<<>>
Bildung, Kultur und Medien
Kultur, Sprache, Kirchen
Politique du cinéma en mouvement — Problèmes des minorités linguistiques — Crise des Eglises.
Kulturpolitik
Der Ruf nach einer verstärkten Tätigkeit des Bundes in der Kulturpolitik, der 1967 erhoben worden war, fand im Geschäftsbericht und in den Richtlinien des Bundesrates ein gewisses Echo, das allerdings wegen seines gedämpften Tons nicht überall befriedigte [1]. Aus dem Kreis der Alliance culturelle romande wurde eine Beschränkung der Kulturhoheit der Kantone durch die Bundesverfassung gewünscht [2]. In der Richtliniendebatte betonte Nationalrat Cevey (rad., VD) die Lebenswichtigkeit des gegenseitigen Verständnisses zwischen den sprachlichen und kulturellen Gruppen für den Zusammenhalt der Schweiz im Zeitalter der europäischen Integration [3]. An einer Tagung des Schweizerischen Werkbundes kam die Problematik der Kulturförderung durch einen der Mehrheit verpflichteten und das Bestehende repräsentierenden Staat zur Sprache [4]. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Entwicklung des schweizerischen Filmwesens zugewandt; die Eidg. Filmkommission empfahl eine Revision des Filmgesetzes zur Ermöglichung einer wirksameren Bundeshilfe an den Spielfilm [5], und ein von Filmkulturkreisen konzipiertes Projekt eines von Bund, Kantonen, Gemeinden und Privatwirtschaft getragenen Nationalen Filmzentrums erfuhr Unterstützung durch repräsentative Persönlichkeiten des politischen Lebens [6]. Vorstösse in verschiedenen Kantonen zielten ausserdem auf eine Abschaffung der Filmzensur [7], was die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren zur Prüfung einer Vereinheitlichung der geltenden Bestimmungen veranlasste [8].
top
Sprachen
Verschiedenes wurde zur Förderung sprachlicher Minderheiten vorgekehrt: so erhöhte der Bund seinen jährlichen Beitrag an die Ligia Romontscha von 110 000 auf 190 000 Fr. [9], der bernische Regierungsrat beschloss die Einsetzung einer rein jurassischen Kommission zur Ausarbeitung eines Projekts für ein Jurassisches Kulturzentrum [10] und der Freiburger Staatsrat erklärte sich in Beantwortung einer Petition aus dem Jahre 1962 grundsätzlich zu einer Verbesserung der rechtlichen und politischen Stellung der deutschsprachigen Minderheit bereit [11]. Umstritten waren dagen in deutschschweizerischen wie in welschen Kreisen die Bestrebungen, von Paris aus im Namen der « Francophonie » westschweizerische Politiker zu einer organisierten Zusammenarbeit heranzuziehen; zwei Nationalräte sowie Vertreter der Kantonsparlamente Genfs und des Wallis folgten immerhin der Einladung zur ersten Generalversammlung der Association internationale des parlementaires de langue française in Versailles [12]. Die schweizerische kulturelle Aussenpolitik trat insbesondere durch eine von Pro Helvetia organisierte photographische Architekturausstellung in Moskau in Erscheinung [13].
top
Kirchen
Von kultur- wie von ordnungspolitischer Bedeutung ist auch die Tatsache einer inneren Erschütterung der Kirchen. Es sei hier nur andeutungsweise die Opposition gegen die päpstliche Enzyklika « Humanae vitae », die sich gegen eine allgemeine Geburtenregelung wendet, oder die Auflehnung junger protestantischer Theologen gegen traditionelle Formen und Gebräuche erwähnt [14]. Demgegenüber bildet das vom Bundesrat auf tessinisches Begehren mit dem Vatikan getroffene Abkommen über eine Erhebung der apostolischen Administratur Lugano zum selbständigen Bistum eine bloss formale kirchenpolitische Neuerung [15].
P.G.
 
[1] Gesch. ber., 1967, S. 77 f.; BBI, 1968, I, S. 1237 f. Vgl. SPJ, 1967, S. 127.
[2] JdG, 133, 10.6.68; TdG, 134, 10.6.68; 135, 11.6.68.
[3] Sten. Bull. NR, 1968, S. 288 f. Vgl. auch das Votum NR Franzonis (k.-chr., TI) (Sten. Bull. NR, 1968, S. 260 ff.).
[4] Ostschw., 268, 19.11.68; NZ, 539, 20.11.68. Vgl. auch Prof. K. Schmid in NZZ, 553, 8.9.68.
[5] NZZ, 7, 4.1.68.
[6] TdG, 103, 2.5.68; NZZ, 310, 21.5.68; 331, 31.5.68.
[7] NZZ, 284, 9.5.68; 683, 5.11.68 (Zürich); 347, 10.6.68 (Luzern); 440, 19.7.68 (Solothurn); Vat., 265, 13.11.68 (Aargau); vgl. auch unten, S. 150 (Baselstadt), ferner Lb, 69, 22.3.68; NZ, 147, 28.3.68; Ostschw., 77, 30.3.68.
[8] NZZ, 675, 31.10.68.
[9] AS, 1968, S. 1613 f. Dabei ging das Parlament weiter, als der Bundesrat vorgeschlagen hatte (BBI, 1968, I, S. 1265 ff.; NZZ, 572, 17.9.68; 748, 3.12.68).
[10] GdL, 237, 10.10.68; 241, 15.10.68.
[11] Lib., 73, 27.3.68; NZZ, 233, 16.4.68 ; 296, 15.5.68.
[12] Die Nationalräte Wilhelm (k.-chr., BE) und Baechtold (soz., VD). Vgl. TdG, 225, 25.9.68; 233, 4.10.68; JdG, 225, 26.9.68; TdL, 349, 14.12.68; NZZ, 501, 15.8.68; 621, 8.10.68; BN, 413, 2.10.68; NZ, 461, 6.10.68. Zur Kritik am ethnischen Prinzip vgl. auch GONZAGUE DE REYNOLD, Destin du Jura, Lausanne 1968, S. 342 ff. und OTTO FREI, Paris und sein Anspruch auf Führung in Kultur und Sprache, Zürich 1968.
[13] NZZ, 243, 21.4.68; 295, 14.5.68; 362, 16.6.68.
[14] Vgl. zur Enzyklika Vat., 180, 3.8.68; 203, 31.8.68; GdL, 192, 17./18.8.68;Lb,251,25,10.68; NZ, 577, 12.12.68; Ostschw., 289, 13.12.68; zu protestantischen Vorgängen TdG, 78, 1.4.68; 274, 21.11.68 (Genf); Der Sämann, 1968, Nr. 11; Bund, 276, 24.11.68; 285, 4.12.68; Weltwoche, 1830, 6.12.68 (Bern).
[15] Das am 24.7. unterzeichnete Abkommen bedarf noch der Ratifikation; vgl. PL, 13.4.68; GdP, 169, 26.7.68; Vat., 203, 31.8.68.
top