Vorlagen zur Verbesserung der Stellung der Konsumenten (BRG 86.030)

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Gestützt auf den 1981 neu in die Verfassung aufgenommenen Artikel über den Konsumentenschutz gab der Bundesrat zwei Gesetzesentwürfe in die Vernehmlassung. Der eine betrifft den Ausbau der Konsumenteninformation und will die Voraussetzungen für eine einheitliche Deklaration von Waren und Dienstleistungen schaffen sowie den Konsumentenorganisation für ihre Aufklärungstätigkeit (Tests u.ä.) Bundesbeiträge ausrichten. Mit dem zweiten will die Regierung einige Bestimmungen auf dem Gebiet des Vertrags- und Wettbewerbsrechts zugunsten der Konsumenten abändern. So soll beispielsweise für ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossene Kaufverträge ein während sieben Tagen geltendes Widerrufsrecht eingeführt werden. Von den angefragten Organisationen sprachen sich diejenigen der Konsumenten und der Arbeitnehmer durchwegs positiv aus. Gemischt fiel demgegenüber die Reaktion der Detaillisten und der Unternehmer aus. Während der Abschnitt über die Verbesserung der Konsumenteninformation nur Teilkritiken herausforderte – so etwa an der Unterstellung der Dienstleistungen unter die Deklarationspflicht – wurde gegen die vorgesehenen vertragsrechtlichen Neuerungen grundsätzliche Opposition angemeldet.

Der Bundesrat beabsichtigt, den seit 1981 in der Verfassung stehenden Artikel über den Konsumentenschutz mit neuen Gesetzesbestimmungen über die Konsumenteninformation und über das Vertragsrecht zu konkretisieren. Nachdem entsprechende Vorentwürfe in der Vernehmlassung vorwiegend positiv beurteilt worden waren, beauftragte die Landesregierung das EVD mit der Ausarbeitung einer Botschaft.

Mit der 1981 erfolgten Annahme der Volksinitiative für einen Verfassungsartikel über den Konsumentenschutz wurde der Bund zu Massnahmen in diesem Bereich verpflichtet. Als Ergänzung zu bereits bestehenden Bestimmungen legte die Landesregierung dem Parlament die Botschaft für ein Bundesgesetz zur Förderung der Konsumenteninformation und für ein weiteres zur Teilrevision des Obligationenrechts vor. Gegenüber den 1984 in die Vernehmlassung gegebenen Entwürfen ergaben sich einige Änderungen. Die Deklarationspflicht für Dienstleistungen soll nicht allgemein gelten, sondern nur für diejenigen, welche in einer entsprechenden Verordnung aufgeführt sind. Wenn eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Branchen- und Konsumentenverbänden über die Deklaration nicht zustandekommt, ist das Eingreifen des Bundes nicht – wie im Vorentwurf vorgesehen – zwingend, sondern bloss fakultativ. Keine Berücksichtigung fanden hingegen die Einwände des Gewerbeverbandes gegen die zweckgebundene finanzielle Unterstützung der Aufklärungstätigkeit der Konsumentenorganisationen. Der Kritik der Unternehmerorganisationen am siebentägigen Widerrufsrecht für ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossene Kaufverträge wurde teilweise Rechnung getragen: Nicht der Ort des Vertragsabschlusses, sondern der Ort der Kundenansprache gilt als massgebend, und zudem sind Versicherungsverträge, die nach einem Jahr gekündigt werden können, davon nicht betroffen. Nationalrat Neukomm (sp, BE) reichte eine Motion für die Totalrevision des Haftpflichtrechts ein, wobei insbesondere die verschuldensunabhängige Produktehaftpflicht (Kausalhaftung) eingeführt werden soll

Die kleine Kammer behandelte als Erstrat die beiden Gesetzesvorlagen des Bundesrates zur Verbesserung der Stellung der Konsumenten auf dem Markt. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass der Ständerat den Anliegen der Konsumenten nicht sehr wohlgesinnt ist. Dem Bundesgesetz über die Konsumenteninformation vermochte er nur zuzustimmen, nachdem er einige Veränderungen vorgenommen hatte. So ersetzte er den Anspruch der Konsumentenorganisationen auf finanzielle Unterstützung für ihre Aufklärungstätigkeit durch die Formel, dass der Bundesrat diese Aktivitäten subventionieren kann. Ferner sollen nicht alle Tests über Dienstleistungen beitragsberechtigt sein, sondern nur die vom Bundesrat bezeichneten. Daneben präzisierte der Ständerat noch einige Formulierungen im Gesetz und schrieb der konsultativen Kommission für Konsumentenfragen, in der die Konsumentenvertreter bisher leicht überrepräsentiert waren, eine paritätische Besetzung vor.

Der zweite Teil der Vorlage betraf eine Teilrevision des Obligationenrechts und wies als umstrittenste Bestimmung ein Widerrufsrecht bei Verkäufen ausserhalb von Geschäftslokalitäten auf. Betroffen davon wären nicht nur die manchmal aggressiven sogenannten Haustürverkäufe gewesen, sondern auch die Versicherungsbranche, bei der Vertragsabschlüsse in der Wohnung des Kunden Usus sind. Die vorberatende Kommission beantragte, auf die Vorlage einzutreten, dann aber alle vorgeschlagenen Bestimmungen zu streichen. Der Ratsmehrheit fand jedoch eine Beratung der einzelnen Vorschläge des Bundesrats überflüssig und beschloss mit 23:17 Stimmen Nichteintreten.

Nachdem im Vorjahr der Ständerat recht ungnädig mit den beiden Vorlagen des Bundesrates zur Verbesserung der Stellung der Konsumenten umgesprungen war, gab im Berichtsjahr die vorberatende Kommission des Nationalrats Gegensteuer. Sie strich beim Bundesgesetz über die Konsumenteninformation die von der kleinen Kammer beschlossene restriktive Aufzählung der für Tests subventionsberechtigten Organisationen und sprach sich auch dagegen aus, dass die konsultative Kommission für Konsumentenfragen paritätisch besetzt sein müsse. Die zweite Vorlage, in welcher es unter anderem um das Widerrufsrecht bei Verkäufen ausserhalb von Geschäftslokalitäten geht, konnte von der Kommission im Berichtsjahr noch nicht zu Ende beraten werden. Im Gegensatz zum Ständerat beschloss sie aber, darauf einzutreten.

Die zuständige Nationalratskommission schloss die Vorberatung der Teilrevision des Obligationenrechts, auf welche 1987 der Ständerat gar nicht erst eingetreten war, ab. Sie sprach sich für einen besseren Schutz der Konsumenten vor aggressiven Verkaufsmethoden aus. So sollen die Käufer bei Vertragsabschlüssen ausserhalb von Geschäftslokalitäten (sog. Haustürgeschäfte, Werbefahrten etc.) unter bestimmten Umständen ein Widerrufsrecht erhalten; Ferner sollen Empfänger unbestellter Waren nicht mehr verpflichtet sein, diese zurückzuschicken oder aufzubewahren. Die von der Kommission vorgeschlagene Fassung entspricht weitgehend den EG-Richtlinien über den Verbraucherschutz.

Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit dem neuen Konsumenteninformationsgesetz und der Revision der Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Obligationenrecht. Umstritten war bei der ersten Vorlage der Einbezug der Dienstleistungen in die Deklarationspflicht und bei der zweiten ein Widerrufsrecht von bestimmten, ausserhalb von Geschäftslokalen abgeschlossenen Verträgen. Die Mehrheit der SVP lehnte beide von der vorberatenden Kommission vorgeschlagenen Bestimmungen ab; ein Antrag auf – im Gegensatz zum Ständerat – nicht gestellt. In einer Abstimmung unter Namensaufruf setzte sich gegen den Widerstand der SVP, der LP und der Hälfte der freisinnigen Fraktion die Meinung durch, dass eine Deklarationspflicht, d.h. die Angabe von präzisen und vergleichbaren Informationen, nicht nur für Waren, sondern auch für Dienstleistungsangebote eingeführt werden soll. Bei den Bundessubventionen für die Durchführung von Tests durch Konsumentenschutzorganisationen blieb ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), der die "Kann-Formel" durch eine Verpflichtung ersetzen wollte, knapp in der Minderheit. Bei der OR-Revision unterlag der von der SP, dem LdU und einem Teil der Grünen unterstützte Antrag, das Widerrufsrecht für Vertragsabschlüsse ausserhalb von Geschäftslokalitäten auch bei Versicherungsverträgen zuzulassen.

Im Ständerat stellte Schmid (cvp, AI) erneut den Antrag, auf die Revision des Vertragsrechts nicht einzutreten. Sein Hauptargument, der Schutz der Konsumenten vor aggressiven Verkaufsmethoden sei mit den neuen Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) gewährleistet, vermochte die Ratsmehrheit nicht zu überzeugen. Die Differenzbereinigung verlief problemlos. Insbesondere wurde in deren Verlauf präzisiert, in welchen Fällen ein Widerrufsrecht möglich sein soll: bei Vertragsabschlüssen in Wohnräumen und deren Umgebung, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf öffentlichen Strassen und Plätzen sowie bei sogenannten Werbeausflugsfahrten.