Am 13. März beschloss der Bundesrat seine neue Strategie zur Bewältigung der Krise im Zusammenhang mit den fortgesetzten Angriffen aus dem Ausland auf das schweizerische Bankgeheimnis. Demnach werde sich die Schweiz vorbehaltlos an die OECD-Standards (konkret ging es um Art. 26 des Musterabkommens der OECD für Doppelbesteuerungsabkommen) halten und in Zukunft auch in Fällen von qualifizierter Steuerhinterziehung von im Ausland wohnenden Personen mit schweizerischen Bankkonten Amtshilfe leisten. Zuvor waren bereits Belgien, Liechtenstein und andere wegen ihres Bankgeheimnisses unter Druck geratene Staaten auf diese Linie eingeschwenkt; Luxemburg und Österreich taten diesen Schritt gleichzeitig mit der Schweiz. Diese Lockerung gelte gemäss Bundesrat allerdings nur für konkrete, mit einem Verdacht belastete Einzelfälle und nicht für „fishing expeditions“ ausländischer Steuerbehörden. Entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen würden in den nächsten Monaten ausgehandelt. Ein automatischer Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden komme hingegen nicht in Frage und für im Inland wohnende Bankkunden bleibe das Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung weiterhin in Kraft.

Die Reaktionen der politischen Parteien fielen unterschiedlich aus. Die SP begrüsste den Schritt des Bundesrates als längst überfällig und sprach sich für eine Ausdehnung auch auf inländische Bankkunden aus. Auf der anderen Seite warf die SVP der Landesregierung Verrat an den Bankkunden und Kapitulation vor einer ausländischen Erpressung vor. FDP und CVP rieten dazu, zuerst die Umsetzung in neuen Doppelbesteuerungsabkommen und die konkreten Auswirkungen abzuwarten. Sowohl der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse als auch die Bankiervereinigung stellten sich hinter den Bundesrat.

Die grossen Staaten der OECD, welche der Schweiz zuvor gedroht hatten, sie auf eine „Schwarze Liste“ der zu bekämpfenden „Steuerparadiese“ zu setzten, waren mit dieser Absichtserklärung des Bundesrates noch nicht ganz zufrieden. Ihre Organisation – die G20 – beschloss, die Schweiz vorläufig, d.h. bis zum Abschluss von mindestens zwölf entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), auf eine „Graue Liste“ der genau zu beobachtenden Staaten zu setzen. Neben der Schweiz figurierten unter anderem auch Belgien, Luxemburg, Liechtenstein und Österreich auf dieser Liste. Noch bevor die ersten Verhandlungen über neue DBA aufgenommen wurden, beschäftigte sich der Bundesrat mit dem Verfahren zur Ratifikation dieser Staatsverträge. Er schlug vor, nur das erste abgeschlossene Abkommen dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. Würde dieses mit seinem für die Schweiz neuen Prinzip der Amtshilfe bei Steuerhinterziehung vom Volk akzeptiert, sollte gegen weitere gleichlautende Verträge mit anderen Staaten kein Referendum mehr möglich sein. Ein taktischer Hintergrund dieser Argumentation bestand darin, Abstimmungskämpfe über DBA mit Deutschland und den USA, welche die Schweiz in dieser Debatte besonders und vor allem sehr unzimperlich unter Druck gesetzt hatten, zu vermeiden. Die SVP, welche genau diese beiden Abstimmungskampagnen führen wollte, protestierte heftig gegen die Pläne des Bundesrates. Ende August schloss die Schweiz mit Dänemark und mit Frankreich erste neue DBA nach dem uneingeschränkten OECD-Standard ab. Ende November legte der Bundesrat dem Parlament die ersten fünf Abkommen (mit den USA, Mexiko, Grossbritannien, Frankreich und Dänemark) zur Genehmigung vor. Da darin eine grundlegende rechtliche Neuerung (Amtshilfe bei Steuerhinterziehung) enthalten war, beantragte er, diese Abkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Im März des Vorjahres hatte der Bundesrat auf den zunehmenden internationalen Druck auf das Bankgeheimnis reagiert, indem er versicherte, künftig Amtshilfe in Steuersachen nur noch nach dem Musterabkommen der OECD (d.h. auch bei vermuteter qualifizierter Steuerhinterziehung und nicht nur bei vermutetem Steuerbetrug) zu leisten. Dazu schloss er im Verlauf des Berichtsjahrs – in Ergänzung der bereits 2009 revidierten oder neu eingegangenen – zehn weitere Doppelbesteuerungsabkommen (Türkei, Frankreich, Hongkong, Österreich, Mexiko, Georgien, Norwegen, Polen, Finnland, Japan) nach OECD-Standard ab, die nach der Genehmigung durch die Räte und Ablauf der ungenutzten Referendumsfrist im Oktober in Kraft gesetzt wurden.