Sozialversicherung. Umfassende und einheitliche Rechtsgrundlage für das elektronische Verfahren schaffen (eATSG) (Mo. 23.4041)

Als PDF speichern

Alex Kuprecht (svp, SZ) forderte den Bundesrat Ende September 2023 mit einer Motion auf, das ATSG so zu ändern, dass sämtliche Sozialversicherungen eine einheitliche und umfassende Rechtsgrundlage besitzen, damit ein elektronisches Verfahren (eATSG) geschaffen werden kann. Die Motion schliesse eine Lücke der Bundesratsvorlage zur Modernisierung der Aufsicht der 1. und 2. Säule. Bei deren Beratung war es im Zweitrat in einer Abstimmung zur Erstellung eines elektronischen Verfahrens bei den Ausgleichskassen zu einer Differenz mit dem Ständerat gekommen, weil die Mehrheit des Nationalrats forderte, dass eine umfassende Lösung auch die Digitalisierung der Sozialversicherungen enthalten müsse.
Der Vorstoss gelangte in der Wintersession 2023 in den Ständerat, wo die Motion von Kuprechts Parteikollegin Esther Friedli (svp, SG) vertreten wurde: Obschon viele Bereiche der Sozialversicherungen bereits digitalisiert wurden, sei dies aktuell beim ATSG noch nicht möglich, da die rechtliche Grundlage dazu nicht bestehe. Es gehe bei der Motion daher nicht darum, ein umfangreiches IT-Projekt aufzugleisen, sondern lediglich um die Anpassung der Gesetzeslage. Ausserdem werde niemand gezwungen, den digitalen Weg zu nutzen. Die Vorlage schaffe lediglich die Option für diesen, was schliesslich bei den Steuern und im Justizwesen schon lange Normalität sei. Bundesrätin Viola Amherd erklärte, dass die Verwaltung momentan an einer Gesetzesvorlage arbeite, welche die digitale Kommunikation in den Sozialversicherungen der 1. Säule ermöglichen soll. Anders als es die Motion verlange, wolle man aber nicht den Weg über das ATSG nehmen, da dies die Situation nur unnötig verkomplizieren würde, weil dort auch andere Versicherungen, wie die Kranken- oder die Unfallversicherung aufgeführt seien. Einige der im ATSG geregelten Sozialversicherungen – beispielsweise die Arbeitslosenversicherung – besässen bereits eine rechtliche Grundlage für ein elektronisches Verfahren. Der Ständerat beschloss, die Motion mit 30 zu 11 Stimmen anzunehmen, wobei mehrheitlich Ratsmitglieder der SP ein Nein-Votum abgaben.

Die SGK-NR befasste sich Mitte April 2024 mit der Motion von Alex Kuprecht (svp, SZ), mittlerweile übernommen von Esther Friedli (svp, SG), welche eine gesamtheitliche elektronische Rechtsgrundlage für alle Sozialversicherungen forderte und eine entsprechende Revision des ATSG verlangte. Anfang Mai 2024 beantragte die Kommission mit 16 zu 8 Stimmen die Motion in einer geänderten Fassung anzunehmen.

In der Sommersession 2024 beugte sich die grosse Kammer als Zweitrat über das Geschäft, wo die Kommissionsmehrheit von Thomas Rechsteiner (mitte, AI) und Cyril Aellen (fdp, GE) vertreten wurde: Anders als der Motionstext lege die Kommissionsfassung ein grösseres Augenmerk auf die «Interoperabilität mit anderen Systemen» und berücksichtige auch den bundesrätlichen Entwurf des neuen Bundesgesetzes über die Informationssysteme der Sozialversicherungen, der sich gerade in der Vernehmlassung befinde und die Grundlage für ein elektronisches Verfahren in der AHV schaffe. Über die Vorteile der Digitalisierung im Sozialversicherungswesen sei man sich einig, es gehe einzig darum, die verschiedenen Ansätze zu koordinieren. Auch seien die verschiedenen Interessen der im ATSG geregelten Sozialversicherungen im ursprünglichen Motionstext zu wenig berücksichtigt worden. Eine erste Minderheit um Thomas de Courten (svp, BL) forderte, die Kommissionsfassung der Motion abzulehnen und die ursprüngliche Version anzunehmen. Die ursprüngliche Fassung konzentriere sich einzig darauf, die rechtlichen Voraussetzungen für die Digitalisierung zu schaffen und sei somit rasch umsetzbar. Man konstruiere keine neuen Zuständigkeiten und beschränke sich auf wesentliche Änderungen, was «schlank, erfolgserprobt und risikoarm» sei. Eine zweite Minderheit um Sarah Wyss (sp, BS) argumentierte, dass die Motion bestehende Digitalisierungsprozesse verzögern würde und «Vorgaben zur Interoperabilität und zur Transparenz fehlten», weswegen sie die Ablehnung der Motion beantrage. Sarah Wyss verzichtete jedoch in der Ratsdebatte auf die Begründung ihrer Minderheit.
In der ersten Abstimmung über den Antrag der Minderheit de Courten stimmten lediglich die geschlossen stimmende SVP-Fraktion und vereinzelte Mitglieder der Mitte-Fraktion für die Minderheit. Der Antrag wurde mit 129 zu 66 Stimmen (0 Enthaltungen) abgelehnt. Auch der Antrag der Minderheit Wyss blieb gegenüber dem Antrag der Kommissionsmehrheit chancenlos und wurde mit 133 zu 62 Stimmen (0 Enthaltungen) abgelehnt, wobei einzig die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen dafür votierten. Die Motion geht in der geänderten Fassung nun noch einmal in den Ständerat.