Lohnschutz, Europa und US-Zölle: die Verbände im Jahr 2025
In der Medienberichterstattung rund um die Verbände dominierten 2025 die US-Zölle sowie die Bilateralen III und deren inländische Umsetzung. Die Einigung der Sozialpartner und der folgende Beschluss des Bundesrats zu den flankierenden Lohnschutzmassnahmen zum EU-Vertragspaket schlugen sich vor allem in einer häufigen Nennung der Gewerkschaften im ersten Trimester nieder. Insgesamt war das Medieninteresse für die Verbände 2025 jedoch geringer als in den Vorjahren (vgl. Abbildungen 1 und 2 der APS-Zeitungsanalyse).
Bei den Wirtschaftsverbänden stellten sich Economiesuisse und der Arbeitgeberverband (SAV) recht dezidiert hinter die neuen bilateralen Abkommen und auch hinter die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Lohnschutzmassnahmen. Sie forderten jedoch die Streichung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmervertretende, den der Bundesrat zusätzlich zum Sozialpartnerkompromiss in seine Vernehmlassungsvorlage aufgenommen hatte. Die kleineren Unternehmensverbände Kompass/Europa und Autonomiesuisse lehnten das Vertragspaket hingegen ab. Vorderhand kein Nein, aber grössere Vorbehalte kamen vom Gewerbe- und vom Bauernverband, die ihre letztliche Zustimmung von inländischen Massnahmen zugunsten ihrer jeweiligen Klientel abhängig machten und ein obligatorisches Referendum forderten. Dabei schlug der (SBV) eine positivere Tonalität an als der SGV.
In der Debatte um die US-Zölle stützten die grossen Wirtschaftsverbände die Linie des Bundesrats, auch nach dem «Zollhammer» auf die US-Regierung zuzugehen und auf Retorsionsmassnahmen zu verzichten. Zur Abfederung der Folgen forderten sie eine Reihe von Massnahmen, wobei es sich abgesehen vom Ausbau der Kurzarbeit um langjährige Anliegen der Wirtschaft handelte, die aus ihrer Sicht nun aber zusätzliche Dringlichkeit erhielten. Der SBV wiederum wehrte sich vor allem dagegen, dass als Zugeständnis an die USA die Schweizer Agrarzölle gesenkt werden.
Auch wenn die grossen Wirtschaftsverbände 2025 anders als in den vorangegangenen Jahren keine Abstimmungsniederlagen hinnehmen mussten, konstatierten viele Medien und teilweise auch die Verbandsspitzen selbst einen anhaltenden Verlust ihrer Durchsetzungskraft in der öffentlichen Debatte. Zur Stärkung ihrer Kampagnenfähigkeit lancierten sie unter anderem die neue Online-Plattform «Civic» zum Sammeln von Unterschriften. Die deutliche Ablehnung der Zehn-Millionen-Initiative durch Economiesuisse wiederum sorgte für Friktionen mit der SVP. In personeller Hinsicht kündigte der Präsident von Economiesuisse seinen Rücktritt für das Jahr 2026 an. Mehr Zeit für die Nachfolgeplanung bleibt beim SBV, dessen Präsident Markus Ritter seinen Rücktritt für 2028 angemeldet hat; zu Jahresbeginn wurden jedoch bereits mögliche Nachfolgelösungen für einen frühzeitigen Wechsel sondiert, als Ritter für den Bundesrat kandidierte.
Die Dachverbände der Gewerkschaften, die die Bilateralen III lange kritisiert hatten, schwenkten 2025 auf eine unterstützende Position um, nachdem das Massnahmenpaket zum Lohnschutz feststand und der Bundesrat auch den Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertretende darin aufgenommen hatte. Auch Aussenstehende werteten dieses Ergebnis in den Medien als Verhandlungserfolg der Gewerkschaften. Das Stromabkommen mit der EU stiess bei Travail.Suisse hingegen auf Skepsis, beim SGB gar auf Ablehnung. In der Diskussion um die US-Zölle stellten die Gewerkschaften die Forderung nach einer Ausweitung der Kurzarbeit in den Vordergrund. Die Unia profilierte sich in dem Zusammenhang mit der Forderung, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für eine stärkere Berücksichtigung inländischer Unternehmen zu sorgen. Für öffentliche Aufmerksamkeit und teilweise Kritik sorgte die Unia zudem mit Streiks und Demonstrationen im Zuge der Verhandlungen zu einem neuen Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe; im Dezember gelang hier letztlich eine Einigung mit dem Baumeisterverband. Der VPOD machte mit Abgängen an der Spitze seines Generalsekretariats und einem Konflikt um den Führungsstil seines Präsidenten von sich reden.
Einen historischen Schritt machten die Gewerkschaften im Kanton Aargau: Dieser wurde zum ersten Deutschschweizer Kanton, in dem sich die Sektionen von Travail.Suisse und des Gewerkschaftsbundes in einer gemeinsamen Dachorganisation zusammenschlossen. Ein Novum war auch der Sieg Jean-Luc Addors in einer Kampfwahl ums Präsidium des Zollpersonalverbands Garanto: Damit wird erstmals überhaupt eine Schweizer Gewerkschaft von einem SVP-Mitglied geführt.
Zu einer Kampf- und Richtungswahl kam es auch um das Präsidium der Offiziersgesellschaft; durchsetzen konnte sich dabei der Kandidat, der für einen unabhängigeren Kurs der SOG vom VBS steht. Beim Schweizer Tierschutz (STS) war die Wahl des neuen Präsidenten mit der Hoffnung auf einen Neuanfang und geordnetere Verhältnisse verbunden, nachdem der Verband in den letzten Jahren von internen Konflikten und Vorwürfen mangelnder finanzieller Transparenz geprägt gewesen war. Weniger stark aufgeladen war die Neubesetzung von Spitzenposten etwa beim Tourismusverband, der Allianz Sicherheit Schweiz oder dem Automobil-Club der Schweiz (ACS).
Bei den Umwelt- und Landschaftsschutzverbänden gab weiterhin ihre teilweise Opposition gegen Wasserkraft-Ausbauprojekte zu reden. Im Sinn eines Kompromisses sahen sie letztlich von einem Referendum gegen den sogenannten Beschleunigungserlass ab, mit dem das Parlament ihr Verbandsbeschwerderecht bei 16 prioritären Wasserkraftprojekten auf kantonale Gerichtsinstanzen beschränkt, aber nicht ganz ausschaltet. Einen bedeutenden Abstimmungserfolg konnte der Hauseigentümerverband (HEV) mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verbuchen; für seine Abstimmungskampagne hatte der HEV aussergewöhnlich viele finanzielle Mittel eingesetzt.
In Bezug auf strukturelle Veränderungen in der Verbandslandschaft war 2025 ein vergleichsweise ereignisarmes Jahr. Zu Jahresbeginn nahm Prioswiss seinen Betrieb auf, womit die Krankenkassen nach Jahren der Spaltung wieder einen gemeinsamen Dachverband haben. Auch das Pflegepersonal beschloss die Gründung eines neuen Dachverbands namens «alliance care». Für einige mediale Aufmerksamkeit sorgte der «Leonhard-Kreis», der 2025 erstmals an die Öffentlichkeit trat: Der Verein, dem bekannte SVP-Exponenten sowie konservative Politiker aus Deutschland und Österreich angehören, will für die Meinungsfreiheit kämpfen, die er bedroht sieht.