Im Frühjahr gab der Bundesrat seine Vorschläge für eine neue Informationspolitik der Verwaltung in die Vernehmlassung. Unter dem Titel Öffentlichkeitsprinzip sollen die Bürger grundsätzlich ein Recht auf den Zugang zu amtlichen Dokumenten erhalten und Informationen dazu verlangen dürfen. Allerdings soll dieses Recht nicht uneingeschränkt gelten. So kann es eingeschränkt werden, wenn durch die Transparenz die freie Willensbildung einer Behörde, die innere oder äussere Sicherheit des Landes oder weitere Interessen auf dem Spiel stehen. So würden etwa Stellungnahmen von Bundesämtern vor Bundesratsentscheiden erst nach dem Entscheid zugänglich, und die Stellungnahmen der Bundesräte zu diesen Geschäften weiterhin geheim bleiben. (Zu den Motionen aus den Vorjahren siehe hier.)

Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Der Bundesrat nahm im Frühjahr von den Vernehmlassungsantworten auf sein Projekt für die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Verwaltung Kenntnis und beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage. Kritik hatten insbesondere die kommerziell tätigen Bundesbetriebe (Post, SBB etc.) angemeldet, die davon wirtschaftliche Nachteile gegenüber ihren privaten Konkurrenten befürchten.

Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Der Bundesrat legte seine Botschaft für die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung vor. Dieses Prinzip wurde in der Schweiz zuerst vom Kanton Bern (1993) und später auch von Genf, Jura und Solothurn eingeführt, international ist es weit verbreitet (u.a. in Schweden, Frankreich, Grossbritannien, USA). Damit soll der bisher geltende Grundsatz aufgehoben werden, dass amtliche Dokumente geheim sind, und nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren) oder nach dem freien Ermessen der Behörden für Dritte zugänglich sind. Neu wird ein durchsetzbares Recht auf den Zugang zu amtlichen Akten postuliert. Dieses kann allerdings zum Schutz von überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen eingeschränkt werden, wobei diese Ausnahmen im Gesetz abschliessend aufgezählt werden. Dazu gehört etwa der Fall, dass durch eine Veröffentlichung die freie Meinungs- und Willensbildung einer Behörde beeinträchtigt würde, oder dadurch die innere oder äussere Sicherheit des Schweiz gefährdet wäre. Überwiegende private Interessen, welche einen Zugang zu Akten verhindern, liegen vor, wenn die Privatsphäre erheblich beeinträchtigt oder ein Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnis verraten würde. Der Geltungsbereich wurde im Vergleich zur Vernehmlassungsversion eingeschränkt. Nicht zur zentralen Bundesverwaltung gehörende Organisationen, welche öffentliche Funktionen erfüllen, sind nur dann betroffen, wenn sie die Kompetenz haben, Verfügungen zu erlassen (z.B. Nationalfonds, Pro Helvetia, SBB, Post), wobei sich das Öffentlichkeitsprinzip auf Akten im Zusammenhang mit dieser speziellen Kompetenz beschränkt. Der Gesetzesentwurf sieht für den Zugang zu amtlichen Dokumenten ein einfaches und rasches Verfahren vor. In Streitfällen soll zuerst eine Schlichtungsstelle angerufen werden können und, beim Scheitern dieser Schlichtung, ein ordentliches Verfahren mit einem gerichtlich anfechtbaren Beschluss der Amtsstelle zur Verfügung stehen.

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Der Ständerat befasste sich in der Wintersession mit dem Vorschlag zum Öffentlichkeitsprinzip. Nachdem Eintreten unbestritten war, wobei es in der Diskussion auch Kritik am grossen Umfang der Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip gab, nahm der Rat einige Detailänderungen vor. Mit relativ knapper Mehrheit (23:13) lehnte er einen Antrag der Kommissionsminderheit ab, dass die Bestimmungen nicht nur für Dokumente gelten sollen, welche nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes von den Behörden verfasst oder empfangen worden sind, sondern auch für früher erstellte, soweit sie nicht bereits archiviert worden sind. Da der Rat vermutete, dass nach der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips das Interesse an den geheim bleibenden Dokumenten anwachsen würde, stimmte er einem Postulat seiner SPK zu (03.3580), welches den Bundesrat auffordert, die Verschärfung der Strafbestimmungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zu überprüfen.

Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Der Nationalrat stimmte als Zweitrat der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung ebenfalls zu. Nachdem Eintreten unbestritten war, beschloss er einige kleine Abweichungen zum Ständerat. Die materiell wichtigste war, dass das Öffentlichkeitsprinzip für amtliche Dokumente nur dann gilt, wenn der politische oder administrative Entscheidungsprozess, zu dem sie gehören, abgeschlossen ist. Der Nationalrat bestätigte unter anderem den Entscheid der kleinen Kammer, dass die Transparenz für Akten nicht gelten soll, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erstellt worden sind. Er bekräftigte zudem die vielen vom Bundesrat beantragten und vom Ständerat beschlossenen Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip. Die wenigen Differenzen zwischen den beiden Räten waren rasch ausgeräumt und die Neuerung konnte im Berichtsjahr verabschiedet werden, wobei sich die SP bei der Schlussabstimmung im Nationalrat wegen der Einschränkungen und Ausnahmeregelungen der Stimme enthielt. (Zur Volksinitiative, die dem Bundesrat und der Verwaltung Medienauftritte bei Volksabstimmungen verbieten will, siehe hier)

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Das Ende 2004 verabschiedete Gesetz über die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung wurde nach einigen Verzögerungen auf den 1. Juli in Kraft gesetzt. Gemäss dem Bundesrat hatten namentlich Bedenken und Einwände von Datenschutzfachleuten eine raschere Vorgehensweise verhindert. Die von den Datenschützern, welche bei Streitfällen als Schlichtungsinstanz fungieren, erhobene Forderung nach zusätzlichen Stellen lehnte die Regierung ab. (Siehe dazu auch die Antwort auf die Interpellation Wicki (cvp, LU)).

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