Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes (84.064)

Als PDF speichern

Nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Verwertung des Kulturschaffens bietet Probleme. Nachdem in den vergangenen Jahren die Frage der Urheberrechte insbesondere im Bereich von Radio und Fernsehen diskutiert worden war, legte nun der Bundesrat eine Botschaft für eine Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes vor. Damit sollen sowohl die Interessen der Urheber am Schutze ihrer Werke wie auch das Interesse der Öffentlichkeit an einem ungehinderten Zugang zu diesen Werken berücksichtigt werden. Im Zentrum der Vorlage steht die Legalisierung der sogenannt unkontrollierbaren Massennutzungen urheberrechtlich geschützter Werke durch Einführung vergütungspflichtiger gesetzlicher Lizenzen. Das weit verbreitete Kopieren von Text, Bild und Ton soll für den Eigengebrauch ohne Zustimmung des Urhebers erlaubt sein; dieser hat jedoch einen ausdrücklichen Vergütungsanspruch, der in diesem Falle durch Pauschalabgaben realisiert wird. Frei und vergütungspflichtig werden auch die gleichzeitige und unveränderte Weiterverbreitung von Sendungen über Kabelnetze und Umsetzer, aber auch das Vermieten und Ausleihen (z.B. Bibliotheken) von Werken. Vergütungsansprüche können künftig nur über Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden, die der Bundesaufsicht und der Tarifgenehmigung unterstehen, wobei das Monopol der drei bestehenden Gesellschaften aufgehoben wird. Geregelt werden auch die Miturheberschaft und das abhängige Werkschaffen. Erste Kritiken wiesen auf die mögliche Entstehung eines unverhältnismässigen Gebühreneintreibungsapparats, auf die Ungerechtigkeit von Pauschalabgaben und auf die Bevorzugung der Stellung der Verwertungsgesellschaften hin. Die nationalrätliche Kommission zur parlamentarischen Initiative Morf (sp, ZH; Pa.Iv. 83.225) für ein Ton- und Bildschutzgesetz setzte ihre Beratungen bis zur Behandlung des neuen Urheberrechtsgesetzes im Nationalrat aus.

Das zweite grosse gesetzgeberische Vorhaben, die im Vorjahr vom Bundesrat vorgelegte Neuregelung des Urheberrechts, trat in die parlamentarische Phase. Nachdem seine vorberatende Kommission Hearings durchgeführt und von einer grossen Gegnerschaft Kenntnis genommen hatte, beschloss der Ständerat zwar Eintreten auf die Vorlage, gleichzeitig aber auch einstimmig deren Rückweisung an die Regierung, mit dem Auftrag, eine konsensfähigere Lösung zu finden. Dabei sollte im wesentlichen der Schutz der Produzenten, der Werkvermittler und der verschiedenen Nutzerkreise verbessert sowie das kollektive und auftragsabhängige Werkschaffen vermehrt berücksichtigt werden. Daneben wäre auch einem differenzierten Leistungsschutz (Interpreten, Computerprogramme usw.) sowie einer verstärkten Kontrolle der Verwertungsgesellschaften Rechnung zu tragen. Nach Bundesrätin Kopp könnte ein überarbeiteter Entwurf in zwei Jahren vorgelegt werden. Das Ungenügen der geltenden Regelung verdeutlichte auch ein Bundesgerichtsentscheid, der die Verletzung von Urheber- und Persönlichkeitsrechten von Orchestermusikern verneinte, wenn öffentliche Veranstaltungen zu privaten Zwecken in Bild und Ton festgehalten werden (BGE 110 II 411).

Bibliotheken als Orte der Werksnutzung stehen auch im neuen Urheberrecht zur Diskussion. Der Nationalrat schloss sich bei dessen Behandlung mit Unterstützung aller Fraktionen dem Rückweisungsentscheid des Ständerates aus dem Vorjahr an. Seine vorberatende Kommission war mit der kleinen Kammer der Meinung, dass die Landesregierung einen zu urheberfreundlichen Kurs eingeschlagen habe und dass aktuelle Entwicklungen zu wenig berücksichtigt worden seien. Eine parlamentarische Initiative Morf (sp, ZH; Pa.Iv. 83.225) für den Erlass eines neuen Ton- und Bildschutzgesetzes wurde vom Nationalrat abgeschrieben. Dieser überwies dafür eine Motion seiner vorberatenden Kommission, wonach die Anliegen der Initiantin durch Übernahme wesentlicher Elemente im neuen Urheberrechtsgesetz berücksichtigt werden sollen.

Höhere Wogen schlug die Botschaft des Bundesrates für ein totalrevidiertes Bundesgesetz über das Urheberrecht. Obgleich der eher autorenfreundliche Entwurf der Expertenkommission in der Vernehmlassung grundsätzlich nicht schlecht aufgenommen worden war – einzig die FDP verhielt sich deutlich ablehnend –, hatte der Bundesrat die Verwaltung angewiesen, noch einmal über die Bücher zu gehen. Der neue Gesetzesvorschlag, der erwarteterweise auch Computerprogramme dem Urheberrecht unterstellt, während für die Halbleiter-Topographien («Chips») ein separater Gesetzesentwurf ausgearbeitet wurde, entschied nun in den beiden neuralgischsten Punkten – Massennutzung und rechtliche Stellung des Arbeitnehmers – deutlich zugunsten der Werknutzer und der Produzenten und gegen die Urheber.

Es war deshalb nicht verwunderlich, dass die FDP sogleich nach Veröffentlichung der Botschaft ihre Genugtuung über den neuen Gesetzesentwurf kundtat. Die Arbeitsgemeinschaft der Urheber (AGU) zeigte sich hingegen empört über den Entwurf des Bundesrates. Der Entscheid, die Massennutzung zum privaten Gebrauch weiterhin gebührenfrei zu halten – also keine Abgaben für Kopiergeräte oder Leerkassetten einzuführen, wie dies die meisten europäischen Länder bereits getan haben –, und die arbeitgeberfreundliche Korrektur bei der Rechtszuordnung an Werken, die im Arbeitsvertrag oder unter der Verantwortung eines Produzenten geschaffen werden, wurde von der AGU als Affront empfunden. In den folgenden Wochen und Monaten gelangten Kulturschaffende aller Sparten immer wieder an die Öffentlichkeit. Im November stiegen sie dann gemeinsam auf die Barrikaden: In einer vielbeachteten Pressekonferenz griffen die Vertreter der 18 in der AGU zusammengeschlossenen Organisationen die Haltung des Bundesrates mit harten Worten an – von «reinem Zynismus» und von einer «kalten Enteignung der Urheber» war da die Rede – und sie drohten mit dem Referendum, falls das Parlament das Gesetz in der vorliegenden Form verabschieden sollte.

Der Entwurf für ein neues Urheberrecht, welchen viele Kulturschaffenden nach wie vor als autorenfeindlich bekämpfen, wurde im Berichtsjahr von der zuständigen Ständeratskommission diskutiert. Sie sprach sich grundsätzlich für Eintreten auf die Vorlage aus, behielt sich aber vor, gewisse urheberfreundlichere Akzentverschiebungen vorzunehmen.

Das revidierte Urheberrechtsgesetz nahm im Ständerat eine erste Hürde. Das Bundesgesetz über den Schutz der Topographien von integrierten Schaltungen (Topographiengesetz, ToG) sowie der Bundesbeschluss über verschiedene völkerrechtliche Verträge auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wurden diskussionslos und einstimmig verabschiedet. Beim Kernstück der Vorlage, dem Bundesgesetz über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) krempelte die kleine Kammer jedoch die bundesrätlichen Vorschläge völlig um und stellte Schutz und Recht der Urheber in den Vordergrund.

Mit der Einführung einer Abgabe auf leeren Ton- und Videokassetten sollen die Urheber dafür entschädigt werden, dass ihre Werke häufiger kopiert als verkauft werden. Unklar blieb dabei aber noch, wie die Interpreten an diesen Abgaben zu beteiligen sind. Fotokopien in Schulen, Betrieben und öffentlichen Verwaltungen sollen gebührenpflichtig werden, Schriftstellerinnen und Schriftsteller inskünftig eine Vergütung erhalten, wenn ihre Bücher in öffentlichen Bibliotheken ausgeliehen werden ("Bibliotheksrappen"), und die bildenden Künstler mit einem Folgerecht an einer späteren Wertsteigerung ihrer Werke beteiligt werden. Die Werke sollen zudem 70 Jahre über den Tod des Urhebers hinaus geschützt bleiben und nicht nur 50 Jahre, wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

Auch in der strittigen Frage der Rechte an Kollektivwerken, die im Auftrag eines Produzenten geschaffen werden, setzte sich im Rat eine urheberfreundliche Linie durch. Bundesrat und Kommissionsmehrheit hatten vor allem auf Betreiben der SRG vorgeschlagen, dass die Rechte am Kollektivwerk ganz auf den Produzenten übergehen sollten. Der Ständerat entschied sich nun wieder für die bereits geltende völlige Vertragsfreiheit.

Einen nutzerfreundlichen Entscheid fällte die Kammer hingegen bei den Rechten an Werken, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschaffen werden. Wenn.nichts anderes vereinbart wird, sollen hier die Rechte dem Arbeitgeber gehören. Ein Streichungsantrag Onken (sp, TG), der die Vertragsfreiheit hatte spielen lassen wollen, scheiterte, wenn auch nur knapp, ebenso ein Vorschlag Simmen (cvp, SO), welcher diese Vertragsfreiheit zwingend festschreiben wollte.

Die ad hoc-Arbeitsgemeinschaft der Urheber (AGU), welche den bundesrätlichen Vorschlag mit Protestaktionen und Gutachten heftigst bekämpft hatte, anerkannte die deutlichen Verbesserungen, welche der Ständerat am URG vorgenommen hatte, zeigte sich aber enttäuscht darüber, dass durch den Verzicht auf die Einführung einer Vergütung auf Fotokopiergeräten die private Kopiertätigkeit weiterhin vom Urheberrecht ausgenommen bleibe. Demgegenüber kritisierten die Bibliothekare und Dokumentalisten die Einführung des "Bibliotheksrappens", welcher den Beitrag der Bibliotheken zur Förderung des literarischen Schaffens verkenne und deren Anschaffungsbudgets empfindlich treffe.

Die vorberatende Kommission des Nationalrates verabschiedete das Gesetz einstimmig und folgte dabei weitgehend der urheberfreundlichen Version des Ständerates. Sie beschloss jedoch, angesichts des Widerstands der Bibliothekare dem Rat zu beantragen, den "Bibliotheksrappen" nicht einzuführen. Dafür soll das Fotokopieren von Werken in Bibliotheken und Instituten zum privaten Gebrauch vergütungspflichtig werden. Weil sich namhafte Kulturschaffende wie etwa Tinguely oder Luginbühl dagegen ausgesprochen hatten, und um den freien Kunstmarkt nicht zu gefährden, verzichtete die Kommission auch auf das Folgerecht beim Wiederverkauf von Kunstwerken. Über die Beschlüsse des Ständerates hinausgehend wird die Kommission dem Rat aber vorschlagen, bei den Abgaben auf Leerkassetten die Interpreten den eigentlichen Werkschöpfern gleichzustellen.

Die Revision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) von 1922 konnte nach mehreren Anläufen endlich zu Ende gebracht werden. Im Vorfeld der Behandlung im Nationalrat war es sowohl von Produzenten- wie von Nutzerseite erneut zu Referendumsdrohungen gekommen. Die Nutzer - vor allem die SRG, die PTT, die Grossverteiler und das Gastgewerbe - stiessen sich daran, dass der Ständerat die bundesrätliche Vorlage stark verändert und dabei bedeutend urheberfreundlichere Akzente gesetzt hatte (Leerkassettenabgabe, Folgerecht für bildende Künstler, "Bibliotheksrappen", Produzentenartikel). Die Urheber konnten ihrerseits nicht akzeptieren, dass die vorberatende Nationalratskommission beim "Bibliotheksrappen" und dem Folgerecht wieder zurückkrebsen wollte. Die Mehrheit des Nationalrates teilte die Bedenken der Bibliothekare, dass die Einführung einer Abgabe auf der Bibliotheksausleihe zu unverhältnismässigem administrativem Aufwand und letztlich zu einer Schwächung der Stellung der Literatur führen würde und strich den "Bibliotheksrappen" wieder aus der Vorlage. Die Ratsminderheit blieb mit ihrem Argument chancenlos, die Kulturkonsumierenden dürften sich nicht auf Kosten der Kulturschaffenden bereichern. Auch ein Antrag, den "Bibliotheksrappen" aus der Bundeskasse zurückzuerstatten, wurde deutlich verworfen. Kommissionssprecher Couchepin (fdp, VS) und Bundesrat Koller machten geltend, dass für die Autorinnen und Autoren eine Kompensation durch eine Abgabe auf Fotokopien in Bibliotheken geschaffen werden solle ("Kopierfünfer"); damit werde zudem vermieden, Bestsellerautoren einseitig zu begünstigen. Etwas weniger deutlich wurde das Folgerecht für bildende Kunst abgelehnt, welches selbst in Urheberkreisen recht umstritten war, da es den Kunsthandel aus der Schweiz hätte abdrängen können, worunter vor allem junge, noch nicht arrivierte Künstler leiden würden. Vergeblich plädierten David (cvp, SG), Poncet (lp, GE) und die SD/Lega-Fraktion zugunsten dieser neuen Entschädigung für Maler und Bildhauer. Auch Bundesrat Koller vermochte mit seinem Hinweis, dass das Folgerecht bereits in acht von zwölf EG-Staaten gelte und eine europäische Rechtsharmonisierung in diese Richtung gehe, den Rat nicht umzustimmen. Urheberfreundlich erwies sich die grosse Kammer hingegen bei den Abgaben auf Leerkassetten, deren Erlös sowohl den Urhebern wie den Interpreten zugute kommen soll, sowie bei den Bestimmungen über die Rechte an Werken, die im Auftragsverhältnis geschaffen werden (Produzentenartikel). Hier soll, wie vom Ständerat vorgeschlagen, die völlige Vertragsfreiheit gelten. Mit klarem Mehr bestätigte der Nationalrat auch die Ausdehnung der Schutzdauer auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Von einer Petition des Schweizerischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbandes, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen, nahm der Rat Kenntnis, gab ihr aber keine Folge.

Beim Folgerecht, dem "Bibliotheksrappen" bzw. "Kopierfünfer" und beim Produzentenartikel schwenkte der Ständerat in der Differenzbereinigung auf die Linie des Nationalrates ein, vorerst aber nicht bei der Gleichstellung zwischen Urhebern und Interpreten, da dies zu einer Benachteiligung der Konsumenten führen könnte. Als die grosse Kammer jedoch einstimmig auf ihrem Standpunkt beharrte, gab der Ständerat seinen Widerstand auf, so dass die Vorlage in der Herbstsession in beiden Kammern – und mit nur einer einzigen Gegenstimme im Nationalrat – definitiv verabschiedet werden konnte. Gleichzeitig genehmigten beide Räte einstimmig das Bundesgesetz über den Schutz von Topographien von integrierten Schaltungen (Topographiengesetz, ToG).

Auf 1. Juli trat das neue Urheberrecht in Kraft. Es bringt wesentliche Verbesserungen für den Besitzer des geistigen Eigentums (Kunstschaffende und Produzenten), gleichzeitig aber auch Kosten für die Konsumentinnen und Konsumenten. Damit das private Kopieren (Musik, Filme, Bücher, Zeitungen etc.) abgegolten werden kann, muss künftig auf leeren Tonband- und Videokassetten sowie fürs Fotokopieren eine Abgabe bezahlt werden, doch war deren Ausmass bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht bekannt.

Im Streit zwischen Urheberrechtsgesellschaften und Nutzern über die Höhe der Leerkassettengebühr auf unbespielten Ton- und Bildträgern entschied die Eidg. Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten, den Tarif pro Stunde für Tonträger auf 38 Rappen und für Bildträger auf 53 Rappen festzusetzen. Beide Parteien reichten darauf beim Bundesgericht Beschwerde ein. Zusätzlich beantragten die Nutzer die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Dieses Gesuch wurde vom Bundesgericht abgelehnt, weshalb zumindest vorübergehend der von der Schiedskommission festgelegte Tarif zum Tragen kommt.