Auf die Praxisänderung des SEM vom Juli 2023, gemäss welcher afghanischen Frauen und Mädchen nach einer Einzelfallprüfung Asyl gewährt wird, reagierte die SVP-Fraktion mit Einberufung einer ausserordentlichen Session, die im Dezember 2023 stattfand. In dessen Rahmen behandelten beide Räte je eine Motion, welche die Praxisänderung für afghanische Frauen und Mädchen korrigieren wollte: der Nationalrat eine Motion Rutz (svp, ZH; Mo. 23.4241) und der Ständerat die gleichlautende Motion Bauer (fdp, NE; Mo. 23.4247), die nach Ausscheiden des Motionärs aus dem Rat von Damian Müller (fdp, LU) übernommen worden war. Die Urheber der Vorstösse befürchteten eine durch diese neue Praxis entstehende «Sogwirkung» und gingen davon aus, dass es auch viele Personen, die sich zuvor bereits in einem sicheren Drittstaat aufhielten, nun in die Schweiz ziehen werde.
In seiner abschlägigen Antwort hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass mit der neuen Regelung kein automatischer Anspruch auf Asyl geschaffen worden sei und ein Gesuch abgewiesen werden könne, wenn die betreffende Person in einen sicheren Drittstaat, in dem sie sich vorher aufgehalten hat, zurückkehren kann. Gleichzeitig nahm der Bundesrat zu einer ähnlichen Motion Bircher (svp, AG; Mo. 23.4020) Stellung und wies in seiner Antwort darauf hin, dass einige EU-Staaten, darunter auch verschiedene Nachbarstaaten der Schweiz, ebendiese Praxis verfolgten, womit «von der Schweiz keine besondere Anziehungskraft ausgehen [dürfte]».
Die ausserordentliche Session endete schliesslich ohne Abstimmung: Beide Räte nahmen einen Ordnungsantrag eines Mitglieds der Mitte-Fraktion an – der Nationalrat einen Ordnungsantrag Pfister (mitte, ZG) und der Ständerat einen Ordnungsantrag Gmür-Schönenberger (mitte, LU). Diese plädierten für Zuweisung der Geschäfte an die zuständigen Kommissionen, um zuerst vertiefte Abklärungen zur Sachlage vorzunehmen. Auch zur Motion Bircher gab es noch keinen Entscheid, da sie für die Sondersession nicht traktandiert worden war.