Die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) beider Parlamentskammern möchten die Totalrevision der Bundesverfassung nutzen, um auch die Beziehungen zwischen Regierung und Parlament teilweise neu zu ordnen. Ihr am 6. März verabschiedeter Zusatzbericht schlägt gewisse Kompetenzverschiebungen zugunsten der Bundesversammlung sowie einige Neuerungen bei der Organisation der parlamentarischen Arbeit vor. Die wohl bedeutendste der beantragten Kompetenzverschiebungen betrifft die Aussenpolitik. Hier soll in Zukunft nicht mehr die Regierung, sondern das Parlament die wichtigen Zielsetzungen beschliessen. Im weiteren soll die bereits bestehende Praxis, dass das Parlament über wichtige Bundesprojekte entscheiden und bei der allgemeinen politischen Planung mitwirken kann, verfassungsmässig abgesichert werden. Mehr Mitwirkungsrechte sieht der Entwurf auch beim Erlass von Verordnungen vor. Das Parlament soll das Recht erhalten, das vom Bundesrat dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich vorzugeben. Verordnungen, die sich nicht auf Gesetze, sondern direkt auf den Verfassungsauftrag (Schutz der Landesinteressen sowie der inneren und äusseren Sicherheit) stützen, müssten gemäss Kommissionsentwurf nachträglich vom Parlament genehmigt werden. Als weitere Neuerung schlugen die Kommissionen vor, die in den beiden Räten nicht gleich gehandhabte Anwendung der verbindlichen Aufträge an den Bundesrat in der Form von Motionen zu klären. Bisher hatte der Bundesrat oft Motionen aus formellen Gründen als sogenannt unechte Motionen bekämpft, weil sie seine eigenen oder an ihn delegierte Kompetenzbereiche betrafen. Der Ständerat hatte für diese Fälle 1986 anstelle der Motion das Instrument der Empfehlung eingeführt, sich in der Praxis allerdings nicht immer daran gehalten. Neu soll nun – als Alternative oder als Ergänzung zur Motion – das neue Instrument des Auftrags geschaffen werden. Für den Kompetenzbereich des Parlaments wäre ein derartiger Auftrag wie die bisherigen Motionen verbindlich; für den Kompetenzbereich der Regierung oder an sie delegierte Bereiche käme ihm der Charakter einer Richtlinie zu. Für Leistungsaufträge im Rahmen der Verwaltungsführung nach den Prinzipien des NPM hat das Parlament diese Neuerung im Berichtsjahr bereits eingeführt.
Im Bereich der Parlamentsorganisation sieht der Entwurf vor, dass die Ratspräsidien durch die Wahl eines zweiten Vizepräsidenten gestärkt, und die Parlamentsdienste vollständig, das heisst auch administrativ, der Bundesversammlung unterstellt werden. Die parlamentarischen Kommissionen sollen aufgewertet werden, indem ihnen gewisse Entscheidkompetenzen übertragen werden. Gedacht wird dabei an Beschlüsse im Zusammenhang mit der administrativen Parlamentsorganisation, aber auch der parlamentarischen Oberaufsicht (z.B. Genehmigung des Geschäftsberichtes), hingegen nicht an die Gesetzgebung.
Schliesslich nahm der Vorschlag der SPK auch zwei alte Anliegen auf: Erstens sollen die Wählbarkeitskriterien für die Bundesversammlung flexibler und für beide Räte gleich gestaltet werden. In Zukunft soll nur noch Personen, die an den Entscheidungsprozessen der Regierung beteiligt sind, die Ausübung eines Parlamentsmandats verwehrt sein. Die generelle Inkompatibilität eines Nationalratsmandats mit einer Bundesbeamtenstelle – und auch mit einem geistlichen Amt – würde damit aufgehoben. Zweitens möchte die Reform eine Ombudsstelle für den Verkehr der Bürger mit der Verwaltung schaffen. Ein entsprechender Vorstoss war 1994 vom Nationalrat als überflüssig abgelehnt worden.