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  • Bircher, Martina (svp/udc, AG) NR/CN

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Ende Januar 2025 hatte die SGK-SR die Motion Bircher (svp, AG) einstimmig zur Annahme empfohlen. Auch sie stehe hinter dem Anliegen der Motion, dass der Bundesrat einen potenziellen Kostenanstieg durch den Wechsel der ambulanten Tarifstruktur verhindern können müsse. In der Frühjahrssession 2025 nahm der zweitberatende Ständerat die Motion stillschweigend an.

Kostenneutralität von neuen ambulanten Tarifstrukturen sicherstellen (Mo. 23.4527)

Während der Herbstsession 2024 setzte sich der Nationalrat mit einer Motion Herzog (svp, TG) auseinander, die Massnahmen verlangte, um den Pychopharmakaeinsatz zur Ruhigstellung von Personen, die sich in Alters- und Pflegeheimen sowie in psychiatrischen Kliniken aufhalten, einzuschränken. Da die Motionärin bei den Eidgenössischen Wahlen 2023 auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte, wurde das Geschäft von ihrer Parteikollegin Marina Bircher (svp, AG) übernommen. Diese bezeichnete die medikamentöse Ruhestellpraxis bei älteren Menschen, die Medienberichten zufolge in einigen Heimen aus Zeitgründen vorgenommen werde, nicht nur als «unethisch», sondern auch als problematisch, weil sie schwerwiegende Folgen nach sich ziehen könne. Gesundheitsministerin Baume-Schneider hob zwar die Relevanz hervor, Psychopharmaka – gleich wie alle anderen Medikamente – verantwortungsvoll und nach medizinischen Standards einzusetzen, lehnte im Namen der Landesregierung den Vorstoss aber trotzdem ab. Sie verwies auf die im Frühjahr durchgeführte Konsultation zur Teilrevision des Heilmittelgesetzes, in welcher auch Massnahmen zur Verbesserung der Medikamentensicherheit vorgeschlagen worden waren. Dazu gehöre etwa die Erstellung von Medikationsplänen. Die Überwachung von Personen in medizinischen Berufen liege überdies in der Kompetenz der Kantone. Weiter erarbeiteten Fachgesellschaften Richtlinien für den sicheren Einsatz von Psychopharmaka. Ungeachtet der Worte der Bundesrätin nahm der Nationalrat die Motion mit 121 zu 64 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Dabei sprachen sich die Fraktionen der SVP, SP und der Grünen für den Vorstoss aus, die Mitglieder der FDP-, Mitte- und GLP-Fraktionen lehnten ihn geschlossen respektive grossmehrheitlich ab.

Überdosierungen bei Psychopharmaka-Abgaben verhindern und die Medikationssicherheit in Alters- und Pflegeheimen fördern! (Mo. 23.3384)

Mit 12 zu 11 Stimmen reichte die SGK-NR Ende Februar 2024 ein Postulat ein, das den Bundesrat aufforderte, den Einfluss der Teuerung auf die Tarife der Leistungserbringer in der OKP zu prüfen und mögliche Instrumente für den Teuerungsausgleich in Erwägung zu ziehen. Der Bundesrat zeigte sich Mitte April 2024 gewillt, den Forderungen der Kommission nachzukommen und beantragte die Annahme des Postulats.

In der Frühjahressession 2024 gelangte der Vorstoss in den Nationalrat, wo die Kommissionsmehrheit von Benjamin Roduit (mitte, VS) und Sarah Wyss (sp, BS) vertreten wurde: Während die Kosten der Leistungserbringenden im Gesundheitswesen stetig anstiegen, blieben deren Einnahmen stabil, was Finanzierungslücken öffne. Spitäler und Kliniken könnten ihre Preise nicht an die Teuerung angleichen, da sie zuvor mit den Kassen über die Tarife verhandeln müssten. Auch die Lohnkosten würden zum Problem, da durch deren Koppelung an das Tarifsystem kein Teuerungsausgleich möglich sei. Die Lage sei aktuell sehr unübersichtlich, wobei der geforderte Bericht des Bundesrats Klarheit schaffen soll, wie sich die Teuerung auf die Tarife auswirke und wie eine Koppelung der Tarife an die Teuerung umsetzbar wäre, ohne damit die «Qualität im Schweizer Gesundheitssystem» zu schmälern. Eine Minderheit um Martina Bircher (svp, AG) forderte die Ablehnung des Postulats: Es sei «nicht angebracht» beim momentanen Anstieg der Krankenkassenprämien die Tarife an die Teuerung anzupassen, zumal dies in deflationären Zeiten nie umgekehrt gefordert worden sei. Ausserdem werde die Tarifhöhe von den Tarifpartnern ausgehandelt und es benötige nicht den Bund dafür. Die grosse Kammer beschloss das Postulat mit 99 zu 88 Stimmen (6 Enthaltungen) anzunehmen. Die geschlossen stimmende SVP-Fraktion und die beinahe geschlossen stimmende FDP.Libralen-Fraktion votierten gegen das Postulat.

Teuerungsausgleich bei Leistungserbringenden der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Po. 24.3014)

Mitte April 2024 empfahl die Mehrheit der SGK-NR, dem Ständerat in der KVG-Revision zum Datenaustausch und Risikoausgleich in sämtlichen Punkten zu folgen, und nahm zusätzlich eine kleine formale Änderung vor. Ausserdem reichte die Kommission noch eine eigene Motion (24.3470) mit dem Ziel ein, die Nationalität der Versicherten in der OKP zu berücksichtigen, wohingegen man die gleichlautende Forderung analog zum Ständerat aus der KVG-Revision strich.
In der Sommersession 2024 ging die entsprechende Änderung des KVG im Nationalrat in die erste Runde der Differenzbereinigung, wobei es insgesamt vier Differenzen und einen Minderheitsantrag von Martina Bircher (svp, AG) zu diskutieren gab. Léonore Porchet (gp, VD) und Regine Sauter (fdp, ZH) erläuterten die Position der Kommissionsmehrheit und sprachen über die Differenzen zum Ständerat. Man habe in der Kommission – ähnlich wie in der Ratsdebatte – viel über die Erhebung der Nationalität der Kostenverursachenden gesprochen und sei nach Gesprächen mit der Verwaltung zum Schluss gekommen, dem Ständerat zu folgen und diese wegen eines zu «grossen administrativen Aufwand[s]» nicht zu erheben. Mit einer Kommissionsmotion soll jedoch das BFS beauftragt werden, das Anliegen durch Verknüpfung bestehender Daten umzusetzen. Bei der Minderheit Bircher, welche die Erfassung der Nationalität bei der Prämienverbilligung forderte, sei die Kommission mit 14 zu 10 Stimmen dem Ständerat gefolgt, der das Anliegen wegen des mangelnden Nutzens verworfen habe. In seiner ersten Behandlung hatte der Nationalrat den entsprechenden Artikel noch angenommen. Weitere kleinere Differenzen beträfen den Umgang mit den Phantomversicherten und die Koordination mit EFAS, wobei man auch hier dem Ständerat gefolgt sei.
Der Nationalrat diskutierte in der Folge hauptsächlich über die Erhebung der Nationalität der Kostenverursachenden im Allgemeinen sowie bei den Prämienverbilligungen. Martina Bircher argumentierte, es spreche nichts gegen die Erhebung der Nationalität, ausser «man sei gegen Transparenz und habe etwas zu verstecken», zumal die Nationalität über die AHV-Nummer leicht zu erheben sei. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider begrüsste hingegen die Vorschläge der Kommissionsmehrheit und den Verzicht auf die Erhebung der Nationalität, zumal «[d]ie zusätzliche Arbeitsbelastung [...] in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Informationen [stünde]».
Der Nationalrat folgte im Anschluss bei den meisten Differenzen stillschweigend dem Ständerat und lehnte die Minderheit Bircher mit 126 zu 64 Stimmen ab. Einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion votierte für die Minderheit Bircher.

Änderung des KVG hinsichtlich Datenaustausch und Risikoausgleich (BRG 23.048)

Ende Mai 2024 kam eine Motion Geissbühler (svp, BE) mit dem Titel «Weniger Bürokratie in den Pflegeberufen» in den Nationalrat. Diese beinhaltete die Forderung, dass bei einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent maximal 10 Prozent für administrative Aufgaben aufgewendet werden dürften. Das Geschäft wurde von Martina Bircher (svp, AG) übernommen, nachdem die Motionärin im Vorjahr bei den eidgenössischen Wahlen 2023 nicht mehr angetreten war. Die Aargauerin zeigte sich überzeugt davon, dass durch den Bürokratieabbau die Pflegeberufe an Attraktivität gewinnen würden und somit das Risiko, dass es zu einem vermehrten Berufsausstieg komme, gesenkt werden könnte. Gesundheitsministerin Baume-Schneider anerkannte zwar das Problem des hohen administrativen Aufwands, erklärte jedoch, dass der Bundesrat diese Belastung mittels Digitalisierung reduzieren wolle. In diesem Kontext verwies sie auf eine überwiesene Motion Silberschmidt (fdp, ZH; Mo. 21.4373) und das Programm Digisanté. Letztlich sei es jedoch auch die Aufgabe der Gesundheitseinrichtungen, die Dokumentation zu vereinfachen. Daher empfehle der Bundesrat das Geschäft zur Ablehnung. Die grosse Kammer sprach sich allerdings mit 98 zu 90 Stimmen für den Vorstoss aus. Dabei standen sich mit den befürwortenden Fraktionen der SVP, FDP und GLP auf der einen Seite und den ablehnenden Fraktionen der SP, Grünen und der Mitte zwei geschlossen stimmende Lager gegenüber.

Weniger Bürokratie in den Pflegeberufen (Mo. 22.4111)

In der Sondersession 2024 befasste sich die grosse Kammer mit der parlamentarischen Initiative von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die fordert, dass die Kosten für zahnärztliche Behandlungen durch die OKP gedeckt werden. In ihrer Rede sprach die Initiantin von den hohen Kosten, die bei Zahnbehandlungen anfallen können. Dadurch schöben Betroffene die Behandlung oft auf, was die Lage drastisch verschlimmern könne. Zahnmedizin sei «ein Grundpfeiler der Gesundheitsversorgung» und deshalb sollten die erbrachten Leistungen durch die OKP vergütet werden, so Prelicz-Huber. Léonore Porchet (gp, VD) solidarisierte sich in ihrem Redebeitrag mit dem Vorhaben ihrer Parteikollegin und betonte, dass Zahnprobleme nicht zwingend eine Folgeerscheinung von mangelnder Hygiene sein müssten, sondern auch bei guter Zahnpflege entstehen könnten. Anderer Meinung war Martina Bircher (svp, AG), die der Kommissionsmehrheit angehörte: Eine Abrechnung der Kosten von medizinischen Eingriffen über Bundesmittel, wie dies die Initiative fordere, sei nicht zielführend. Auch sehe sie keine Notwendigkeit für die Vorlage. Schliesslich habe sich die Zahngesundheit der Schweiz «dank der Prävention und der Eigenverantwortung» markant verbessert.
Die geschlossenen stimmenden Fraktionen der Grünen und der SP zusammen mit der Stimme von Daniel Sormanni (mcg, GE) reichten nicht aus, um der Initiative zu einer Mehrheit zu verhelfen: Der Nationalrat beschloss mit 123 zu 62 Stimmen (0 Enthaltungen) der Initiative keine Folge zu geben, womit sie erledigt war.

Zahnbehandlungen erschwinglich machen (Pa. Iv. 22.487)

Der Bundesrat soll die Kostenneutralität von neuen ambulanten Tarifstrukturen im KVG sicherstellen, falls dies nicht von den Tarifpartnern oder der OAAT getan werde. Das forderte Martina Bircher (svp, AG) Ende Dezember 2023 mit einer Motion. Die momentane Gesetzeslage erlaube es dem Bundesrat nur, die Eingaben der Tarifpartner an- oder abzulehnen, jedoch nicht selber eine Korrektur bei der Kostenneutralität vorzunehmen. Dies sei jedoch elementar, da die Rahmenbedingungen für die Abschläge innerhalb des TARDOC-Gesamtkonzeptes «nicht ausreichend geklärt» worden seien und Versicherer in den Tarifstrukturen keine Mehrheit besässen, so dass einzig der Bundesrat Kostenneutralität garantieren könne.
Der Bundesrat beantragte im Februar 2024 die Annahme der Motion, was schliesslich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2024 auch stillschweigend und diskussionslos tat.

Kostenneutralität von neuen ambulanten Tarifstrukturen sicherstellen (Mo. 23.4527)

Im Februar 2024 überwies der Nationalrat drei gleichlautende Postulate von Lilian Studer (evp, AG; Po. 23.3799), Patricia von Falkenstein (ldp, BS; Po. 23.3801) und Tamara Funiciello (sp, BE; Po. 23.3800) zum Thema Opferschutz durch Täterarbeit. Damit wurde der Bundesrat aufgefordert, in einem Bericht die Förderung der systematischen Arbeit mit gewaltausübenden Personen zu prüfen, insbesondere ob analog zum OHG Anforderungen an Beratungsstellen gestellt sowie die Kosten- und Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen definiert werden können. Wie Nik Gugger (evp, ZH) – welcher das Postulat von Liliane Studer übernommen hatte – im Plenum ausführte, sei die Investition in die Täterarbeit längerfristig sinnvoll, da sich die Rückfallquote verringere und somit (potenzielle) Opfer vor Gewalttaten geschützt würden. Mit Verweis auf die Roadmap zur Eindämmung von häuslicher Gewalt ermöglichten die Postulate aus seiner Sicht zudem die Schaffung eines nationalen Rahmens, welcher die Wahrung der Istanbul-Konvention garantiere.
Der Bundesrat unterstützte das Anliegen der Postulate. Wie Beat Jans im Rat jedoch festhielt, stehe vor allem die Auslotung der Fragen im Rahmen der bisherigen Zuständigkeiten und nicht die finanzielle Entlastung der Kantone im Fokus der Regierung. Gegen die Postulate sprach sich Martina Bircher (svp, AG) aus, welche sich auf die Opfer fokussieren wollte und keinen Nutzen in allfällig vermehrten Investitionen in die Täterarbeit sah. Ihre Argumente vermochte jedoch einzig eine Mehrheit der eigenen Fraktion zu überzeugen und der Nationalrat überwies die drei Postulate mit 130 zu 63 Stimmen bei 2 Enthaltungen an den Bundesrat.

Opferschutz durch Täterarbeit (Po. 23.3799; Po. 23.3800; Po. 23.3801)

Auf die Praxisänderung des SEM vom Juli 2023, gemäss welcher afghanischen Frauen und Mädchen nach einer Einzelfallprüfung Asyl gewährt wird, reagierte die SVP-Fraktion mit Einberufung einer ausserordentlichen Session, die im Dezember 2023 stattfand. In dessen Rahmen behandelten beide Räte je eine Motion, welche die Praxisänderung für afghanische Frauen und Mädchen korrigieren wollte: der Nationalrat eine Motion Rutz (svp, ZH; Mo. 23.4241) und der Ständerat die gleichlautende Motion Bauer (fdp, NE; Mo. 23.4247), die nach Ausscheiden des Motionärs aus dem Rat von Damian Müller (fdp, LU) übernommen worden war. Die Urheber der Vorstösse befürchteten eine durch diese neue Praxis entstehende «Sogwirkung» und gingen davon aus, dass es auch viele Personen, die sich zuvor bereits in einem sicheren Drittstaat aufhielten, nun in die Schweiz ziehen werde.
In seiner abschlägigen Antwort hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass mit der neuen Regelung kein automatischer Anspruch auf Asyl geschaffen worden sei und ein Gesuch abgewiesen werden könne, wenn die betreffende Person in einen sicheren Drittstaat, in dem sie sich vorher aufgehalten hat, zurückkehren kann. Gleichzeitig nahm der Bundesrat zu einer ähnlichen Motion Bircher (svp, AG; Mo. 23.4020) Stellung und wies in seiner Antwort darauf hin, dass einige EU-Staaten, darunter auch verschiedene Nachbarstaaten der Schweiz, ebendiese Praxis verfolgten, womit «von der Schweiz keine besondere Anziehungskraft ausgehen [dürfte]».
Die ausserordentliche Session endete schliesslich ohne Abstimmung: Beide Räte nahmen einen Ordnungsantrag eines Mitglieds der Mitte-Fraktion an – der Nationalrat einen Ordnungsantrag Pfister (mitte, ZG) und der Ständerat einen Ordnungsantrag Gmür-Schönenberger (mitte, LU). Diese plädierten für Zuweisung der Geschäfte an die zuständigen Kommissionen, um zuerst vertiefte Abklärungen zur Sachlage vorzunehmen. Auch zur Motion Bircher gab es noch keinen Entscheid, da sie für die Sondersession nicht traktandiert worden war.

Motionen verlangen Korrektur der Praxisänderung bei Asylgesuchen von Afghaninnen (Mo. 23.4247; Mo. 23.4241; Mo. 23.4020)

In der Wintersession 2023 befürwortete der Nationalrat eine Motion seiner SPK, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für Personen mit Schutzstatus S erleichtern wollte, indem die Bewilligungs- in eine Meldepflicht umgewandelt würde.
Der Bundesrat hatte ebenfalls die Annahme des Vorstosses beantragt. Dennoch kam es im Nationalrat zu einer Abstimmung, da eine Minderheit Bircher (svp, AG) auf Ablehnung plädierte. Diese fand jedoch über die geschlossen dagegen stimmende Fraktion der SVP hinaus keine Unterstützung, womit die Motion mit 128 zu 64 Stimmen vom Erstrat angenommen wurde.

Schutzstatus S. Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (Mo. 23.3968)
Dossier: Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine

In der Wintersession 2023 beugte sich der Nationalrat über eine zuvor vom Ständerat befürwortete Motion Salzmann (svp, BE) mit der Forderung nach einer Rückführungsoffensive. Während der Nationalrat im Juni 2023 im Rahmen der ausserordentlichen Session «Migration» noch die Ablehnung einer identisch lautenden Motion der SVP-Fraktion (Mo. 23.3073) beschlossen hatte, revidierte er nun diesen Entscheid. Er tat dies auf Anraten einer breiten Mehrheit der SPK-NR, nachdem die Kommission Vertretende der Kantone und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie einen Experten für Migrationsrecht angehört und daraufhin Handlungsbedarf ausgemacht hatte. Hingegen erachtete die Kommissionsmehrheit die vom Motionär ebenfalls geforderte Ergreifung von Sanktionen gegenüber Herkunftsländern im Falle einer fehlenden Kooperationsbereitschaft als nicht zielführend, weswegen sie die Annahme der Motion ohne diesen Passus beantragte.
Mit 127 zu 67 Stimmen (0 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat für die abgeänderte Version der Motion und sprach sich gegen die unveränderte Annahme der Motion aus, wie dies eine Minderheit Bircher (svp, AG) im Namen der SVP-Fraktion verlangt hatte. Mit ähnlichem Stimmenverhältnis, aber diesmal unter Opposition des links-grünen Ratsspektrum, sprach er sich in der Folge auch gegen einen Einzelantrag von Céline Widmer (sp, ZH) aus, die die komplette Ablehnung der Motion gefordert hatte.

Konzept zur Erhöhung der Anzahl Rückführungen und Ausweisungen (Mo. 23.3073; Mo. 23.3082)

In Abweichung zum Entscheid des Ständerats, der sich auf Anraten seiner Kommission in der Herbstsession 2023 dafür ausgesprochen hatte, die Kantone zum vollen Lastenausgleich bei den Familienzulagen zu verpflichten, sprach sich die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission in der Folge für eine andere Lösung aus: Mit knappen 13 zu 12 Stimmen beantragte die SGK-NR ihrem Rat, den Kantonen lediglich einen Teilausgleich vorzuschreiben, da sie einen vollen Lastenausgleich als zu starken Eingriff in deren Kompetenzen erachtete.
Im Nationalrat, der sich in der Wintersession 2023 über das Geschäft beugte, blieb zuerst eine Minderheit Bircher (svp, AG) mit 144 zu 45 Stimmen (2 Enthaltungen) chancenlos, die gar keinen Eingriff des Bundes in die kantonale Regelung des Lastenausgleichs bei Familienzulagen tolerieren wollte und deshalb auf Nichteintreten plädiert hatte. In der Detailberatung warb eine Minderheit Roduit (mitte, VS) für einen vollen Lastenausgleich und somit für die Zustimmung zur Version des Ständerats. Roduit zeigte sich unter anderem überzeugt, dass ein Teilausgleich nichts am Status quo ändern würde, da die ungleiche finanzielle Belastung zwischen den verschiedenen Familienausgleichskassen dadurch nicht beseitigt werden könnte. In Anbetracht der knappen Mehrheitsverhältnisse in der Kommission mag das vom Nationalrat gefällte Verdikt in seiner Deutlichkeit erstaunen: Der Antrag der Kommissionsmehrheit wurde zugunsten der Kommissionsminderheit mit 149 zu 40 Stimmen (5 Enthaltungen) abgelehnt, womit auch der Nationalrat am Modell des vollen Lastenausgleichs festhielt.
Dennoch schuf der Nationalrat eine kleine Differenz zum Ständerat, indem er auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit die Übergangsfristen von zwei auf drei Jahre ausdehnte und gleichzeitig die Kantone dazu verpflichten wollte, sogenannte Begleitmassnahmen zur Steigerung der Effizienz und Effektivität der Familienausgleichskassen in die Wege zu leiten. Gegen diese Verlängerung der Übergangsfrist hatte sich eine Kommissionsminderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) erfolglos gewehrt. Sie sah darin eine unnötige Verzögerung, die zu Lasten der bereits finanziell stark belasteten Familienausgleichskassen gehe. Zudem scheiterte auch eine Minderheit Gysi (sp, SG), die zur Stärkung der Kaufkraft von Familien die Auszahlung einer 13. Kinder- und Ausbildungszulage verlangte. Wie bereits die Minderheit Prelicz-Huber fand auch sie kaum Unterstützung über die links-grünen Fraktionsgrenzen hinaus.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die minim abgeänderte Vorlage mit 161 zu 34 Stimmen (1 Enthaltung) an. Gegen den Entwurf stellten sich Teile der Fraktionen der SVP und der FDP.

Familienzulagengesetz. Änderung (Einführung eines vollen Lastenausgleichs; BRG 23.050)

In der SGK-NR fand die Botschaft des Bundesrates bezüglich der Änderung des KVG hinsichtlich des Datenaustauschs und Risikoausgleichs Anklang und die Kommission beantragte im November 2023 einstimmig mit 17 zu 0 Stimmen (4 Enthaltungen) den entsprechenden Entwurf anzunehmen.
Für die Kommission präsentierten Regine Sauter (fdp, ZH) und Léonore Porchet (gp, VD) das Geschäft in der Wintersession 2023 im Nationalrat. Eintreten war unbestritten, es gab aber eine Reihe von Minderheitsanträgen: Eine Minderheit Bircher (svp, AG) forderte, dass in der Schweiz lebende Personen ohne AHV-Nummer oder Aufenthaltsrecht von der OKP ausgeschlossen werden. Der Minderheitsantrag schaffte es nicht, ausserhalb der SVP-Fraktion Fuss zu fassen und wurde abgelehnt. Ein Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG), der ähnlich wie Bircher Missstände bei der Krankenversicherung von Sans-Papiers ausmachte, blieb ebenfalls chancenlos. Manuela Weichelt (gp, ZG) wiederum verlangte in ihrem Minderheitsantrag die Streichung der Möglichkeit, sich rückwirkend versichern zu lassen, da dies falsche Anreize setze. Ausser der Grünen- und der SP-Fraktion stimmte ihrem Minderheitsantrag niemand zu und er wurde ebenfalls abgelehnt. Die Minderheit de Courten (svp, BL) hingegen, die forderte, dass das BFS bei den aggregierten Kosten der Versicherten die Nationalität erhebt, fand in der grossen Kammer eine knappe Mehrheit.
Der Nationalrat nahm die Revision des Bundesgesetzes mit 132 zu 0 Stimmen (62 Enthaltungen) einstimmig in der Gesamtabstimmung an, wobei alle Enthaltungen von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und den Grünen stammten.

Änderung des KVG hinsichtlich Datenaustausch und Risikoausgleich (BRG 23.048)

Eine Mehrheit der SGK-SR forderte den Bundesrat im November 2023 mit einer Motion auf, die gesetzlichen Grundlagen im ZGB so anzupassen, dass Personen, die in ein Alters- oder Pflegeheim eintreten, ihren gesetzlichen Wohnsitz behalten dürfen. Gemäss ZGB verlegten nur diejenigen Bewohnenden von Alters- und Pflegeheimen ihren Wohnsitz, die «freiwillig» in ein Heim eintreten. Bei Personen, die nicht «freiwillig» eintreten, beispielsweise verbeiständeten Personen, bleibe der Wohnsitz am bisherigen Wohnort.
Martina Bircher (svp, AG) sprach in der Frühjahrssession 2024 im Nationalrat für die Kommissionsmehrheit: Das Merkmal der «Freiwilligkeit» erzeuge in der Praxis Probleme, da diese häufig nicht klar festzustellen sei. Zudem zögen Personen oft in Heime ausserhalb ihres Wohnkantons, so dass die EL in einem anderen Kanton bezogen würden, als zuvor Steuern bezahlt wurden. Auch bestehe häufig noch eine emotionale Bindung zum ehemaligen Wohnort, die durch die gesetzliche Verschiebung des Wohnsitzes gekappt werde. Eine Minderheit Weichelt (al, ZG) forderte die Ablehnung der Motion. Es sei unklar, welche gesetzliche Grundlage die Motion ändern möchte, da sie zwar vom ZGB spreche, aber der steuerliche Wohnsitz, um den es der Motion eigentlich gehe, nicht in diesem geregelt sei. Die tatsächliche rechtliche Grundlage, das Steuerharmonisierungsgesetz, kenne den Aspekt der «Freiwilligkeit» bei der Situierung des steuerlichen Wohnsitzes nicht, hier sei nur der Aufenthaltsort entscheidend. Bundesrat Jans schloss sich dem Antrag der Minderheit Weichelt an, da auch er die Lösung des Problems nicht in einer Änderung des ZGB sah. Eine Annahme der Motion führe zu mehr Unklarheiten, als dass sie Nutzen stiften würde.
Die Mehrheit der grossen Kammer sah es anders als der Bundesrat: Sie nahm die Motion mit 117 zu 58 Stimmen (0 Enthaltungen) an. Die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP und Grünen und zwei Mitglieder der Mitte stimmten gegen die Motion.

«Personen in Alters- und Pflegeheimen sollen ihren Wohnsitz behalten dürfen» (Mo. 23.4344)

Die SGK-NR forderte den Bundesrat im Oktober 2023 mittels Motion auf, die Rückerstattungspflicht der Ergänzungsleistungen von Erbenden rückgängig zu machen und der Bundesversammlung eine entsprechende Änderung des ELG vorzulegen. Die aktuelle Gesetzeslage erlaube es Personen, welche unter dem Existenzminimum leben und Ergänzungsleistungen beziehen, ihr Eigenheim nicht verkaufen zu müssen, wenn die Hypothekarzinsbelastung in etwa der Wohnungsmiete entspreche. Die Kommission sah nun eine Problematik bei Personen, die ihr Eigenheim an ihre Nachkommen vererben möchten. Dabei könnten die Erben EL-rückzahlungspflichtig werden, was trotzdem den Verkauf des Eigenheims zur Folge haben könnte.
Im November 2023 beantragte der Bundesrat die Annahme der Motion.
Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession 2024 mit der Motion. Das Anliegen wurde von Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentiert, wobei sie neben der Existenzgefährdung von Betroffenen noch über den grossen bürokratischen Aufwand sprachen, der durch die aktuelle Gesetzeslage bestehe. Auch generiere man deutlich weniger Einnahmen, als man sich durch die zurückerstatteten Beträge erhofft habe. Einige Ratsmitglieder zweifelten die Relevanz des Vorstosses mit ihren Zwischenfragen jedoch an: So wollte Markus Ritter (mitte, SG) beispielsweise wissen, woher die Kommission die Information habe, dass dieses Problem bei Personen in der Landwirtschaft vorkäme. Ihm sei kein solcher Fall bekannt. Martina Bircher (svp, AG) wiederum fragte, ob eine existenzgefährdende EL-Rückzahlung nicht bereits heute durch ein Erlassgesuch geklärt werden könne, dass bei gutem Glauben und «grosser finanzieller Härte» bei der zuständigen EL-Stelle eingereicht werden kann, so dass man eine Rückzahlung umgehen könne. Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) verlangte die Ablehnung der Motion: Sie schaffe Ungleichheit, da die geforderte Streichung der entsprechenden Bestimmungen nicht die Eltern sondern die Erben schützen würde. Es sei problematisch den EL-Bezug von Personen unterschiedlich zu gestalten, welche zwar über das gleiche Vermögen verfügten, jedoch unterschiedliche Anlageformen besässen. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider schloss sich der Kommissionsmehrheit an und erwähnte, dass die aktuelle Lage auch weitere unerwünschte Folgen haben könne, wie der Umstand, dass Versicherte keine Leistungen bezögen, welche ihnen eigentlich zuständen, um ihre Erbinnen und Erben finanziell zu entlasten.
Der Nationalrat lehnte den Vorstoss mit 117 zu 57 Stimmen (13 Enthaltungen) ab. Die Stimmen von der Grünen und der SP-Fraktion und vereinzelten Mitgliedern der SVP und Mitte reichten nicht um eine Mehrheit zu finden.

Rückerstattungspflicht der Erben gemäss Artikel 16a ELG korrigieren (Mo. 23.4327)

Die Aargauer Nationalratswahlen 2023 standen im Zeichen neuer Rekorde: Für die total 16 Sitze in der Volkskammer gingen im Kanton Aargau insgesamt 713 Bewerbungen auf 52 Listen ein, womit die Höchstzahlen von 2019 (496 Kandidierende auf 36 Listen) noch einmal übertroffen wurden. Stellten sich 2019 noch 187 Frauen für das Amt zur Verfügung, waren es für die Wahlen 2023 deren 291, womit auch der Frauenanteil unter den Kandidierenden mit 40.8 Prozent einen neuen Höchstwert annahm (+3.1 Prozentpunkte).

Von der sechzehnköpfigen bisherigen Aargauer Nationalratsdelegation (6 SVP, 3 SP, 2 FDP, 2 Mitte, 1 GP, 1 GLP und 1 EVP) traten 15 Nationalrätinnen und Nationalräte zur Wiederwahl an. Gegen eine erneute Kandidatur entschied sich einzig Yvonne Feri (sp, AG) – unter anderem auch wegen einer parteiinternen Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre.
Ihr Parteigenosse, SP-Co-Präsident und «Zugpferd» (NZZ) Cédric Wermuth (sp, AG), der ebenfalls bereits seit zwölf Jahren im Amt war, hatte sich hingegen für eine erneute Kandidatur entschieden, wofür ihm die Delegiertenversammlung bereits im Sommer 2022 einstimmig «grünes Licht» (Blick) gegeben hatte; wohl um den erst 2019 zurückeroberten dritten Nationalratssitz nicht zu gefährden, mutmassten der Blick und die Aargauer Zeitung. Die SP erklärte es sich denn auch zum Wahlziel, ihre bisherigen Sitze zu halten. Ihre Partnerinnen in der «Klimaallianz», die Grünen und die Grünliberalen, beabsichtigten hingegen, je einen Sitz dazuzugewinnen. Für die Grünliberalen wurde anfänglich eine «grosse Zentrumsverbindung» (AZ) mit den Mitte-Parteien vermutet, die Klimaallianz sei zur Erreichung ihrer Ziele trotz inhaltlicher Dissonanzen aber rein rechnerisch vorteilhafter, rechtfertigte sich das GLP-Präsidium.
Eine Listenverbindung ging auch die in der Zwischenzeit zur Mitte fusionierte CVP und BDP mit der EVP ein; beide mit dem Ziel, ihre Sitze zu halten. Bei der EVP gehe es mit einem «Wähleranteil am Existenzminimum» (3.6%) und mit dem Verschwinden ihrer Partnerin, der BDP, die ihr 2019 den Sprung nach Bundesbern verschafft hatte, ums Überleben im Nationalrat, so die Aargauer Zeitung.
Eine «bürgerliche Zweckgemeinschaft» (AZ) gab es, wie im Kanton Aargau üblich, zudem zwischen der SVP, der FDP und der EDU. Diese Partnerschaft hing jedoch «am seidenen Faden» (AZ), als der Aargauer SVP-Präsident Andreas Glarner (svp, AG) im Frühjahr 2023 wiederholt verbale Giftpfeile in Richtung FDP schoss. «[E]ine rote Linie überschritten» (AZ) hätte die SVP aus Sicht der FDP jedoch bei einem Schulterschluss mit «Mass-Voll»: Die Listenverbindung mit den Coronaskeptikerinnen und -skeptikern scheiterte letztlich nur an den freisinnigen sondern auch an parteiinternen Protesten. Während es der SVP bei diesen Wahlen darum ging, ihre sieben Sitze beizubehalten, nahmen sich die Freisinnigen vor, einen zusätzlichen Sitz zu erobern und damit die SP als zweitstärkste Partei abzulösen.
Eine vierte Wahlallianz bildeten die vier Kleinstparteien Lösungs-Orientierte-Volks-Bewegung, Musikpartei, Schweizerische Liberté Egalité Partei und «rechts-punkt.ch». Ohne Wahlpartnerin wagten sich schliesslich die Piratenpartei, Mass-Voll und die Partei der Arbeit in die Wahlen vom Oktober 2023.

Gestützt auf die Zahlen der EFK veröffentlichte die Aargauer Zeitung kurz vor den Wahlen die Wahlbudgets: Die SP verfügte mit CHF 435'200 über die mit Abstand meisten Mittel, gefolgt von der FDP mit CHF 259'000 und der SVP mit CHF 250'000 – wobei die Zeitung allerdings darauf hinwies, dass bei der SP «das Kollektiv Trumpf» sei, wohingegen bei den Kandidierenden der FDP und der SVP insbesondere die Budgets von einzelnen Kandidierenden gewichtig seien. Mit CHF 138'000 und CHF 134'600 hatten die EVP respektive die Grünen für den Wahlkampf am wenigsten Mittel budgetiert.

Am Wahlsonntag änderte sich kaum etwas an der bisherigen Sitzverteilung; lediglich um den Sitz der EVP wurde gerungen. Dieses Duell konnte die SVP als wählerstärkste Partei, welche um 4 Prozentpunkte (PP) zulegte (neu: 35.5%), für sich entscheiden. Die EVP verlor somit ihren letzten Sitz, obwohl sie als einzige grössere Partei ihren Wähleranteil um 0.9 Prozentpunkte erhöhen konnte (neu: 4.5%). Die Aargauer Zeitung sprach im Nachhinein von einem «Tag der knappen Ergebnisse». Ungefährdet im Amt bestätigt wurden die fünf bisherigen SVP-Nationalrätinnen und -Nationalräte, Benjamin Giezendanner (svp, AG), Martina Bircher (svp, AG), Stefanie Heimgartner (svp, AG), Andreas Glarner (svp, AG) und Thomas Burgherr (svp, AG). Für viel Spannung sorgten gemäss Aargauer Zeitung indes verschiedene parteiinterne Duelle: Der Bisherige Alois Huber (svp, AG) wurde stimmenmässig vom neu gewählten Christoph Riner (svp, AG) überholt und schaffte seine Wiederwahl folglich nur aufgrund des Sitzgewinns der SVP. Bei der FDP, welche 0.5 Prozentpunkte an Wähleranteil einbüsste (neu: 13.1%), vermochte Matthias Samuel Jauslin (fdp, AG) seinen Sitz mit 90 Stimmen Differenz nur äusserst knapp gegen seinen parteiinternen Kontrahenten Adrian Schoop (AG, fdp) zu verteidigen. Die Aargauer Stimmbevölkerung bestätigte auch die bisherige Nationalrätin Maja Riniker (fdp, AG) im Amt. Ihr Ziel, die SP sitz- und wähleranteilsmässig zu überholen, verfehlten die Freisinnigen jedoch klar, denn die SP blieb mit einem «Mini-Minus» (AZ) von 0.1 Prozentpunkten (neu: 16.4%) beinahe gleich stark und erreichte damit ihr Wahlziel. Während die beiden bisherigen SP-Nationalratsmitglieder Gabriela Suter (sp, AG) und Cédric Wermuth die Wiederwahl schafften, setzte sich Simona Brizzi (sp, AG) mit nur 33 Stimmen Vorsprung gegen Colette Basler (AG, sp) im Rennen um den neu zu besetzenden Sitz durch.
Die Wahlen 2023 markierten auch im Kanton Aargau das Ende der grünen Welle. Die Grünen mussten beim Wähleranteil die grössten Verluste hinnehmen (-2.7 PP; neu: 7.1%), ihren Sitz konnte die diesjährige Aargauer Panaschierkönigin Irène Kälin (gp, AG) trotz ebenfalls starker parteiinterner Konkurrenz aber verteidigen. Auch die Grünliberalen verpassten ihre Wahlziele deutlich, konnte ihren Wähleranteil sowie ihren Sitz mit dem Bisherigen Beat Flach (glp, AG) allerdings beibehalten (8.5%) und überholten damit die Grünen. Die Mitte verlor bei den Wahlen 2023 im Kanton Aargau 0.9 Prozentpunkte an Wähleranteilen (neu: 12.0%), was sich aber nicht auf ihre beiden Sitze auswirkte: Sowohl Parteipräsidentin Marianne Binder-Keller (mitte, AG) als auch Andreas Meier (mitte, AG), der 2022 für Ruth Humbel (mitte, AG) nachgerutscht war, wurden im Amt bestätigt. Die acht übrigen kleineren Parteien konnten nach den Wahlen insgesamt einen Wähleranteil von knapp 3 Prozent auf sich vereinen, hatten aber im Rennen um einen Sitz keine Chance.

An den Nationalratswahlen 2023 nahmen 46.6 Prozent der Aargauer Stimmbevölkerung teil, was einer Zunahme von 1.9 Prozentpunkten im Vergleich zu den Wahlen 2019 entspricht. Nachdem Marianne Binder-Keller im November im zweiten Wahlgang der Ständeratswahlen den Sprung ins «Stöckli» schaffte, rückte die drittplatzierte Maya Bally (mitte, AG) für sie in den Nationalrat nach.

Nationalratswahlen 2023 – Aargau
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2023 - Überblick

Unter anderem in Reaktion auf angebliche Mietkündigungen zugunsten von Asylbewerberinnen und -bewerbern in Windisch (AG) lancierte Martina Bircher (svp, AG) eine Motion gegen Wohnungskündigungen, um Asylsuchende unterzubringen. Weiter sollten auch Zwischennutzungen von Mietwohnungen als Asylunterkünfte fortan nicht mehr rechtens sein, wenn sie zur Auflösung von Mietverträgen führten. Der Bundesrat erwiderte, dass die Mieterschaft fristgerechte Kündigungen des Mietverhältnisses anfechten könne und zum Zeitpunkt der Kündigung oftmals nicht klar sei, zu welchem Zweck und an wen das Wohnobjekt nach einer Mietkündigung vermietet werde. Die von der Motionärin geforderten Massnahmen könnten hier zu Rechtsunsicherheit führen. In der Herbstsession 2023 folgte der Nationalrat dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion mit 136 zu 53 Stimmen ab. Die geschlossen stimmende SVP-Fraktion unterstützte den Vorstoss ihrer Fraktionskollegin.

Schutz der Schweizer Mieter und Mieterinnen: Kein Rauswurf wegen Asylbewerbern (Mo. 23.3572)

Der Nationalrat überwies in der Sommersession 2023 ein auch vom Bundesrat unterstütztes Postulat Marti (sp, BL), das eine Evaluation der privaten Unterbringung von Flüchtlingen oder vorläufig Aufgenommenen mit einem besonderen Fokus auf Familien und unbegleitete Minderjährige verlangte. Die private Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine berge Potential für die Integration der betroffenen Personen sowie ebenso für Kosteneinsparungen der öffentlichen Hand, so Marti in der Begründung ihres Vorstosses. Das Ausmass dieses Potentials gelte es zu evaluieren. Dem Nationalrat lag neben dem befürwortenden Antrag der Kommission ein Antrag von Martina Bircher (svp, AG) auf Ablehnung des Postulats vor. Die Antragstellende begründete ihre Haltung damit, dass die Möglichkeit der privaten Unterbringung von aus der Ukraine geflüchteten Personen zu Beginn zu Problemen bei der solidarischen Verteilung der Kantone geführt habe und eine allfällige Ausweitung dieser Unterbringungsform nicht wünschenswert sei. Mit 112 zu 53 Stimmen (12 Enthaltungen) stellte sich die Mehrheit des Nationalrats hinter die Kommission.

Evaluation der privaten Unterbringung im Asylwesen (Po. 23.3203)

Die SGK-NR forderte den Bundesrat im Februar 2023 mittels Postulat auf, zu prüfen, wie im BVG ein Splittingmodell der Altersguthaben von Eltern umgesetzt werden könne. Im April 2023 beantragte der Bundesrat die Annahme des Postulats.
In der Sondersession vom Mai 2023 gelangte das Geschäft in den Nationalrat, wo die Kommissionsmehrheit von Brigitte Crottaz (sp, VD) und Christian Lohr (mitte, TG) vertreten wurde: Nach wie vor gebe es beträchtliche Unterschiede beim Rentenniveau von Männern und Frauen in der zweiten Säule, wobei gerade Frauen, die eine längere Zeit unbezahlter Care-Arbeit nachgingen, von Altersarmut gefährdet seien und in der Folge öfters EL beziehen müssten. Ein Splitting der Pensionskassenguthaben der beiden Elternteile zu je 50% entlaste die zweite Säule von Frauen, welche durch Kindererziehung Lücken bei ihrer BVG-Rente hätten. Was bereits heute bei Ehepaaren die Normalität sei, wolle das Postulat nun auch für unverheiratete Eltern prüfen. Eine Minderheit Bircher (svp, AG) forderte die Ablehnung des Postulats. Familiengefüge seien in der Praxis oft komplexer als im Vorstoss dargestellt. Es sei beispielsweise unklar, wie das Altersguthaben von Vätern gesplittet werden würde, die Kinder mit verschiedenen Frauen hätten. Auch könne die geforderte Neuerung dazu führen, dass Frauen auf eine Pensionskasse verzichteten, da sie automatisch die Hälfte des Guthabens vom Vater des gemeinsamen Kindes erhielten.
Die grosse Kammer nahm das Postulat mit 104 zu 73 Stimmen (1 Enthaltung) an. Die geschlossene SVP-Fraktion und fast sämtliche Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion stimmten gegen den Vorstoss.

BVG. Splitting der erworbenen Altersguthaben für Eltern (Po. 23.3011)

Ende Februar 2023 erreichte rund 50 Mieterinnen und Mietern aus dem aargauischen Windisch eine Wohnungskündigung. Diese Kündigungen erhielten in den Medien grosse Aufmerksamkeit, weil in der Liegenschaft fortan unbegleitete minderjährige Asylsuchende untergebracht werden sollten und es den Anschein machte, dass den Mietenden folglich zugunsten der Asylsuchenden gekündigt worden war.
Medien und Politik überschlugen sich in der Folge mit Kritik an oder Kommentaren zu diesem Vorgehen: SVP-Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) erachtete die Situation als «Beweis für das Asylchaos», während SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider direkt für diese Situation verantwortlich machte. Solche Situationen könnten in weiten Teilen der Bevölkerung die Unterstützung für Geflüchtete gefährden, befürchtete des Weiteren FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) und auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe wehrte sich dagegen, mit solchen Aktionen verschiedene Personengruppen, die beide günstigen Wohnraum benötigten, gegeneinander auszuspielen.
Die SP sah die Wurzel des Problems derweil nicht bei den Asylsuchenden, sondern bei der «schamlosen Gewinnmacherei der Immobilienkonzerne». Trotzdem sparte man auch im linken Lager nicht mit Kritik am Vorgehen des Kantons Aargau und dessen Sozialdienstes. Die Mieterinnen und Mieter aus Windisch hätten wohl gute Chancen, die Entscheidung anzufechten, äusserte sich schliesslich eine Mietrechtsexpertin gegenüber dem Blick. So könne es sich um eine missbräuchliche Kündigung handeln, da die Vermieterin keine Begründung für die Kündigung angegeben habe. Weiter könnten die Mietparteien auch eine Erstreckung der Kündigungsfrist beantragen, welche bei finanziellen Härtefällen bis zu vier Jahre betragen kann.
In der Folge wurden auch zahlreiche Vorschläge zur Linderung der Wohnungsnot eingebracht: Die SVP erachtete diesbezüglich Grenzschliessung als nachhaltiges Rezept und Martina Bircher (svp, AG) verlangte, Wohnungskündigungen zugunsten der Unterbringung von Asylsuchenden gesetzlich zu verbieten, scheiterte aber damit im Nationalrat. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (sp, ZH) schlug stattdessen ein Verbot der Beherbergungsplattform Airbnb vor.

In den folgenden Tagen wurde jedoch bekannt, dass sich die Situation nicht ganz so zugetragen hatte, wie ursprünglich angenommen worden war. So hatten die Eigentümerinnen und Eigentümer der betroffenen Liegenschaft die Wohnungskündigungen anscheinend in der Absicht verschickt, die Liegenschaft abzureissen und stattdessen Neubauten zu errichten. Anschliessend seien sie jedoch vom Kanton angefragt worden, ob die Liegenschaft in Zwischennutzung als Asylunterkunft verwendet werden könne. Die Gemeinde Windisch sei dabei gleichzeitig wie die Mieterschaft über das Vorhaben durch die Eigentümerinnen und Eigentümer und den Kanton informiert worden und habe sich bei der Kantonsregierung dagegen gewehrt. Obwohl die Medien über diese veränderte Situation informierten, blieb die Wut über die Vertreibung der Mietenden zugunsten von Asylsuchenden weiterhin Thema. Dies insbesondere, nachdem bekannt geworden war, dass auch in Zürich künftig nach einer Kündigung des Mietverhältnisses mit Studierenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber in den betroffenen Wohnungen untergebracht werden sollten, worüber unter anderem der Tagesanzeiger berichtete. Auch hier standen jedoch die Wohnungskündigungen nicht in einem direkten Verhältnis zur Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. So seien die Kündigungen aufgrund missbräuchlicher Untermiete ausgesprochen worden und die Liegenschaft solle lediglich als Zwischennutzung bis zur Sanierung als Asylunterkunft fungieren.

Hingegen kündigte die Gemeinde Seegräben (ZH) als Vermieterin tatsächlich einem alleinstehenden Mieter den Mietvertrag für eine 5.5-Zimmer-Wohnung, um eine Familie von geflüchteten Personen unterzubringen. Die Gemeinde Seegräben hatte laut ihren eigenen Berechnungen das kantonale Kontingent an aufgenommenen Asylsuchenden noch nicht erreicht und wollte deshalb die einzige passende Wohnung in Gemeindeshand für die Unterbringung einer Familie nutzen. Nur wenig später liess die Gemeinde jedoch verlauten, dass man das Kontingent aufgrund eines administrativen Fehlers falsch berechnet habe; sie hielt aber an der Wohnungskündigung fest. Lionel Walter, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, nannte die Situation im Blick einen «bedauerlichen Einzelfall».

Wohnungskündigungen in Windisch, Zürich und Seegräben im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden

Mit einer Motion forderte Martina Bircher (svp, AG) mehr Praxisbezug für das Top-Management der Bundesverwaltung. Die Covid-Krise habe gezeigt, dass viele «unlogische Massnahmen [...] in irgendeiner Amtsstube von Theoretikern entworfen» worden seien, die keinen Praxisbezug mehr hätten. Wie in der Privatwirtschaft sollten deshalb auch Beamte verpflichtet werden, vor Ort für Anliegen «einfacher Berufe» sensibilisiert zu werden, forderte Bircher. Bundesrat Ueli Maurer zeigte für das Anliegen zwar durchaus Sympathie, wies aber darauf hin, dass es nicht notwendig sei, dieses auf Gesetzesstufe zu regeln. Vielleicht müsse man sich auch überlegen, ob umgekehrt nicht auch «Leute aus der Praxis in die Verwaltung kommen [müssten]», so Maurer, der damit auch Verständnis für die Verwaltung signalisierte: «Denn sehr oft werden Einzelanliegen eingebracht, die im konkreten Fall verständlich sind. Aber wenn Sie hundert Anliegen betrachten, sehen Sie, wie sich diese diametral entgegenstehen können». Ausser der geschlossenen SVP-Fraktion und einer Stimme aus der Mitte-EVP-Fraktion folgte die grosse Kammer dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion mit 138 zu 56 Stimmen (keine Enthaltung) ab.

Praxisbezug für das Top-Management der Bundesverwaltung (Mo. 21.3044)

In Form einer Motion verlangte Martina Bircher (svp, AG), dass einer Person, sobald ihr das Asyl oder die Flüchtlingseigenschaft abgesprochen wurde – beispielsweise weil diese Personen unerlaubt in ihr Heimatland gereist war –, auch die Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung abgesprochen werden soll. Bundesrätin Karin Keller-Sutter erläuterte im Ratsplenum, dass das Anliegen der Motionärin in Bezug auf den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung bereits erfüllt sei, da diese gleichzeitig mit dem Asyl entzogen werde. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei an andere Kriterien geknüpft und komplexer, der Bundesrat erachte aber auch diese bestehenden Möglichkeiten als ausreichend und empfehle die Motion somit zur Ablehnung, so die Bundesrätin weiter. Der Nationalrat folgte sodann dem Vorschlag des Bundesrates und sprach sich mit 135 zu 52 Stimmen (0 Enthaltungen) gegen die Motion aus, wobei einzig die Mitglieder der SVP-Fraktion für das Anliegen stimmten.

Entzug der Aufenthalts- respektive Niederlassungsbewilligung aufgrund des widerrufenen Flüchtlingsstatus (Mo. 20.4053)

In einem im September 2021 eingereichten Postulat forderte Gabriela Suter (sp, AG) die Aufarbeitung der Umweltbelastungen der aktuell in Betrieb stehenden und ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlagen. Suter verlangte, dass im Bericht auf die Emissionen und Immissionen eingegangen wird, die in den verschiedenen Betriebsphasen einer KVA kontrolliert beziehungsweise nicht kontrolliert wurden. Zudem soll dargelegt werden, welche Aufgaben welchen Behörden und Akteuren – insbesondere Bund, Kantone und einzelne KVA-Betreibende – übertragen wurden und wie sie diese Aufgaben umsetzen. Schliesslich soll festgehalten werden, ob der aktuelle rechtliche Rahmen gegebenenfalls angepasst werden müsste. Hintergrund des Vorstosses war der Umstand, dass rund um eine ehemalige KVA in Lausanne mit Dioxinen belastete Böden entdeckt worden waren. Suter befürchtete, dass auch die Böden rund um andere KVA belastet sein könnten. Gemäss Bundesrecht müssten die Kantone diejenigen Stellen, bei denen die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigt werden könnte, überwachen. Laut Medienrecherchen sei dies aber bei vielen KVA noch nie geschehen. Zudem sei von den Medien aufgedeckt worden, dass in der Vergangenheit die Vollzugskontrollen nur mangelhaft durchgeführt worden seien.
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates, welches unter Einbezug der kantonalen Fachstellen und der KVA-Betreibenden umgesetzt werden soll.
Der Nationalrat behandelte das Postulat in der Frühjahrssession 2022, weil es von Martina Bircher (svp, AG) bekämpft worden war. Nachdem Gabriela Suter ihr Anliegen vorgestellt hatte, kritisierte Martina Bircher, dass die Anforderungen an den verlangten Bericht unrealistisch seien, zumal die historischen Daten, die noch zur Verfügung stünden, wahrscheinlich nicht komplett seien. Zudem läge der Betrieb einer KVA in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden. Daher sei es fraglich, was mit den im Bericht erarbeiteten Empfehlungen geschehen werde. Umweltministerin Sommaruga setzte sich für die Annahme des Postulates ein. Es sei aber wichtig zu betonen, dass dieser Bericht nicht die Bodenanalysen der lokalen Behörden ersetzen könne. Das Ziel des Berichts sei es aber, diese Arbeiten zu unterstützen. Die grosse Kammer folgte den Worten Sommarugas und nahm das Postulat mit 108 zu 72 Stimmen bei 6 Enthaltungen an. Deutlich Mehrheiten der Fraktionen von SVP und FDP.Liberale sowie einige Mitglieder der Mitte lehnten das Postulat ab.

Aufarbeitung der Umweltbelastungen rund um in Betrieb stehende und ehemalige Kehrichtverbrennungsanlagen (Po. 21.4225)
Dossier: Bessere Kontrolle von PFAS, PCB und Dioxin in der Umwelt

Im Mai 2020 reichte Nationalrätin Martina Bircher (svp, AG) zwei Vorstösse betreffend die ausländerrechtliche Administrativhaft (Mo. 20.3323, Mo.20.3327) ein. So verlangte sie in letzterer Motion die Aufrechterhaltung der Administrativhaft für straffällige Ausländer, insbesondere während der Corona-Pandemie. Mit der ausländerrechtlichen Administrativhaft soll die Ausreise einer ab- oder ausgewiesenen ausländischen Person aus der Schweiz garantiert werden. Da während der Corona-Pandemie keine Ausschaffungen durchgesetzt worden seien, seien auch straffällige Individuen aus der Administrativhaft entlassen worden. Mittels einer notrechtlichen Grundlage sollte die ausländerrechtliche Administrativhaft für straffällige Individuen gemäss der Motionärin unter anderem für die Dauer der ausserordentlichen Lage verlängert werden dürfen.
Der Bundesrat argumentierte dagegen, dass der Entscheid über die Entlassung aus der Administrativhaft auch während der ausserordentlichen Lage weiterhin im Einzelfall gefällt werde. Da sich Ende März 2020 keine einzige Person seit mehr als 15 Monaten in ausländerstrafrechtlichen Administrativhaft befunden habe, erachtete der Bundesrat die aktuelle Haftfrist von maximal 18 Monaten als ausreichend und beantragte folglich die Ablehnung der Motion.
In der Frühjahrssession 2022, also kurz bevor der Bundesrat die Rückkehr zur normalen Lage verkündete, lehnte der Nationalrat die Motion mit 138 zu 54 Stimmen ab.

Aufrechterhaltung der Administrativhaft für straffällige Ausländer (Mo. 20.3327)
Dossier: Überwachung von aus der Administrativhaft entlassenen Personen

Anfang Mai 2020 reichte Nationalrätin Martina Bircher (svp, AG) zwei Motionen zur ausländerrechtlichen Administrativhaft ein (Mo. 20.3323 und Mo. 20.3327). Erstere forderte eine notrechtliche Grundlage, um aus der Administrativhaft entlassene Individuen zu überwachen. Um zu vermeiden, dass die betroffenen Personen nach der Entlassung untertauchen, schlug die Motionärin etwa Fussfesseln oder eine tägliche Meldepflicht bei den Behörden vor. Sie argumentierte, dass insbesondere während der Coronakrise viele Ausschaffungen – unter anderem aufgrund geschlossener Grenzen oder fehlender Flüge – ausgesetzt und deshalb viele Personen aus der Administrativhaft entlassen worden seien. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er erwiderte, dass für Ausländerinnen und Ausländer, die einer Wegweisungsverfügung unterstehen, bereits eine regelmässige Meldepflicht bei den Behörden bestehe. Des Weiteren könne ein Untertauchen durch elektronische Fussfesseln nur bedingt verhindert werden; dies sei schon in der Antwort auf eine Motion Nantermod (fdp, VS; Mo. 18.3079) dargelegt worden. Nicht zuletzt hätten die Kantone bereits Einwände gegen entsprechende Massnahmen geäussert. In der Frühjahrssession 2022 lehnte der Nationalrat die Motion mit 138 zu 54 Stimmen ab.

Überwachung von Personen aufgrund der Entlassung aus der ausländerrechtlichen Administrativhaft (Mo. 20.3323)
Dossier: Überwachung von aus der Administrativhaft entlassenen Personen