Ausrichtungsdebatte in der FDP

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Um die Diskussion an der Basis über die Zukunft der Partei anzuregen, setzte die FDP Anfang Dezember drei Arbeitsgruppen ein: Die erste Arbeitsgruppe „avenir radical“ unter der Leitung des neu gewählten Zürcher Nationalrats und FDP-Vizepräsidenten Ruedi Noser sollte das Programm der FDP durchleuchten; die zweite Arbeitsgruppe „Wahlvorbereitung April04“ unter der Leitung der Appenzell Ausserrhoder Nationalrätin und FDP-Vizepräsidentin Marianne Kleiner befasste sich mit Personalfragen, welche im Rahmen der turnusgemässen Wahlen für Präsidium und Geschäftsleitung an der FDP-Delegiertenversammlung vom April 2004 geregelt werden sollen; die dritte Arbeitsgruppe unter der Leitung von Generalsekretär Guido Schommer hatte schliesslich den Auftrag, die Parteistrukturen zu überprüfen. Das Ziel sei eine flexiblere und effizientere Arbeitsweise. Das gesamte Projekt wird den Delegierten im Januar 2004 vorgestellt.

An der ausserordentlichen Delegiertenversammlung in Bern von Anfang Januar stellte Vizepräsident Ruedi Noser (ZH) das Projekt „Avenir radical“ vor, mit dessen Hilfe die Partei sich profilieren möchte. Die Diskussion um die Parteileitung, die in den Tagen vor dem Anlass die Medien dominiert hatte, war offiziell kein Thema. Exponenten des rechten Parteiflügels um den St. Galler Nationalrat Peter Weigelt hatten eine Debatte über liberale Grundpositionen und neue Köpfe an der Spitze der Partei gefordert. Mit 199:9 Stimmen beschlossen die Delegierten diskussionslos die Ja-Parole zum neuen Mietrecht und sprachen sich nach kurzer Debatte mit 211:15 Stimmen auch für den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative aus. Die Verwahrungsinitiative lehnten sie ab.

Mitte Mai präsentierte die FDP-Spitze im Rahmen von Avenir radical 28 aus den insgesamt über 400 eingereichten Projektvorschlägen. Auf breite Zustimmung stiessen die Reform des Bildungs- und Sozialwesens, die Einführung von kostenlosen Tagesschulen und die Lebensarbeitszeit; Vorschläge wie die Abschaffung der Dienstpflicht, das Stimmrechtsalter 16, das Road-Pricing oder die Verkleinerung des Nationalrats auf 150 Mitglieder stiessen auf wenig Gegenliebe.

An der Delegiertenversammlung in Zofingen (AG) machte Parteipräsident Schweiger – nicht zuletzt im Hinblick auf die Sololäufe von Neu-Nationalrat Filippo Leutenegger (ZH) – klar, dass er von seiner Partei künftig einen einheitlichen Auftritt erwarte. Vor einem Sachentscheid seien Meinungsvielfalt und Debatten erwünscht, nach der Ausmarchung aber dürfe es kein Abweichlertum mehr geben. Mit 257:10 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen die Freisinnigen die Ja-Parole zur NFA, die im November zur Abstimmung kam, und mit 263:25 Stimmen bei einer Enthaltung resp. 250:45 Stimmen die Annahme der Einbürgerungsvorlagen. Die Konferenz der Kantonalpräsidenten hatte die Nein-Parole zur Post-Initiative herausgegeben. Hauptgeschäft der Delegiertenversammlung bildete aber der Ausbau der Führungsstrukturen der Partei. Neu ins Vizepräsidium gewählt wurde der Kantonalpräsident der Walliser FDP, Léonard Bender. Er teilt sich das Amt mit der Tessiner Regierungsrätin Marina Masoni, die Gabriele Gendotti ablöste. Bestätigt wurden zudem der Zürcher Nationalrat Ruedi Noser und seine Ausserrhoder Kollegin Marianne Kleiner, die neu als Stellvertreterin Schweigers amtiert. Ausserdem nahmen Daniel Helfenfinger (SO) als Vertreter der Jungpartei sowie Marianne Dürst (GL) für die FDP-Frauen im siebenköpfigen Spitzengremium Einsitz. Die FDP-Frauen wählten mit der früheren FDP-Sprecherin Barbara Perriard erstmals eine eigene Generalsekretärin. Schliesslich bestellten die Freisinnigen einen für die politische Aussenwirkung der Partei zuständigen Koordinationsausschuss, der die Bundeshausfraktion stärker in die Führungsarbeit einbindet, sowie die mit 15 neuen Mitgliedern aufgestockte Geschäftsleitung.

Mitte September billigte die FDP an einer „freisinnigen Landsgemeinde“ in Stans (NW) jene sechs Schwerpunkte von „Avenir radical“, welche die Parteibasis im Sommer in der Vernehmlassung ausgewählt hatte. Gemäss Parteipräsident Schweiger stehen sie einerseits für eine „zeitgemässe Gesellschaftspolitik“ (Sozialleistungen sollen nicht länger Negativanreize zum Arbeiten setzen, Einführung der Individualbesteuerung und bundesweite Harmonisierung des Schulsystems), andererseits für eine „chancengerechte Wachstumspolitik“ (Abbau von Subventionen, mehr Wettbewerb durch Öffnung der Märkte sowie eine generelle Vereinfachung des Steuersystems). Ein Antrag für ein Anreizsystem für ökologisches Wachstum wurde abgelehnt.