stimmenanteile in den Kantonen der Westschweiz und im Tessin höher als in der Deutschschweiz.


Abstimmung vom 26. November 2006

Beteiligung: 45,0%
Ja: 1 480 796 (68,0%)
Nein: 697 415 (32,0%)

Parolen: Ja: CVP, SP, EVP, CSP, PdA, PSA, GPS, SD, EDU, Lega; SBV, SGB, Travail.Suisse.
Nein: FDP (4*), SVP, LP, FPS; Economiesuisse, SGV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Gemäss der Vox-Analyse waren für den Abstimmungsentscheid die Einstufung auf der Links-Rechts-Achse und die Parteisympathie ausschlaggebend. Personen die sich als links einstuften, nahmen die Vorlage fast einhellig an, diejenigen die sich in der Mitte einreihten stimmten ebenfalls klar dafür, während Befragte die sich als rechts einordneten, die Vorlage insgesamt knapp ablehnten. Die Parteiparolen wurden unterschiedlich befolgt. Während die Sympathisanten der SP fast geschlossen ein Ja in die Urne legten, wurde die FDP von ihrer Anhängerschaft förmlich desavouiert. 67% ihrer Sympathisanten hiessen die Vorlage gut, zu der die Partei die Nein-Parole gefasst hatte. Auch bei der SVP, die ebenfalls ein Nein empfohlen hatte, war die Zahl der Abweichler mit 42% überraschend hoch. Abtrünnige gab es auch bei der CVP, trotz der Ja-Parole der Partei stimmten 29% der Anhänger gegen das Gesetz. Die Vorlage wurde von allen Gesellschaftsschichten angenommen. Allerdings waren Personen mit tieferer Schulbildung skeptischer als Gutgebildete, und Ledige waren überraschenderweise positiver eingestellt als Verheiratete.

Das Bundesgesetz über die Familienzulagen (FamZG) tritt per 1. Januar 2009 in Kraft. Bis dahin mussten die Kantone ihre diesbezüglichen Gesetzgebungen an den vom FamZG vorgegebenen Rahmen anpassen. Alle Kantone haben diesen Prozess abgeschlossen und ihre Regelungen angepasst.

Volksinitiative „für fairere Kinderzulagen“

Die Gewerkschaft CNG lancierte eine Volksinitiative «für fairere Kinderzulagen». Sie verlangt eine bundesrechtlich geregelte Zulage für alle Kinder – also auch jene der Selbständigerwerbenden, die heute in der Regel leer ausgehen – von CHF 15 pro Tag, wobei der Betrag zu indexieren wäre. Die Finanzierung soll hauptsächlich über den Bund und in geringerem Mass über die Kantone erfolgen; die Arbeitgeber würden in ähnlichem Ausmass wie heute in die Pflicht genommen. Der CNG möchte damit in erster Linie den unteren Mittelstand entlasten, der nach seiner Auffassung nur wenig von der laufenden Steuerreform profitieren wird, aber auch nicht für Ergänzungsleistungen nach dem «Tessiner Modell» in Frage kommt. Die Kantone wurden im Berichtsjahr ebenfalls aktiv. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK) arbeitete ein Modell für landesweit einheitlich geregelte Kinderzulagen aus; neben einem Sockelbeitrag von rund CHF 150 pro Kind soll bedürftigen Familien der Zugang zu Ergänzungsleistungen gewährt werden. Der Nationalrat überwies ein Postulat Meier-Schatz (cvp, SG, Po. 01.3450), das die Erstellung eines Berichts über die Familienausgleichskassen und die Familienzulagen anregte.

Mit 101'442 gültigen Unterschriften reichte die Gewerkschaft Travail.Suisse ihre Volksinitiative «für fairere Kinderzulagen» ein. Nach dem Grundsatz «ein Kind – eine Zulage» sollen für jedes Kind CHF 450 pro Monat ausgerichtet werden, ungeachtet der Erwerbstätigkeit und des Wohnorts der Eltern. Heute variieren die Zulagen je nach Kanton zwischen CHF 150 und 444 pro Monat. Nach Berechnungen von Travail.Suisse hätte die Initiative Gesamtkosten von CHF 9.2 Mrd. zur Folge. Ziehe man jedoch die bestehenden Zulagen sowie höhere Steuereinnahmen und die Entlastung bei den Bedarfsleistungen in Betracht, ergäben sich unter dem Strich lediglich noch Mehrkosten von knapp CHF vier Mrd. pro Jahr. Gemäss Initiativtext müssten Bund und Kantone dafür aufkommen, weil die Wirtschaft nicht stärker belastet werden soll als heute.

Der Bundesrat empfahl die 2003 eingereichte Volksinitiative der Gewerkschaft Travail.suisse «für fairere Kinderzulagen» zur Ablehnung. Er befand, das Begehren, welches schweizweit einheitliche Kinderzulagen von CHF 450 pro Monat verlangt, wäre weder volkswirtschaftlich noch finanzpolitisch vertretbar. Obgleich er Handlungsbedarf bei der Vereinheitlichung der Kinderzulagen (heute rund 50 verschiedene Systeme in 26 Kantonen) ausmachte, beschloss er, keinen Gegenvorschlag zu unterbreiten, da dem Parlament bereits ein Projekt vorliege, das eine konsensfähige und volkswirtschaftlich tragbare Lösung ermögliche. Dabei handelt sich um die Umsetzung einer 1991 von der damaligen Nationalrätin Fankhauser (sp, BL) eingereichten parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 91.411), welche eine einheitliche Kinderzulage von CHF 200 verlangt. Die Initiative war 1992 vom Nationalrat angenommen und der SGK zur konkreten Ausgestaltung eines Gesetzesentwurfs zugewiesen worden. Dieser wurde 1997, wenn auch knapp, von der SGK gutgeheissen, aber bisher nicht dem Rat unterbreitet. Im Berichtsjahr nun aktivierte die Kommission ihren Vorschlag und legte ihn dem Plenum vor, der ihn aber erst 2005 behandeln wird. Der Gesetzesentwurf sieht einheitliche Kinderzulagen von mindestens CHF 200 und Ausbildungsbeiträgen von CHF 250 für alle Kinder und Jugendlichen vor; unabhängig davon, ob die Eltern unselbständig-, selbständigerwerbend oder erwerbslos sind. Die Mehrkosten gegenüber heute wären von den Arbeitgebern (CHF 500 Mio.) und den Kantonen (CHF 220 Mio.) zu bezahlen. Der Bundesrat stellte sich grundsätzlich hinter den Entwurf, lehnte eine Mehrbelastung der Wirtschaft aber ab.

Im Vorfeld der Beratung ihrer Volksinitiative «Für fairere Kinderzulagen» im Parlament erklärte die Gewerkschaft Travail.suisse, die von ihr geforderte monatliche Zulage von CHF 450 pro Kind sei finanzierbar, wenn eine moderate Erbschaftssteuer eingeführt würde. Erbschaften sollten – bei einem Freibetrag von CHF 500'000 – mit einem Steuersatz von 25 Prozent besteuert werden. Bei der derzeitigen Vererbungssumme von jährlich rund CHF 25 Mrd. brächte dies Einnahmen von CHF 2.75 Mrd., also etwa soviel, wie der Ausbau der Kinderzulagen kostete.

Nachdem der Ständerat mit 22 zu 21 Stimmen auf die Vorlage eingetreten war, entschlackte und vereinfachte er sie auf Wunsch der Kantone und Berufsverbände. Mit demselben knappen Stimmenverhältnis folgte er einem FDP-SVP-Minderheitsantrag und *erzichtete entgegen dem Nationalrat darauf, eine Mindesthöhe für die Kinderzulagen festzulegen; die Kantone und nicht wie vom Nationalrat vorgesehen der Bundesrat sollten auch die Anpassung der Ansätze an die Teuerung vornehmen. Indem die kleine Kammer die Selbständigerwerbenden vom Anspruch auf Kinderzulagen ausschloss, brach sie mit dem Grundsatz «ein Kind – eine Zulage»; mit Stichentscheid des Präsidenten bestätigte sie jedoch den Anspruch von Nichterwerbstätigen bis zu einer Einkommensobergrenze von CHF 30'000; eine Minderheit hatte die Regelung dieser Frage ebenfalls den Kantonen überlassen wollen. Entgegen dem Bundesrat beschloss der Ständerat zudem, dass für die Höhe der Zulage der Ort des Geschäftssitzes des Unternehmens massgeblich sei und nicht wie gemäss nationalrätlicher Version der Niederlassungsort der Filiale. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 21 zu 21 Stimmen mit Stichentscheid des Präsidenten gutgeheissen.

„Ein Kind, eine Zulage“

Im Mai verabschiedete die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats einstimmig einen Entwurf zur Änderung des Familienzulagengesetzes, mit dem der Anspruch auf Kinder- und Ausbildungszulagen für Selbständigerwerbende gesamtschweizerisch einführt werden soll. Laut dem Vorschlag, der auf eine parlamentarische Initiative Fasel (csp, FR) zurückgeht, würden die Zulagen durch einkommensabhängige Beiträge der Selbständigerwerbenden an die Familienausgleichskassen finanziert. Der Nationalrat trat in der Wintersession auf die Vorlage ein und hiess sie in der Gesamtabstimmung mit 95 zu 68 Stimmen gut. 

Im Jahr 2009 hatte der Nationalrat einer Ausdehnung der Familienzulagen auf Selbständigerwerbende zugestimmt. Der Ständerat beschloss hingegen im Berichtsjahr mit dem Stichentscheid seiner Präsidentin Erika Forster-Vannini (fdp, SG), nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Mehrheit der Kommission hatte sich gegen eine Änderung des lediglich seit einem Jahr geltenden Familienzulagengesetzes ausgesprochen. Sie war der Ansicht, die Regelung, wonach die Kantone die Kinderzulagen auch für Selbständigerwerbende freiwillig einführen können, genüge vollauf. Der Nationalrat entschied sich jedoch in der Frühjahrssession an dem auf eine parlamentarische Initiative Fasel (csp, FR) zurückgehenden Einbezug von Selbständigerwerbenden festzuhalten. Im zweiten Anlauf hiess der Ständerat einen Minderheitsantrag seiner Kommission gut und trat mit 23 zu 20 Stimmen schliesslich ebenfalls auf die Vorlage ein. Diese ging anschliessend zur Detailberatung an die Kommission zurück.

Die parlamentarische Initiative Fasel (csp, FR), welche bereits 2006 eingereicht wurde, fordert eine Änderung des Familienzulagengesetzes, so dass der Grundsatz „Ein Kind, eine Zulage“ gewahrt würde. Damit sollen zukünftig auch Selbständigerwerbende von Familienzulagen profitieren können. Der Ständerat hatte 2010 erst im zweiten Anlauf beschlossen, auf die Vorlage einzutreten. Die zuständige ständerätliche Kommission lehnte die Gesetzesänderung per Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Kuprecht (svp, SZ) ab. In der Beratung während der Frühlingssession im Ständerat gab insbesondere die Frage nach den Familienzulagen für selbständig tätige Landwirte zu reden. Die Kommission hatte gefordert, Bauern ebenfalls zur Zahlung von Kinderzulagen zu verpflichten. Eine Minderheit Schwaller (cvp, FR) verlangte in der kleinen Kammer, dass diese Zulagen weiterhin von Bund und Kantonen gedeckt werden sollten. Diese Abänderung der landwirtschaftlichen Finanzierung sei nicht Ziel und Sinn der parlamentarischen Initiative Fasel und würde zu einer Verschlechterung der finanziellen Lage von Bauernfamilien führen. Die Gegner dieses Antrags argumentierten, es sei aus Gleichbehandlungsgründen nicht vertretbar, wenn Bauern ihren Beitrag an diese Sozialabgaben nicht auch leisten müssten. Eine ständerätliche Mehrheit hiess dann aber den Minderheitenantrag gut und überwies das Gesetz zur Differenzenbereinigung an den Nationalrat, welcher die Änderungen des Ständerates, die unter anderem auch die Einflussnahme der Kantone auf die Beitragssätze der Selbständigerwerbenden betraf, annahm. Der Gesetzesentwurf wurde im Nationalrat in der Gesamtabstimmung mit 98 zu 88 Stimmen gutgeheissen. Dagegen waren die gesamte SVP- und die überwiegende Mehrheit der FDP-Fraktion. In der Schlussabstimmung ebenfalls nur knapp angenommen wurde der Entwurf im Ständerat, nämlich mit 23 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung.