Die Sucharbeit des Volcker-Komitees nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken und nach Anspruchsberechtigten wurde fortgesetzt. Im Sommer waren im Auftrag dieses Komitees 375 meist ausländische Revisoren, im Herbst gar deren 420 mit der Überprüfung von Kontenbeständen schweizerischer Banken beschäftigt. Die gesamten Kosten dieser für das Image der Banken als sehr wichtig erachteten Operation wurden auf CHF 150 Mio. geschätzt. Die Ermittlung von Berechtigten für die rund 5'000 nachrichtenlosen Konti ausländischer Inhaber, deren Namen die Banken im Vorjahr auf Listen international publiziert hatten, wurde ebenfalls fortgesetzt. Nachdem knapp 10'000 Ansprüche eingegangen waren, konnten von den total CHF 78 Mio. deren 5.5 Mio. zugewiesen werden, dabei betrug der Anteil von Geldern von Holocaustopfern weniger als 20 Prozent.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Rund sechs Monate nach dem grundsätzlichen Vergleich der beiden Schweizer Grossbanken Crédit Suisse und UBS mit den jüdischen Klägern regelten die beiden Seiten auch die Details des Übereinkommens. Die USD 1.25 Mia. sollen an folgende, nicht auf Juden beschränkte Personenkategorien verteilt werden: Anspruchsberechtigte für nachrichtenlose Konten – Personen, deren Vermögenswerte von den Nazis beschlagnahmt worden und zu schweizerischen Institutionen gelangt sind – Zwangsarbeiter in Firmen mit Geschäftbeziehungen zu Schweizer Banken – Zwangsarbeiter in Firmen mit Schweizer Hauptsitz – an der Schweizer Grenze zurückgewiesene und später in Konzentrationslager deportierte Personen. Im Sommer wurde weltweit in Zeitungsinseraten die eventuell Berechtigten aufgerufen, ihre Ansprüche anzumelden. Gleichzeitig wurden auch Personen, die mit dem Vergleich nicht einverstanden sind, und die privatrechtlich gegen Schweizer Institutionen klagen wollen, aufgefordert, sich beim New Yorker Richter Korman zu melden. Knapp 300 Personen machten von dieser „opting out-Klausel“ Gebrauch, während rund 450'000 Forderungen anmeldeten. Kormann erteilte Ende November den Auftrag, einen Verteilplan zu entwerfen.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Der mit der Suche nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken beauftragte „Volcker-Ausschuss“ konnte die von internationalen Treuhandfirmen durchgeführte kostspielige Durchforstung der Archive und Kontenlisten abschliessen. Aufgrund von Indiskretionen entstand vor der auf November angekündigten Publikation des Schlussberichts eine Kontroverse in den Medien. Während eine internationale Agentur verbreitete, dass 48 000 nachrichtenlose Konten von Holocaustopfern gefunden worden seien, präzisierten Schweizer Medien, dass in dieser Zahl auch 34 000 geschlossene, also nicht nachrichtenlose Konten enthalten sind. Von den verbleibenden 14 000 habe sich bei 2800 eine Übereinstimmung mit Namen auf der Liste der Holocaustopfer ergeben. Am 6. Dezember präsentierte die Volcker-Kommission in Zürich ihren Schlussbericht. Die Zahlen sahen darin nochmals etwas anders aus. In einem Eliminationsverfahren war die Kommission – d.h. die von ihr beauftragten rund 650 Spezialisten – auf 53 886 Konten mit ungeklärtem Schicksal gestossen, bei welchen ein Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausgeschlossen werden kann. Rund 3200 davon stimmen mit Namen der Holocaustopferliste der Yad Vashem Gedenkstätte in Jerusalem überein und waren bis mindestens 1955 nachrichtenlos. Bei weiteren 7000 stehen zwar die Namen nicht in der Liste, andere Charakteristika (Wohnort in einem Staat der Achsenmächte oder besetzten Gebiet und zehn Jahre Nachrichtenlosigkeit nach Kriegsende) lassen jedoch die Vermutung zu, dass es sich um Holocaustopfer gehandelt haben könnte. Die restlichen 43 000 Konti sind solche, die zwischen 1933 und 1945 von Bewohnern der Staaten der Achsenmächte oder von ihnen besetzten Gebieten eröffnet und seither wieder geschlossen worden sind. Rund 31 000 davon lauteten auf Namen, die auch in der Liste der Holocaustopfer erscheinen; davon war bei rund der Hälfte die Übereinstimmung exakt, bei der anderen Hälfte ungefähr. Die übrigen 12 000 Konti wurden zwischen 1933 und 1945 von Ausländern eröffnet, bei denen sich nicht nachweisen lässt, dass sie aus einem der Staaten der Achsenmächte oder einem besetzten Gebiet stammen und deren Namen nicht mit solchen der Holocaustopferliste übereinstimmen. Über den Wert der Konten der verschiedenen Kategorien machte der Bericht keine konkreten Angaben. Aus den Schätzungen war aber ersichtlich, dass er – auch bei einer Anpassung an heutige Geldwerte und Verzinsung – die von Kritikern der Banken genannten Milliardensummen bei weitem nicht erreicht.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Von den gut 53'000 Konti waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nur 2726 noch offen und damit nachrichtenlos; bei den geschlossenen Konti liessen sich grösstenteils (36'000) die Gründe für die Aufhebung nicht mehr rekonstruieren. Im weiteren befinden sich rund 12'000 darunter, bei welchen die Gebühren die Erträge überstiegen haben, und die deshalb in gebührenfreie Sammelkonti überwiesen wurden. Weiterer Abklärung bedürfen diejenigen geschlossenen Konti, welche auf Anweisung der Inhaber an die Behörden anderer Staaten ausbezahlt worden sind, und die 980 Konten, die zugunsten der Bank aufgelöst wurden, ohne dass ersichtlich ist, ob die Bank das Geld in die eigene Tasche gesteckt oder später sich meldenden Berechtigten oder karitativen Organisationen übergeben hat.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Die Volcker-Kommission empfahl der Eidgenössischen Bankenkommission, die Namen von gut 25'000 Kontoinhabern zu publizieren, da sich darunter Holocaustopfer befinden könnten. Es handelt sich dabei um die Konten der beiden ersten oben erwähnten Kategorien und die rund 15'000 inzwischen aufgelösten Konti, bei denen der Name des Inhabers genau mit einem Namen in der Opferliste übereinstimmt. Grundsätzlich stellte die Volcker-Kommission den Banken ein gutes Zeugnis aus. Es hätten sich keine Hinweise auf systematische Veruntreuung von Guthaben von Holocaustopfern, Vernichtung von Akten oder Diskriminierung ihrer Erbberechtigter finden lassen. In Einzelfällen habe es allerdings bei gewissen Banken fragwürdige und unlautere Praktiken gegeben. Insbesondere sei sie auf 49 Fälle gestossen, in denen die Banken den Erben von Opfern ungenügende oder falsche Informationen gegeben hätten.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Ende Februar, gut zwei Monate nach der Präsentation des Abschlussberichts, löste sich das für die Abklärung des Umgangs von Schweizer Banken mit Geldern von Holocaust-Opfern eingesetzte sogenannte Volcker-Komitee auf. Zu regeln blieb noch die Frage nach dem Umfang der zu errichtenden Datenbank über Schweizer Bankkonten aus der Zeit des 2. Weltkriegs. Ursprünglich war von amerikanischer Seite verlangt worden, dass diese Datenbank sämtliche 4,1 Mio. Konten, die damals auf Schweizer Banken eröffnet worden waren, umfassen soll. Der für den Vergleich mit den Grossbanken zuständige New Yorker Richter Kormann hatte diese Position übernommen. Die Eidgenössische Bankenkommission hatte hingegen nur die Aufnahme derjenigen rund 46 000 Konten erlaubt, bei welchen das Volcker-Komitee einen möglichen oder wahrscheinlichen Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausschloss. Als Kompromiss boten die beiden Grossbanken an, dass sie ihre eigenen Datenbanken mit 2,1 Mio. Konten aus dieser Zeit für die Abklärung von weiteren berechtigten Ansprüchen zur Verfügung stellen würden. Damit gab sich die Gegenseite zufrieden, und Richter Kormann hiess den Vergleich Ende Juli endgültig gut. Einen guten Monat später lag auch der Verteilungsplan für die 1,25 Mia. US-$ vor.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken