Beitritt zur UNO-Antirassismuskonvention und Revision des StGB (BRG 92.029)

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Damit die Schweiz der Konvention der UNO gegen Rassendiskriminierung beitreten kann, ist eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs (StGB) erforderlich. Rassistisch motivierte Körperverletzungen oder der Aufruf zu Gewalt gegen Menschen anderer Hautfarbe sind zwar aufgrund der bestehenden Gesetze strafbar. Andere, subtilere Formen der Diskriminierung können heute jedoch noch nicht geahndet werden. Ende Dezember gab der Bundesrat eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung. Diese sieht im wesentlichen vor, dass die Verbreitung von Theorien, welche die Überlegenheit einer Rasse behaupten, sowie gewisse diskriminierende Handlungen resp. der Aufruf dazu, wie z.B. die Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung, unter Strafe gestellt werden sollen.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Die Vorlage des Bundesrates über den Beitritt der Schweiz zur UNO-Konvention gegen Rassendiskriminierung und die damit verbundene Revision des Strafgesetzbuchs fand in der Vernehmlassung mehrheitlich positive Aufnahme. Die FDP machte allerdings die Einschränkung, dass sie eine Gesetzesrevision nicht für erforderlich halte, da die entsprechenden Delikte aufgrund der bestehenden Normen ausreichend verfolgt werden können. Entschiedene Opposition meldeten hingegen die Schweizer Demokraten (vormals NA) sowie die von Nationalrat Blocher (svp, ZH) präsidierte Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (AUNS) an. Die SD sehen vor allem das Recht auf freie Meinungsäusserung gefährdet, für die AUNS besteht für die Schweiz kein Anlass, UNO-Konventionen beizutreten. Die Überprüfung dieser Einwände führte dazu, dass der Bundesrat die Vorlage entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung im Berichtsjahr noch nicht dem Parlament vorlegen konnte.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Die geplante neue Strafnorm gegen rassistisches und fremdenfeindliches Verhalten verzögerte sich weiter. Da sich die Verwaltung nach eigenem Bekunden mit der Ausformulierung schwer tat, und insbesondere Mühe hatte, einen juristisch einwandfreien Kompromiss zwischen strafbaren Handlungen einerseits und dem Grundsatz der Meinungsäusserungsfreiheit andererseits zu finden, konnte der Bundesrat die Botschaft auch 1991 noch nicht verabschieden.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Der Bundesrat beantragte dem Parlament den Beitritt zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Um der von dieser Übereinkunft verlangten Bestrafung von rassistischen Handlungen zu genügen, schlug er auch eine Ergänzung des Strafgesetzbuchs vor. Damit sollen rassistische Propaganda, öffentliche Aufrufe zu Hass und Diskriminierung sowie rassistisch motivierte Angriffe auf die Menschenwürde bestraft werden. Untersagt wird im weiteren die Verweigerung öffentlich angebotener Leistungen (d.h. insbesondere die Benutzung von Verkehrsmitteln resp. der Besuch von Gaststätten, Hotels oder Veranstaltungen) aus rassistischen Gründen. Protest gegen das Projekt, das in der Vernehmlassung noch recht umstritten gewesen war, kam insbesondere von der "Nationalen Koordination", einer Vereinigung von 17 rechtsextremen Gruppierungen.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Der Nationalrat stimmte in der Dezembersession sowohl dem Beitritt zum Rassendiskrimierungsabkommen als auch der zugehörigen Revision des Strafrechts mit deutlicher Mehrheit zu. Vergeblich hatten die Fraktionen der AP und der SD/Lega die Vorlage als unzulässiges Zensurinstrument bekämpft und Rückweisung beantragt. In der Debatte wurde konkretisiert, dass das Diskriminierungsverbot für öffentlich angebotene Leistungen auf den Abschluss von Anstellungs- und Mietverträgen keine Anwendung finden soll. Als Ergänzung beschloss der Nationalrat die Schaffung einer Ombudsstelle gegen Rassismus und regte beim Bundesrat die Schaffung einer Kommission gegen Rassismus an.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Als Zweitrat stimmte der Ständerat ohne Opposition dem Beitritt der Schweiz zum Internationalen Abkommen von 1965 zur Beseitigung jeglicher Form von Rassendiskriminierung und der dazu erforderlichen Revision des Strafgesetzbuchs zu: In der Schlussabstimmung akzeptierte der Nationalrat dieses neue Antirassismusgesetz bei 13 Gegenstimmen; im Ständerat gab es keine Gegner. Drei verschiedene Referendumskomitees aus dem rechten Lager ergriffen gegen diese Gesetzesrevision das Referendum, welches sie mit insgesamt gut 54'000 Unterschriften einreichten.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Infolge des von politisch rechtsstehenden Kreisen im Vorjahr eingereichten Referendum musste das Volk zum neuen Antirassismusgesetz Stellung nehmen. Der neue Artikel 261bis StGB will die öffentliche rassistische Hetze und Diskriminierung sowie das Leugnen und Verharmlosen von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbieten. Diese Bestimmungen bilden die Voraussetzung für den Beitritt der Schweiz zur Antirassismus-Konvention der UNO.

Dieser Beitritt – der nach nur einen weiteren Schritt zu einer Vollmitgliedschaft bei der UNO darstelle – war denn auch eines der Hauptargumente in der Propaganda der verschiedenen gegnerischen Komitees. Daneben wurde von den Gegnern die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die neuen Gesetzesbestimmungen in den Vordergrund geschoben. Zudem behaupteten sie, dass mit dem neuen Gesetz Massnahmen gegen die Zuwanderung von Ausländern verunmöglicht würden. Aktiv taten sich bei den Gegnern neben notorischen Rechtsaussenpolitikern wie Emil Rahm auch die FP, die SD, die Lega sowie einzelne Nationalräte und Jungpolitiker der bürgerlichen Bundesratsparteien und der LP hervor. Aktiv an der Kampagne beteiligten sich auch sogenannte Revisionisten, d.h. Personen, welche die Judenausrottungspolitik der Nationalsozialisten leugnen oder zumindest relativieren.

Obwohl sich neben den vier Bundesratsparteien auch die LP, der LdU, die EVP, die Grünen, die PdA, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie kirchliche, kulturelle und soziale Organisationen für das Antirassismus-Gesetz aussprachen, waren sich die Befürworter ihres Sieges keineswegs sicher. Insbesondere war ungewiss, inwieweit es den Gegnern gelingen würde, die Abstimmung zu einem Plebiszit für eine restriktivere Asyl- und Einwanderungspolitik umzufunktionieren.

Bei einer Beteiligung von 45,9 Prozent stimmten am 25. September die Stimmberechtigten mit einer Mehrheit von 54.7 Prozent dem neuen Gesetz zu. Am stärksten fiel das Ja im Kanton Genf aus, zustimmende Mehrheiten fanden sich aber auch in allen anderen französischsprachigen Kantonen mit Ausnahme des Wallis, wo nur der deutschsprachige Kantonsteil zustimmte. Die Deutschschweiz war ähnlich gespalten wie bei den Abstimmungen im Sommer über die erleichterte Einbürgerung und den Kulturförderungsartikel: die beiden Basel, Zürich und Bern nahmen die Vorlage zusammen mit Schaffhausen, Zug, Graubünden und - für viele überraschend - Obwalden an. Am stärksten fiel die Ablehnung in Schwyz aus. Generell stimmten die Städte – und hier vor allem die bürgerlichen Quartiere – eher zu als ländliche Gebiete. Die Vox-Befragung nach der Abstimmung bestätigte diese ersten Analysen. Zudem stellte sie fest, dass die Frauen wesentlich deutlicher zustimmten als die Männer. Bei den Nein-Stimmenden verfing das Argument am häufigsten, dass das neue Gesetz überflüssig sei; antisemitische oder rassistische Parolen fanden auch bei den Gegnern nur eine geringe Unterstützung. Eine recht grosse Gruppe wollte hingegen mit dem Nein primär ihre Unzufriedenheit über den hohen Ausländeranteil in der Schweiz ausdrücken.

Antirassismus-Gesetz
Abstimmung vom 25. September 1994

Beteiligung: 45,9%
Ja: 1'132'662 (54,6%)
Nein: 939'975 (45,4%)

Parolen:
– Ja: FDP, SP, CVP, SVP (7*), GP, LP (1*), LdU, EVP, PdA; Vorort, SBV, SGB, CNG.
– Nein: FP, SD, Lega.
– Stimmfreigabe: EDU (1*).
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

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Der Bundesrat setzte die neue Rechtsnorm auf den 1. Januar 1995 in Kraft und gab den Beitritt der Schweiz zur Antirassismus-Konvention der UNO bekannt. Wie er bereits im Abstimmungskampf angekündigt hatte, meldete er dazu zwei Vorbehalte an. Der wichtigere der beiden betrifft die gesetzliche Regelung der Zulassung von Ausländern zum schweizerischen Arbeitsmarkt. Damit will er sich die Möglichkeit freihalten, die Einwanderung aus europäischen und anderen kulturell eng verwandten Staaten bevorzugt zuzulassen.

Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen