Impfungen von öffentlichem Interesse müssen für alle zugänglich sein (Kt.Iv. 21.319)

Sauvegarder en format PDF

Im September 2021 reichte der Kanton Jura eine Standesinitiative ein, mit der er den weltweiten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen verlangte. Darin nahm das jurassische Kantonsparlament eine Debatte im Rahmen der WTO auf und kritisierte die einseitige Verteilung der Impfstoffe: Während die reichen Staaten für 13 Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der Impfdosen reserviert hätten, fehlten für die ärmeren Regionen Impfstoffe und Spendengelder zur Beschaffung der Impfstoffe. Zur Verbesserung der Situation sei eine Lockerung des Patentschutzes, wie sie gemäss einem WTO-Abkommen von 1995 in gesundheitlichen Notlagen möglich sei, nötig. Die Schweiz müsse daher «darauf pochen», dass von dieser WTO-Regelung Gebrauch gemacht werde.
Als die SGK-SR die Initiative im Oktober 2022 behandelte, hatte sich die Situation allerdings verändert: Aktuell sei die Impfstoffnachfrage rückläufig, es müssten gar Impfstoffe vernichtet werden, begründete die Kommission unter anderem ihren einstimmigen Antrag, der Initiative keine Folge zu geben. Auch in Krisenzeiten müsse zudem geistiges Eigentum zur Förderung von Innovation geschützt werden.

In der Wintersession 2022 folgte der Ständerat der SGK-SR und beschloss, der Standesinitiative des Kantons Jura, die einen weltweiten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen forderte, stillschweigend keine Folge zu geben.
Für die Kommission sprach Hans Stöckli (sp, BE) und betonte, dass heute nicht der Zugang zu den Impfstoffen, sondern die dafür notwendige Logistik die primäre Schwierigkeit darstelle. Eine Aufweichung des Patentschutzes sei nicht zielführend, so der Ständerat. Die einzige weitere Wortmeldung kam von Carlo Sommaruga (sp, GE), der sich mit dem Anliegen des Kantons solidarisierte und erläuterte, dass Patentregelungen dem medizinischen Fortschritt eher im Weg stünden, als dass sie ihn beschleunigten und die Standesinitiative deshalb ihre Berechtigung habe.

Auch die Mehrheit der SGK-NR entschied sich dafür zu empfehlen, der Standesinitiative des Kantons Jura, die forderte, dass ein weltweiter Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewährleistet wird, keine Folge zu geben.
In der Frühjahrsession 2024 argumentierte eine Minderheit Porchet (gp, VD) im Nationalrat gegen diese Empfehlung. Es stimme, dass die Situation heute anders sei, als zur Zeit der Pandemie, in der die Initiative lanciert worden sei. Jedoch sei das Anliegen, dass die Schweiz während Pandemien ihrer humanitären Pflicht nachkomme, unabhängig von der Covid-19-Pandemie gültig. Eine solidarischere Verteilung der Impfstoffe und eine Lockerung des Patentschutzes, wie sie die Initiative fordere, hätte aber auch im Hinblick auf Covid-19 Leben retten können, so Porchet. Kommissionssprecher Benjamin Roduit (mitte, VS) lobte das Anliegen der Initiative, jedoch sei die geforderte Umsetzung problematisch: Lockerungen beim Patentschutz führten zu Hemmungen bei der Innovation, was die Situation eher verschlimmere. Zudem habe die Covid-19-Pandemie gezeigt, dass nicht der Zugang, sondern die Logistik der Impfstoffe und die Skepsis ihnen gegenüber die eigentlichen Probleme darstellten. Die grosse Kammer gab der Standesinitiative in der Folge mit 123 zu 55 Stimmen (2 Enthaltungen) keine Folge. Einzig die geschlossen stimmenden Fraktionen der Grünen und der SP waren gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit.