Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955 beantragt (Kt.Iv. 9268)

Als PDF speichern

Vorstösse zu einem verstärkten Eingreifen des Bundes erfolgten auf drei Ebenen. Bereits 1965 hatte der Kanton Neuenburg den Weg der Standesinitiative beschritten und dabei eine Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955 beantragt, welche die Gewährung niedrigverzinslicher Darlehen und höherer Subventionen sowie das Verbot der Verwendung nicht abbaubarer Reinigungsmittel ermöglichen sollte. Im Bundesparlament hatte sodann der Ständerat im Dezember 1965 eine Motion Clerc (lib., NE) (Mo. 9272) angenommen, in welcher der Bundesrat namentlich um die Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gewässerschutzes ersucht und gleichfalls die Frage einer Gesetzesrevision angeschnitten wurde. Der Nationalrat schloss sich im März 1966 diesem Begehren an und überwies zugleich ein Postulat Akeret (BGB, ZH) (Po. 9345), das eine klarere Festlegung der Verbote und Verpflichtungen, eine Verschärfung der Aufsicht und der Strafbestimmungen, eine umfassende Planung sowie eine Förderung der Aufklärungs- und Erziehungsmassnahmen wünschte. Von verschiedener Seite wurde auch verlangt, dass die Bundessubventionen, deren Ausrichtung das Gesetz nur «ausnahmsweise» zulässt, reichlicher gespendet würden, um die Belastung für Gemeinden und Kantone nicht zu gross werden zu lassen. Weitere parlamentarische Interventionen befürworteten eine zusätzliche Subventionierung der Bergkantone, die Unterbreitung eines umfassenden Berichts durch den Bundesrat sowie die Bevorzugung interkommunaler und interkantonaler Abwasserreinigungsprojekte durch den Bund. Endlich kam es zur Lancierung einer Volksinitiative zur Revision des Gewässerschutzartikels 24 quater der Bundesverfassung. Dieser erheblich radikalere Vorstoss ging von neuenburgischen Fischerkreisen aus und wurde vom Schmeizerischen Fischereiverband aufgenommen; er sah insbesondere ein direktes Einschreiten des Bundes gegen säumige Kantone sowie kräftige Bundessubventionen und – wie die neuenburgische Standesinitiative – niedrigverzinsliche Bundesdarlehen vor.

Dossier: Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955

Der von Bundesrat Tschudi 1966 in Aussicht gestellte Bericht über den Stand des Gewässerschutzes in der Schweiz wurde bis Jahresende noch nicht vorgelegt, und auch die angekündigte Teilrevision des Gewässerschutzgesetzes von 1955 gedieh nicht über das verwaltungsinterne Stadium hinaus. Auf eine Kleine Anfrage von Nationalrat Borel (soz., GE) hin sprach sich der Bundesrat für den Erlass einer besonderen Verordnung über die Abbaubarkeit von Reinigungsmitteln aus, betonte aber dabei, dass dies zuvor eine Ergänzung des Gewässerschutzgesetzes erfordere. Gegenüber einer Kritik an der Gerichtspraxis in Fragen des Gewässerschutzes stellte Bundesrat Tschudi immerhin eine gewisse Verschärfung fest. Als besondere Gefahrenquelle für die Reinheit des Wassers erwiesen sich mehr und mehr eingebaute oder fahrende Öltanks; das eindrücklichste Beispiel dafür war der Ausfluss von über 1 Mio. l Öl aus einem Lager in Châteauneuf bei Sitten am 3. November. Einzelne Kantone haben zur Bekämpfung dieser Gefahren bereits besondere Ölwehren geschaffen; in verschiedenen Departementen der Bundesverwaltung wurden entsprechende Vorschriften ausgearbeitet. Am Ende des Jahres standen in der ganzen Schweiz 241 Abwasserreinigungsanlagen im Betrieb, an die 36.3 Prozent der Bevölkerung angeschlossen waren (Ende 1966: 208 Anlagen für 27.1%); 65 Anlagen für weitere 11.5 Prozent der Bevölkerung befanden sich im Bau (1966: 57 Anlagen für 17.8%). Die Spitze unter den Kantonen hielt Genf (mit betriebenen Anlagen für 98.1% der Bevölkerung), in geringem Abstand folgte Zürich (91.0%); in Glarus, Baselstadt und Appenzell Innerrhoden war noch keine Anlage fertiggestellt. Auf kantonaler Ebene wurden neue gesetzliche Regelungen in Zürich und Baselland rechtskräftig.

Dossier: Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955

Die Vorbereitungen für die wiederholt geforderte und von den Behörden angekündigte Revision der eidgenössischen Rechtsgrundlagen für den Gewässerschutz traten gegen Ende des Jahres in ein konkreteres Stadium. Die 1967 vom EDI eingesetzte Expertenkommission legte Ende August einen Entwurf für ein neues Gesetz vor, der im Dezember den Kantonen und Interessentengruppen zur Vernehmlassung unterbreitet wurde. Er verschärfte einerseits die Pflichten der Kantone, Gemeinden und Privaten sowie die Ahndung von Verstössen und Versäumnissen; anderseits verstärkte er die Bundeshilfe an den Bau der erforderlichen Anlagen. Während das bisherige Gesetz die Durchführung ganz den Kantonen überlassen hatte, sah der neue Vorschlag eine Befugnis des Bundes zu direktem Eingreifen in Notfällen vor; auch wurde die Möglichkeit geschaffen, die Ausrichtung von Subventionen von der Einordnung der Massnahmen in eine zweckmässige Planung abhängig zu machen. Der Entwurf erklärte im weiteren den Bundesrat für befugt, über die Zusammensetzung von Reinigungsmitteln zu bestimmen, machte ausreichende Vorkehren für die Behandlung der Abwässer zur Bedingung für die Bewilligung von Neubauten, verpflichtete die Kantone zur Einsetzung besonderer Amtsstellen und Organe für den Gewässerschutz und bezog auch Kehrichtbeseitigungsanlagen in die Subventionierung ein. Da der Bundesrat zu der 1967 eingereichten Verfassungsinitiative erst im Zusammenhang mit einem definitiven Entwurf für ein neues Ausführungsgesetz Stellung nehmen wollte, ersuchte er im Herbst die eidgenössischen Räte, die Frist für die Behandlung des Volksbegehrens um ein Jahr bis Oktober 1971 zu verlängern, was oppositionslos bewilligt wurde (BRG 10389).

Dossier: Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955