Dass am ersten Dezembersonntag gleich zwei emotional befrachtete Vorlagen – neben der Asylinitiative noch das revidierte Arbeitsgesetz – zur Abstimmung gelangten, schlug sich in der hohen Stimmbeteiligung von fast 47 Prozent nieder. Das Resultat fiel relativ knapp aus. 53.7 Prozent der Stimmenden lehnten die Initiative ab, 46.3 Prozent stimmten ihr zu. Noch enger war die Differenz bei den Kantonen: 12 ablehnenden standen 11 befürwortende gegenüber. Vor allem die Romandie reagierte gar nicht gnädig auf die in Zürich ausgebrütete SVP-Initiative. Das deutlichste Resultat lieferte Genf, wo nur rund 30 Prozent Ja-Stimmen gezählt wurden. Basel-Stadt stimmte mit einem Nein-Anteil von knapp 60 Prozent einmal mehr ähnlich wie die Westschweiz. Abgelehnt wurde die Initiative auch von Zürich, Bern, Basel-Land, Zug, Obwalden, Appenzell-Ausserrhoden und Graubünden. Das Tessin und die restlichen Deutschschweizer Kantone stimmten zu, am deutlichsten die Kantone Schwyz und Appenzell-Innerrhoden mit knapp 60 Prozent Ja-Stimmen.
Volksinitiative «gegen die illegale Einwanderung»
Abstimmung vom 1. Dezember 1996
Beteiligung: 46.8%
Ja: 982'867 (46.3%) / 10 2/2 Stände
Nein: 1'138'301 (53.7%) / 10 4/2 Stände
Parolen:
– Ja: SVP (2*), SD, FPS, EDU, KVP; RN, Lega
– Nein: FDP (1*), CVP, SPS, GPS, LPS, LdU, EVP, PdA; SGB; Hotelier-Verein; Landeskirchen; AI, SFH, Bods, Asylkoordination Schweiz.
– * In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Am Abend des Abstimmungssonntags äusserte Bundesrat Arnold Koller Genugtuung darüber, dass sich eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vom Titel der Asylinitiative nicht habe verführen lassen und erkannt habe, dass das Anliegen der SVP letztlich menschenunwürdig gewesen sei und zur weiteren Isolation der Schweiz beigetragen hätte. Bei aller Freude über das Nein gelte es aber zur Kenntnis zu nehmen, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung der Initiative zugestimmt und damit unübersehbar eine deutliche Unzufriedenheit über die Ausländer- und Asylpolitik der Schweiz zum Ausdruck gebracht habe. Diese Unzufriedenheit hänge sicher damit zusammen, dass viele den Ausländeranteil in der Schweiz als zu hoch empfänden. Er werte das Abstimmungsergebnis deshalb als Aufforderung an den Bundesrat, den Zuwachs der ausländischen Bevölkerung weiter zu bremsen.
Gemäss der Vox-Analyse dieses Urnengangs ist das recht knappe Nein von rund 54 Prozent der Stimmenden in erster Linie als Erfolg der bundesrätlichen Abstimmungskampagne zu werten. Grosses Gewicht habe vor allem das Argument gehabt, die Initiative sei nicht wirksam. Die Parteibindung und die Orientierung der Stimmberechtigten entlang der Links-Rechts-Achse hatten offensichtlich einen wichtigen Einfluss auf das Stimmverhalten. 80 Prozent der SP-Sympathisanten sagten nein, 75 Prozent der SVP-Wähler stimmten zu. In dieser parteipolitisch polarisierten Konstellation war das Stimmverhalten in der bürgerlichen Mitte entscheidend. Die Analyse zeigte, dass die Wähler und Wählerinnen der CVP der offiziellen Parteiparole weitgehend folgten. Die Nein-Parole der FDP und der LP wurde von ihren Wählerinnen und Wählern hingegen nur teilweise befolgt (58% Neinstimmen).
Dossier: Volksinitiativen „Für eine vernünftige Asylpolitik“ und „Gegen die illegale Einwanderung“ (BRG 94.061)