Noch vor dem offiziellen Startschuss zum Abstimmungskampf sorgte das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) bereits für Schlagzeilen. Die Jungfreisinnigen, welche dem PMT kritisch gegenüberstanden, erreichten durch öffentlichen Druck eine ausserordentliche Delegiertenversammlung ihrer Mutterpartei zur erneuten Parolenfassung, nachdem die FDP-Parteileitung zuvor ohne Befragung der Delegierten die Ja-Empfehlung beschlossen hatte. Schliesslich unterstützten die Delegierten das Gesetz jedoch mit grosser Mehrheit. Auf der anderen Seite sprach sich SVP-Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG) früh, entgegen der SVP-Parteiparole und seinem eigenen Abstimmungsverhalten im Nationalrat, öffentlich gegen das Gesetz aus und warnte vor einem «Blankoscheck» für die Strafverfolgung. Ähnlich klang der Tenor einer grossen Koalition von NGOs, die zusätzlich Bedenken zu einer potenziellen Ausweitung des Terrorbegriffs auf unliebsamen Aktivismus äusserte.
Zum offiziellen Start des Abstimmungskampfes Anfang April präsentierten die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage ihre wichtigsten Argumente. Das PMT schliesse eine wichtige Sicherheitslücke und ermögliche es der Strafverfolgung, präventiv einzugreifen, bevor eine terroristische Tat geschehe, führte Justizministerin Karin Keller-Sutter aus. Es wurde betont, dass die Terrorgefahr in der Schweiz, wenn auch bis jetzt glücklicherweise unsichtbar, real und nicht unwahrscheinlich sei. Die Massnahmen seien zudem verhältnismässig, befristet, vor Gericht anfechtbar und somit mit dem schweizerischen Recht zu vereinbaren und nichts grundsätzlich Neues. So gebe es polizeiliche Kontakt- und Rayonverbote bereits für Hooligans oder in Fällen von häuslicher Gewalt. Die Ja-Parole beschlossen hatte eine Koalition aus den Mitte-Rechts-Parteien und der linken Basler Kantonalpartei BastA!.
Die Verhältnismässigkeit des Gesetzes wurde von der Gegnerschaft bezweifelt. Diese sprach von schweren Grundrechtseingriffen und einem Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, da mutmassliche Gefährderinnen und Gefährder ihre Ungefährlichkeit beweisen müssten und somit die Unschuldsvermutung ausgehebelt würde. Durch die potenzielle Anwendung vieler Regelungen auf Jugendliche ab 12 Jahren werde zudem der Jugendschutz nicht gewährleistet. Die angedachten Polizeikompetenzen seien zu umfangreich und die Terrorismusdefinition zu weit gefasst. Laut denjenigen Jungparteien, die das Referendum ergriffen hatten, erhöhe diese Kompetenzerweiterung das Potenzial einer unzulässigen Anwendung aus rassistischen, anti-muslimischen oder politischen Motiven. Die Jungparteien verwiesen dabei zur Veranschaulichung auf die Fichenaffäre der 80er Jahre. Nebst den Jungparteien und dem coronamassnahmenkritischen Verein «Freunde der Verfassung», die unabhängig voneinander das Referendum ergriffen hatten, entschlossen sich auch die links-grünen Parteien, die GLP sowie NGOs aus dem Menschenrechts- und Digitalisierungsbereich für die Nein-Parole. Schützenhilfe erhielten die kritischen Stimmen vom UNO-Sonderberichterstatter für Folter, der sich ebenfalls gegen das Gesetz aussprach. Der Menschenrechtsanwalt Philip Stolkin kündigte zeitgleich öffentlich an, das Gesetz, sollte es in der Volksabstimmung angenommen werden, vor dem EGMR in Strassburg anfechten zu wollen.
Breit medial diskutiert wurde ein vom EJPD veröffentlichter Rechtsvergleich der Gesetzeslage zur Terrorprävention in sieben europäischen Staaten. Vergleichbare eigenständige Gesetze zur Terrorbekämpfung seien nur in Frankreich und Grossbritannien zu finden. Laut NZZ bewege sich das PMT bezüglich der Regelung des Hausarrestes im internationalen Vergleich am «oberen Ende der Skala», in den anderen Bereichen jedoch im Mittelfeld.
Während sich der Zürcher SP-Regierungsrat Mario Fehr Mitte Mai öffentlich für das PMT aussprach, reichten neun ehemalige Staatsanwältinnen und Staatsanwälte einen Rekurs gegen die nationale Abstimmung beim Tessiner Staatsrat ein. Wie der Corriere del Ticino berichtete, bemängelten Sie «offensichtliche Verfahrensunregelmässigkeiten» im Bundesbüchlein, welches falsche Informationen verbreite, somit die freie Meinungsbildung erschwere und «das verfassungsmässige Recht auf den Schutz der freien Meinungsbildung gefährden und schädigen» würde. Zudem suggeriere die behördliche Kommunikation, dass die Polizei ohne PMT erst eingreifen könne, wenn ein Terroranschlag verübt worden sei, das widerspreche aber klar der Rechtslage. Die behauptete Lücke in der Terrorabwehr existiere gar nicht. Mit dem Rekurs sollte die Abstimmung suspendiert und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Geschehe dies nicht, sei das Abstimmungsresultat zu annullieren, da es durch Unregelmässigkeiten verzerrt worden sein könnte, so die Forderung der Rekurrentinnen und Rekurrenten, wie der «Corriere del Ticino» berichtete. Daraufhin folgten weitere Stimmrechtsbeschwerden in den Kantonen Luzern, Obwalden, Thurgau, Genf und Zürich. Als führende Stimme des Gegenkomitees warf Sanija Ameti (glp, ZH) der Justizministerin öffentlich Irreführung vor: Karin Keller-Sutter unterschlage der Öffentlichkeit, dass das von ihr viel zitierte Gutachten, das die EMRK-Konformität der Massnahmen bestätigen soll, den Hausarrest als nicht zulässig ansehe. Des Weiteren rief die Piratenpartei über ihre Webseite Stimmberechtigte dazu auf, als Privatpersonen in ihrem jeweiligen Wohnkanton Abstimmungsbeschwerden einzureichen. Rund 500 Beschwerden resultierten aus diesem Aufruf, unter anderem von Persönlichkeiten wie Alt-Ständerat Dick Marty (fdp, TI), Alt-Bundesrichter Niccolò Raselli (sp) und Nationalrat Christian Dandrès (sp, GE).
Öffentlich Gegensteuer gab der als «Kronzeuge von Justizministerin Karin Keller-Sutter» bezeichnete Strafrechtsprofessor Andreas Donatsch in der Aargauer Zeitung, indem er das PMT weiterhin als verhältnismässig und mit der EMRK vereinbar vertrat. Ihm zu Hilfe kamen KKPKS-Präsident Markus Burkhard ebenfalls in der Aargauer Zeitung und Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle im Sonntagsblick, die erneut betonten, die Polizei sei auf die angedachten erweiterten Kompetenzen für die Terrorprävention angewiesen.
Rund zwei Wochen vor dem Abstimmungssonntag flammte die mediale Debatte um präventive Eingriffe der Polizei, die mit dem PMT zunehmen könnten, nochmals stark auf. Grund dafür waren Hausdurchsuchungen und daraus folgende Verhaftungen von zwei Waadtländer Klimaaktivisten durch die Bundeskriminalpolizei, deren Einsatz laut Tagesanzeiger und Blick persönlich von Karin Keller-Sutter genehmigt worden sei. Der Waadtländer Klimastreik hatte im Sommer 2020 in einem offenen Brief an den Bundesrat einen Militärstreik zugunsten des Klimas gefordert, worauf die Behörden den Aktivisten vorwarfen, zur strafbaren Verweigerung des Militärdienstes aufgerufen zu haben. Die Gegnerschaft des PMT reagierte umgehend auf das Ereignis. So kündete beispielsweise Aline Trede (gp, BE) eine parlamentarische Initiative an, um den Artikel 276 im StGb, welcher öffentlichen Aufrufe zum Ungehorsam gegen militärische Befehle oder zu Dienstverletzungen verbietet, zu streichen. Zudem fand am Samstag des letzten Maiwochenendes in Lausanne eine Demonstration mit rund 2'000 Teilnehmenden gegen das PMT statt. Zur Kundgebung riefen unter anderem der Klimastreik, der feministische Streik, die Juso und die Grünen auf.
In den vor dem Abstimmungstermin publizierten Umfragen wurde das PMT von jeweils rund zwei Drittel der Befragten unterstützt. Die höchste Unterstützung erhielt das PMT unter den Wählenden der bürgerlichen Parteien (SVP, FDP, Mitte und GLP), knappe Nein-Mehrheiten zeigten sich bei den Wählenden der Grünen und der SP. In Bezug auf Inserate in Printmedien verlief der Abstimmungskampf indes äusserst lau. Die Inserateanalyse von APS stellte im Erhebungszeitraum vom 19. April bis zum 6. Juni nur 18 Inserate fest, wovon 13 für und 5 gegen das Gesetz warben.
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