Revision des Kartellgesetzes (BRG 01.171)

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Im Herbst gab der Bundesrat den Vorentwurf für eine Teilrevision des Kartellgesetzes in die Vernehmlassung. Dabei hielt er fest, dass sich die 1996 vorgenommen Änderungen bewährt hätten. Störendes Manko sei jedoch, dass unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen nicht wie in der EU oder den USA direkt sanktioniert werden können (je nach erzielten Monopolgewinnen mit Bussen in Millionenhöhe), sondern erst dann, wenn einer entsprechenden Anordnung der Wettbewerbskommission (Weko) keine Folge geleistet wird. Damit können die Wettbewerbsbehörden nicht präventiv wirken. Diese Lücke solle mit der vorgeschlagenen Revision geschlossen werden. Im weiteren beantragte die Regierung, die Weko zu einem kleineren und ausschliesslich aus unabhängigen Experten gebildeten Gremium umzubauen. Die Reaktionen waren überwiegend negativ. Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerorganisationen protestierten gegen den geplanten Hinauswurf aus der zu verkleinernden Weko. Die direkten Sanktionen wurden insbesondere vom Gewerbeverband und von der SVP abgelehnt. Aber auch der Gewerkschaftsbund sprach sich aus der Befürchtung, dass damit die Weko überfordert wäre, dagegen aus. Das Anliegen einer verschärften Sanktionierung von Wettbewerbsbeschränkungen bildete auch den Inhalt einer vom Nationalrat diskussionslos überwiesenen Motion Jans (sp, ZG; 99.3307); der Ständerat stimmte ihr ebenfalls zu. Bereits zu Jahresbeginn hatte sich die Weko für die im Vernehmlassungsentwurf enthaltenen Neuerungen stark gemacht.

Ende 2001 legte der Bundesrat seine Botschaft für eine Teilrevision des Kartellgesetzes vor. Er hielt am Hauptelement, den direkten Sanktionen gegen harte Kartelle und den Missbrauch von Marktmacht fest. Zudem schuf er eine Art Kronzeugenregelung für Unternehmen, welche bei der Aufdeckung von Kartellen helfen. Diesen soll ein Voll- oder Teilerlass der Sanktionen gewährt werden. Auf die in der Vernehmlassung breit kritisierte Umgestaltung der Wettbewerbskommission in eine reine Fachkommission ohne Vertreter der Interessenverbände verzichtete er hingegen.

Als Erstrat nahm der Nationalrat in der Herbstsession die Beratungen über die im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagene Teilrevision des Kartellgesetzes auf. In der Eintretensdebatte zog eine aus Vertretern der SVP gebildete Kommissionsminderheit ihren ursprünglichen Nichteintretensantrag zurück und erklärte, dass sie die ihr nicht genehmen Elemente (vor allem das Verbot von vertikalen Kartellen) in der Detailberatung bekämpfen werde. In dieser Detailberatung setzte sich der Antrag der Kommissionsmehrheit durch, bei patentgeschützten Gütern (z.B. Medikamente) Parallelimporte nicht zuzulassen, aber diese Marktsegmente der Beurteilung durch das Wettbewerbsrecht zu unterstellen, um ein Ausnützen der Monopolsituation zu verhindern. Die SVP hatte gegen diese Unterstellung, welche im ursprünglichen Entwurf des Bundesrats noch nicht enthalten war, vergeblich opponiert. Sie betreffen vor allem die Modalitäten und Zuständigkeiten bei wettbewerbsrechtlichen Verfahren. Bei bloss marken- oder urheberrechtlich geschützten Gütern sind in der Schweiz Parallelimporte erlaubt. In einem Bericht zuhanden der WAK-NR hielt der Bundesrat fest, dass er nicht vorhabe, den Parallelimport von patentrechtlich geschützten Gütern zuzulassen. Heftig umstritten war im weiteren die Schärfe der Bestimmungen bei der Beurteilung von vertikalen Absprachen. Bei derartigen Verpflichtungen zwischen Produzent und Händler wird neu automatisch eine unzulässige Wettbewerbsbehinderung vermutet, wenn sie sich auf Preise und Absatzgebiete beziehen (die Weko hatte zuvor beschlossen, bereits das geltende Gesetz in diesem Sinn zu interpretieren). Eine aus FDP- und SVP-Abgeordneten gebildete knappe Mehrheit konnte verhindern, dass auch Absprachen über exklusive Vertriebssysteme gleich streng beurteilt werden. Weniger erfolgreich war die Linke mit ihrem Versuch, vertikale Absprachen im Büchermarkt (Buchpreisbindung) explizit für zulässig zu erklären, da sie der Erhaltung der kulturellen Vielfalt dienten und damit im öffentlichen Interesse liegen würden (das Bundesgericht bestätigte später in einem Rekursentscheid die bisherige rechtliche Zulässigkeit der Buchpreisbindung).

Da das Echo in der Vernehmlassung vorwiegend negativ ausgefallen war, hatte der Bundesrat auf die ursprüngliche Absicht verzichtet, die Wettbewerbskommission ausschliesslich aus unabhängigen Experten zusammenzusetzen. Der Nationalrat beschloss immerhin, dass Mitglieder der Weko ihre Interessenbindungen in einem Register publizieren müssen. Ein von der Linken eingebrachter Antrag, dass diese während ihrer Amtsdauer keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben dürfen, welche ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte, fand hingegen keine Mehrheit. Bei den Strafbestimmungen, welche als Neuerung die Verhängung von Strafen ohne vorangehende Verwarnung bringen, lehnte der Rat von der SVP-Fraktion und einer Minderheit der FDP unterstützte Anträge für weniger hohe Bussen und für den Verzicht auf eine Kronzeugen- resp. Bonusregelung (Strafmilderung oder -erlass für Kartellmitglieder, welche an der Aufdeckung mitgewirkt haben) ab. Die Gegner dieser im schweizerischen Recht neuen Kronzeugenregelung hatten gewarnt, dass damit ein Klima der Denunziation geschaffen werde. Aber auch ein Antrag der Linken, dass nicht nur fehlbare Unternehmen, sondern auch die Mitglieder ihrer Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen persönlich bestraft werden, fand keine Mehrheit. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Nationalrat die Gesetzesrevision mit 104 zu 42 Stimmen; die Gegenstimmen kamen von der geschlossenen SVP-Fraktion, welche das Gesetz als Angriff auf die KMU bezeichnete, und einigen wenigen Abgeordneten der FDP und der LP. In einer Zusatzbotschaft beantragte der Bundesrat zudem noch die Aufnahme einiger Änderungen, welche sich aus dem mit der EU im Rahmen der bilateralen Verträge 1999 abgeschlossenen Luftverkehrsabkommen aufdrängen.

Bei der Auslegung des zur Zeit noch gültigen Kartellgesetzes beschloss die Wettbewerbskommission eine strengere Praxis, welche Elemente der sich in der Beratung befindenden Gesetzesrevision vorausnahm. Sie teilte mit, dass sie in Zukunft vertikale Abreden (also Absprachen zwischen Produzenten/Lieferanten und Händlern) grundsätzlich als erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs erachten wird, wenn sie sich auf Preise oder auf eine geografische Begrenzung des Verkaufsgebiets beziehen. Erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen sind vom Gesetz verboten, wenn sie sich nicht durch eine Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen.

Vermeintlich im Interesse der Schweizer Kinobranche hatte das Parlament bei der Revision des Filmgesetzes eine Bestimmung ins Urheberrechtsgesetz (URG) aufgenommen, die dazu führte, dass ab August 2002 die bis anhin tolerierten Parallel- und Grauimporte von Spielfilm-DVDs verboten wurden. Damit sollte verhindert werden, dass Filme schon auf DVD erhältlich sind, bevor sie in die Schweizer Kinos kommen. Betroffen sind vor allem US-Produktionen, die in Nordamerika oft viel früher als in Europa im Kino und auf DVD erscheinen. Die Bestimmung führte aber weniger zu einem Schutz der Kinobranche als vielmehr zu einer Abschottung des Marktes. Der Nationalrat hatte bereits im Vorjahr mit einem Postulat darauf hingewiesen. Im Rahmen der Kartellgesetzrevision beantragte die WAK des Ständerates erfolgreich eine Neuformulierung der Bestimmung im URG, die darauf abzielt, einerseits die Kaskadenauswertung für die audiovisuellen Werke zu schützen, andererseits aber den Parallelimport für Videos zu erlauben, sobald der Rechteinhaber selber mit der Videoauswertung seines Werkes begonnen oder dieser zugestimmt hat. Der Nationalrat wählte eine andere Formulierung, die noch klarer zum Ausdruck bringt, dass das Importverbot den Schutz der Kinoauswertung sicherstellen soll, ohne die Tätigkeit des Handels und der Videotheken ungebührlich einzuschränken. Danach dürfen Exemplare von audiovisuellen Werken so lange nicht weiterveräussert oder vermietet werden, als der Urheber oder die Urheberin dadurch in der Ausübung des Aufführungsrechtes beeinträchtigt wird. Der Ständerat stimmte dieser Version zu.
Zum Postulat Sommaruga (Po. 02.3389) aus dem Jahr 2002 zu den Auswirkungen der Revision des Filmgesetztes mit ähnlicher Thematik siehe hier.

Als Zweitrat behandelte der Ständerat die Teilrevision des Kartellgesetzes. In Abweichung vom Nationalrat unterstellte er die nicht eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisenden öffentlichen Stellen, welche als Anbieter und vor allem als Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen auftreten (z.B. Bundesämter), dem Kartellgesetz. Der Bundsrat hatte vergeblich dagegen eingewendet, dass dieser Problembereich im Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen sachgerechter geregelt werden könne. Die kleine Kammer präzisierte im weiteren die Bestimmungen über das vom Nationalrat eingeführte Verbot von vertikalen Kartellen. Gebietsverteilungen in Vertriebsverträgen sollen nur dann unzulässig sein, wenn in diesen Territorien Verkäufe durch Dritte ausgeschlossen werden, d.h. dem Vertreiber durch den Produzenten ein regionales Monopol zugesichert wird. Der Nationalrat schloss sich in beiden Entscheiden der kleinen Kammer an. Da der Ständerat in den übrigen Punkten weitgehend der Version des Nationalrats beigepflichtet hatte, war die Differenzbereinigung rasch erledigt. In der Schlussabstimmung hiess der Nationalrat die Gesetzesrevision mit 127:40 gut, der Ständerat mit 38 zu 4 Stimmen.