Maschienen- und Metallindustrie; "Krisenartikel" (1993-1996)

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Arbeitgeber wie Gewerkschaften stimmten dem neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in der Maschinenindustrie zu, der für rund 200 000 Arbeitnehmer Gültigkeit hat. Umstritten war auf Gewerkschaftsseite vor allem der neue "Krisenartikel", welcher im Interesse der Arbeitsplatzerhaltung in Ausnahmefällen und befristet eine Erhöhung der Arbeitszeit auf maximal 45 Stunden bei gleichem Lohn sowie die Stundung oder den Verzicht auf Teile des 13. Monatslohns vorsieht. Die Gewerkschaften erklärten ihr Einlenken mit der Erreichung materieller Fortschritte in anderen Bereichen (14wöchiger Mutterschaftsurlaub, mehr Ferien, Verankerung des Bildungsurlaubs und Ausbau der Mitwirkungsrechte). Seine erste substantielle Anwendung fand der Krisenartikel beim Giesserei- und Stahlkonzern Von-Roll, wo für die Belegschaft des Werkes Gerlafingen (SO) sowie für das gesamte administrative Personal eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 42,5 Stunden vereinbart wurde. Bis Ende Jahr wurden 21 Unternehmungen mit 5500 Arbeitnehmern dem Krisenartikel unterstellt.

Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

15 Monate nach Ratifizierung des "Krisenartikels" in der Maschinen- und Metallindustrie forderte die Gewerkschaft SMUV dessen Abschaffung auf Ende 1995. Der ökonomische Wiederaufschwung sei da, weshalb die Anwendung dieses Artikels zur Überwindung kurzfristiger konjunktureller Probleme einzelner Firmen nicht mehr angebracht sei. Allerdings mussten auch die Gewerkschaften eingestehen, dass sich der "Krisenartikel" generell bewährt habe und verantwortungsvoll damit umgegangen worden sei.

Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Der seit 1993 gültige GAV in der Maschinen- und Metallindustrie sah vor, dass sich die Sozialpartner bis Ende 1995 auf die Weiterführung oder Aufhebung des "Krisenartikels" hätten einigen sollen, der zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten längere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn oder Streichung des 13. Monatslohns ermöglicht. In den zweieinhalb Jahren seines Bestehens hatten etwa 40 der rund 600 Mitgliederfirmen diesen Paragraphen angerufen, wobei es auch nach Einschätzung der Gewerkschaften keine Missbräuche gegeben hat. Da Mitte Jahr der Krisenartikel nur noch in zwei Betrieben zur Anwendung kam, stellten die Gewerkschaften die Forderung, ihn abzuschaffen. Die Arbeitgeber verweigerten dies mit der Begründung, auch wenn der Paragraph momentan kaum mehr zur Anwendung gelange, stelle er doch ein sinnvolles Notventil dar. In mehreren Gesprächen konnte keine Einigung erzielt werden, weshalb der Krisenartikel über das Jahresende hinaus in Kraft blieb.

Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000