In der Herbstsession beugte sich der Nationalrat als Erstrat über einen Entwurf seiner Rechtskommission, um unter anderem die Frist der Meldung von Baumängeln zu verlängern. Dieser Entwurf griff die Anliegen mehrerer parlamentarischer Vorstösse auf (u.a. Pa.Iv. 12.502; Pa.Iv. 14.453). Nach geltendem Recht müssen Baumängel unverzüglich durch die Käuferinnen und Käufer einer Immobilie gemeldet werden; ansonsten verlieren diese ihre Mangelrechte. Vor diesem Hintergrund arbeitete der Bundesrat drei massgebliche Änderungsmassnahmen des OR aus: Erstens sollen Baumängel zukünftig innert 60 Tagen durch die Erwerberinnen und Erwerber gemeldet werden können anstatt der heutigen Rügefrist, welche sich über wenige Tage erstreckt. Allerdings soll für die Vertragsparteien bei Werk- und Grundstückkaufverträgen die Möglichkeit bestehen, sich auf eine andere Frist zu einigen. Zweitens soll der Ausschluss des Nachbesserungsrechts für Baumängel im Falle von Bauten zum persönlichen oder familiären Zweck nicht mehr zulässig sein. Drittens soll die Position der Bauherrschaft im Bauhandwerkerpfandrecht gestärkt werden. So soll die Bauherrschaft alternativ zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts eine Ersatzsicherheit leisten können, die die Verzugszinsen für mindestens zehn Jahre decken soll. Dies erleichtere die Bereitstellung einer solchen Ersatzsicherheit für die Bauherrschaft, da diese nach geltendem Recht die Verzugszinsen auf unbestimmte Zeit decken sollten.

Die Mehrheit der RK-NR entschied, den Entwurf des Bundesrates noch zu erweitern und sprach sich für eine gänzliche Abschaffung der Verwirkungsfolge für verspätete Mangelrügen aus. Dabei sollen Baumängel innerhalb der gesamten Verjährungsfrist gemeldet werden können, wobei diese von fünf auf zehn Jahre angehoben werden soll. Um weiterhin Anreize zum sofortigen Mangelrügen zu setzen, soll die Bestellerin oder der Besteller die durch Mängel verursachten Kosten tragen, falls diese bei einer sofortigen Meldung nicht entstanden wären. Auch soll das Nachverbesserungsrecht individuell für alle Immobilien vereinbart werden können, wobei ein Ausschluss des Rechts auf Mängelbehebung in allen Fällen null und nichtig sei. Schliesslich entschied sich die Kommission, die Laufzeit der Ersatzsicherheit der Bauherrschaft von den vorgeschlagenen zehn auf fünf Jahre zu kürzen.

Eintreten auf die Vorlage war in der grossen Kammer unbestritten und erfolgte stillschweigend. Der Entwurf der RK-NR wurde jedoch von zwei Minderheiten hinterfragt. Einerseits war die Minderheit Beat Flach (glp, AG) der Ansicht, dass die geforderte Anhebung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre zu weit gehe, da dies für Unternehmen finanziell nur schwer tragbar sei. Weiter müsse sichergestellt werden, dass aufgrund nicht gemeldeter Baumängel Folgemängel ausgeschlossen werden könnten. Deshalb sei eine übungsgemässe Untersuchung zu implementieren, damit allfällige Mängel erkannt werden sollten. Insofern dies nicht der Fall sei, könnten Mängel innerhalb der Verjährungsfrist gemeldet werden. Andererseits wollte eine Minderheit Sidney Kamerzin (mitte, VS) dem weniger ausgebauten Entwurf des Bundesrats folgen.
Die Fraktionen der Grünen, der SP und FDP sprachen sich in allen Belangen für den Entwurf der Kommissionsmehrheit aus. Ausser bei der Verlängerung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre stimmte die SVP-Fraktion hingegen dem Entwurf des Bundesrats zu. Die Mitte-Fraktion unterstützte vollumfänglich die Fassung des Bundesrats und beabsichtigte, der Minderheit Kamerzin zu folgen.
Beide Minderheiten bleiben in der grossen Kammer erfolglos, wenn auch – im Falle der Minderheit Kamerzin – nicht vollkommen chancenlos. Immerhin 93 Nationalratsmitglieder vermochte die Minderheit um den Walliser Mitte-Nationalrat zu überzeugen, darunter die Mehrheit der FDP- und Mitte-Fraktionsmitglieder und die geschlossen stimmende SVP-Fraktion. Trotzdem konnte sich der Vorstoss gegenüber 94 Gegenstimmen (bei 2 Enthaltungen) knapp nicht behaupten. In der Gesamtabstimmung wurde die Fassung der RK-NR klar mit 185 zu 5 Stimmen angenommen, womit das Geschäft an den Ständerat ging.

In der Sommersession 2024 behandelte der Ständerat als Zweitrat einen Entwurf der RK-NR zu einer Änderung des OR, um unter anderem die Frist der Meldung von Baumängeln zu verlängern. Der Nationalrat hatte zuvor den Entscheid seiner Rechtskommission bestätigt und nicht zuletzt für eine gänzliche Abschaffung der Verwirkungsfolge für verspätete Mangelrügen und eine Anhebung der Verjährungsfrist auf zehn statt fünf Jahre gestimmt. Weiter sollen Mängel neu innerhalb der gesamten Verjährungsfrist gerügt werden können, wobei eine Schadensminderungspflicht seitens der Käuferin oder des Käufers bestehe.

Eintreten auf die Vorlage war unbestritten. In der Detailberatung lagen mehrere Anträge der Kommission oder der Kommissionsmehrheit sowie ihnen gegenübergestellt zwei Minderheitsanträge und vier Einzelanträge seitens Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) vor. Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZH) stellte die Vorlage dem Stöckli vor und erläuterte, dass die RK-SR nach vier Sitzungen zum Entwurf eine Lösung gefunden habe. So stelle die nach geltendem Recht kurze Rügefrist das Kernproblem der Vorlage dar. Jedoch wolle man sich genau bei dieser Rügefrist am Entwurf des Bundesrats orientieren, welcher die Frist für die Mangelrüge auf 60 Tage angesetzt habe, und schaffe diesbezüglich eine erste Differenz zum Nationalrat. Ebenso sprach sich die Mehrheit der RK-SR dafür aus, dass – analog zum Entwurf des Bundesrats – die Verjährungsfrist weiterhin bei fünf Jahren belassen wird. Auch Bundesrat Beat Jans bekräftigte den Mehrheitsentscheid und hob hervor, dass eine komplette Ausweitung der Rügefrist das geltende System gänzlich aushebeln würde. In einer weiteren Differenz zum Nationalrat schlug die RK-SR analog zum Bundesrat vor, ganz auf ein Nachbesserungsrecht bei Bauten mit umfangreichen Renovierungsarbeiten zu verzichten. Weiter sprach sich die Kommission – erneut entgegen des Entscheids des Nationalrats aber in Einklang mit dem Bundesrat – für eine Ersatzsicherheit seitens der Bauherrschaft aus, welche Verzugszinsen für mindestens zehn Jahre decken solle.
Ein Minderheitsantrag Sommaruga (sp, GE) forderte die Ausdehnung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre und somit Zustimmung zum Nationalrat. Der Vorschlag der Minderheit konnte im Stöckli jedoch nicht obsiegen: Eine Mehrheit des Ständerats sprach sich mit 33 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen eine Ausweitung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre aus. Auch ein weiterer Minderheitsvorschlag Sommarugas, der ebenso wie der Nationalrat forderte, dass die Verjährungsfrist nicht zulasten des Käufers oder der Käuferin abgeändert werden darf, lehnte der Ständerat mit 28 zu 16 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab. Die obsiegende Kommissionsmehrheit befürwortete auch hier die Version des Bundesrates, der eine Abänderung der Verjährungsfrist nicht verbieten wollte.
Darüber hinaus stellten sich vier Einzelanträge seitens Brigitte Häberli-Koller gegen die Kommissionsanträge und forderten eine vollständige Zustimmung zu den Beschlüssen des Nationalrats. Die Einzelanträge umfassten eine Abschaffung der Rügefrist für Baumängel, eine zwingende Nachbesserungspflicht, eine Ausweitung ebendieser Nachbesserungspflicht auf umfassend renovierte Bauten und eine Begrenzung der im Rahmen der Ersatzsicherheit zu deckenden Verzugszinsen auf fünf Jahre. Häberli-Koller betonte in erster Linie, dass unter anderem die Nachbarländer keine Rügefristen implementieren würden und die Rügefrist als Spezialfall im schweizerischen Vertragsrecht heraussteche, weshalb sie auch das Absehen von ebendieser empfahl. Der Ständerat entschied sich trotzdem mit 35 zu 8 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), an der 60-tägigen Rügefrist gemäss Vorschlag der RK-SR festzuhalten. Auch stimmte die Mehrheit des Ständerats mit 29 zu 12 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen einen zwingenden Charakter des Nachbesserungsrechts und mit 30 zu 13 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen eine Ausdehnung der Nachbesserungspflicht auf umfassend renovierte Bauten. Schliesslich scheiterte auch der letzte Einzelantrag Häberli-Koller und damit der nationalrätliche Vorschlag, die im Rahmen der Ersatzsicherheit zu deckenden Verzugszinsen auf fünf Jahre zu begrenzen, mit 30 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) im Stöckli.
In der Gesamtabstimmung wurde die so abgeänderte Vorlage einstimmig angenommen, womit sie zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat geht.

In der Herbstsession 2024 läutete der Nationalrat die Differenzbereinigung bei der Änderung des OR hinsichlich der Verlängerung der Meldefrist von Baumängeln ein. Florence Brenzikofer (gp, BL) stellte die Forderungen der Kommissionsmehrheit in der Ratsdebatte vor. So habe sich die Mehrheit der RK-NR bereit erklärt, teilweise einen Kompromiss mit dem Ständerat anzustreben. Zwar wolle man an einer Abschaffung der 60-tägigen Rügefrist zur Meldung von Mängeln festhalten, aber die Verjährungsfrist analog zum Ständerat auf fünf statt zehn Jahre beschränken. Eine Minderheit Mahaim (gp, VD) forderte hingegen an einer Verjährungsfrist von zehn Jahren festzuhalten. Eine erste Minderheit Gianini (fdp, TI) plädierte betreffend die Rügefrist für eine fast vollkommene Adhäsion zum ständerätlichen Entschluss, sah aber von der darin enthaltenen Schadensminderungspflicht ab. Eine zweite Minderheit Gianini forderte zusätzlich, dass die Vereinbarung kürzerer Fristen nur während der ersten zwei Jahre der Gewährleistung nicht möglich sein sollte. Die RK-NR hielt an einer weiteren Differenz zum Ständerat fest und plädierte weiterhin für eine Ausweitung des Nachbesserungsrechts auf Bauten mit umfangreichen Renovierungsarbeiten. Dagegen entschied die Rechtskommission bei der Sicherstellung der Verzugszinsen dem Ständerat entgegenzukommen und die Frist der Sicherstellung auf 10 Jahre zu beschränken. Eine letzte Minderheit Dandrès (sp, GE) plädierte hier auf Festhalten an einer fünfjährigen Frist.
Die SVP-Fraktion sprach sich in allen Belangen für die Anträge der Kommissionsmehrheit aus. Die FDP.Liberalen-Fraktion unterstützte die erste Minderheit Gianini und in den sonstigen Belangen den Mehrheitsantrag. Die Fraktionen der Grünen und SP forderten Festhalten am nationalrätlichen Beschluss und folgten damit den Minderheiten Mahaim und Dandrès. Kein Votum im Rat äusserten die Fraktionen der Mitte und der GLP. Bundesrat Beat Jans beantragte den Mitgliedern der Volkskammer, den Antrag der ersten Minderheit Gianini anzunehmen, da dieser dem Konzept des Stände- und Bundesrates in den meisten Punkten entspreche und die Schadenminderungspflicht nicht explizit im Gesetz erwähnt werden müsse. In den anderen Differenzpunkten empfahl der Bundesrat, der Kommissionsmehrheit zu folgen, obschon Jans unter anderem die von der Kommissionsmehrheit geforderte, zwingende Nachbesserung als «problematisch» bezeichnete.
In der Abstimmung konnte der erste Minderheitsantrag Gianini brillieren und wurde mit 118 zu 74 Stimmen dem zweiten Minderheitsantrag Gianini vorgezogen, wobei sich eine Mehrheit der SVP-Fraktion, die geschlossen stimmende GLP-Fraktion und einige Mitglieder der FDP.Liberalen- und Mitte-Fraktion für den zweiten Antrag aussprachen. Auch den Mehrheitsantrag übertrumpfte der Antrag der ersten Minderheit Gianini mit 102 zu 91 Stimmen mittels der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen- und GLP-Fraktionen sowie einer Mehrheit der SVP-Fraktion und einer Minderheit der Mitte-Fraktion. Die Anträge der Minderheiten Mahaim und Dandrès waren dagegen trotz Unterstützung der geschlossen stimmenden SP-Fraktion und einer Mehrheit der Grünen-Fraktion in der Volkskammer chancenlos.
Damit ging das Geschäft mit zwei verbleibenden Differenzen, einerseits dem erweiterten Geltungsbereich des Nachbesserungsrechts und andererseits der Nichteinführung einer Schadenminderungspflicht, zurück an den Ständerat.