Erhöhung der Verjährungsfristen bei sexuellen Straftaten mit Kindern

Einstimmig und gegen den Antrag des Bundesrates genehmigte der Ständerat eine von 35 Abgeordneten unterzeichnete Motion Béguin (fdp, NE), welche verlangt, dass durch eine Änderung des Strafgesetzbuches die Verjährung für gewaltfreie Handlungen gegen die sexuelle Integrität von Jugendlichen, welche heute fünf Jahre beträgt, wieder auf die für Verbrechen gewöhnliche Frist von zehn Jahren anzupassen sei. Bundesrat Koller erinnerte den Rat vergebens daran, dass er selber bei der Beratung des neuen Sexualstrafrechts einer kürzeren Verjährung zugestimmt hatte, um Kinder oder Jugendliche, die an derartigen Übergriffen beteiligt waren, nicht noch Jahre danach einer seelisch belastenden Ermittlung oder Untersuchung auszusetzen. Der Motionär wandte demgegenüber ein, es gehe nicht an, einen sexuellen Übergriff auf einen Minderjährigen einer kürzeren Verjährungsfrist zu unterstellen als einen einfachen Ladendiebstahl.

Vor allem aus der Überlegung heraus, dass sexuell missbrauchte Kinder den Schritt an die Öffentlichkeit oft erst nach langer Zeit wagen, verlangte der Ständerat mit der Überweisung einer Motion Béguin (fdp, NE) die Heraufsetzung der Verjährungsfrist für gewaltfreie Handlungen gegen die sexuelle Integrität von fünf auf zehn Jahre. Der Bundesrat bekämpfte diesen Vorstoss vergeblich mit dem Argument, dass anlässlich der Revision des Sexualstrafrechts das Parlament explizit eine Verkürzung der Verjährungsfrist bei gewaltfreien Vergehen beschlossen habe. Damit sollten Kinder davor geschützt werden, noch nach mehreren Jahren in eine gerichtliche Untersuchung hineingezogen zu werden.

Für Kinder, welche Opfer von Sexualdelikten werden, ist es oft schwer, die Täter anzuzeigen, namentlich wenn es sich dabei um ihre Eltern handelt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hatte der Ständerat 1994 gegen den Willen des Bundesrates eine Motion Béguin (fdp, NE) (Mo. 93.3564) überwiesen. Diese verlangt die Aufhebung der 1992 im Rahmen der Revision des Sexualstrafrechts eingeführten Reduktion der Verjährungszeit von zehn auf fünf Jahre für ohne Anwendung körperlicher Gewalt begangene Sexualdelikte mit Kindern. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats übernahm diese Forderung der kleinen Kammer. Da dringender Handlungsbedarf bestehe, beschloss sie aber, nicht den Bundesrat mit einer Motion zu beauftragen, sondern die Gesetzesrevision mit einer parlamentarischen Initiative in eigener Regie durchzuführen. Das Plenum stellte sich ohne Gegenstimme hinter diesen Antrag. Der Ständerat hiess die damit beschlossene Verdoppelung der Verjährungsfrist ebenfalls oppositionslos gut. Da er aber noch eine Übergangsbestimmung aufnahm, konnte das Geschäft im Berichtsjahr noch nicht abgeschlossen werden. Die Rechtskommission des Nationalrats hatte zudem mit einer Motion verlangt, dass die Verjährungsfrist für Sexualdelikte mit Kindern erst ab dem abgeschlossenen 18. Altersjahr des Opfers zu laufen beginnt. Der Nationalrat stimmte auch diesem Vorstoss mit deutlichem Mehr zu. Im Ständerat überwogen hingegen die auch vom Bundesrat geteilten rechtstheoretischen Bedenken. Er überwies deshalb diesen Vorstoss lediglich als Postulat.

Die Aufhebung der 1992 im Rahmen der Revision des Sexualstrafrechts eingeführten Reduktion der Verjährungszeit von zehn auf fünf Jahre für ohne Anwendung körperlicher Gewalt begangene Sexualdelikte mit Kindern wurde im Berichtsjahr verabschiedet, nachdem auch noch der Nationalrat den im Vorjahr vom Ständerat hinzugefügten Übergangsbestimmungen zugestimmt hatte. Mit diesen Zusatzbestimmungen wird die Verjährungsfrist auch für Delikte, die in der Zeit von 1992 bis 1997 begangen worden sind, auf zehn Jahre erhöht.

Parlamentarische Vorstösse zur Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie

Dossier: Parlamentarische Vorstösse gegen Internetkriminalität 1996–2004

Die besondere Verwerflichkeit der sogenannten Kinderpornographie verlangt nach einstimmiger Meinung des Nationalrats nach zusätzlichen strafrechtlichen Bestimmungen. Er überwies eine parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS), welche zusätzlich zur Herstellung und zum Vertrieb auch den Besitz von Kinderpornographie unter Strafe stellen will.

Nachdem im Vorjahr der Nationalrat eine parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS) (Pa.Iv. 45.405) verabschiedet hatte, welche nicht nur die Herstellung und den Vertrieb von Kinderpornographie, sondern auch deren Besitz strafbar machen will, doppelte nun der Ständerat nach. Er überwies eine Motion Béguin (fdp, NE), welche dieses Verbot des Besitzes auf die ganze illegale «harte Pornographie» (neben sexuellen Handlungen mit Kindern auch solche mit Tieren und Exkrementen sowie in Verbindung mit Gewalttätigkeiten) ausdehnen will.

Im Berichtsjahr unterbreitete der Bundesrat eine Verschärfung der Vorschriften gegen die harte Pornographie und gegen extreme Gewaltdarstellungen. Hier soll zukünftig nicht nur die Herstellung und Verbreitung, sondern auch der Besitz strafbar werden. Beide Vorschläge wurden in der Vernehmlassung einhellig begrüsst. Im Rahmen der StGB-Revision beantragte der Bundesrat, dass im Ausland begangener sexueller Missbrauch von Kindern auch dann in der Schweiz verfolgt wird, wenn die Tat im betreffenden Staat nicht strafbar ist.

Die im Berichtsjahr durchgeführte Vernehmlassung über eine Verschärfung der Vorschriften gegen die harte Pornografie und gegen extreme Gewaltdarstellungen führte zu einer Überarbeitung des Entwurfs. Insbesondere soll dabei abgeklärt werden, ob die vorgesehene Strafbarkeit des Besitzes generell, oder nur für bestimmte Kategorien der harten, d.h. verbotenen Pornografie gelten soll (z.B. sexuelle Handlungen mit Kindern).

Verbesserter Opferschutz bei Sexualdelikten

Gegen den Antrag seiner Kommissionsmehrheit, welche es aus föderalistischen Gründen bei einem Postulat belassen wollte, überwies der Nationalrat auch eine parlamentarische Initiative Goll (frap, ZH) mit konkreten Massnahmen zur Verbesserung der Stellung von Opfern von Sexualdelikten im Strafermittlungsverfahren. Bereits in der Sommersession hatte der Nationalrat eine Motion Goll (94.3210) als Postulat überwiesen, welche ebenfalls Probleme mit dem Vollzug des neuen Sexualstrafrechts monierte. Goll verlangte darin eine Abklärung darüber, ob nicht mit dem neuen Sexualstrafrecht der Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung generell abgebaut worden sei.

Als Ergänzung zur Neuregelung der Verjährungsbestimmungen bei sexuellen Delikten mit Kindern beantragte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats eine Verbesserung des Schutzes dieser Opfer während des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens. Sie tat dies in Ausführung einer 1996 vom Nationalrat grösstenteils angenommenen parlamentarischen Initiative Goll (sp, ZH). Da die Strafrechtsordnung noch in die Kompetenz der Kantone fällt, wurden die neuen Bestimmungen ins Opferhilfegesetzes aufgenommen. Inhaltlich geht es insbesondere auch um den Schutz vor psychischen Belastungen bei Befragungen und bei Gegenüberstellungen mit dem Täter. Der Nationalrat hiess die Vorschläge oppositionslos gut.

Vernehmlassung zur StGB-Revison (kinderpornografie/sexueller Missbrauch von Kindern)

Nachdem im Vorjahr das Parlament der Verlängerung der Verjährungsfrist bei Sexualdelikten mit Kindern wieder auf zehn Jahre zugestimmt hatte, kam der Bundesrat nun auch dessen 1997 als Postulat überwiesener Forderung nach, die Verjährungsfrist bei diesen Tatbeständen erst ab dem 18. Altersjahr des Opfers laufen zu lassen. Im August gab er eine entsprechende Sexualstrafrechtsrevision in die Vernehmlassung.

Der im Vorjahr vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Sistieren des Laufens der zehnjährigen Verjährungsfrist bei sexuellen Delikten mit Kindern bis zum 18. Altersjahr der Opfer rief ein gemischtes Echo hervor. Die beiden Strafrechtler Martin Killias und Guido Jenny, aber auch die SP befürchteten, dass es bei einer derart verlängerten Verjährungsfrist zu Fehlurteilen kommen könnte und die Gefahr von verleumderischen Anzeigen bestehen würde. Neben der SP zeigte sich auch die SVP skeptisch.

Revison des StGB betreffend Kinderpronografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Dossier: Parlamentarische Vorstösse gegen Internetkriminalität 1996–2004

In der gleichen Botschaft beantragte die Regierung auch eine Verschärfung der Vorschriften gegen die unerlaubte Pornografie und gegen extreme Gewaltdarstellungen. Derartige Massnahmen waren nicht nur vom Parlament verlangt worden (Motion 96.3650), sie entsprechen auch den Empfehlungen der UNESCO und anderen internationalen Organisationen und sind in den meisten Industriestaaten bereits eingeführt worden. Demnach soll zukünftig nicht nur Herstellung und Vertrieb, sondern bereits der Erwerb und der Besitz derartiger Produkte bestraft werden. Allerdings gilt dies nicht für alle harten pornografischen Darstellungen, sondern, wie in der Vernehmlassung mehrheitlich verlangt wurde, nur für die Kinderpornografie.

Nachdem er mit parlamentarischen Vorstössen zu entsprechenden Aktivitäten verpflichtet worden war und 1998 eine Vernehmlassung durchgeführt hatte, legte der Bundesrat seine Vorschläge zu einer Verbesserung der Stellung der Opfer von sexuellen Delikten mit Kindern vor. Er beantragte, dass die zehnjährige Verjährungsfrist erst ab dem 18. Altersjahr des geschädigten Kindes beginnen soll. Er begründete diesen Vorschlag mit dem Umstand, dass die von sexueller Ausbeutung betroffenen Kinder oft unter Druck stehen (v.a. wenn es sich um Täter aus dem Familienkreis handelt) und erst lange nach der Tat den Schritt an die Öffentlichkeit wagen. Er schlug zudem vor, die bisher für Inzest (Beischlaf mit Blutsverwandten) geltende Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zu erhöhen. Analog zur Regelung bei sexuellen Handlungen soll bei der Beteiligung von Kindern unter sechzehn Jahren die Verjährung ebenfalls erst ab dem Erreichen des Mündigkeitsalters zu laufen beginnen.

Bei der Beratung der Verschärfung der Vorschriften gegen die unerlaubte Pornografie und gegen extreme Gewaltdarstellungen ging das Parlament über die Anträge des Bundesrats hinaus. Nicht nur der Erwerb und der Besitz von Kinderpornografie wird neu bestraft, sondern auch derjenige von Gewaltdarstellungen (z.B. Folterszenen) und von sexuellen Handlungen mit Tieren. Mit der Überweisung einer Motion seiner Rechtskommission forderte der Nationalrat die Regierung auf, die im Zuge von Sparmassnahmen aufgehobene Amtsstelle für die Überwachung des Internets in Bezug auf die Verbreitung von pädophilem Material wieder zu aktivieren. Das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) hatte bereits zuvor angekündigt, dass es die Überwachungsstelle ab 2002 wieder in Betrieb nehmen wolle.

Der Antrag des Bundesrats aus dem Vorjahr, dass bei sexuellen Delikten mit Kindern die zehnjährige Verjährungsfrist erst ab dem 18. Altersjahr des Opfers beginnen soll, wurde vom Parlament nicht übernommen. Der Ständerat, und nach ihm auch die grosse Kammer, beschlossen ein anderes Modell, welches das Grundanliegen ihrer Ansicht nach ebenfalls erfüllt: Die Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch wurden generell auf das anderthalbfache verlängert. Für Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geahndet werden (dazu gehören Sexualdelikte mit Kindern), beträgt sie demnach neu 15 Jahre. Zudem wurde festgehalten, dass die Verjährung für bestimmte sexuelle Delikte an Kindern auf jeden Fall nicht vor dem vollendeten 25. Altersjahr des Opfers eintritt. Diese neuen Bestimmungen mussten nachträglich noch mit den revidierten Normen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs harmonisiert werden.

Der Ständerat überwies die im Vorjahr vom Nationalrat gutgeheissene Motion für eine Wiederinbetriebnahme der Amtsstelle für die Überwachung des Internets in Bezug auf die Verbreitung von pädophilem Material ebenfalls. Von der vom Nationalrat im Vorjahr angenommenen Motion Aeppli (sp, ZH), welche eine Zentralisierung der Ermittlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet beim Bund fordert, überwies er nur den 2. Teil (strafrechtliche Untersuchung und Beurteilung), nicht aber die Forderung nach einer Zentralisierung der Ermittlungskompetenzen. Gemäss einem vom Nationalrat überwiesenen Postulat der CVP-Fraktion soll der Bundesrat abklären, ob es sinnvoll wäre, im Rahmen der UNO eine internationale Konvention zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet anzustreben. In einer international koordinierten Grossaktion ermittelten die schweizerischen Behörden gegen insgesamt 1300 Personen, welche möglicherweise via Internet Kinderpornographie angeschaut hatten. Bei rund 800 Personen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt sowie Computer und Datenträger beschlagnahmt. Die Verdächtigten hatten bei einem amerikanischen Pornographieanbieter, welcher auch Darstellungen von Kinderpornographie im Angebot führte, mit ihrer Kreditkarte für die Zugangsberechtigung bezahlt. Ihre Namen waren von den US-Behörden ermittelt und an die zuständigen nationalen Amtsstellen weitergeleitet worden.