Zuletzt aktualisiert: 04.02.2020, 12:58 Uhr

Dossier: Revision des Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr (2003) Als PDF speichern

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)

Um die Fahndungsmethoden der Polizei im Kampf gegen Drogenhandel und andere in die Kompetenz des Bundes fallende Verbrechen zu verbessern, gab der Bundesrat den Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz verdeckter Ermittler in die Vernehmlassung. Im Gegensatz zu den sog. V-Leuten (Personen aus dem Milieu, welche die Behörden insgeheim informieren), handelt es sich bei den verdeckten Ermittlern um Polizeibeamte. Solche werden zwar bereits heute eingesetzt, ihr Handlungsspielraum ist aber nicht definiert und stösst beim für derartige Methoden notwendigen rollenadäquaten Verhalten oft an strafrechtliche Grenzen (z.B. bei der Verwendung gefälschter Ausweise).

Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Polizei gab bei den Kantonen und den bürgerlichen Parteien zu wenig Kritik Anlass. Die SP und der Schweizerische Anwaltsverband lehnten das neue Gesetz hingegen ab; erstere, weil die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Kompetenzen einräume, letzterer, weil die Arbeit von verdeckten Ermittlern gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen würde. Trotz dieser grundsätzlichen Kritik beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage. Als zusätzliche Massnahme vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen forderte Bundesanwältin Del Ponte wiederholt die Einführung einer Kronzeugenregelung nach italienischem oder deutschem Vorbild, welche aussagewilligen Delinquenten Strafmilderung oder -verschonung zusichert.

Der Bundesrat gab im Sommer den Vorentwurf für ein Telefonüberwachungsgesetz in die Vernehmlassung. Dieser sieht vor, dass Telefonabhörungen grundsätzlich nur noch bei schweren Delikten (d.h. solchen, die mit Zuchthaus bestraft werden), nicht aber bei Vergehen zulässig sein sollen. Damit würde die Anzahl der Straftatbestände, bei denen eine Abhörung vom Richter angeordnet werden kann, auf rund die Hälfte reduziert. Bei Vergehen soll eine Überwachung nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein (z.B. bei Delikten mit hohen Schadensummen). Als Konsequenz aus der auf Anfang 1998 geltenden Liberalisierung der Telekommunikation möchte der Bundesrat zudem eine neue zentrale Stelle für die bisher von der PTT durchgeführte Telefonabhörung schaffen. Die Reaktionen der Parteien fielen geteilt aus. Die Bürgerlichen möchten den Richtern erlauben, auch zukünftig bei Vergehen eine Überwachung anzuordnen, da oft die Aufklärung kleinerer Delikte auf die Spuren des organisierten Verbrechens führen würden. Für die SP hingegen waren die Vorschläge zu wenig restriktiv. Sie befürworteten eine Liste, welche die Verbrechen, bei denen eine Abhörung erlaubt ist, abschliessend aufzählt.

Anfangs Juli stellte der Bundesrat seine Botschaft zu zwei Bundesgesetzen über die Post- und Telefonüberwachung resp. die Tätigkeit von verdeckten Ermittlern vor. Die Vorschläge für die Postüberwachung und Telefonabhörung entsprachen weitgehend dem Vernehmlassungsprojekt. Die Vergehen, bei deren Verfolgung oder Verhinderung eine Überwachung angeordnet werden kann, wurden jedoch präzisiert, indem sie in einem Katalog aufgezählt sind. Dieser ist allerdings keineswegs so restriktiv, wie er von der SP gefordert worden war. Die Bedingungen, unter denen eine richterliche Behörde im Rahmen einer Untersuchung eine Überwachung anordnen darf (die von einem übergeordneten Justizorgan zu genehmigen ist), wurden gegenüber den geltenden Bestimmungen und der bisherigen Praxis etwas verschärft. Anstelle eines blossen muss nun ein konkreter Tatverdacht vorliegen; wie bis anhin soll es dabei um eine gravierende strafbare Handlung gehen, die mit anderen Ermittlungsmethoden ungenügend hat aufgeklärt werden können.

Das neue Gesetz über verdeckte Ermittler, welches im Rahmen des BÜPF behandelt wurde, gilt in erster Linie für den Einsatz bei der Bekämpfung des Drogenhandels durch den Bund und die Kantone; es kann zudem auch im Strafverfahren bei den der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden schweren Delikten angewendet werden. Bei den eingesetzten Ermittlern muss es sich in der Regel um ausgebildete Polizisten handeln. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern ausserhalb des Drogenhandels durch die Kantone ist nicht ausgeschlossen, bedarf allerdings einer eigenen kantonalen Rechtsgrundlage. Mit richterlicher Genehmigung können diese Ermittler gemäss dem Projekt des Bundesrates mit einer anderen Identität und entsprechenden Papieren ausgestattet werden. Für ihren Einsatz gelten die gleichen Voraussetzungen wie beim Telefonüberwachungsgesetz (Schwere des Delikts, konkreter Tatverdacht und Erfolglosigkeit anderer Ermittlungsmethoden). In der Anwendung wird zwischen zwei Phasen unterschieden. In einer ersten, bei der es um die Infiltration einer Organisation oder Szene geht, wird der Einsatz von der Leitung einer kantonalen oder eidgenössischen Polizei angeordnet, in der zweiten Phase, im Rahmen eines Strafverfahrens, von den Untersuchungsbehörden (in den Kantonen meist Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter). Erst in dieser zweiten Phase soll es den verdeckten Ermittlern erlaubt sein, den Händlern als Kunden entgegenzutreten und straflos Drogen abzukaufen. Bei anderen im Rahmen ihrer Tätigkeit möglichen Straftaten soll diese Straflosigkeit hingegen nicht bestehen, da eine Beteiligung von Polizeibeamten an Delikten wie Einbrüchen oder Raubüberfällen oder die Begehung der von kriminellen Organisationen von neuen Mitgliedern als Loyalitätsbeweis verlangten Gewalttaten rechtsstaatlich problematisch wäre. Das Gesetz enthält schliesslich auch Schutzbestimmungen für die Ermittler, welche namentlich dazu dienen, während des Gerichtsverfahrens deren Identität nicht preiszugeben.

Der Nationalrat behandelte als Erstrat das neue Bundesgesetz über die Post- und Telefonüberwachung und hiess es in der Gesamtabstimmung mit 128:3 Stimmen gut. Der Rat hat allerdings auf Antrag seiner Kommission den bundesrätlichen Entwurf um einiges restriktiver gestaltet. Die Überwachung ist demnach nur bei einem dringenden Tatverdacht möglich; der Einsatz zur Verhinderung von möglichen, aber noch nicht erfolgten Straftaten ist damit untersagt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach den Strafgesetzbestimmungen für bestimmte Deliktarten auch vorbereitende Handlungen als strafbar gelten. Der Katalog der Delikte, welche eine Überwachung rechtfertigen, wurde noch etwas eingeschränkt. Der Brief- und Telefonverkehr von an ein Berufsgeheimnis gebundenen Personen wie Ärzte, Anwälte oder Pfarrer darf nur dann überwacht werden, wenn diese Personen selbst unter dringendem Tatverdacht stehen.

Als Zweitrat behandelte der Ständerat das neue Bundesgesetz über die Post- und Telefonüberwachung. Er hielt sich weitgehend an die Beschlüsse der grossen Kammer aus dem Vorjahr. Er verschärfte die Bedingungen bezüglich der Überwachung von Berufsgeheimnisträgern noch etwas, indem er festhielt, dass diese Informationen nicht nur aus den Akten ausgesondert werden müssen und im Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen, sondern dass sie sofort zu vernichten seien. Zudem nahm er auf Wunsch des Bundesrats die Bestimmung auf, dass Telekommunikationsfirmen verpflichtet sind, ihre Kunden, d.h. auch diejenigen, welche kein Abonnement besitzen, sondern sog. Prepaid-Karten benutzen, zu identifizieren und zu registrieren. Der Nationalrat stimmte in der Differenzbereinigung der restriktiveren Fassung bei Berufsgeheimnisträgern zu, lehnte hingegen mit dem Argument des unzumutbaren Aufwands die neuen Vorschriften für die Telekommunikationsanbieter ab. Da man sich in dieser letzten Frage nicht einigen konnte, entschied schliesslich die Einigungskonferenz. Sie tat dies im Sinne des Nationalrats; die Vorlage konnte in der Herbstsession verabschiedet werden.

Nachdem das Parlament im Vorjahr die Revision der Bestimmungen über die Überwachung des Telefonverkehrs verabschiedet hatte, befasste sich in der Wintersession der Nationalrat mit dem in der Botschaft des Bundesrats von 1998 ebenfalls enthaltenen neuen Gesetz über die verdeckte Ermittlung. Die Fraktion der Grünen und ein Teil der SP-Fraktion beantragten erfolglos Nichteintreten. Ihre Haupteinwände waren die Gefahr, dass solche verdeckte Ermittler als agents provocateurs wirken könnten, und dass ihr nicht transparentes Mitwirken an Gerichtsprozessen rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen würde. In der Detailberatung wurde auf Antrag der Kommission explizit eine Garantie für die Wahrung der Verteidigungsrechte und dabei insbesondere der Anspruch auf ein faires Verfahren aufgenommen. Der Rat schränkte ferner den Anwendungsbereich der verdeckten Fahndung stark ein. Zulässig soll sie (nach dem Scheitern anderer Fahndungsmethoden) nur bei einigen wenigen, in einem Katalog abschliessend festgelegten Delikten sein. Es handelt sich dabei um Straftaten, bei denen keiner der Beteiligten an einer Aufdeckung interessiert ist (namentlich Drogengeschäfte, illegaler Waffen- und Dual-Use-Güter-Handel, Hehlerei und Geldwäscherei). Die Vorkehrungen gegen ein Auftreten der verdeckten Ermittler als agents provocateurs wurden vom Nationalrat gegenüber der bundesrätlichen Fassung noch etwas verstärkt.

In der im Berichtsjahr noch nicht abgeschlossenen Differenzbereinigung legte der Nationalrat wiederum mehr Gewicht auf den Schutz des Individuums vor der Verletzung von Grundrechten durch diese unkonventionelle Fahndungsmethode. Er hielt daran fest, dass die Identität der für den Einsatz eines verdeckten Ermittlers verantwortlichen Führungsperson bekannt sein müsse. Nicht abrücken wollte er auch von seinen Beschlüssen, dass mehr als ein dringender Tatverdacht vorliegen muss, und dass die auf diese Weise zu untersuchenden Delikte in einem abschliessenden Katalog aufgelistet sein müssen. Bei der Bestimmung, dass ein verdeckter Ermittler nicht als Agent provocateur auftreten darf, suchte der Nationalrat einen Kompromiss, indem eine gewisse Einflussnahme auf den Verdächtigen zur Ausführung der Tat, nicht aber auf die Tatbereitschaft an sich zulässig ist. Der Ständerat zeigte sich ebenso wenig nachgiebig wie die grosse Kammer: Er hielt sowohl am Verzicht auf einen Deliktkatalog, als auch am besonderen Schutz der Führungsperson eines Ermittlers fest.

Der Ständerat befasste sich als Zweitrat mit dem neuen Gesetz über die verdeckte Ermittlung. Er nahm dabei gegenüber den Beschlüssen des Nationalrats aus dem Vorjahr wesentliche Lockerungen zugunsten der Ermittler vor. So beschloss er, auf den abschliessenden Deliktkatalog, bei dem diese Fahndungsart zulässig sein soll, zu verzichten. An dessen Stelle wurde die Formulierung «besonders schwere Straftaten» gesetzt, wobei spezifiziert wurde, dass Straftaten insbesondere dann als schwer zu gelten haben, wenn sie gewerbs-, bandenmässig oder wiederholt begangen werden. Im weiteren soll nicht nur der Ermittler, sondern auch dessen Führungsperson seine Identität geheim halten können (so genannte Legendierung). Damit soll dessen und auch des Ermittlers Schutz vor Aufdeckung und Racheakten verbessert werden. Das vom Nationalrat beschlossene Verbot, die gewonnenen Erkenntnisse zu anderen Zwecken als zur Aufklärung des konkreten Strafdelikts zu verwerten, ging ihm ebenso zu weit wie die vom Nationalrat in den bundesrätlichen Vorschlag zusätzlich eingeführten Sicherungen gegen das Auftreten von verdeckten Ermittlern als Agents provocateurs.

Die Differenzbereinigung beim neuen Gesetz über die verdeckte Ermittlung konnte im Berichtsjahr abgeschlossen werden. Dabei beharrte der Nationalrat erfolgreich darauf, dass eine Führungsperson eines verdeckten Ermittlers in einem Strafprozess nicht ebenfalls legendiert, das heisst mit einer falschen Identität ausgestattet auftreten darf, und dass diese Ermittlungsmethode auf die im Gesetz in einem Katalog aufgeführten Straftaten beschränkt bleibt. In der Schlussabstimmung im Nationalrat lehnten die Grünen die neuen Fahndungsmethoden ab, bei der SP enthielt sich rund die Hälfte der Fraktionsmitglieder der Stimme.

Telefongespräche im Geschäftsverkehr dürfen aufgezeichnet werden (Pa.Iv. 97.462)

Parallel zu der im Vorjahr beschlossenen Revision des Fernmeldegesetzes waren auch die strafrechtlichen Bestimmungen über die Aufzeichnung von Telefongesprächen revidiert worden. Gemäss der auf den 1. Januar 1998 in Kraft getretenen neuen Regelung dürfen diese ohne ausdrückliche Genehmigung des Gesprächspartners nur noch für Not-, Hilfe- und Sicherheitsdienste aufgezeichnet werden. Damit wurde die bisherige Praxis der automatischen Aufzeichnung von Gesprächen durch Journalisten oder im Geschäftsleben illegal. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte nun Ständerat Frick (cvp, SZ), diese Neuerung wieder rückgängig zu machen und die Aufzeichnung vorbehaltlos zu erlauben, wenn sie zur Vermeidung von Missverständnissen eingesetzt wird (z.B. bei Interviews durch Medienschaffende oder bei geschäftlichen Absprachen). Auf Antrag der vorberatenden Kommission beschloss der Rat, dieser Initiative Folge zu geben.

Bei der Revision des Fernmeldegesetzes hatte das Parlament 1998 beschlossen, dass Telefongespräche ohne ausdrückliche Genehmigung des Gesprächspartners nicht mehr aufgezeichnet werden dürfen (Ausnahme Hilfs-, Sicherheits- und Rettungsdienste). Die Rechtskommission des Ständerats präsentierte nun ihre Vorschläge zur Umsetzung einer 1998 überwiesenen parlamentarischen Initiative Frick (cvp, SZ), welche die Wiederzulassung der genehmigungsfreien Aufzeichnung im Geschäftsverkehr (z.B. bei Aufträgen an Banken oder bei Hotelreservationen) forderte. Sie beantragte, diese zuzulassen, wenn sie allein dazu dient, geschäftliche Abmachungen zu dokumentieren, oder wenn darüber vor dem Gespräch informiert wird. Die kleine Kammer hiess diese Lösung ohne Gegenstimme gut.

Die vom Ständerat aufgrund einer parlamentarischen Initiative Frick (cvp, SZ) vorgenommene Aufhebung der Bestimmung des Fernmeldegesetzes, wonach kommerzielle Telefongespräche ohne ausdrückliche Genehmigung des Gesprächspartners nicht mehr aufgezeichnet werden dürfen, ging dem Nationalrat zu weit. Die Bedingung, dass die Gesprächsteilnehmer hinreichend über die Aufzeichnung ihres laufenden Gesprächs informiert sind, reichte ihm für eine Aufhebung des Verbots nicht. Er verlangte, dass dazu eine explizite Information vor dem Gespräch stattfinden müsse. Den Beschluss des Ständerats, dass im Geschäftsverkehr eine Information über die Aufzeichnung zu Beweiszwecken (z.B. bei Hotelreservationen) nicht erforderlich sei, strich er. Der Ständerat entschied sich in der Folge für eine Kompromisslösung. Die Information über eine Aufzeichnung sollte vor dem Gespräch zwar nicht explizit deklariert werden müssen, aber doch «klar erkennbar» sein. Im Geschäftsverkehr (z.B. bei einem Börsenauftrag eines Kontoinhabers an seine Bank) könnte dazu auch eine entsprechende Erklärung in den «allgemeinen Geschäftsbedingungen» ausreichen.

Die vom Ständerat vorgenommene Aufhebung der Bestimmung des Fernmeldegesetzes, wonach kommerzielle Telefongespräche ohne ausdrückliche Genehmigung des Gesprächspartners nicht mehr aufgezeichnet werden dürfen (parlamentarische Initiative Frick, cvp, SZ), vermochte sich erst in der zweiten Runde der Differenzbereinigung im Nationalrat durchzusetzen. Voraussetzung dazu war gewesen, dass die kleine Kammer die genehmigungsfreien Aufzeichnungen im Geschäftsverkehr auf Bestellungen, Aufträge, Reservationen und ähnliches einschränkte.