Bildung, Kultur und Medien
Kultur, Sprache, Kirchen
Der Bundesrat präsentierte seine Entwürfe zu einem neuen Kulturförderungsgesetz, zu einem revidierten Pro-Helvetia-Gesetz und zu einem Bundesgesetz über die Museen und Sammlungen des Bundes. – Das Parlament stimmte einer Teilrevision des Urheberrechts im digitalen Bereich zu. – Das Parlament verabschiedete ein neues Sprachengesetz. – Mit Unterstützung der SVP und der EDU lancierten rechtsbürgerliche und evangelikale Kreise eine Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“.
Kulturpolitik
Nach einer längeren Vorlaufphase verabschiedete der Bundesrat im Frühsommer die Entwürfe zu einem neuen
Kulturförderungsgesetz und zu einem revidierten
Pro-Helvetia-Gesetz zuhanden des Parlaments. Mit diesen Rechtsgrundlagen wird eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Kantonen und der Schweizer Kulturstiftung angestrebt. Wegleitend dafür ist Art. 69 der Bundesverfassung, wonach die Kantone die Kulturhoheit innehaben. Während das Bundesamt für Kultur (BAK) auf politischer Ebene für die Formulierung der Schwerpunkte im Bereich der Kulturförderung zuständig sein soll, wird Pro Helvetia (siehe unten) vermehrt auf dem Gebiet der Kulturvermittlung und des Kulturaustausches aktiv werden, im Speziellen auch im Ausland. Demgegenüber sollen die Kantone und die Städte künstlerisches Schaffen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen direkt unterstützen. Auf Werkbeiträge von Pro Helvetia soll hier künftig verzichtet werden. Im Rahmen dieser neuen Organisation soll eine Finanzierungsbotschaft alle vier Jahre das Budget und die strategischen Schwerpunkte der Kulturförderung des BAK, der Pro Helvetia sowie des zu gründenden Schweizerischen Nationalmuseums (siehe unten) festlegen. Definitiv verzichtet wurde im Entwurf des Bundesrates auf die Unterstützung bedeutender kantonaler oder städtischer Kultureinrichtungen (so genannte Leuchttürme) und auf Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden
[1].
Vor allem bei der
SP stiess dieser Entwurf für ein neues Kulturförderungsgesetz auf breiten
Widerstand. Die SP sah im Verzicht des Bundes auf die direkte Werkförderung einen eigentlichen Kulturförderungsabbau und war enttäuscht darüber, dass die bundesrätliche Vorlage keine Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden vorsieht
[2].
Bundesrat Pascal Couchepin traf anlässlich des Filmfestivals in Locarno den Kulturminister von
Italien. Die beiden Politiker setzten mit dem Austausch einer Note eine Vereinbarung über den Zugang zu staatlichen Kulturinstitutionen beider Länder in Kraft, welche den Schweizern in Italien analog den Besuchern aus EU-Staaten vergünstigte Eintritte in
öffentliche Museen garantiert
[3].
Die Mitgliedstaaten der UNESCO hatten 2005 angesichts des immer rascher voranschreitenden Globalisierungsprozesses ein
Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen verabschiedet. Die Konvention anerkennt die Besonderheit kultureller Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen als Träger von Identitäten, Werten und Sinn eines Landes. Sie bestätigt auch das souveräne Recht der Staaten, Kulturpolitiken zu beschliessen und umzusetzen. Schliesslich erklärt sie den Schutz und die Förderung der kulturellen Ausdrucksformen zu einem Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit. Dieses Übereinkommen unterbreitete der Bundesrat zusammen mit der UNESCO-
Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes von 2003 im Berichtsjahr dem Parlament. Dieses zweite Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Massnahmen zum Schutz von traditionellen kulturellen Ausdrucksformen in ihrem Land zu ergreifen. Der Nationalrat stimmte beiden Abkommen praktisch diskussionslos zu. Einzig eine Mehrheit der SVP-Fraktion opponierte, da sie darin eine neue „völkerrechtliche Fessel“ sah, die zu einer Einschränkung der nationalen Souveränität führe
[4].
Anders als im Vorjahr stimmten beiden Kammern im Nachtrag II zum Budget 2007 gegen den Antrag des Bundesrates diskussionslos einer Erhöhung um 20 Mio Fr. für die Bereiche
Heimatschutz und Denkmalpflege sowie
Natur- und Landschaftsschutz zu, um den Verpflichtungen gegenüber den Kantonen nachzukommen. In der Eintretensdebatte regte die SVP erfolglos an, bei den Beiträgen an internationale Organisationen, ans Bundesamt für Bildung und Forschung oder ans BAK entsprechend zu kürzen
[5].
Im neuen Kulturkonzept des Bundes (siehe oben, allgemeine Kulturpolitik des Bundes) werden die Förderungsaktivitäten zwischen Bundesamt für Kultur (BAK) und Pro Helvetia (PH) umverteilt. So wird sich künftig die PH auf den Kulturaustausch in der Schweiz und im Ausland und auf die Vermittlung von Kunst konzentrieren. Das BAK wird für die Ausrichtung von Preisen und Auszeichnungen sowie für die Nachwuchsförderung zuständig sein. Zur
Neugestaltung der PH gehört die Beschränkung der Aufgaben des Stiftungsrats auf strategische Entscheide sowie die Reduktion der Anzahl seiner Mitglieder von heute 25 auf 7 bis höchstens 9. Damit trug der Bundesrat den Empfehlungen der parlamentarischen Verwaltungskontrolle Rechnung. Der Entwurf zum revidierten PH-Gesetz respektiert im Übrigen die bisherige Autonomie der Stiftung. Die PH zeigte sich in einer Stellungnahme zufrieden mit dem Gesetzesentwurf und der Aufgabenteilung zwischen ihr und dem BAK
[6].
Für die Vierjahresperiode
2008–2011 hatte die Stiftung ein Budget von 143,8 Mio Fr. zur Erfüllung ihres Auftrags im In- und Ausland beantragt, was einer Erhöhung um 6,8 Mio gegenüber dem Rahmenkredit für die Jahre 2004–2007 entsprochen hätte. Abgestimmt auf die Massnahmen des Entlastungsprogramms 2003 beantragte der Bundesrat einen
Zahlungsrahmen von 135 Mio Fr. Im Nationalrat unterstützte die Kommissionsmehrheit das höhere Begehren der Pro Helvetia. Gegen den Willen des links-grünen Lagers und eines Teils der FDP-Fraktion wurde mit 90 zu 80 Stimmen aber ein Minderheitsantrag von Häberli-Koller (cvp, TG) angenommen, dem Bundesrat zu folgen. Weitere Minderheitsanträge, die vor allem aus den Reihen der SVP stammten und wie bereits in früheren Jahren eine massivere Kürzung des Rahmenkredits verlangten, wurden abgelehnt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss mit 132 zu 41 Stimmen an. Der Ständerat genehmigte diesen diskussionslos und einstimmig
[7].
Anlässlich der traditionellen Pressekonferenz beim Filmfestival von Locarno (TI) gab Bundesrat Couchepin die neue
Förderungspolitik des Bundes bei den Filmfestivals und die zur Verfügung gestellten Beiträge (rund 2,5 Mio Fr. pro Jahr) für die nächsten drei Jahre bekannt. Von den etablierten grossen Veranstaltungen gehen das Internationale Filmfestival Locarno mit 1,35 Mio Fr. (+150 000) und das Dokumentarfilm-Festival „Visions du réel“ in Nyon (VD) mit 400 000 Fr. (+70 000) gestärkt aus der Förderrunde hervor; die Filmtage Solothurn als Schaufenster fürs nationale Filmschaffen bleiben bei einem Bundesbeitrag von 300 000 Fr. pro Jahr
[8].
2002 hatte der Bundesrat einen ersten Anlauf genommen, die Musée Suisse Gruppe in eine öffentlich-rechtliche Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit umzuwandeln. Das Parlament hatte diese Botschaft zur Überarbeitung an den Absender zurückgewiesen, weil es eine umfassende und kohärente Museumspolitik des Bundes vermisste. Der im September des Berichtsjahres vorgelegte Entwurf trug dieser Kritik Rechnung. Das Bundesgesetz über die Museen und Sammlungen des Bundes (Museums- und Sammlungsgesetz, MSG) verpflichtet die bundeseigenen Institutionen auf gemeinsame Ziele und erteilt ihnen einen einheitlichen Grundauftrag.
Neben der erstmaligen Festlegung einer kohärenten Zielsetzung enthält die Vorlage wichtige strukturelle Neuerungen. Die bisherige Musée Suisse Gruppe, bestehend aus dem Landesmuseum Zürich, dem Schloss Prangins (VD) und sechs weiteren Museen, soll redimensioniert und in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt verselbständigt werden. Die neue Institution, die den Namen
Schweizerisches Nationalmuseum (SNM) tragen soll, wird über drei Museumsstandorte (Zürich, Prangins und Schwyz) sowie ein Sammlungszentrum in Affoltern am Albis (ZH) verfügen. Das SNM soll insbesondere die Geschichte der Schweiz und ihrer Beziehungen zum Ausland vermitteln, sich mit der Identität des Landes auseinandersetzen und seine Kompetenzen anderen Museen zur Verfügung stellen. Im Weiteren sollen die Führungsstruktur des SNM sowie seine Steuerung und Beaufsichtigung durch den Bund modernisiert und an die Corporate-Governance-Grundsätze des Bundes angepasst werden
[9].
Der Bundesrat schlug vor, die befristete Rechtsgrundlage für Finanzhilfen des Bundes an das
Verkehrshaus der Schweiz in Luzern bis 2011 zu verlängern und dafür einen Zahlungsrahmen von 5,32 Mio Fr. zu sprechen. Mit dem Inkrafttreten des Kulturförderungsgesetzes (siehe oben), welches unter anderem die Subventionierung von Museen und Sammlungen Dritter, die dem Erhalt des kulturellen Erbes dienen, durch den Bund regelt, wird diese provisorische Rechtsgrundlage aufgehoben werden können. Der Ständerat, der diese Anträge als Erster behandelte, stimmte ihnen oppositionslos zu
[10].
Der Bund unterstützt die
Stiftung Bibliomedia seit 1921. Ihr Auftrag ist die Sicherstellung und die Verbesserung des Zugangs zu Büchern und Medien in der gesamten Schweiz. 2003 wurde der Stiftung für die Jahre 2003-2007 ein Zahlungsrahmen von 8 Mio Fr. bewilligt, der Ende 2005 allerdings auf 7 Mio Fr. herabgesetzt wurde. Für die Periode 2008-2011 beantragte der Bundesrat noch 6 Mio Fr. Im Nationalrat machte die Sprecherin der Kommissionsmehrheit geltend, das würde gegenüber dem Beschluss von 2003 eine Kürzung um 25% bedeuten, was für eine kleine Institution stark ins Gewicht falle. Auf ihren Antrag wurde mit 86 zu 66 Stimmen der Zahlungsrahmen wieder auf 8 Mio Fr. angehoben. Die Gegenstimmen kamen vor allem aus der SVP und vereinzelt aus der CVP. In der Gesamtabstimmung passierten der Bundesbeschluss und der Leistungsvertrag im Nationalrat mit 127 zu 39 Stimmen, im Ständerat einstimmig
[11].
2005 hatte die Wettbewerbskommission die in der Deutschschweiz geltende
Buchpreisbindung, den so genannten Sammelrevers, als unzulässige Wettbewerbsabrede qualifiziert. Im März des Berichtsjahres stützte das Bundesgericht diese Auffassung. Der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) gelangte daraufhin mit einem Ausnahmegesuch nach Art. 8 des Kartellgesetzes an den Bundesrat. Gemäss dieser Bestimmung kann der Bundesrat in Einzelfällen Absprachen zulassen, wenn „sie notwendig sind, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen“. Diesen Interessennachweis – beispielsweise eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit guter Literatur – sah der Bundesrat nicht als erbracht an. Er erklärte gegenüber den Medien, er sei davon überzeugt, dass ohne Preisbindung Bücher grundsätzlich billiger würden und die Angebotsvielfalt nicht abnehme. Die kulturpolitischen Interessen, welche die Gesuchsteller anführten, lassen sich laut Bundesrat mit besseren Mitteln als der Buchpreisbindung verwirklichen. Als Beispiel nannte er die Literaturförderung, für die allein auf Bundesebene jährlich 6,7 Mio Fr. ausgegeben werden. Der SBVV zeigte sich vom Entscheid des Bundesrates enttäuscht. Er hatte sich zumindest eine Übergangslösung erhofft, da die WAK des Nationalrates daran ist, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der die Buchpreise ausserhalb des Kartellgesetzes regeln soll
[12].
Im Berichtsjahr wurde die durch die 1997 erfolgte Ratifizierung von zwei
Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum notwendig gewordene
Teilrevision des
Urheberrechts abgeschlossen. Wie schon im Ständerat war auch im Nationalrat Eintreten auf beide Vorlagen unbestritten. In der Detailberatung zeigte sich erneut der schwierige Balanceakt, sowohl den Rechten der Künstler, der Produzenten und denen der Nutzer im digitalen Bereich gerecht zu werden. In den wesentlichen Punkten schloss sich der Rat der kleinen Kammer an. Er befürchtete ebenfalls eine Kriminalisierung der Nutzer und lehnte mehrere Minderheitsanträge der bürgerlichen Seite ab, die sich für einen verschärften Schutz der Urheberinteressen aussprachen. Der Nationalrat sah davon ab, die seit kurzem auf digitalen Speichermedien wie MP3-Playern erhobene Urheberrechtsgebühr, die von Kritikern als doppeltes Abkassieren der Konsumenten angeprangert wird, in die laufende Revision einzubeziehen. Verschiedene Redner betonten aber, dass Handlungsbedarf bestehe und man für diese vom Bundesgericht genehmigte Abgabe auf digitalen Speichermedien eine vernünftige Lösung finden müsse. Der Nationalrat schuf mehrere Differenzen zum Ständerat, von denen aber nur eine von gewisser Bedeutung war (zusätzliche Schutzmassnahme für Sendeunternehmen). Nachdem die kleine Kammer eingelenkt hatte, wurden die beiden Vorlagen in den Schlussabstimmungen genehmigt
[13].
Sprachen
Aufgrund des Sprachenartikels der neuen Bundesverfassung (Art. 70 BV) hatte der Bundesrat 2001 ein Sprachengesetz in die Vernehmlassung gegeben, dem die meisten Kantone, politischen Parteien und weiteren konsultierten Organisationen zugestimmt hatten. Im Frühjahr 2004 hatte das EDI dann überraschend mitgeteilt, dass der Bundesrat darauf verzichte, das Gesetz dem Parlament vorzulegen. Das hatte Nationalrat Levrat (sp, FR) dazu bewogen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, welche verlangte, der Vernehmlassungsentwurf sei vom Parlament in Eigenregie weiter zu bearbeiten. Die zuständigen Kommissionen beider Kammern hatten der Initiative Folge gegeben und diejenige des Nationalrats hatte im Vorjahr einen Entwurf vorgelegt. Im Berichtsjahr hat das Parlament diesen bereinigt und verabschiedet.
Der
Nationalrat trat – gegen den Widerstand von Bundesrat und SVP-Fraktion – mit 113 zu 59 Stimmen auf die Vorlage ein. Die Befürworter argumentierten hauptsächlich mit der Förderung des nationalen Zusammenhalts und der vier Landessprachen. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommission in der Detailberatung in fast allen Punkten. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, welche Priorität dem
Fremdsprachenunterricht in der obligatorischen Schule einzuräumen sei. Die FDP unterstützte den Kompromiss der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), in der obligatorischen Schule zwei Fremdsprachen zu unterrichten, ohne die Prioritäten festzulegen. Die Kommissionsmehrheit hingegen hielt am Vorrang einer Landessprache vor dem Englischen fest und setzte sich im Plenum mit 112 zu 56 Stimmen durch. Im weiteren folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission knapp nicht, wonach der Bund Finanzhilfen für die Übersetzung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten zur Mehrsprachigkeit sowie zur Sprachenpolitik gewähren kann. Massnahmen zur Verbesserung der Kenntnisse des Bundespersonals in den Landessprachen und für eine angemessene Vertretung der verschiedenen Sprachgemeinschaften in der Bundesverwaltung fanden hingegen Zustimmung. Ebenfalls angenommen wurden Massnahmen zur Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften. In der Gesamtabstimmung passierte das Gesetz mit 87 zu 68 Stimmen
[14].
Im
Ständerat war Eintreten unbestritten. Alle Redner sprachen sich für ein neues Gesetz aus, das wichtig für den nationalen Zusammenhang und für den Respekt gegenüber den sprachlichen Minderheiten sei. Ory (sp, NE) und Lombardi (cvp, TI) machten sich vergebens dafür stark, dass der nationale Zusammenhalt durch das prioritäre Erlernen einer Landessprache gefördert werden müsse. Der Antrag der Mehrheit, hier keine Vorschriften zu machen, wurde mit 26 zu 8 Stimmen angenommen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung genehmigt
[15].
In der
Differenzbereinigung nahm der Nationalrat den Kompromiss der Kommissionsmehrheit an, wonach sich Bund und Kantone dafür einzusetzen haben, dass während der obligatorischen Schulzeit Grundkenntnisse in zwei Fremdsprachen erlernt werden müssen, wovon mindestens eine Landessprache. Der Antrag einer Minderheit II, an der ursprünglichen Fassung des Nationalrats (Priorität für eine Landessprache vor dem Englischen) festzuhalten, wurde mit 71 zu 68 Stimmen abgelehnt, der Antrag einer Minderheit I, dem Ständerat zu folgen, mit 80 zu 67. Der Ständerat schloss sich diesem Kompromiss diskussionslos an, worauf das Gesetz in der Schlussabstimmung verabschiedet werden konnte
[16].
Im dreisprachigen Kanton
Graubünden wurde das
neue Sprachengesetz in einer Referendumsabstimmung mit 22 582 Ja gegen 19 344 Nein angenommen. Das Gesetz regelt den Gebrauch der Amtssprachen Rätoromanisch, Deutsch und Italienisch und legt Grundsätze für deren Gebrauch in den Gemeinden fest. Das Gesetz schien unbestritten, da es 2006 im Kantonsparlament einstimmig angenommen worden war. Vor allem Deutschsprachige hatten aber wegen des starken Schutzes des romanischen Idioms in ursprünglich romanisch-, heute aber mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinden das Referendum ergriffen
[17].
Kirchen
Im Mai lancierten rechtsbürgerliche und freikirchliche Kreise mit Unterstützung der SVP und der EDU eine
Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“. Die Initiantinnen und Initianten wollen den Bau von Minaretten in der Schweiz verbieten, da diese Bauten ihrer Ansicht nach Symbole eines religiös-politischen Machtanspruchs des muslimischen Glaubens sind, welcher die Bundesverfassung und die schweizerische Rechtsordnung in Frage stellt
[18].
Im Vorjahr war einmal mehr ein Streit zwischen der katholischen Kirchenbasis und einer romtreuen Bistumsleitung eskaliert. Dabei geht es immer wieder um die Frage des Verhältnisses
zwischen Kirche und Staat. Das Bistum Basel hatte dem etwas obrigkeitskritischen Priester der Gemeinde Röschenz (BL) die „Missio canonica“, also das Recht, Sakramente zu erteilen, entzogen, und wollte damit die Kirchgemeinde zwingen, den allseits beliebten Pfarrer zu entlassen. Diese war ans Kantonsgericht gelangt, welches befand, der Entzug der „Missio“ sei eine innerkirchliche Angelegenheit, welche auf ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis keinen Einfluss habe, insbesondere da dem Priester das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Der Basler Bischof wies das Urteil als unzulässige Einmischung in die Belange des Bistums und als befangen zurück, verzichtete aber auf einen Rekurs ans Bundesgericht. Er erklärte den Medien, dass er den Vatikan informiert habe und drohte offen mit einer Trennung von katholischer Kirche und Staat
[19].
Weiterführende Literatur
Bernhardt, Reinhold / Kuhn, Thomas (Hg.), Religionsfreiheit: Schweizerische Perspektiven, Zürich 2007.
[1]
BBl, 2007, S. 4819 ff.; Presse vom 9.6.07.
[2]
NZZ und
TA, 9.6.07. Die SP hatte bereits im Februar in einem Positionspapier eine bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Kulturschaffenden gefordert. Diese seien in den meisten Fällen Selbständigerwerbende mit geringem Einkommen und damit v.a. im Alter schlecht geschützt (Presse vom 20.2.07).
[4]
BBl, 2007, S. 7251 ff. und 7297 ff.;
AB NR, 2007, S. 1793 ff.
[5]
AB SR, 2007, S. 989;
AB NR, 2007, S. 1935;
BBl, 2008, S. 1293 f.
[6]
BBl, 2007, S. 4857 ff.; Presse vom 9.6.07.
[7]
BBl, 2007, S. 1939 ff.;
AB NR, 2007, S. 1259;
AB SR, 2007, S. 1110 f.
[8]
BaZ,
BZ und
SGT, 4.8.07.
[9]
BBl, 2007, S. 6829 ff.; Presse vom 5.4. und 22.9.07. Siehe
SPJ 2005, S. 236. Der Direktor des Landesmuseums begrüsste den Entwurf des BR (Presse vom 5.4.07).
[10]
BBl, 2007, S. 6669 ff.;
AB SR, 2007, S. 1097.
[11]
AB NR, 2007, S. 356 ff. und 1734;
AB SR, 2007, S. 875 und 952;
AS, 2008, S. 319 f.
[12] Presse vom 2.3. und 3.5.07;
NZZ, 18.3. und 5.4.07. Siehe
SPJ 2006, S. 245.
[13]
AB NR, 2007, S. 1196 ff., 1346 ff. und 1732;
AB SR, 2007, S. 819 f. und 950;
AS, 2008, S. 2421 ff. und 2497 ff. Siehe
SPJ 2006, S. 245.
[14]
AB NR, 2007, S. 1068 ff., 1078 ff. und 1099 ff. Für den Kommisionsentwurf siehe
BBl, 2006, S. 8977 ff. und 9047 ff. (BR). Siehe
SPJ 2006, S. 246. Für Bestrebungen zur Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts siehe oben, Teil I, 8a, Grundschulen.
[15]
AB SR, 2007, S. 778 ff.
[16]
AB NR, 2007, S. 435 ff., 1645 und 1731;
AB SR, 2007, S. 874 und 949;
BBl, 2007, 6951 ff. Weil dem Anliegen damit entsprochen war, gaben beide Kammern einer ähnlich lautenden Standesinitiative des Kantons Tessin keine Folge (
AB SR, 2007, S. 789;
AB NR, 2007, S. 2057). Ebenso wurde eine pa.Iv. Berberat (sp, NE) zum ersten Fremdsprachenunterricht in einer Amtssprache des Bundes abgeschrieben (
AB NR, 2007, S. 2057).
[17]
AZ,
Bund und
BüZ, 18.6.07. Siehe
SPJ 2006, S. 246.
[18]
BBl, 2007, S. 3231 ff.;
Bund, 2.5.07;
AZ, 3.5.07.
[19] Presse vom 6.9. und 13.11.07.