Accorder la qualité de personne exerçant une activité lucrative indépendante en tenant compte de la volonté des parties (Iv. pa. 18.455)

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Im Herbst 2018 reichte Jürg Grossen (glp, BE) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er neben dem Mass der organisatorischen Unterordnung und des unternehmerischen Risikos auch den Parteiwillen der Betroffenen bei der Festlegung, ob eine Person gemäss ATSG selbständigerwerbend oder angestellt ist, berücksichtigt haben wollte. Demnach würden Dienstleistungserbringende von den Sozialversicherungen immer häufiger als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klassifiziert, auch gegen ihren Willen.
Im November 2019 gab die SGK-NR der Initiative mit 15 zu 7 Stimmen (bei 1 Enthaltung) Folge, zumal die entsprechenden Rahmenbedingungen «einfach und moderat weiterentwickel[t]» werden sollten. «Im Lichte der Erfahrungen während der Covid-19-Krise», welche die Probleme einer Einstufung als Selbständigerwerbende aufgezeigt hatte, entschied sich jedoch die SGK-SR mit 11 zu 1 Stimmen gegen Folgegeben. Stattdessen wollte sie die Absicherung von sozial schwachen Selbständigen in den Mittelpunkt stellen.
In der Herbstsession 2022 wurde die Initiative im Nationalrat behandelt. Zuvor war die nationalrätliche Kommission mehrheitlich bei ihrer Einschätzung geblieben und hatte Folgegeben empfohlen. Der Status von Personen, die über Arbeitsplattformen (z.B. Uber) beschäftigt sind, müsse «aufgrund der veränderten Arbeitsrealitäten» diskutiert werden, argumentierte sie. Eine Minderheit von Flavia Wasserfallen (sp, BE) sprach sich jedoch gegen Folgegeben aus, zumal der vom Bundesrat im Oktober 2021 publizierte Bericht zur Prüfung einer Flexibilisierung des Sozialversicherungsrechtes keinen Bedarf für eine Erhöhung der Flexibilität ausgemacht habe. Eine Berücksichtigung der Parteivereinbarungen lehnte die Minderheit überdies ab, da «diese selten auf Augenhöhe abgeschlossen» würden, wie die Minderheitensprecherin betonte. Mit 127 zu 57 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Folgegeben aus, die ablehnenden Stimmen stammten von den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion.

In der Sommersession 2023 setzte sich der Ständerat mit der parlamentarischen Initiative von Jürg Grossen (glp, BE) auseinander. Diese verlangte, dass bei der Festlegung, ob eine Person gemäss ATSG selbständigerwerbend oder angestellt ist, auch der Wille der Betroffenen berücksichtigt wird. Zuvor hatte sich die Mehrheit der SGK-SR erneut gegen Folgegeben ausgesprochen, da sie «keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf» sah. Jedoch gebe es Verbesserungspotenzial bei der Information aller Vertragsparteien bezüglich des Rechtsstatus der Beschäftigten. Eine Minderheit Germann (svp, SH) beantragte Folgegeben, zumal die Betroffenen dieser neuen Arbeitsformen durch die aktuelle Regelung wirtschaftlich eingeschränkt würden. Nach Annahme könne die SGK-NR die «Sachlage detailliert prüfen» und allenfalls die soziale Absicherung im Entwurf stärken. Mit 26 zu 16 Stimmen sprach sich der Ständerat für Folgegeben aus. Die befürwortenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP, der FDP und der Mitte. Somit lag es nun an der nationalrätlichen Kommission, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.

Im Februar 2025 präsentierte die SGK-NR ihren Entwurf für ein Bundesgesetz über die Anpassung von Bestimmungen für Selbstständigerwerbende im Sozialversicherungsrecht. Darin sollen gemäss Kommission die «Hauptkriterien für die Bestimmung des Beitragsstatus» im ATSG festgehalten werden, wobei neben diesen Kriterien auch «allfällige Parteivereinbarungen» Berücksichtigung finden sollen. Schliesslich soll eine Möglichkeit für Unterstützung der Selbstständigerwerbenden bei der Abrechnung der Beiträge – etwa durch die Plattformunternehmen – geschaffen werden. Es lagen jedoch auch verschiedene Minderheitsanträge vor, etwa auf Nichteintreten (Minderheit Meyer: sp, ZH) oder auf Beschränkung der Berücksichtigung der Parteivereinbarungen auf Grenzfälle (Minderheit Rechsteiner: mitte, AI).

Zwischen Juli und November 2024 hatte die Kommission eine Vernehmlassung durchgeführt. Von den 60 Teilnehmenden lehnte die Mehrheit – 20 Kantone und 16 Organisationen, darunter die SP, die Grünen sowie die Gewerkschaften – den Entwurf insgesamt ab. Viele von ihnen kritisierten die Neuregelung als Abschwächung des sozialen Schutzes der Erwerbstätigen, auch aufgrund des Machtgefälles zwischen den Plattformen und den Erwerbstätigen, und verwiesen auf den Flexi-Test-Bericht, der die Flexibilisierung des Sozialversicherungsrechts als nicht nötig erachtete. Befürwortet wurde eine Neuregelung hingegen unter anderem von zwei Kantonen (AG, LU), der SVP, FDP und GLP. Diese unterschieden sich aber in ihren Ansichten bezüglich der zukünftigen Stellung von Parteivereinbarungen: Eine Kommissionsmehrheit hatte vorgeschlagen, diese nur bei Grenzfällen zu berücksichtigen, während eine Minderheit Silberschmidt (fdp, ZH) den Parteivereinbarungen dieselbe Relevanz zusprechen wollte wie den definierten Kriterien. Die Kantone Aargau und Luzern befürworteten zusammen mit zwei Organisationen den Mehrheitsantrag; die Mehrheit der Stellungnehmenden, die eine Änderung wollten, sprach sich jedoch für den Minderheitsantrag Silberschmidt aus, wobei etwa die SVP Beitragsmöglichkeiten für Selbständige forderte, um ihre soziale Absicherung zu gewährleisten. In der Folge entschied die Kommissionsmehrheit, den Minderheitsantrag Silberschmidt in den Entwurf zu übernehmen.