Verrechnung der Gerichtskosten mit den Genugtuungsansprüchen aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 13.466)

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Wenn gegenüber einer beschuldigten Person im Strafprozess rechtswidrige Zwangsmassnahmen angewandt wurden, hat diese Person gemäss geltender Strafprozessordnung Anspruch auf Genugtuung. Eine solche rechtswidrige Zwangsmassnahme kann beispielsweise darin bestehen, dass die Dauer der Untersuchungshaft länger war als die schliesslich verhängte Strafe. Falls der Staat einer verurteilten Person eine solche Entschädigung zahlen muss, stellt sich die Frage, ob diese Genugtuung mit den Gerichtskosten, welche der verurteilten Person auferlegt werden, verrechnet werden kann oder nicht. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte die RK-NR den unklaren Wortlaut von Art. 442 Abs. 4 StPO ändern, „um die widersinnige Situation auszuschliessen, dass der Staat einer verurteilten Person erst eine Entschädigung bezahlen muss und danach Schritte einleiten muss, um die eben dieser Person auferlegten Gerichtskosten einzufordern“, so die Begründung des Vorstosses. Die Schwesterkommission (RK-SR) betonte jedoch, dass solche Entschädigungszahlungen nur bei sehr problematischen Haftbedingungen ein Thema seien und es in diesen Fällen wichtig sei, dass die geschädigte Person tatsächlich eine Genugtuung erhalte, und sprach sich mit 5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Initiative aus. Die RK-NR wollte im Sinne der Prozessökonomie am Vorstoss festhalten und argumentierte, die Umsetzung der Initiative könne im Rahmen der ohnehin anstehenden StPO-Revision (als Folge der Überprüfung der StPO auf ihre Praxistauglichkeit) erfolgen. In der Herbstsession 2015 liess sich der Nationalrat von der Argumentation seiner Kommission mehrheitlich überzeugen und gab der Initiative mit 130 zu 53 Stimmen Folge.

Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Im Januar 2016 gab auch die RK-SR einer parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission Folge, die die Strafprozessordnung dahingehend ändern wollte, dass Genugtuungsansprüche aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen mit den Gerichtskosten verrechnet werden können.

Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Nachdem das Anliegen im Rahmen der Revision der Strafprozessordnung diskutiert und verworfen worden war, zog die RK-NR ihre parlamentarische Initiative zur Verrechnung von Genugtuungsansprüchen mit den Gerichtskosten im Juni 2022 zurück.

Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)