Nachdem er im August bereits einige Teilaspekte bekanntgegeben hatte, stellte der Bundesrat Ende November seine Botschaft zur Totalrevision der Bundesverfassung vor. Den Räten wird die Vorlage in drei Bundesbeschlüssen unterbreitet: Der Nachführung des bestehenden Verfassungstextes und den Reformen von Volksrechten und Justiz.
– Bei ersterer handelt es sich um Anpassungen veralteter Verfassungsbestimmungen an die heutige Verfassungswirklichkeit, die Übernahme grundlegender Bestimmungen auf Gesetzesebene und von ungeschriebenem Verfassungsrecht in die Bundesverfassung sowie die Schliessung von Lücken. Dazu gehören etwa internationale Konventionen zum Schutz der Menschenrechte, oder vom Bundesgericht (BGer) anerkannte ungeschriebene Grundrechte wie das Recht auf Existenzsicherung. Auch die anderen der neu in die Verfassung aufgenommenen Sozialziele enthalten nichts grundlegend Neues. Ausserdem schreibt die neue Verfassung den Vorrang der privaten Verantwortung bei der Sicherung der materiellen Existenz fest.
– Im Vordergrund der Justizreform steht die Entlastung und Stärkung des Bundesgerichts (BGer). Einerseits soll der Gang nach Lausanne eingeschränkt werden, wobei erst das Ausführungsgesetz konkrete Regeln setzen wird. Andererseits wird durch die Einführung der obligatorischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Kantonen, der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene und der Bildung eines Bundesstrafgerichts in den jeweiligen Bereichen eine gerichtliche Vorinstanz eingerichtet. Der Rechtsschutz wird durch die Einführung der Rechtsweggarantie, des unbeschränkten Anspruchs auf Zugang zu einem Gericht, ausgebaut. Durch die Kompetenz des Bundesrats zu einer Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts sollen schliesslich die kantonalen Divergenzen bei der *erichtsorganisation und den Verfahren aufgehoben werden.
– Für den umstrittensten Teil der neuen Verfassung, die Ausgestaltung der Volksrechte, sieht der Bundesrat sowohl Restriktionen wie auch einen Ausbau vor. Die für Volksinitiativen notwendige Unterschriftenzahl soll auf 150'000 (anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen 200'000) erhöht werden. Für das fakultative Gesetzesreferendum sollen neu 100'000 Unterschriften nötig sein. Als Ausgleich ist die Einführung neuer Volksrechte geplant: Durch die allgemeine Volksinitiative erhalten mindestens 100'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone das Recht, in der Form einer allgemeinen Anregung die Annahme oder Aufhebung von Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen zu verlangen. Mindestens acht Kantone können neu eine Initiative für eine Total- oder Teilrevision der Bundesverfassung einreichen. Die Bundesversammlung (BVers) kann für Verfassungs- oder Gesetzesvorlagen Alternativtexte ausarbeiten und sie gemeinsam mit den entsprechenden Volksinitiativen der Volksabstimmung vorlegen. Auch der Entscheid über die Gültigkeit von Volksinitiativen soll neu geregelt werden. Im Konfliktfall wird nicht mehr die Bundesversammlung, sondern das Bundesgericht (BGer) dafür letztinstanzlich zuständig sein. Bei den Referenden ist die Einführung des fakultativen Verwaltungs- und Finanzreferendums geplant. Das fakultative Staatsvertragsreferendum wird auf nicht direkt anwendbare Verträge ausgedehnt, falls diese landesrechtliche Gesetzesanpassungen auf Bundesebene erfordern, welche die Rechtsposition der schweizerischen Bevölkerung betreffen.